5. Evolution des Menschen 1. Die Verwandtschaft des Menschen 1.1Die Primaten: 1.2Vergleich zwischen Menschenaffen und Mensch (vgl. Schroedel S. 428ff) Merkmal Körperhaltung Menschenaffen Menschenartige Wirbelsäule Fortbewegung Fuß Hand Becken Gesichtsschädel Hinterhauptsloch (Lage) Kiefer Zahnlücken (Diastema) Gehirngewicht Im Durchschnitt Schwankungsbreite Merke! Moderne molekularbiologische Methoden (DNA-Hybridisierung; Präzipitinreaktion) zeigen, dass der Mensch mit dem Schimpansen am nächsten verwandt ist. Außerdem scheinen Gorilla, Schimpanse und Mensch näher miteinander verwandt zu sein als der Orang-Utan mit ihnen. Darum stellen manche Forscher Mensch, Schimpanse und Gorilla als Homininae dem Orang-Utan (Ponginae) gegenüber. 2. Vorläufer bzw. Nebenlinien des Menschen (nur Auswahl) Zeitraum/Fundorte 33 Mill. J./ Oase EL Fayum in Ägypten Name/ Abstammung Ägyptopithecus zeucis Merkmale quadriped (vierfüßig); robuster Schädel, 5-yBackenzahnmuster (Abb.4) evtl. Vorfahr der Hominoiden, bzw. Homininae 18 Mill. Jahre/ Dryopithecus africanus quadriped. 5-yKenia in Ostafrika (Proconsul) Backenzahnmuster, wirkt wie Mischung aus Schimpanse, Gibbon, Pavian und Mensch 5-7 Mill. Jahre Orrorin tugensis = vermutl. biped, d. h. aufrecht Kenia „Millenium-man“, da im gehend, sonst aber noch Dezember 2000 gefunden schimpansenähnlich, fällt in die Zeit, in der sich die Entwicklungslinien von Mensch und Schimpanse vermutl. getrennt haben über 6 Mill. Jahre Sahelanthropus tchadensis letzter gemeinsamer Vorfahr Tchad 2001 entdeckt von Schimpanse und Mensch? Mosaik aus menschlichen und äffischen Merkmalen knapp 6 Mill. Jahre Ardipithecus ramidus weiterer Hominide, der als Äthiopien Vorfahr von Mensch und Schimpanse gelten könnte;siehe oben 3,5- 4 Mill. Jahre/ Hadar in Australopithecus biped, d.h. aufrechter Gang., Äthiopien (Lucy): Abb.6 z. B. Australopithecus aber noch lange Arme u. afarensis (Lucy) kleines Gehirn (420 cm3) 3,6 Mill. Jahre/ Laetoli in Australopithecus großer GeschlechtsTansania (Fußabdrücke) : africanus, A. robustus und A. dimorphismus: Abb.7 boisei (letztere beide = w: 1m, 30 kg pflanzenessende Seitenzweige m: 1,50 m, 65 kg mit ausgeprägtem Kiefer und (= Zeichen für Polygamie; Gebiss wegen der harten Konkurrenz unter Männern) Blätternahrung) 2,3-1,6 Mill. Jahre/ Homo habilis + größerer Schädelinhalt (650 Turkanasee; Olduvaischlucht Homo ergaster (2 Mill.) cm3) in Tansania behauene Steine als Werkzeug (Name: habilis) Jüngere „Ausgaben“ des Homo erectus, vermutlich aus weitere Gehirnvergrößerung Homo ergaster, dem Homo ergaster bis 850-1200 cm3 ab ca. 1 Mill. Jahre Funde bis entwickelt, wanderte bis nach Körpergröße gesteigert, nach Europa und Ostasien, d. China und Java aus schlank, lange Beine h. der Homo erectus verließ vor 800 000 Jahren in Spanien Geschlechtsdimorphismus Afrika aufgetaucht verringert (eher Monogamie?) 1, 5 Mill. Jahre Feuernutzung, mehr tierische bis ca. 50 000 Jahre Nahrung, Jagd in Gruppen, bessere Werkzeuge, „Wohnungen“, allmählicher Verlust der Körperbehaarung Verlängerung der Kindheit. 600 000-200 000 Jahre/ Homo heidelbergensis Gehirn: 1100-1300 cm3 Afrika, Europa (600 000 Jahre (vermutl. Homo ergaster „Faustkeilindustrie“, alter Unterkiefer bei Nachfahre) Feuerbenutzung, erste „Zelte“ Heidelberg gefunden) sonst ähnlich dem H. erectus Ab 220 000-30 000 Jahre/ Archaischer Homo sapiens, Neanderthaler: sehr großer entwickelte sich in versch. Schädel (1500 cm 3) Neanderthalerfundorte von Weltregionen in Überaugenwülste, Spanien bis in den Nahen unterschiedlicher Weise aus Gesichtschädel in der Mitte Osten, Koexistenz mit Homo dem Homo erectus; vorspringend, sapiens sapiens In Europa nur eine Linie: vergrößerte Nasenhöhle Homo (sapiens) Kiefer vorstehend, Grund für Aussterben neanderthalensis = Seitenlinie robustes Skelett unbekannt, evtl. zu hoher zum Homo sapiens sapiens, kräftige Muskulatur, Energiebedarf lebte in einigen Gebieten in geringe Körpergröße, Koexistenz zum H. sapiens kürzere Extremitäten (Kälte?) sapiens, evtl. Vermischung, Bestattungsriten, Fürsorge für aber umstritten Kranke und Behinderte ab ca. 150 0000, Homo sapiens sapiens Weitere Größenzunahme des Entwicklung in Afrika aus Gehirns ab 100 000 ausgewandert, dem Homo erectus, bzw. dem Übergang zur kulturellen unsicher ob Vermischungen archaischen Homo sapiens Evolution stattfanden oder nur (out of Africa –Hypothese) Verdrängungen Auch der H. sapiens sapiens wanderte wie der H. erectus aus Afrika aus und verdrängte überall die archaischen Formen, wie z. B. den Homo sapiens neanderthalensis Ursachen der Menschwerdung 1. 2. 3. 4. Erwerb des aufrechten Ganges (Bipedie = Zweibeinigkeit)) Größenzunahme des Gehirns Entwicklung der Hand zur spezialisierten Greif- und Wurfhand Übergang zur kulturellen Evolution Zu 1: Aufrechter Gang und Bipedie Bereits die Hominiden, z. B. die Australopithecinen wie Lucy gingen vor mehr als 3 Millionen Jahren aufrecht, doch das Gehirn war bei ihnen noch sehr klein. Vermuteter Grund für den Übergang zur Bipedie: Wegen klimatischer Veränderungen kam es zu einem Rückgang der Wälder und einer Ausdehnung von Savannen, evtl. spielten auch Gendrift oder geographische Veränderungen durch den ostafrikanischen Grabenbruch eine Rolle. Vermutlich waren nun die Nahrungsquellen weiter verteilt und es mussten größere Strecken zurückgelegt werden. Nach einer Theorie war hierbei die zweibeinige Fortbewegung effektiver, weil energiesparender. Außerdem erhitzte sich der Körper beim Aufrechtgehen evtl. nicht so („Kühlertheorie des aufrechten Ganges“). Zudem wurden die Hände frei zum Tragen von Nahrung (oder auch zum Gebrauch von Werkzeugen oder zum Tragen der Säuglinge). Vermutlich verlief die Evolution über Formen mit verlängerten Schwingarmen, die zunächst den Körper beim Laufen stützten und später zurückgebildet wurden. (vgl. Abb. 8) Zu 2: Größenzunahme des Gehirns Vom Australopithecus afarensis bis zum modernen Menschen verdreifachte sich die Gehirngröße (vgl. Abb. 7). Dies ist eigentlich nur denkbar mit einer Umstellung der Ernährung von weitgehend vegetarischer Nahrung auf fett- und eiweißreiche Nahrung, also auch tierische Nahrung. Umgekehrt muss das größere „energiefressende“ Gehirn auch Selektionsvorteile verschafft haben. Man hielt lange Zeit die Werkzeugherstellung für die treibende Kraft der Gehirnentwicklung, doch rückt man davon in letzter Zeit eher ab, da es auch bei vielen Tieren Werkzeuggebrauch gibt und auch die menschliche Entwicklung trotz Werkzeuggebrauchs ab dem Homo habilis für mehr als 1 Millionen Jahre stagnierte. Heute gehen viele Wissenschaftler davon aus, dass Veränderungen im Sozialverhalten die Gehirnevolution vorangetrieben haben, und zwar: - das Teilen von größeren Aasstücken sowie - Arbeitsteilung beim Gruppenjagen erforderten Koordination und Kooperation, Zusammenarbeit in der Gemeinschaft und auch die Entwicklung von Sprache. Hinzu kommt die Tatsache, dass die zunehmende Gehirngröße und die Beckenveränderungen auf Grund des aufrechten Ganges es erforderten, dass menschliche Babys als physiologische Frühgeburten auf die Welt kommen und eine sehr lange Zeit der Pflege benötigen. Dies mag zur Herausbildung von zumindest zeitweise festen Paarstrukturen und einer einige Jahre dauernden Kooperation und Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau geführt haben. Die zunehmend komplizierter werdenden Sozialstrukturen förderten dann evtl. die Zunahme der Gehirngröße und das Entstehen bzw. Verfeinern von Sprache. Der Anthropologe Ralph Holloway hat allerdings festgestellt, dass auch die kleinen Gehirne der Australopithecinen schon typisch menschliche Strukturen aufweisen: Auch bei ihnen nehmen genau wie beim Menschen und anders als beim Schimpansen der Scheitel- und der Schläfenlappen der Großhirnrinde eine vorherrschende Stellung gegenüber den übrigen Gehirnteilen ein. Auch die „Erfindung“ der menschlichen Sprache scheint nach Holloways Ansicht schon recht lange zurückzuliegen. Er fand schon bei einem Schädel eines Homo habilis den Abdruck einer Broca`schen Windung. (Wir besitzen zwei räumlich und funktionell unterschiedliche Sprachzentren: Das Wernicke-Zentrum und das Broca-Zentrum, wobei sich im Bereich des Broca-Zentrums eine typische Windung der Großhirnrinde ausmachen lässt, die so genannte Broca`sche Windung). Zu 3: Entwicklung der Hand: Die Entwicklung der Hand zur Wurf- und Greifhand hängt mit dem Werkzeuggebrauch und evtl. dem Übergang zur Jagd zusammen. Andererseits gibt es auch Verbindungen zwischen Sprache und „Händigkeit“ (Links- oder Rechtshändigkeit). Die Organisation des Gehirns in rechte und linke Hälfte verlief vermutlich parallel zur Entwicklung der Hand. Allgemeine Bemerkung: Die Evolution des Menschen ist noch keineswegs bis ins letzte Detail geklärt. Neue Funde und Untersuchungsmethoden brachten und bringen in den letzten Jahren immer wieder überraschende Wendungen auf diesem Gebiet. Man muss immer bedenken, dass viele Erklärungen auf Hypothesen beruhen, die durch neuere Erkenntnisse auch ergänzt oder sogar widerlegt werden könnten.