Seminar: Politische Parteien im Wandel SS 2001 Dr. Andreas Ladner Institut für Politikwissenschaft Universität Bern Die Verortung der Parteien im ideologischen Raum Paper zum Referat vom 3.5.2001 Alexandre Keller Inhalt Einleitung .............................................................................................................................. 2 1. 2. 3. 4. Ideologie ........................................................................................................................ 2 1.1. Beschreibungsversuch des Ideologiebegriffs .......................................................... 2 1.2. Ende der Ideologien? .............................................................................................. 3 1.3. Eher Wandel der Ideologien .................................................................................... 3 Das Links-rechts-Schema .............................................................................................. 4 2.1. Beschreibung der Links-rechts-Skala ...................................................................... 4 2.2. Messen und verorten mit der Links-rechts-Skala ..................................................... 4 Tauglichkeit des Links-rechts-Schemas ......................................................................... 5 3.1. Stimmen gegen und für die Links-rechts-Skala ....................................................... 5 3.2. Empirische Befunde ................................................................................................ 6 Literaturverzeichnis .......................................................................................................10 Einleitung Das Thema dieses Papers ist die Verortung von politischen Parteien im ideologischen Raum. Um eine solche Verortung vornehmen zu können, verwendet man meistens das bekannte Links-rechts-Schema1. Dieses wird im Folgenden denn auch zentral sein. Bevor man sich jedoch daran macht, Parteien mit Hilfe dieses Schemas zu positionieren, ist vor dem Hintergrund der „End-of-ideology“-Debatte zu fragen, ob eine ideologische Verortung überhaupt Sinn macht. Im ersten Kapitel gehe ich deshalb einerseits kurz auf die Entideologisierungsthese und andererseits auf die These des Wandels von Ideologien ein. Dabei komme ich zum Schluss, dass Ideologien heute nicht am Ende sind und somit eine Positionierung von Parteien nach ideologischen Gesichtspunkten gerechtfertigt ist. Im zweiten Kapitel stelle ich die Links-rechts-Skala vor. In einem ersten Teil wird sie eher theoretisch beleuchtet. In einem zweiten Teil dann wird sie als empirisches Messinstrument betrachtet. Im dritten Kapitel steht die Frage im Mittelpunkt, ob das Links-rechts-Schema ein taugliches Werkzeug ist, um Parteien, die sich in einem komplexen politisch-ideologischen Raum bewegen, auf einer einzigen Dimension sinnvoll darstellen zu können. Nach einer Auswahl von Argumenten für und gegen die Links-rechts-Achse versuche ich anhand von Studien über das Schweizer Parteiensystem darzulegen, dass diese Achse eine gewisse Erklärungskraft besitzt. 1. Ideologie 1.1. Beschreibungsversuch des Ideologiebegriffs Obwohl der Ideologiebegriff unterschiedlich definiert und uneinheitlich bewertet wird (Schmidt 1995, 409), versuche ich ihn im Folgenden trotzdem knapp und allgemein zu umreissen. Ideologie ist eine Bezeichnung für politische Ideen und Ideengebäude unter Berücksichtigung des Ursprungs, der Struktur, Wahrhaftigkeit oder Fehlerhaftigkeit und des Zusammenhangs mit politisch-gesellschaftlichen Verhältnissen (Schmidt 1995, 409). Im Brockhaus (2000, 103 [Bd. 2]) heisst es weiter, Ideologien seien „weltanschauliche Konzeptionen, die zur Erreichung gesellschaftlicher, politischer Ziele absolut (anderes ausschliessend) gesetzt werden.“ In den Anfängen des schweizerischen Bundesstaates wurden Ideengebäude oder weltanschauliche Konzeptionen (also Ideologien) sicherlich absolut gesetzt: Liberale und Konservative bekämpften sich im Sonderbundskrieg. Die siegreichen Liberalen diskriminierten in der 1 Im Folgenden werden Links-rechts-Schema, Links-rechts-Achse, Links-rechts-Dimension, Links-rechts-Skala und Links-rechts-Gegensatz als gleichbedeutend verwendet. 2 Folge die Konservativen zum Teil, um ihre Ziele zu erreichen (vgl. z.B. Ladner 1999, 227). Wie sieht es aber heute mit Ideologien aus, insbesondere in Bezug auf politische Parteien? 1.2. Ende der Ideologien? Man kann sich fragen, ob es sinnvoll ist, Parteien im ideologischen Raum verorten zu wollen. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg begann man vom Niedergang oder gar vom Ende politischer Ideologien zu sprechen (Schmidt 1995, 409). Drei Gründe werden dafür verantwortlich gemacht: Erstens werden Gesellschaft, Wirtschaft und Politik immer komplexer, zweitens nehmen Bindungen der Bürger an Klassen und Milieus ab und drittens mässigten sich vormals radikale oder extremistische Parteien bzw. Bewegungen (Schmidt 1995, 246). Verschiedene bekannte Autoren unterstützen diese Ansicht. Beispielsweise konstatiert Kirchheimer (1965, 27ff), dass die Catch-all Parteien in Europa in einer Phase der Entideologisierung aufkommen und dass sie ihre tiefere ideologische Durchdringung für eine Ausstrahlung über Klassengrenzen hinweg und für raschen Wahlerfolg opfern. Ein weiterer Vertreter der Entideologisierungsthese ist Bell mit seinem Buch „The End of Ideology“ (1988, 402f): Die Ideologien des neunzehnten Jahrhunderts seien erschöpft, unter den Intellektuellen herrsche Konsens bezüglich politischen Fragen. So werde z.B. der Wohlfahrtsstaat von allen akzeptiert. 1.3. Eher Wandel der Ideologien Im Gegensatz zur Entideologisierungsthese wird heute eher die These des Wandels der Ideologien gestützt (Schmidt 1995, 264) und zudem geht die neuere Sozialwissenschaftliche Forschung davon aus, dass Ideologien allgegenwärtig sind und als Bezugsrahmen zur Wahrnehmung, Deutung und Selbstverortung von Akteuren unentbehrlich sind (Schmidt 1995, 410). Beispielsweise findet es Ware (1996, 17ff) richtig, politische Parteien als Organisationen anzusehen, die Ideologien vertreten und durch diese unterscheidbar sind. Einerseits wandeln sich diese Ideologien mit der Zeit wegen des Wettbewerbs zwischen den Parteien um Wählerstimmen. Dieser Wandel kann mit dem auf Downs zurückgehenden „Spatial competition“Ansatz untersucht werden, z.B. durch eine Inhaltsanalyse von Wahlprogrammen. Andererseits werden die sich wandelnden Ideologien weiterhin durch den geschichtlichen Ursprung der Parteien geprägt, d.h. Teile der ursprünglichen Ideologien sind heute immer noch vorhanden. Diese teilweise Persistenz kann mit von Beymes „Institutional Approach“ untersucht werden: Parteien richten sich hier nicht nur nach der Wählerschaft, sondern werden auch von alten Werten aus der Anfangszeit geleitet. Als konkretes Beispiel für die Schweiz können wir die SPS nehmen: Eine radikale, klassenkämpferische und antimilitärische sozialistische Ideologie wandelt sich zu einer gemässigten 3 Sozialdemokratie, wobei diese aber grundlegende Postulate wie z.B. dasjenige der Gleichheit beibehält (vgl. z.B. Ladner 2000, 2f). Ideengebäude und weltanschauliche Konzepte sind also immer noch wichtig, werden aber nicht mehr absolut gesetzt. Aufgrund dessen kann es also durchaus Sinn machen, politische Parteien im ideologischen Raum zu verorten. 2. Das Links-rechts-Schema Für die Verortung der Parteien im ideologischen Raum wird meistens die Links-rechtsDimension verwendet, welche in diesem Abschnitt charakterisiert werden soll. 2.1. Beschreibung der Links-rechts-Skala Ganz allgemein stellt diese Skala ein Messinstrument zur Erfassung des politischideologischen Spektrums dar (Schmidt 1995, 566). Nun kann man sich fragen, was dieses Schema konkret beinhaltet. Dazu geben Fuchs und Klingemann (1990, 203ff) eine mögliche Antwort. Die Links-rechts-Dimension ist bei ihnen ein abstraktes Prinzip, welches zwei Funktionen ausübt: Erstens dient es den Menschen als Orientierungshilfe, um sich in der komplexen politischen Welt zurechtzufinden. Zweitens erleichtert das Schema die Kommunikation im politischen System. Die politische Realität wird im Links-rechts-Schema reduziert und vereinfacht wiedergegeben. So beinhaltet es eine limitierte Anzahl von binären Bedeutungen. Limitiert heisst dabei, dass es nicht für alles stehen kann, sondern nur gewisse Ansichten einschliesst. Deshalb gehen Fuchs und Klingemann davon aus, dass die Skala hauptsächlich durch den Klassenkonflikt nach Lipset und Rokkan definiert ist. Binär codiert heisst: Es gibt pro Bedeutung immer zwei Ausprägungen, wobei eine mit dem linken und die andere mit dem rechten Pol identifiziert wird. Konkret ist dann die Links-rechts-Dimension mit Bedeutungen wie z.B. progressiv vs. konservativ, Gleichheit vs. Individualismus, Arbeiter/Unterklasse vs. Reiche/Oberklasse oder Kommunismus/Sozialismus vs. Kapitalismus/Liberalismus „angefüllt“. Wenn alle Akteure im politischen System diese Bedeutungen im Links-rechts-Schema übereinstimmend verorten, kann es die zwei oben erwähnten Funktionen erfüllen. In einer empirischen Studie haben Fuchs und Klingemann nachgewiesen, dass dies in Deutschland und Holland in hohem Masse zutrifft, in den USA jedoch weniger. 2.2. Messen und verorten mit der Links-rechts-Skala Die Links-rechts-Dimension ist ein Messinstrument zur Verortung politischer Parteien im ideologischen Raum. In der Literatur finden sich folgende Messmethoden: Erstens sind Befragungen auf verschiedenen Niveaus (Parteiexponenten auf allen Stufen, Wähler/Anhänger, Experten) gebräuch- 4 lich. Zweitens kann man Wahl- und Parteiprogramme einer Inhaltsanalyse unterziehen (Ladner 1999, 220). Drittens gibt es auch Untersuchungen des Abstimmungsverhaltens der Parlamentsabgeordneten (Bochsler 2000, 9f). Schmidt (1995, 564f) gibt eine allgemeine Positionierung von Parteien auf der Links-rechtsDimension für die europäischen Parteiensysteme (von links nach rechts): kommunistische und sozialistische Parteien, Sozialdemokraten, linksliberale bzw. sozial-liberale Strömungen, gemässigte christliche Parteien der Mitte, wirtschaftsliberale Parteien, konservative Parteien sowie Rechts-Parteien und rechtsextreme Gruppierungen. 3. Tauglichkeit des Links-rechts-Schemas Die Links-rechts-Achse ist alles andere als unumstritten. Da stellt sich die Frage, ob sie ein adäquates Messinstrument für die Verortung von Parteien ist. Nachfolgend stelle ich zuerst ein paar Argumente von Gegnern und Befürwortern dar und will dann die Tauglichkeit des Schemas anhand von Schweizer Studien anschauen. 3.1. Stimmen gegen und für die Links-rechts-Skala Ich habe drei Kritiken aus der umfangreichen Literatur herausgegriffen und versucht, ihnen eine befürwortende Stimme entgegenzustellen. Erstens wird eingewendet, dass zur Charakterisierung des politischen Raums eine Dimension wie links - rechts nicht ausreiche (Schmidt 1995, 565). Mit dem Wertewandel vom Materialismus zum Postmaterialismus z.B. entstehe eine neue politische Dimension, welche senkrecht auf der Links-rechts-Achse stehe (Inglehart/Abramson 1994, 336). Dagegen lässt sich mit Fuchs und Klingemann (1990, 228ff) argumentieren, die davon ausgehen, dass sich die Inhalte der Links-rechts-Skala mit der Zeit verändern. Dadurch kann ein modifiziertes Schema eine neue Dimension wie Materialismus vs. Postmaterialismus aufnehmen und abbilden. Allgemein gilt für die Befürworter des Links-rechts-Schemas: Obwohl der politische Raum in Realität mehrdimensional ist und sich nicht auf eine Dimension reduzieren lässt, liefert diese Skala trotz allem eine sehr gute Vereinfachung der politischen Differenzen (Ladner 1999, 220). Eine zweite Kritik bringt Giddens in seinem Buch „Beyond Left and Right“ (1994, 8ff) vor: Die Politik der Sozialisten sei gescheitert, der Konservatismus löse sich auf und der Neoliberalismus sei widersprüchlich. Darum postuliert er eine neue radikale Politik, die eine Mischung aus philosophischem Konservatismus und sozialistischen Werten darstellt, quasi jenseits von links und rechts. Linder (1999, 85ff) dagegen spricht von zahlreichen Belegen, wonach der Links-rechts-Gegensatz die allgemeinste, eindeutigste und in vieler Hinsicht die wichtigste politische Orientierung darstelle. In der Schweiz sei sie erstens die entscheidende Konfliktlinie zwischen den Eliten, zweitens entscheidend für die Interessensaggregierung und Mobili- 5 sierung der Parteien und drittens bleibe die Links-rechts-Skala für die Wählerschaft eine bedeutsame Orientierungsgrösse. Drittens wird auch bemängelt, dass eine Platzierung der westlichen grossen Volksparteien auf der Links-rechts-Achse zu vereinfacht wäre, da sie hinsichtlich ihrer Binnenstruktur und Wählerschaft sehr heterogen seien (Schmidt 1995, 565). Umgekehrt kann man jedoch mit der Links-rechts-Dimension eben diese Heterogenitäten sichtbar machen. Ein Beispiel dafür sind die Varianzen der Selbsteinschätzungen der Kantonalparteipräsidenten und Präsidentinnen der FDP, CVP, SVP,SPS und der Grünen (Ladner, Brändle 1999, 29f) (Grafik 1). Grafik 1: Quartile der Selbsteinschätzungen der Kantonalparteipräsidenten Quelle: Ladner/Brändle (1999, 30) Die ideologischen „Bandbreiten“ der Parteien und Überschneidungen zwischen einzelnen Parteien sind erkennbar. 3.2. Empirische Befunde Aschwanden muss in seiner Seminararbeit „Alternative Konzepte zur Links-Rechts-Achse“ (2000, 15) eingestehen, dass sich die Suche nach solchen Alternativen schwierig gestaltet und dass diese von den betreffenden Autoren oft nur kurz angedeutet werden, ohne wissenschaftlich vertieft zu werden. Deshalb erstaunt es nicht, dass sich empirische Arbeiten zur Verortung von Parteien auf das Links-rechts-Schema abstützen. In diesem Abschnitt sollen Studien über die Schweizer Parteien dargestellt werden. Mit ihrer Hilfe will ich zeigen, dass das Links-rechts-Schema durchaus tauglich sein kann. Zuerst geht es um eine Reihe von Befragungen, die bei Ladner (1999, 221) zusammengefasst sind (Tabelle 1): 6 Tabelle 1: Links-rechts-Verortung der Bundesratsparteien nach verschiedenen Befragungen SP CVP FDP SVP Lokalparteipräsident 1) eigene Lokalpartei eigene Kantonalpartei eigene nationale Partei 3.3 3.2 3.2 6.3 6.5 6.4 6.9 7.2 7.5 7.0 7.3 7.2 Kantonalparteipräsident 2) eigene Kantonalpartei eigene nationale Partei 2.6 2.6 5.4 5.4 6.8 6.8 7.3 7.7 mittlere Parteikader 3) eigene nationale Partei 2.9 5.7 6.4 6.5 Wähler / Anhänger 4) 3.8 5.8 6.1 6.8 Experten 5) 2.6 4.4 6.0 6.3 Anmerkungen: 1) Lokalparteipräsidentenbefragung 1990 (vgl. Geser et al. 1994); 2) Kantonalparteipräsidentenbefragung 1997 (NF-Projekt Ladner/Brändle); 3) Untersuchung der mittleren Parteikader 1988 und 1989 (Sciarini et al. 1994, 110); 4) Analyse Nationalratswahlen 1995 (Klöti, 1998); 5) Huber/Inglehart (1995). Quelle: Abgeänderte Darstellung nach Ladner (1999, 221). Was wir in Tabelle 1 sehen, sind Ergebnisse aus Befragungen von Parteiexponenten auf drei Niveaus, einer Wählerbefragung und einer Expertenbefragung. Allen Orten ging es um eine Links-rechts-Verortung auf einer Zehner-Skala, wobei eins für den linken und zehn für den rechten Pol steht. Die SPS wird durchwegs links positioniert und die drei bürgerlichen Parteien finden wir im rechten Spektrum. Dies führt dazu, dass die Differenzen zwischen den Sozialdemokraten und dem Bürgerblock grösser sind als diejenigen innerhalb dieses Blocks. Ausser bei der Lokalparteipräsidentenbefragung über die eigene nationale Partei ist zudem die Links-rechtsRangfolge SPS, CVP, FDP und SVP gegeben. Was kann man daraus folgern? Einerseits bilden die verschiedenen Befragungen die Realität der Schweizer Politlandschaft recht gut ab. Gemäss Ladner (1999, 221) ist das Parteiensystem klar bipolar. Dies manifestiert sich z.B. darin, dass CVP, FDP und SVP oft ähnliche bürgerliche Positionen vertreten, wogegen die SPS nicht-bürgerlich politisiert. Dieser Umstand wird durch das Links-rechts-Schema vereinfacht aber trotzdem plausibel wiedergegeben. Andererseits können wir auch etwas zu den oben angesprochenen Funktionen der Linksrechts-Achse sagen. Wenn jede Befragung im grossen und ganzen dasselbe Ergebnis liefert, kann man davon ausgehen, dass die Achse sowohl bei den Eliten als auch bei den Massen bekannt ist (Fuchs, Klingemann 1990, 209) und dass kaum Schwierigkeiten entstehen, sich darauf zu verorten (Ladner, Brändle 1999, 28). Dadurch erfüllt das Schema die zwei Funktionen nach Fuchs und Klingemann, nämlich erstens eine Orientierungshilfe im komplexen politischen Raum zu sein und zweitens als Kommunikationsmittel im politischen System zu dienen. 7 Brändle (1999, 14ff) hat die Links-rechts-Positionierungen der Bundesratsparteien 1947 – 1995 anhand einer quantitativen Inhaltsanalyse der Wahlprogramme vorgenommen. Dabei wurde angenommen, dass diesen Programmen bzw. den hervorgehobenen Themen eine Links-rechts-Dimension zugrunde liegt. Entsprechend wurde eine Skala entwickelt, die auf der Zuordnung von je 13 Kategorien zu der Links- bzw. Rechts-Dimension beruht. Die Resultate sind in Grafik 2 abgebildet: Grafik 2: Links-rechts-Verortung der Bundesratsparteien nach Wahlprogrammen 1947 - 95 Quelle: Brändle (1999, 18) Diese Links-rechts-Grafik bildet die Realität wiederum recht gut ab: Erstens sehen wir die SPS, die einem Bürgerblock gegenübersteht. Zweitens können wir die „Sprünge“ in den Kurven, d.h. die programmatischen Verschiebungen der Parteien, mit konkreten Ereignissen verbinden. Beispielsweise machen wir verschiedene Rechtsrutsche aus: Erstens denjenigen der SPS als Eintrittpreis für die Aufnahme in den Bundesrat 1959, zweitens denjenigen der FDP 1983 mit ihrem „Mehr Freiheit, weniger Staat“-Slogan und drittens denjenigen der SVP bei den Wahlen 1995. Auch andere Verschiebungen erscheinen durchaus plausibel. Man sieht: Rein anhand von Wahlprogrammen können die verschiedenen politischideologischen Ausrichtungen von Parteien vereinfacht und verdichtet auf eine Links-rechtsSkala gebracht werden, die als zentrales ideologisches Orientierungsschema quasi den kleinsten gemeinsamen Nenner gesellschaftlicher Konfliktstrukturen ausdrückt (Brändle 1999, 14). Und dies schein auch für die nähere Vergangenheit möglich zu sein, als der Niedergang des Links-rechts-Gegensatzes prophezeit wurde. Interessant wäre es nun, die Programme der Wahlen 1999 zu analysieren, um zu sehen, ob sich das Schema immer noch mit der Realität deckt. Eine weitere Studie ist das von Bochsler berechnete Stimmverhalten im Parlament, welches ein Indikator dafür ist, wie in der Realität politisiert wird (2000, 9ff). Für die Legislaturperiode 8 1995 – 1999 hat er 21 Namensabstimmungen im Nationalrat zu umstrittenen Entscheiden nach der gleichen Methode wie Brändle ausgewertet und ist für die Bundesratsparteien zu folgenden Mittelwerten gekommen (Grafik 3): links - Mitte - Rechts Grafik 3: Links-rechts-Verortung der Bundesratsparteien nach Stimmverhalten im Nationalrat 10 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 -8 -10 6.9 2.7 0.2 SPS CVP FDP SVP -9.2 Quelle: Eigene Darstellung nach den Daten von Bochsler (2000, 13) Auch hier kommt wieder das altbekannte Bild zum Vorschein. Wir erkennen den Graben zwischen der SPS und den drei bürgerlichen Parteien einerseits und die Links-rechtsVerortungen der Parteien Ende der 1990er Jahre andererseits, wobei SPS und SVP die beiden Pole besetzen, die CVP sich in der Mitte positioniert und die FDP rechts derselben. Interessant sind auch die Zahlen für die linksten und rechtesten Nationalräte und Nationalrätinnen (Bochsler 2000, 13). Daraus lassen sich Schlüsse über die Homogenität der einzelnen Fraktionen ziehen. So scheint die SPS sehr geschlossen zu politisieren mit einer Differenz von ca. 3 Punkten zwischen linkstem und rechtestem Sozialdemokrat, wohingegen die bürgerlichen Parteien inklusive SVP mit Differenzen von über 10 Punkten ziemlich heterogen zu sein scheinen. Bei den Mitteparteien CVP und FDP erstaunen uns diese Resultate wenig, dafür umso mehr bei der SVP. Dies könnte aber ein Indiz dafür sein, dass man nicht alle Abgeordneten der Volkspartei pauschal in die rechte Ecke stellen kann. Abschliessend möchte ich folgendes Fazit ziehen: Das Links-rechts-Schema gibt den politisch-ideologischen Raum zweifellos nur vereinfacht wieder. Doch alle Akteure, ob Parteifunktionäre, Wähler oder Experten, kennen dieses Schema und sind in der Lage, sich darauf zu verorten. Zudem stellen wir eine grosse Persistenz der Resultate auf verschiedenen Messniveaus fest. Ich formuliere darum folgende These: Heute gibt es die klaren linken und rechten Ideologien bzw. Politiken weniger als früher, doch als Orientierungshilfe und Kommunikationsmittel hat die Links-rechts-Skala trotzdem noch ihre Berechtigung. 9 4. Literaturverzeichnis ASCHWANDEN, RETO (2000). Alternative Konzepte zur Links-Rechts-Achse. Seminararbeit. Institut für Politikwissenschaft. Universität Bern. BELL, DANIEL (1988). The End of Ideology. Harvard University Press. Cambridge, London. BOCHSLER, DANIEL (2000). Links oder Rechts? Schweizer Bundesratsparteien auf dem ideologischen Messband. Seminararbeit. Institut für Politikwissenschaft. Universität Bern. BRÄNDLE, MICHAEL (1999). Konkordanz gleich Konvergenz? Die Links-rechts-Positionierung der Schweizer Bundesratsparteien, 1947 - 1995. In: Swiss Political Science Review, Jg. 5, Nr. 1, S. 11 – 29. DER BROCKHAUS VON A – Z IN DREI BÄNDEN (2000). F. A. Brockhaus GmbH. Mannheim. (Sonderausgabe für den Weltbild Verlag GmbH. Augsburg.) FUCHS, DIETER; KLINGEMANN, HANS-DIETER (1990). The Left-Right-Schema. In: Jennings, Kent M. et al. (Hrsg.). Continuities in Political Action. Walter de Gruyter. Berlin, New York. S. 203 – 234. GIDDENS, ANTHONY (1994). Beyond Left and Right. The Future of Radical Politics. Polity Press. Cambridge. INGLEHART, RONALD; ABRAMSON, PAUL R. (1994). Economic Security and Value Change. In: American Political Science Review, Vol. 88, No. 2, S. 336 – 354. KIRCHHEIMER, OTTO (1965). Der Wandel des westeuropäischen Parteiensystems. In: Politische Vierteljahresschrift, Jg. 6, H. 1, S. 20 – 21. LADNER, ANDREAS (1999). 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