PH Ludwigsburg, Fakultät 3 Seminar: Projekt X2 – Selbstvertrauen stärken – Ausbildungsreife verbessern P. Jauch/W. Bleher Ausbildungsreife Unsere Recherchen zum Begriff „Ausbildungsreife“ haben zu folgenden Erkenntnissen geführt: Der Begriff „Ausbildungsreife“ ist auch unter Fachleuten ein heißes Eisen. (vgl. Ergebnisse des BIBBExpertenmonitors unter http://www.bibb.de/de/print/21840.htm) In der Öffentlichkeit versteht nahezu jeder etwas anderes darunter. Fachleute sind sich darüber einig, dass „unter Ausbildungsreife allein diejenigen Fähigkeiten und Arbeitstugenden zu zählen sind, die für alle Ausbildungsberufe wichtig sind – gleich, ob es sich um eine besonders anspruchsvolle oder um eine weniger anspruchsvolle Ausbildung handelt.“ (a.a.O. s. 2) Das heißt, jemand kann durchaus ausbildungsreif sein, auch wenn er/sie für einen bestimmten Beruf nicht geeignet ist. D:\75807454.doc 1 PH Ludwigsburg, Fakultät 3 Seminar: Projekt X2 – Selbstvertrauen stärken – Ausbildungsreife verbessern P. Jauch/W. Bleher Das heißt weiter, dass darunter nur solche Fähigkeiten und Tugenden subsumiert werden können, welche schon zu Beginn einer Ausbildung vorhanden sein müssen. Fähigkeiten und Fertigkeiten, die erst während einer Lehre erworben werden sollen und im Ausbildungsplan als Lernziele aufgeführt werden, gehören nicht mehr dazu. Konkret sind dies: D:\75807454.doc 2 PH Ludwigsburg, Fakultät 3 Seminar: Projekt X2 – Selbstvertrauen stärken – Ausbildungsreife verbessern P. Jauch/W. Bleher Es handelt sich also um eine Kombination von Kenntnissen, Fähigkeiten, Einstellungen und Sekundärtugenden, die den erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung erwarten lassen. Entsprechendes findet sich in der Definition des Arbeitskreises Hauptschule: „Wir denken uns „Ausbildungsreife“ als Kombination von Kenntnissen, Fähigkeiten, Motivationen, Wertorientierungen und Einstellungen, die zur dauerhaften Inangriffnahme und zur erfolgreichen Bewältigung der in einer Berufsausbildung (hier: innerhalb des dualen Systems) auftretenden Lern-, Leistungs- und Verhaltensanforderungen erforderlich ist. Ausbildungsreife erweist sich im Erwerb fachtheoretischer, sozialer und methodischer Kompetenzen, aber auch in der erfolgreichen Gestaltung des persönlichen Lebensumfeldes.“ (Arbeitskreis Hauptschule: Perspektiven der Hauptschulbildung. Tagungsbericht Romrod 1995) D:\75807454.doc 3 PH Ludwigsburg, Fakultät 3 Seminar: Projekt X2 – Selbstvertrauen stärken – Ausbildungsreife verbessern P. Jauch/W. Bleher Ausbildungsreife ist gegenüber der Ausbildungsfähigkeit ein dynamischer Begriff, denn Ausbildungsfähigkeit beschreibt einen Status Quo (vgl. GEW: Dokumentation der Fachtagung „Geprüft und für zu schwach befunden?! – Sind Jugendliche trotz vieler neuer Kompetenzen nicht ausbildungsfähig?“, 11. und 12.2.2005 in Berlin-Lichtenberg, S. 46) Aus der Sicht der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist der Begriff der Ausbildungsreife dem Begriff Ausbildungsfähigkeit vorzuziehen, weil Ausbildungsreife auch Reifungs-, Lern- und soziale Anpassungsprozesse einbezieht und auf die Entwicklungsfähigkeit Jugendlicher abhebt. (a.a.O. S. 46) Doch: Kann eine Fähigkeit (z.B. sinnentnehmendes Lesen von Texten) nicht nachträglich erworben werden, wenn sie zu einem bestimmten Zeitpunkt (noch) nicht vorhanden ist? Das heißt, ist nicht auch die Ausbildungsfähigkeit ein dynamischer Begriff? Ausbildungsreife wird laut BA wie folgt definiert: D:\75807454.doc 4 PH Ludwigsburg, Fakultät 3 Seminar: Projekt X2 – Selbstvertrauen stärken – Ausbildungsreife verbessern P. Jauch/W. Bleher D:\75807454.doc 5 PH Ludwigsburg, Fakultät 3 Seminar: Projekt X2 – Selbstvertrauen stärken – Ausbildungsreife verbessern P. Jauch/W. Bleher Die Ausbildungsreife-Merkmale decken sich weitgehend mit den Ergebnissen des „Expertenmonitoring“, allerdings kommen die Physische und psychische Belastbarkeit und die Bewältigung eines 8-Stundentages hinzu. Anmerkung: Diese Merkmale sind kritisch, denn die physische Belastbarkeit ist nicht für jeden Ausbildungsberuf gleichermaßen erforderlich. Aussagen über die Bewältigung eines 8Stundentages lassen sich erst dann machen, wenn die Jugendlichen diese Situation erproben und einüben konnten. behinderte Menschen werden durch diese Kriterien weitgehend ausgeschlossen!!! Hinzu kommt, dass Eignungsaussagen bei der Berufswahl immer in die Zukunft gerichtet sind und damit lediglich eine Prognose über die künftige Leistungshöhe, den Berufserfolg und die berufliche Zufriedenheit sind. Sie sind damit zwangsläufig mit Unsicherheiten behaftet. D:\75807454.doc 6 PH Ludwigsburg, Fakultät 3 Seminar: Projekt X2 – Selbstvertrauen stärken – Ausbildungsreife verbessern P. Jauch/W. Bleher Das Thema „Ausbildungsreife“ gerät immer dann ins Blickfeld der Öffentlichkeit, wenn Ausbildungsplätze knapp sind und die Zahl der unversorgten Jugendlichen mit Ausbildungsplätzen hoch ist. In Phasen des Bewerbermangels ist Ausbildungsreife kein Thema. (vgl. Karen Schober: „Ausbildungsreife“ – Zur Diskussion um ein schwieriges Konstrukt – Erfahrungen der Bundesagentur für Arbeit In: BIBB (Hrsg.): Der Ausbildungsmarkt und seine Einflussfaktoren. Ergebnisse des Expertenworkshops vom 1. und 2. Juli 2004 in Bonn, S. 105-113 sowie KAUSA (Hrsg.): Fachtagung „Fit für die Ausbildung – Können, was Zukunft hat, 31.8-1.9.2004 in Düsseldorf, Workshop 1, S. 89-104) Entsprechend den Ausführungen der GEW wird die Ausbildungsfähigkeit als eine „auf einen konkreten Zeitpunkt bezogene Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, ob ein Jugendlicher den Anforderungen einer Berufsausbildung gewachsen ist“ definiert (Momentaufnahme). „Ausbildungsfähigkeit wird sinnvoller weise in Bezug auf unterschiedliche Ausbildungsniveaus definiert, z.B. Helfer-/Werkerberufe, anerkannte Ausbildungsberufe, Studium („Studierfähigkeit“).“ (a.a.O. S. 106) Ausbildungsreife hingegen „ist ein entwicklungspsychologischer Begriff und bezieht sich auf einen „Reifungsprozess“. Er beinhaltet D:\75807454.doc 7 PH Ludwigsburg, Fakultät 3 Seminar: Projekt X2 – Selbstvertrauen stärken – Ausbildungsreife verbessern P. Jauch/W. Bleher eine Aussage Entwicklung.“ über den erreichten Stand der (a.a.O. S. 106) Traditionelle Definition von Ausbildungs-/ Berufsreife „Berufsreife bezeichnet den Stand der körperlichen, intellektuellen und charakterlichen bzw. seelischen Reife, welche den jungen Menschen sowohl die Erlernung eines auf einer täglichen Lehre aufgebauten Berufs als auch die Eingliederung in das Erwerbsleben ermöglicht, ohne daß die weitere physische und psychische Entwicklung durch die Berufstätigkeit negativ beeinflußt wird.“ (Scharmann; Rutenfranz/Uhlig 1961) Hier wird deutlich auf die Gefahr der Überforderung und möglichen Beeinträchtigung des Jugendlichen durch eine Tätigkeit in einem Betrieb abgehoben. Dieser entwicklungspsychologische Aspekt der Angemessenheit/Überforderungsgefahr für den D:\75807454.doc 8 PH Ludwigsburg, Fakultät 3 Seminar: Projekt X2 – Selbstvertrauen stärken – Ausbildungsreife verbessern P. Jauch/W. Bleher Jugendlichen fehlt in der Regel in neueren Definitionen. Moderne Definition von Ausbildungs-/ Berufsreife Diese Elemente bzw. Basiskompetenzen von Berufsreife weichen deutlich von Ergebnissen des BIBB-Expertenmonitors ab. Außerdem fällt auf, dass Karen Schober in ihrem Beitrag die Begriffe Ausbildungsreife und D:\75807454.doc 9 PH Ludwigsburg, Fakultät 3 Seminar: Projekt X2 – Selbstvertrauen stärken – Ausbildungsreife verbessern P. Jauch/W. Bleher Berufsreife synonym verwendet, während der Arbeitskreis Hauptschule hier klar differenziert. Arbeitsdefinition: Arbeitskreis Hauptschule D:\75807454.doc 10