NiCl2(PPh3)2

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Anorganische Chemie I / HS 2011
A. Mezzetti
KFT
Fragenkatalog III
Aufgabe 1
Der grüne paramagnetische Komplex [NiCl2(PPh3)2] (A) reagiert mit (o-CH3C6H4)MgBr (1
Äquivalent) unter Bildung eines roten, diamagnetischen Komplexes B.
(a)
Welche Formel hat B?
(b)
Ermitteln Sie mittels KFT die Strukturen von A und B!
(c)
Erklären Sie, wieso A und B unterschiedliche Strukturen besitzen!
(d)
Erklären Sie die magnetischen Eigenschaften und Farben von A und B!
L.
(a)
[NiCl2(PPh3)2] + (o-CH3C6H4)MgBr → [NiCl(o-CH3C6H4)(PPh3)2] + MgBrCl
grün
rot
high-spin d8
tetraedrisch
(b)
low-spin d8
planar quadratisch
planarquadratisch
tetraedrisch
b1g, x2–y2
t2 (xy, xz, yz)
!t
10 Dq
b2g, xy
e
(z2,
x2–y2)
a1g, z2
eg, (xz, yz)
paramagnetisch
diamagnetisch
In quadratisch planaren Komplexen ist ΔE zwischen d(xy) und d(x2–y2) gleich 10 Dq (siehe
Huheey S. 470, Tab 11.5). Die Differenz Δt (= 4.45 Dq) < 10 Dq erklärt:
(d) – Farbe: Mögliche Übergänge sind e4t4 → e3t5 (a) für den tetraedrischen Komplex und
eg4a1g2b2g2b1g0 → eg4a1g2b2g1b1g1 (b) für den planar quadratischen Komplex. Übergang b
beansprucht energiereichere Photonen (violettes Licht) als a (rotes Licht). Die Komplexe
besitzen die Komplementärfarbe.
– Magnetische Eigenschaften: siehe Elektronenkonfiguration: A hat 2 ungepaarte Elektronen, B
keine.
(c) Wieso ist [NiCl2(PPh3)2] tetraedrisch und [NiCl(o-CH3C6H4)(PPh3)2] quadratisch planar?
Dafür gibt es (1) elektronische und (2) sterische Gründe.
(1) Planar quadratische Komplexe sind nur in der low-spin-Konfiguration stabil, weil die
Besetzung des energetisch hoch liegenden x2–y2-Orbitals sehr ungünstig wäre (siehe auch MOLCAO). Deshalb existieren keine high-spin planar-quadratische Komplexe! Spin-Paarung tritt
erst ein, wenn die gesamte Feldstärke der Liganden genug gross ist.
In [NiCl(o-CH3C6H4)(PPh3)2] ist der Chloro-Ligand (ein schwach-Feld-Ligand) durch einen
Aryl-Liganden (stark-Feld-Ligand) substituiert worden, was die low-spin quadratisch planare
Struktur begünstigt.
(2) Die tetraedrische Struktur (kleinster Winkel 109.5 °) ist weniger gehindert als die quadratisch planare (kleinster Winkel 90 °). Der Chloro-Ligand ist grösser als ein C-Atom, die
Arylgruppe ist flach und findet zwischen den 2 PPh3-Liganden besser Platz. Daher ist der
sterische Anspruch der Liganden grösser in [NiCl2(PPh3)2] als in [NiCl(o-CH3C6H4)(PPh3)2].
Die sterische Hinderung in [NiCl2(PPh3)2] wird durch die tetraedrische Koordinationsgeometrie
minimiert.
Wichtige Bemerkung: Die Energiewerte in Tab. 11.5 auf S. 470 von Huheey sollen nicht
verwendet werden, um über die relative Stabilität von Komplexen mit verschiedenen Strukturen
zu entscheiden, weil die KFT nur die d-Orbitale berücksichtigt, nicht aber den Beitrag der sund p-Orbitale MO-LCAO später)!
Als Faustregel sollten Sie Folgendes betrachten:
– Die meisten 4d und 5d-Ionen bilden low-spin Komplexe → Ihre d8-Komplexe sind planar
quadratisch.
– d8-Komplexe der 3d-Reihe (Co(I), Ni(II)) sind ein Grenzfall. Mit stark-feld-Liganden sind sie
planar quadratisch, wenn die sterische Hinderung nicht zu gross ist. Sperrige Liganden
begünstigen hingegen tetraedrische Strukturen.
Wenn es um Grenzfälle geht (z: B. [NiX2(PR3)2]) (X = Halogenid; R3 = Alkyl oder Aryl), wird
es nicht verlangt, dass Sie die richtige Struktur a priori (d. h., ohne Angabe von Eigenschaften
der Komplexe) ermitteln! Lassen Sie sich von den Eigenschaften (Farbe, Magnetismus) der
Komplexe leiten (siehe Uebung oben).
Aufgabe 2
Der Komplex K4[Cr(CN)6] (C) kann in wässriger Lösung hergestellt und isoliert werden. Wird
statt K+ das grössere Kation Et4N+ für die Synthese verwendet, so isoliert man den fünfachkoordinierten Komplex (NEt4)3[Cr(CN)5], welcher im Festkörper als eine Mischung von
quadratisch pyramidalen (D) und trigonal bipyramidalen (E) Komplexen existiert. Die
magnetischen Momente der Komplexe betragen 2.82 µb für K4[Cr(CN)6], C bzw. 4.90 µb für
(NEt4)3[Cr(CN)5], D+E.
(a) Zeichnen Sie C, D und E und bestimmen Sie ihre Punktgruppe, Oxidationszahl und
Elektronenkonfiguration des Chrom-Atoms!
L.
L
L
L
Cr
L
4–
L
L
L
C: [Cr(CN)6]4–:
Oh, Cr(II), d4
L
L
Cr
L
3–
L
L
D: [Cr(CN)5]3–:
C4v, Cr(II), d4
L
L
Cr
3–
L
L
E: [Cr(CN)5]3–:
D3h, Cr(II), d4
(b) Verwenden Sie die magnetischen Momenten von C, D und E, um die Anzahl der ungepaarten Elektronen der Komplexe zu bestimmen!
Aus der Spin-only-Formula:
C:
2.82 µb → 2 ungepaarte Elektronen
D + E: 4.90 µb → 4 ungepaarte Elektronen
(c) Skizzieren Sie anhand der Kristallfeldtheorie qualitative Energie-Niveaus von C, D und E,
die mit den magnetischen Eigenschaften von C, D und E im Einklang sind! Dazu
verwenden Sie die passenden Charaktertafeln.
Die Energieniveaus der fünffach-koordinierten Komplexe können aus denen des oktaedrischen
Komplexes C hergeleitet werden:
D3h
C4v
Oh
L
L
L
CrII
L
L
L
L
CrII
L
L
E, [ML5], high-spin d4
µeff = 4.90 BM
L
L
CrII
L
L
L
C, low-spin d4
µeff = 2.82 BM
!o
!3
L
CrII
z
L
t2g
L
x
y
D', high-spin d4
µeff = 4.90 BM
b1 x2–y2
b1 x2–y2
a1 z2
a1 z2
e xz, yz
b2 xy
b2 xy
e xz, yz
!2
!1
t2g
oder
D, high-spin d4
µeff = 4.90 BM
eg
e"
(xz,yz)
L
L
a1'(z2)
e
2
(x –y2, xy)
L
L
Für den quadratischen pyramidalen Komplex sind im Prinzip zwei Strukturen möglich, D (CrAtom oberhalb der tetragonalen Ebene) und D' (Cr-Atom in der tetragonalen Ebene). Obwohl
diese zwei Strukturen zu leicht unterschiedlichen Aufspaltungen der d-Orbitale führen, gilt für
beide – sowohl für C – Folgendes:
Die grösste Ligandenfeldaufspaltung trifft man im oktaedrischen Komplex C. Dies erklärt,
wieso nur A die low-spin d4 Konfiguration besitzt.
In allen fünffach-koordinierten Komplexen (d.h., D, D' und E) sind die Energien der d-Orbitale
in mehr als zwei Sätze aufgespaltet. Die magnetischen Eigenschaften deuten darauf hin, dass
die daraus resultierenden kleineren Aufspaltungen nicht in der Lage sind, Spin-Paarung zu
bewirken.
Hinzu kommt, dass die Gesamtfeldstärke in den fünffach-koordinierten Komplexen kleiner ist
als in C, weil die Zahl der Liganden kleiner ist.
(d) Wieso ist C weniger stabil als K4[Fe(CN)6]? (Hinweis: Betrachten Sie die Elektronenkonfiguration beider Komplexe!)
[CrII(CN)6]4–
low-spin d4
[FeII(CN)6]4–
low-spin d6
Die Ligandenfeldstabilisierungsenergie ist grösser für low-spin d6 als für low-spin d4!
(e) Es wird angenommen, dass D und E durch CN–-Dissoziation aus C gebildet werden. Die
Dissoziation soll durch die Ähnlichkeit der Energien der low-spin und high-spin
Elektronenkonfiguration von C begünstigt werden:
eg
eg
!o
C, low-spin d4
(Grundzustand)
t2g
!o
C', high-spin d4
(angeregter Zustand)
t2g
Mögliche Erklärung:
Wenn die Energien der low-spin und high-spin Elektronenkonfiguration von C ähnlich sind,
kann C ohne grossen Energieaufwand in den angeregten Zustand C' übergehen.
Im angeregten Zustand C' ist aber der Komplex wesentlich weniger stabil, weil die LFSE
geringer ist.
Man kann sich auch die Auswirkung auf die M–L-Bindungen folgendermassen vorstellen: Das
Elektron in einem der eg-Orbitale schwächt die entsprechende M–L-Bindung. Nach dem KFTModell, sind zwei negative Ladungen (das Elektron und der Ligand als "Punktladung") zu nah
bei einander. (Eine überzeugendere Erklärung werden wir im MO-LCAO besprechen.)
Demzufolge kann C mit kleinem Energieaufwand über den angeregten zustand C' dissoziieren.
Aufgabe 3
Ein vergesslicher Student hat Na3[CoF6] und [Co(NH3)6]Cl3 hergestellt und vergessen, die
Kolben zu beschriften. Einer der Komplexe (F) ist orange und diamagnetisch, der andere blau
und hat ein magnetisches Moment von 5.0 µb (G).
Zeichnen Sie passende Energieniveauschemata (mit Angabe der Elektronen!) für F und G.
Ordnen Sie die Komplexe zu und erklären Sie ihre magnetischen Eigenschaften und Farbunterschiede anhand der KFT!
L. Der orange-gelbe Komplex F absorbiert blau-violettes Licht (400-450 nm, 22 000–25 000
cm–1), der blaue Komplex G absorbiert oranges Licht (ca. 670 nm, 15 000 cm–1) (Komplementärfarbe):
Somit absorbiert F höhere Frequenzen als G. Dies zeigt, dass F ein grösseres Δo hat als G,
was im Einklang mit dem Diamagnetismus von F ist (grosses Δo → low spin). Somit ist F
[Co(NH3)6]Cl3, der Komplex mit dem Liganden mit dem stärkeren Feld. Der blaue
Komplex G mit dem kleinerem Δo ist high-spin d6 und somit paramagnetisch. Δo ist im
[CoF6]3– kleiner als im [Co(NH3)6]3+, weil Fluoro ein schwächeres Ligandenfeld hat als
Amin.
Schematische Darstellung für Co(III) (d6):
eg (z2, x2–y2)
eg (z2, x2–y2)
!o klein
!o gross
t2g (xy, xz, yz)
paramagnetisch
t2g (xy, xz, yz)
diamagnetisch
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