Labor Physik und Photonik Labor zur Vorlesung Physik Versuch 8: Gravitation 1. Zur Vorbereitung Die folgenden Begriffe sollten Sie kennen und erklären können: Gravitationsgesetz, Gravitationswaage, gedämpfte Torsionsschwingung, Torsionsmoment, Drehmoment, Dämpfungskonstante, Schwingungsdauer, logarithmisches Dekrement 2. Theoretische Grundlagen 2.1 Gravitation Zwischen zwei beliebigen materiellen Punkten mit den Massen m1 und m2 wirkt eine anziehende Kraft, die Gravitationskraft FG, deren Größe von der Größe der Massen sowie von deren Abstand s abhängt. (G1) FG = G m1 m2 s2 G = Gravitationskonstante Isaac Newton fand dieses Gravitationsgesetz im Jahre 1666 und war damit erstmals in der Lage, die Bewegung eines vom Baum fallenden Apfel ebenso zu beschreiben wie die Bewegung der Planeten um die Sonne. Die Gravitation ist somit eine von nur 4 bekannten fundamentalen Wechselwirkungen. Die anderen sind die elektromagnetische, die starke und die schwache Wechselwirkung. Die beiden letztgenannten treten zwischen den Bausteinen der Atomkerne und den Elementarteilchen auf. Die Größe der anziehenden Gravitationskraft wird nicht nur von der Größe der Massen und deren Abstand sondern auch durch die Proportionalitätskonstante G bestimmt. Diese Gravitationskonstante ist so klein, dass zwischen zwei 1 kg schwere Massen, die 1 m voneinander entfernt sind, nur eine anziehende Kraft von ca. 7 · 10-11 N wirkt. So gelang es erst dem englischen Physiker Cavendish im Jahre 1798, die Gravitationskonstante g mit einer speziellen Drehwaage, der sog. Gravitationswaage (siehe 3.1), zu bestimmen. Die Bestimmung der Gravitationskonstante mit Hilfe der Gravitationswaage ist Inhalt diese Laborversuchs. 68611693 Seite 1 von 7 Stand: 14.05.2016 Labor Physik und Photonik Versuch 8: Gravitation 3. Gerätebeschreibung 3.1 Die Gravitationswaage Die Gravitationswaage besteht aus einer waagerechten dünnen Stange, an deren Enden jeweils eine kleine kugelförmige Masse (m1) befestigt ist. Die Stange ist an einem dünnen, vertikalen Draht, der mit einem kleinen Spiegel starr verbunden ist, drehbar aufgehängt. Die Periodendauer dieses Torsionsschwingers beträgt einige Minuten!! Dieser sehr empfindliche Teil der Waage ist durch ein transparentes Kunststoffgehäuse gegen Luftbewegung geschützt. Drehfaden große Kugel Kleine Kugel Direkt unterhalb dieses Gehäuses ist eine zweite Stange (Träger) um dieselbe Achse drehbar befestigt. Diese Stange enthält an ihren Enden jeweils eine große Bleikugel der Masse m 2, die deutlich größer als m1 ist. Stehen beide Stangen senkrecht zueinander, so heben sich die Gravitationskräfte aller vier Massen gegenseitig auf. Der Drehfaden ist nicht verdrillt, die Waage ist im Gleichgewicht. Lenkt man die Stange mit den großen Kugeln soweit um, dass sich auf beiden Seiten ein definierter, kleiner Abstand zwischen großen und kleinen Kugeln einstellt, so heben sich die Gravitationskräfte nicht mehr auf. Die Kräfte zwischen den Massen am linken und am rechten Ende sind vielmehr gleich groß und im gleichen Drehsinn zur Achse gerichtet. Da die Stange mit den großen Kugeln fixiert ist, entsteht ein Drehmoment auf die Stange mit den kleinen Kugeln. Der Aufhängefaden verdrillt sich so lange bis das Drehmoment auf Grund der 68611693 Seite 2 von 7 Stand: 14.05.2016 Labor Physik und Photonik Versuch 8: Gravitation Gravitation gleich dem Torsionsmoment des Aufhängefadens ist. Da es sich bei den am Faden aufgehängten Massen um ein Torsions-Schwingungssystem handelt, findet die Bewegung zur neuen Gleichgewichtslage in Form einer gedämpften Schwingung statt. Die Bewegung der Stange mit den kleinen Massen wird mittels eines Laserstrahls, der auf den Spiegel gerichtet ist, mehrfach vergrößert auf einer Skala an der Wand abgebildet und kann dort beobachtet werden. 3.2 Messmethoden Die Gravitationskonstante kann mit der Gravitationswaage auf zwei Arten bestimmt werden: 1. Endausschlagsmethode: Ist die gedämpfte Schwingung nach Verdrehen der großen Massen abgeklungen, so befindet sich die am Drehfaden aufgehängte Stange mit den kleinen Massen in einer neuen Gleichgewichtslage, in der das Moment aufgrund der Gravitationskräfte M gleich dem Torsionsmoment MT des Fadens ist. Bei bekanntem Torsionsmoment kann also das Gravitationsmoment und daraus die Gravitationskraft ermittelt werden. Das Torsionsmoment ergibt sich aus dem Verdrehwinkel und der Winkelrichtgröße des Fadens. Die Winkelrichtgröße wiederum kann aus der Schwingungsdauer und Dämpfung der gedämpften Schwingung ermittelt werden. 2. Anfangsbeschleunigungsmethode: Direkt nach dem Verdrehen der großen Massen, ist der Torsionsfaden noch unverdrillt. Dem Moment auf Grund der Gravitationskräfte wirkt noch kein Torsionsmoment entgegen. Das Moment führt ausschließlich zur Drehbeschleunigung der am Faden aufgehängten kleinen Massen. Erst mit zunehmender Verdrehung des Fadens steigt das Torsionsmoment an. Der neue Gleichgewichtszustand ist erreicht, wenn beide Momente gleich sind. Aus der Anfangsbeschleunigung jedoch kann direkt das beschleunigende Moment und daraus die beschleunigende Kraft ermittelt werden. 68611693 Seite 3 von 7 Stand: 14.05.2016 Labor Physik und Photonik Versuch 8: Gravitation 3.3 Geometrische Überlegungen m1.1 , m1.2: Massen der kleinen Kugeln m2.1 , m2.2: Massen der großen Kugeln s0: definierter Abstand zwischen kleinen und großen nach dem Auslenken der großen Kugeln b: Auslenkwinkel des dünnen Stabes aus der Ruhelage Wirkende Gravitationskräfte: Grundsätzlich wirkt jede der beteiligten Massen auf alle anderen Massen anziehend. Allerdings werden die Kräfte zwischen m1.1 und m1.2 sowie zwischen m2.1 und m2.2 durch die Verbindungsstangen aufgenommen. Die weiteren Gravitationskräfte führen zu einem Drehmoment auf die Stange mit den kleinen Massen. Dabei wirken die Kräfte von m2.1 auf m1.1 und von m2.2 auf m1.2 rechtsdrehend, die Kräfte von m2.1 auf m1.2 und von m2.2 auf m1.1 linksdrehend. Die zweitgenannten Kräfte sind auf Grund des größeren Abstandes deutlich kleiner. Das Gesamtdrehmoment ergibt sich zu: (Gl.2) M 2(F1 r F2 r sin ) Setzt man die Gravitationskräfte nach (Gl.1) ein und beachtet, das m1.1 = m1.2 = m1 und m2.1 = m2.2 = m2 ist, so erhält man nach einigen Umstellungen für das durch die Gravitation verursachte Moment: (Gl.3) M =G 2 r m1 m2 1 - sin3 2 s0 Hierbei wird angenommen, dass die Bewegung der kleinen Kugeln klein ist gegenüber dem definierten Abstand s0 und somit das aufgrund der Gravitation wirkende Drehmoment konstant angenommen werden kann. Der Winkel kann aus der Gerätegeometrie (r und s0) ermittelt werden. 68611693 Seite 4 von 7 Stand: 14.05.2016 Labor Physik und Photonik Versuch 8: Gravitation 3.3 Winkelrichtgröße und gedämpfte Schwingung Zur Bestimmung der Gravitationskonstante muss das rücktreibende Torsionsmoment MT des Fadens bekannt sein. Diese ergibt sich aus der Winkelrichtgröße c* und dem Verdrehwinkel End des Fadens zu: (Gl.4) MT = c * End Die Winkelrichtgröße c* des Fadens ist nicht konstant und muss bei jedem Versuch aus der Beobachtung der gedämpften Torsionsschwingung bestimmt werden. Für die Kreisfrequenz d einer gedämpften Torsionsschwingung gilt: (Gl.5) 2 d = 4 2 c* 2 - 2 J Td Td2 Hierbei ist Td die Periodendauer der gedämpften Schwingung, J das Massenträgheitsmoment der Achse der kleinen Massen und das logarithmische Dekrement. kann aus Beobachtung aufeinander folgender Maximalamplituden der gedämpften Schwingung ermittelt werden: (Gl.6) ln yˆ i yˆ i +1 Nach Umformung ergibt sich die Bestimmungsgleichung für die Winkelrichtgröße des Torsionsfadens zu: (Gl.7) 68611693 * c = 2 m1 r 2 T 2 d 4 2 + 2 Seite 5 von 7 Stand: 14.05.2016 Labor Physik und Photonik Versuch 8: Gravitation 4. Versuchsdurchführung 4.1 Endausschlagmethode Aus dem aufgenommenen Schwingungsdiagramm werden die Schwingungsdauer der gedämpften Schwingung Td und das logarithmische Dekrement ermittelt und daraus die Winkelrichtgröße c* des Fadens bestimmt. Bei der Ermittlung der neuen Nulllage ΘEnd ist zu beachten, dass durch die Abbildung mit Hilfe eines Spiegels der Lichtpunkt an der Wand um den doppelten Verdrehwinkel des Fadens wandert. Ist der Abstand Spiegel - Wand l so gilt. (Gl.8) End s 1 arctan max 2 l Im neuen Gleichgewicht sind Torsionsmoment des Fadens und Drehmoment aufgrund der Gravitation betragsmäßig gleich groß: (Gl.9) MT = c * End (Gl.10) G= 68611693 M G 2 r m1 m2 1 - sin3 2 s0 c * End s0 2 2 r m1 m2 1 - sin3 Seite 6 von 7 Stand: 14.05.2016 Labor Physik und Photonik Versuch 8: Gravitation 4.2 Beschleunigungsmethode Das von der Gravitation verursachte Moment führt zur Drehbeschleunigung der Achse mit den kleinen Massen. Es gilt: (Gl.11) M G 2 r m1 m2 1 - sin3 = J 2 s0 Die Drehbeschleunigung kann aus der Beschleunigung a des Lichtpunktes auf der Skala ermittelt werden (s(t²)-Diagramm liefert die Steigung a/2). Wiederum muss zusätzlich die Verdopplung des Winkels beachtet werden.. (Gl.12) a 2l Somit kann die Gravitationskonstante aus folgender Gleichung bestimmt werden: (Gl.13) r s0 2 a G 2l m2 1 - sin3 5. Arbeitsprogramm Finden Sie in der Excel-Datei Gravitation.xls 6 Literatur 1. Hering,Martin,Stohrer; Physik für Ingenieure; VDI-Verlag 2. Bergmann,Schäfer; Band 1, Mechanik, Akustik, Wärme; Walter de Gruyter-Verlag 3. Falk,Ruppel; Mechanik, Relativität, Gravitation; Springer-Verlag 4.Hauger,Schnell,Gross; Technische Mechanik 3; Springer-Verlag 68611693 Seite 7 von 7 Stand: 14.05.2016