KAPITEL 1 Vollständige Induktion Prinzip der vollständigen Induktion (Klassische Version) Es sei A(n) eine Aussage abhängig von n ∈ N. Gilt (i) A(1) ist wahr. (ii) Für alle n ∈ N gilt A(n) ⇒ A(n + 1). dann ist A(n) für alle n ∈ N wahr. Anwendungen: a) Für jedes n ∈ N ist n3 + 2n durch drei teilbar. b) (Achtung Falle): Für jedes n ∈ N ist 1 + n! gerade. IA: 1 + 1! = 2. IA: Sei 1 + n! gerade. IS: 1 + (n + 1)! = 1 + n!(n + 1) = 1 + n!n + n! = (1 + n!) + |1 · 2 · {z . . . n · n} | {z } gerade gerade nach IA c) Wohlordnungsprinzip: Jede nichtleere Teilmenge von N hat ein minimales Element. Satz 1.1. Das Prinzip der vollständigen Induktion ist äquivalent zum Wohlordnungsprinzip. Variante I Es sei A(n) eine Aussage, abhängig von n ∈ Z. Weiter sei n0 ∈ Z. Gilt (i) A(n0 ) ist wahr. (ii) Für alle n ≥ n0 gilt A(n) ⇒ A(n + 1). dann ist A(n) für alle n ≥ n0 wahr. Anwendung: Für alle n ≥ 4 ist 2n ≤ n!. Variante II Es sei A(n) eine Aussage abhängig von n ∈ N. Gilt (i) A(1) und A(2) sind wahr. (ii) Für alle n ∈ N gilt A(n) ∧ A(n + 1) ⇒ A(n + 2) dann ist A(n) für alle n ∈ N wahr. Anwendung: (Aus dem Staatsexamen Herbst 2014:) Für die Folgeglieder fn n der Fibonaccifolge gilt fn ≥ 94 32 . Variante III Es sei A(n) eine Aussage abhängig von n ∈ N. Gilt (i) A(1) ist wahr. (ii) Für alle n ∈ N gilt A(1) ∧ A(2) ∧ · · · ∧ A(n) ⇒ A(n + 1). 4 dann ist A(n) für alle n ∈ N wahr. Anwendung: Ist pn die n-te Primzahl (der größe nach geordnet), dann gilt n−1 p n ≤ 22 . Beispiel für eine exotische Variante Es sei A(n) eine Aussage, abhängig von n ∈ N. Gilt (i) A(2) ist wahr. (ii) Für alle n ∈ N gilt A(n) ⇒ A(n − 1). (iii) Für alle n ∈ N gilt A(n) ⇒ A(2n). dann ist A(n) für alle n ∈ N wahr. Anwendung: Es seien a1 , a2 , . . . , an positive reelle Zahlen, dann gilt: √ a1 + a2 + · · · + an n . a1 a2 · · · an ≤ n Übung: Diskussion: Es sei A(n) eine Aussage, abhängig von einem Parameter n ∈ N. a) Es gelte: (i) A(1) ist wahr. (ii) Für alle n ∈ N gilt A(n) ⇒ A(2n). (iii) Für alle n ∈ N gilt A(n) ⇒ A(3n). Folgt aus (i), (ii) und (iii), dass A(n) für alle n ∈ N wahr ist? b) Es gelte: (i) A(1) ist wahr. (ii) Für alle n ∈ N gilt A(n) ⇒ A(n + 2). (iii) Für alle n ∈ N gilt A(n) ⇒ A(2n). Folgt aus (i), (ii) und (iii), dass A(n) für alle n ∈ N wahr ist?