FRANZ KAFKA UND ROBERT WALSER Mednarodni simpozij/Internationales Symposium – Maribor 19. - 20. 6. 2008 Kraj prireditve/Tagungsort: Univerzitetna knjižnica/Universitätsbibliothek PROGRAM/PROGRAMM ČETRTEK/DONNERSTAG, 19. junij/Juni 2008 9.00 Svečana otvoritev/Feierliche Eröffnung Prostor/Raum: Glazerjeva dvorana 9.00-9.30 Pozdravne besede/Begrüßungsworte SEKCIJA/SEKTION 1 Prostor/Raum: Glazerjeva dvorana Razpravo bo vodila/Diskussionsleitung: Neva Šlibar SEKCIJA/SEKTION 2 Prostor/Raum: Učilnica Brede Filo Razpravo bo vodila/Diskussionsleitung: Maria Luise Caputo-Mayr 9.30 Karl Pestalozzi (Basel) Franz Kafka „Der plötzliche Spaziergang“ (aus „Betrachtung“ 1912) und Robert Walser „Der Spaziergang“ (1917) (Abstract) 10.00 Ulrich Stadler (Zürich) Brauchbar zu nichts und für niemanden? Robert Walsers und Franz Kafkas Prosastücke „Das Kätzchen“ und „Eine Kreuzung« (Abstract) 10.30 Elmar Locher (Verona) Topologien labyrinthischen Schreibens. Zu Robert Walsers „Minotaurus“-Text und Franz Kafkas „Der Bau“ (Abstract) 10.00 Amalija Maček (Ljubljana) Auf der Landkarte liegen. Zu Franz Kafka und Ilse Aichinger (Abstract) 10.30 Renata Cornejo (Usti nad Labem/Bamberg) „Mein Schreiben verdanke ich Kafka. (…) Er ist das Maß“. Franz Kafka im Werk von Libuše Moníková (Abstract) 11.00-11.30 Odmor /Pause Razpravo bo vodil/Diskussionsleitung: Ulrich Stadler Razpravo bo vodil/Diskussionsleitung: Hans Höller 11.30 Beatrice Sandberg (Bergen) Kafka – Walser – Bichsel (Abstract) 11.30 Maria Luise Caputo-Mayr (Temple University) Kafka als Jurist und Techniker und die Spuren im Werk (Abstract) (Abstract) 12.00 Steve Dowden (Boston) 12.00 Zoltán Szendi (Pécs) Kafka, Walser und die Wiener Ästhetik Über die Botschaft, die nie ankommt. (Abstract) Zur Deutung von zwei Parabeln Franz Kafkas (Abstract) 12.30 -14.30 Odmor za kosilo/Mittagspause Razpravo bo vodil/Diskussionsleitung: Karl Pestalozzi Razpravo bo vodil/Diskussionsleitung: Fernando Magallanes 14.30 Bettina Rabelhofer (Gradec/Graz) Zeigelust und Blickaskese. Zur Phänomenologie des Blicks in Franz Kafkas Romanfragment „Das Schloß“ und Robert Walsers Tagebuchroman „Jakob von Gunten“ (Abstract) 14.30 Irena Światłowska Predota (Wrocław) Zur Rezeption Franz Kafkas in Polen (Abstract) 15.00 Peter Rusterholz (Bern) Der Tagtraum als Imaginationsmodell des Schreibens bei Franz Kafka und Robert Walser (Abstract) 15.00 Mirko Križman (Maribor) Beiträge über Franz Kafka in vier literaturgeschichtlichen Büchern (Umfang und Akzente) (Abstract) 15.30 Hans Höller (Salzburg) Franz Kafka und Peter Handke (Abstract) 16.00 – 16.30 Odmor/Pause Razpravo bo vodil/Diskussionsleitung: Steve Dowden Razpravo bo vodil/Diskussionsleitung: Dariusz Komorowski 16.30 Gonçalo Vilas Boas (Porto) Franz Kafka und Robert Walser gucken in den Himmel: Einige aviatische Texte (Abstract) 16.30 Leena Eilittä (Helsinki/Mainz) Die visuelle Narrativität bei Kafka und Walser (Abstract) 17.00 Sabine Gölz (Iowa) Schreiben, was sich nicht schreiben lässt: Überlegungen zur Funktion räumlicher Textanordnung in Handschriften von Franz Kafka und Robert Walser (Abstract) 17.00 Štefan Vevar (Ljubljana) Ein Typologisierungsversuch der aktuellen slowenischen literarischen Übersetzungen am Beispiel der Übertragungen von Kurzgeschichten Kafkas (Abstract) 17.30 Hans-Joachim Jakob (Siegen) Franz Kafka und Robert Walser. Ein Forschungsüberblick (Abstract) 17.30 Dejan Kos (Maribor) Kafka aus systemtheoretischer Perspektive (Abstract) 18.00 Sprejem/Empfang 20.00 Literarni večer/Lesung: Cvetka Lipuš (Jazz Club Satchmo) PETEK/FREITAG, 20. junij/Juni 2008 SEKCIJA/SEKTION 1 Prostor/Raum: Glazerjeva dvorana Razpravo bo vodila/Diskussionsleitung: Sabine Gölz SEKCIJA/SEKTION 2 Prostor/Raum: Učilnica Brede Filo Razpravo bo vodila/Diskussionsleitung: Irena Światłowska Predota 9.00 Ekkehard W. Haring (Dunanj/Wien) „Angst, verrückt zu werden …“ Über das Nahverhältnis der Literatur zu Heilanstalten (Abstract) 9.00 Christa Gürtler (Salzburg) Gehen als Erzählstrategie. Robert Walser und Elfriede Jelinek (Abstract) 9.30 Kerstin Gräfin von Schwerin (Hamburg) „Eine reizende, kugelrunde Null“. Zur Poetik des Kleinseins bei Walser und Kafka (Abstract) 9.30 Fernando Magallanes (Sevilla) Robert Walser, ein lange vergessener Autor (Abstract) 10.00 –10.30 Odmor/Pause Razpravo bo vodila/Diskussionsleitung: Beatrice Sandberg Razpravo bo vodila/Diskussionsleitung: Renata Cornejo 10.30 Barbara di Noi (Pisa und Cassino) Walsers Einfluss auf Kafkas Roman Amerika (Abstract) 10.30 Dariusz Komorowski (Wrocław) Robert Walser im intellektuellen Kräftefeld der Zwischenkriegszeit in der Schweiz (Abstract) 11.00 Neva Šlibar (Ljubljana) Unerbittliche Märchenprinzessinnen. Robert Walsers Märchenspiele und Elfriede Jelineks Prinzessinnendramen (Abstract) 11.00 Irena Samide (Ljubljana) Traumwelten in der Schule: Walser und Kafka im Vergleich (Abstract) 11.30 Vesna Kondrič Horvat (Maribor) Robert Walser und Franz Kafka im transkulturellen Dialog (Abstract) 13.00 Mittagessen 15.00 Stadtbesichtigung Pridržujemo si pravico do sprememb, zato prosimo, da pred začetkom simpozija podatke še enkrat preverite. / Änderungen vorbehalten - daher ersuchen wir Sie sich vor dem Beginn des Symposiums nochmals zu informieren. Jezik simpozija je nemščina. / Tagungssprache ist Deutsch. PESTALOZZI, Karl (Universität Basel) Franz Kafka „Der plötzliche Spaziergang“ (aus „Betrachtung“ 1912) und Robert Walser „Der Spaziergang“ (1917) Abstract Für Robert Walser war das Spazierengehen ein beliebtes Thema, das in seinen Texten vielfach wiederkehrt, schon im ersten Roman „Geschwister Tanner“, aber auch in zahlreichen Prosastücken. Das längste ist das „Der Spaziergang“ betitelte, das 1917 separat erschien. Man kann den Spaziergang als die Walser am meisten gemäße Lebensform bezeichnen, in gewissem Sinne ist er auch das Gestaltungsprinzip seiner Texte. Kafkas Figuren fehlt dagegen in den meisten Fällen die Freiheit, welche das Spazierengehen voraussetzt, sie bleiben vielfach eingeschlossene. Umso einzigartiger ist das frühe, kurze Prosastück „Der plötzliche Spaziergang“, das in nur zwei Sätzen einen Aufbruch ins Freie erzählt. Es ist auch insofern ein Unicum in Kafkas Werk, als es mit einer optimistischen Pointe endet. – Ausgehend von einer eingehenden Interpretation dieses Prosastücks möchte ich versuchen, anhand des Motivs des Spaziergangs das Verhältnis zwischen Kafka und Robert Walser erneut und vielleicht auch genauer zu bestimmen, als ich es vor Jahren in meinem Aufsatz „Nachprüfung einer Vorliebe; Kafkas Beziehung zum Werk Robert Walsers“(Akzente, 13. Jg., 1966) getan habe. Zurück HÖLLER, Hans (Universität Salzburg) Franz Kafka und Peter Handke Abstract Kafka sei für ihn Zeit seines „ Schreiblebens, Satz für Satz, der maßgebende gewesen“, sagte Peter Handke 1979 in seiner Kafka-Rede. Die Veränderungen, welche die jahrzehntelange Auseinandersetzung mit Kafka durchläuft, ist nicht für das Verständnis des Werks von Peter Handke interessant, sie enthält auch ganz ungewöhnliche Kafka-Deutungen. Wie kommt Handke zum Beispiel dazu, im Werk Kafkas sogar eine „Handlung“ der Empörung zu sehen, die „gewaltiger“ sei, als alle Handlungen, von denen er „bis jetzt gehört habe“ (1974). Zurück STADLER, Ulrich (Universität Zürich) Brauchbar zu nichts und für niemanden? Robert Walsers und Franz Kafkas Prosastücke „Das Kätzchen“ und „Eine Kreuzung“ Abstract So viel steht schon fest: Der Frage einer wechselseitigen Beeinflussung wird nicht nachgegangen, obwohl der jüngere Autor vom Werk des älteren sehr angetan war. Für die Beurteilung der beiden ausgewählten Texte ist diese Frage schon deshalb weitgehend uninteressant, weil Kafkas Text vor Walsers Prosastück geschrieben wurde und erst nach diesem veröffentlicht wurde. Es soll auch nicht darum gehen, die Prosa des einen gegen die des andern auszuspielen. Vielmehr sollen die beiden Texte als literarische Visitenkarten verstanden werden, auf denen die unterschiedliche Problemlage der beiden Schriftsteller ablesbar wird. Zurück MAČEK, Amalija (Universität Ljubljana) Auf der Landkarte liegen. Zu Franz Kafka und Ilse Aichinger Abstract Die österreichische Schriftstellerin Ilse Aichinger hat den Einfluss Kafkas auf ihr Werk nie verheimlicht. Der Beitrag möchte einige Metaphern und Bilder analysieren, die sie von Kafka, sei es aus seinen literarischen Werken oder aus privaten Briefen, übernimmt und in ihrem Roman Die größere Hoffnung weiterführt. Zurück LOCHER, Elmar (Universität Verona) Topologien labyrinthischen Schreibens. Zu Robert Walsers „Minotaurus“-Text und Franz Kafkas „Der Bau“ Abstract Die Kritik hat sowohl bei Franz Kafka als auch bei Robert Walser Strukturen labyrinthischen Schreibens ausgemacht, das sich gegen konventionellere Formen des linearen Erzählens abgrenzt. Man wird aber genauer sein müssen, um angeben zu können, um welche Formen des labyrinthischen Schreibens es sich dabei handelt. Handelt es sich dabei um ein Labyrinth, das nur über einen Weg verfügt, der sich nicht teilt, in dem sich aber gleichwohl, als gelöstes Objekt, als Hohlraum, der Ariadnefaden entfaltet, oder handelt es sich um die manieristische Form des Labyrinths, des Irrgartens? Und wenn es sich um die rhizomatische Form handelte, um ein Netzwerk, das kein Innen und Außen kennt, dessen Punkte sich mit jedem Punkt des Netzwerkes der sich überschneidenden Linien verbinden ließen, und an denen sich jeweils nur lokale Entscheidungen treffen ließen? Diesen Fragen soll anhand der Texte Der heiße Brei (Robert Walser) und Der Bau (Franz Kafka) nachgegangen werden. Zurück CORNEJO, Renata (Universität Usti nad Labem/Bamberg) „Mein Schreiben verdanke ich Kafka. (…) Er ist das Maß“. Franz Kafka im Werk von Libuše Moníková Abstract Libuše Moníková, die deutsch schreibende tschechische Autorin aus Prag, verbindet mit Kafka neben der sprachlichen Prägnanz, Genauigkeit und Kargheit der in ihrem Werk ständig präsente Topos Prag. In ihren Romanen werden sowohl gestalterische als auch inhaltliche Parallelen zu Kafkas Texten (insbesondere Schloß und Prozeß) bewusst konstruiert und als Metatext ins postmoderne Spiel gebracht, sodass ihr ganzes Werk ein Dialog mit Kafka zu sein scheint. Dies soll am Beispiel der Analyse ausgewählter Texte dargelegt werden. Zurück SANDBERG, Beatrice (Universität Bergen) Kafka – Walser – Bichsel Abstract Im Vortrag wird auf einige Besonderheiten eingegangen, die der Leser bei der Lektüre der drei Autoren – bei all ihrer Unterschiedlichkeit – antrifft. Sie finden sich auf der Ebene der Hauptfiguren, welche Züge von „einsamen Helden“ oder Sonderlingen tragen, die sich auch in ihrer Eigenwahrnehmung und in ihrer Begegnung mit der Umwelt herausstellen. Außerdem soll gefragt werden, welche Rolle dabei der Position des Erzählers zukommt und wie sich diese verschiedenen Faktoren wiederum auf die Orientierungsfähigkeit des Lesers im Erzählganzen auswirken. Zurück DOWDEN, Steve (Brandeis University, Boston) Kafka, Walser, und die Wiener Ästhetik Abstract Weder Kafka noch Walser waren direkt an Wien orientiert in ihren ästhetischen Denkweisen oder schriftstellerischer Praxis. Trotzdem gibt es Gemeinsamkeiten bei Walser und Kafka, die stark in den Vordergrund treten, wenn man einen Vergleich mit Kraus, Loos und Schönberg anstellt. Vor allem ist der sparsame Umgang mit Ornament zu bemerken. Dieser Vortrag beschäftigt sich mit der Bedeutung dieser Sparsamkeit in Bezug auf die Wiener Moderne und mit europäischer Moderne allgemein. Zurück RABELHOFER, Bettina (Universität Graz) Zeigelust und Blickaskese in Texten von Franz Kafka und Robert Walser Abstract In meinem Referat möchte ich der Phänomenologie des Blicks nachgehen. In den Walserschen Texten entziehen sich die Protagonisten dem Blick, ja weigern sich, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen (Jakob von Gunten) und stürzen sich so in die dunklen „Abgründe[] der Selbstnichtachtung“ (Groddeck 2004), während Kafkas Texte von einer penetranten Lichtmetaphorik (vgl. den im Brennpunkt alles Sonnenlichts stehenden „eigentümlichen Apparat“ der Strafkolonie) ausgeleuchtet werden, die eine Welt ohne Geheimnisse, eine Welt, in der alles ‚zur Schau gestellt‘ wird, generiert. Mich interessiert in diesem Zusammenhang, wie Blickentzug und Voyeurismus sich auf die Appellstruktur der Texte auswirken und ihrerseits um den ‚Blick des Lesers‘ buhlen. Zurück SZENDI, Zoltán (Universität Pécs) Über die Botschaft, die nie ankommt. Zur Deutung von zwei Parabeln Franz Kafkas Abstract Trotz ihrer Kürze wurden die Parabeln Vor dem Gesetz und Eine kaiserliche Botschaft von Kafka in der Fachliteratur oft behandelt. Vor allem dem Parabelstück Vor dem Gesetz wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt – nicht zuletzt deshalb, weil es als Textteil des Romans Der Prozeß in dessen Kontext interpretiert wurde. Eine Deutungserweiterung ermöglicht der Versuch, die zwei Parabeln (auch) aufeinander zu beziehen und sie als zwei Seiten eines nie zur Vollendung geführten Kommunikationsprozesses zu betrachten. Aus dieser Sicht steht die Parabel Eine kaiserliche Botschaft für die gescheiterte Vermittlung der Botschaft, die von der höchsten Instanz erteilt wird. Diese Botschaft enthält das Gesetz, das – auf der anderen Seite – von den Menschen erwartet wird. Was genau das Gesetz beinhaltet, das wissen wir nicht und wir werden es auch nie erfahren können, dass es aber existiert, davon zeugt gerade die „kaiserliche Botschaft“. Die zwei Parabelgeschichten ergänzen und erklären sich also zum Teil. Das Referat möchte bei der Analyse dieses „unheimlichen Prozesses“ zwei Gefahren auf jeden Fall vermeiden: ihn auf eine gesellschaftliche Pragmatik oder – als anderes Extrem – auf einen konkreten religiösen Kontext zu reduzieren. Die grotesken Momente der Textrhetorik nehmen zwar in beiden Fällen das Pathos der Ausweglosigkeit, tun dies aber ohne ihre „metaphysische Tragik“ aufzuheben. Zurück RUSTERHOLZ, Peter (Universität Bern) Der Tagtraum als Imaginationsmodell des Schreibens bei Franz Kafka und Robert Walser Abstract Walsers beklemmende Frage: „Was ist aus uns Volk geworden, dass wir das Schöne nur träumen dürfen?“ könnte auch Kafka gestellt haben. Beide verbindet aber nicht nur dieser traurige Befund, dass sie sich die Erfahrung des Glücks nur im Traum vorstellen können, sondern auch die Erfahrung der Lust des Schreibens während der Gestaltung ihrer Träume. Während Analogien der Struktur und Funktion von Traumnotaten, Traum- und Tagtraummodellen des Schreibens vielfach bemerkt und belegt wurden, sind sowohl die Auslegungen einzelner Texte dieser Autoren wie auch die Frage nach der Differenz der Formen und Funktionen ihrer Traumdichtung, je nach Methode, entweder kontrovers oder nur sehr allgemein charakterisiert worden. Differenzierte Analyse und Auslegung dieser Texte wird durch methodische Extrempositionen kompliziert, entweder durch psychoanalytische Ansätze, die die Rätsel der Texte nach Freuds Traumtheorie auflösen, ohne die semantische Funktion der literarischen Form zu beachten, oder durch poststrukturalistische Extrempositionen der Verweigerung des Sinns und der Negation kommunikativer Funktionen paradoxer oder ironischer Form. Dieser Versuch stellt deshalb anhand exemplarischer Texte der Autoren und kritischer Analysen früherer Interpretationen die Frage nach Analogien und Differenzen der Funktion der Traumtexte für die poetologischen Positionen dieser Autoren. Zurück ŚWIATŁOWSKA PREDOTA, Irena (Universität Wrocław) Zur Rezeption Franz Kafkas in Polen Abstract 1936 wurde Der Prozess von Franz Kafka den polnischen Lesern zugänglich gemacht. Die Übersetzung wurde vom hervorragenden polnisch-jüdischen Schriftsteller Bruno Schulz angefertigt, der sich mit Kafkas Poetik auseinander setzte und sich zugleich von ihr inspirieren ließ. Die historischen Ereignisse verhinderten dann für zwei Dezennien Kafkas Rezeption in Polen. Erst nach der so genannten Oktoberwende, die 1956 eine Öffnung Polens zur Welt einleitete, konnten seine Werke wieder ins Polnische übersetzt werden. Seine Rezeption verlief dann auf verschiedenen Ebenen. Dabei muss man vor allem Kafka a) im Spiegel der literarischen Kritik, b) auf den polnischen Bühnen und c) in der germanistischen Forschung berücksichtigen. Zurück KRIŽMAN, Mirko (Universität Maribor) Beiträge über Franz Kafka in vier literaturgeschichtlichen Büchern (Umfang und Akzente) Abstract In der Deutschen Literaturgeschichte von Dr. Leo Krell und Dr. Leonhard Fiedler (1960) ist die grundlegende These, dass Kafka das Gefühl menschlicher Ohnmacht und Ratlosigkeit gegenüber einem bösartigen Schicksal verkörpert. In der zweibändigen Literaturgeschichte Dichtung und Dichter Österreichs im 19. und 20. Jahrhundert von Adalbert Schmidt (1964) ist die zentrale These, dass Kafkas Werk die existenziellen Bezirke des Menschlichen in einem gespenstischen Zwielicht zwischen wirklicher und überwirklicher Welt erscheinen lässt. Fritz Martini schreibt in seiner Deutschen Literaturgeschichte (1965), dass Kafkas Werk Chiffren spiegelnd und noch nicht voll erschlossen ist. Im Buch Wesen und Werden der deutschen Dichtung von Georg Ried (1967) wird Kafka als Gestalter der Angst des modernen Menschen gekennzeichnet. Zurück VILAS BOAS, Gonçalo (Universität Porto) Franz Kafka und Robert Walser gucken in den Himmel: Einige aviatische Texte Abstract In den ersten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts war das Interesse an der Verwirklichung des Ikarus-Mythos Wirklichkeit geworden. Man stand positiv oder skeptisch dieser neuen technischen Entwicklung gegenüber, nur gleichgültig nicht. Kafka fuhr nach Brescia zu einem Flug-Meeting mit Max Brod, Walser schrieb einen Text über eine Ballonfahrt, die er selbst in Berlin mitgemacht hat, ihm auch Position zum damaligen "Fliegerfieber" in Texten über Aviatiker, wie Oskar Bider, Nungesser und Charles Lindbergh. Bei Walser ist die Zivilisationskritik ziemlich stark, wie so viele andere zu dieser Zeit, weil die Dimension "Mensch" nicht mehr im Vordergrund stand. Zurück EILITTÄ, Leena (Universität Helsinki/Mainz) Die visuelle Narrativität bei Kafka und Walser Abstract Es ist in der Forschung nur wenig bekannt, dass Kafka sein Leben lang an verschiedenen Formen der visuellen Kultur interessiert war. Er studierte Kunstgeschichte an der Universität Prag und hat auch selbst interessante Zeichnungen gemacht. Er beschäftigte sich nicht nur mit Malerei, Bildhauerei und Architektur sondern auch mit neuen Kunstformen seiner Zeit wie Photographie und Film. Am Anfang des Vortrags werde ich diskutieren wie Kafkas Interesse für visuelle Kultur seine anderen intellektuellen oder künstlerischen Interessen ergänzte und dadurch ihm persönlich besonders wichtig war. Zweitens werde ich in diesem Vortrag Textstellen aus Kafkas Werk diskutieren, in denen er die visuellen Künste beschreibt; zum Beispiel aus den Texten Der Prozess, Die Verwandlung und Das Schloss. Dabei werde ich auf ihre Funktionen im jeweiligen Textzusammenhang hinweisen. Und drittens werde ich in diesem Vortrag reflektieren, welche allgemeine Wirkung Kafkas Interesse an der Visualität auf seine Narrativität hatte. Insbesondere in diesem Punkt werde ich Vergleiche mit der Narrativität Walsers anstellen. Zurück GÖLZ, Sabine (University Iowa) Schreiben, was sich nicht schreiben lässt: Überlegungen zur Funktion räumlicher Textanordnung in Handschriften von Franz Kafka und Robert Walser Abstract Kafkas Werk ist ein einziger unablässiger Versuch, die Grenzen der geschriebenen Sprache zu überwinden und über sie hinauszustreben in Bereiche, die von hoher, ja entscheidender Bedeutung im Sprachleben sind, die sich aber grundsätzlich nicht aufschreiben und codieren lassen. Es ist dies letztlich der Bereich des Lesens, der unabgeschlossen bleibt, weil die Lesenden lebendig und immer wieder neu da sind, und weil sie es letztlich sind, die entscheiden, „wo“ sich der Text jeweils gerade befindet. Die dreidimensionale Räumlichkeit in der das, was Walter Benjamin die „lesbare Fläche“ nennt, situiert und orientiert wird, wird somit zur metaphorischen Figur für jene zusätzliche Dimension, die dem geschriebenen Text immer wieder abgeht. Anhand einer Lektüre eines späten Kafka Manuskripts (dem so genannten „EhepaarHeft“, welches seine wichtigsten späten Parabeln enthält) wird der hier vorgeschlagene Vortrag zeigen, dass die relative räumliche Anordnung der Texte in jenem Konvolut eine zusätzliche Kodierungsmöglichkeit für das (ebenfalls relativistisch zu verstehende) Text-Leser Verhältnis eröffnet, die Kafka nicht nur nutzt, sondern welches in den dort enthaltenen Texten auch wiederum seinen figurativen Niederschlag findet. Kafkas Konvolut erschließt also eine zusätzliche Ausdrucksdimension, welche über die Möglichkeiten des einzelnen gedruckten Textes hinausgeht und die – wenn sich auch die „letzte Grenze“ des Geschriebenen dadurch nicht überwinden lässt – doch seine Möglichkeiten noch einmal etwas erweitert. Dass dies letztlich ein Phänomen ist, das nicht auf Kafka beschränkt ist, wird abschließend mit Verweis auf neuere Forschungen zu Robert Walsers Mikrogrammen gezeigt, wo sich ähnliche Phänomene beobachten lassen. Dort handelt es sich um sukzessive geschriebene Textstücke auf zwei Seiten eines Manuskriptblattes, deren räumliches (bzw. kompositionszeitliches) Verhältnis in ähnlicher Weise signifikant ist wie das der Kafkatexte im „Ehepaar-Heft“. Zurück VEVAR, Štefan (Universität Ljubljana) Ein Typologisierungsversuch der aktuellen slowenischen literarischen Übersetzungen am Beispiel der Übertragungen von Kurzgeschichten Kafkas Abstract Typologisch gesehen weisen die existierenden und perpetuierenden (slowenischen) Übersetzungen charakteristische Merkmale auf, nach welchen sie im Allgemeinen verschiedenen deutlich zu trennenden Übersetzungsmodellen zugeordnet werden können. Das Kriterium der Zuordnung zu diesen Paradigmen liegt in besonderen Prioritäten, die das Verhältnis zwischen dem Semantischen, Ästhetischen und Pragmatischen in übersetzten Texten bestimmen, und wird stark von bewussten oder unbewussten Strategien des Übersetzers geprägt. Demgemäß werden grundsätzlich einerseits diejenigen Übersetzungen ausgesondert, bei welchen das Intuitive, das Spekulative, das Naive deutlich im Vordergrund steht, andererseits die anderen, bei welchen der Mitteilung, dem Semantischen, dem Rationalen der Vorrang gegeben wird. Die daraus resultierenden Übersetzungstypen wie etwa rationale Übersetzung, naiv-rationale Übersetzung („akademische Übersetzung“, „Schleiermachersche Übersetzung“), intuitive Übersetzung, naiv-intuitive Übersetzung, intuitiv-reflektierte Übersetzung, künstlerische Übersetzung sind eher kombinierte Mischformen, die hier nicht nur festgelegt, sondern auch entsprechend bewertet werden. »Entsprechend« verweist hier auf den mehr oder weniger geglückten Nexus der konstruktiven oder aber destruktiven Attribute, von welchen konkrete Übersetzungen geprägt sind. Das Verhältnis zwischen dem Spekulativen und Rationalen bzw. (konkreter) zwischen dem Semantischen, Ästhetischen und Pragmatischen wird außerdem anhand der Verhältnisse in der Baukunst visualisiert und versinnbildlicht, zum einen wegen der Verdeutlichung, zum anderen, weil der wissenschaftlichen Akribie manchmal am Werkzeug fehlt, sich über gewisse Probleme hinwegzusetzen, und dieses Werkzeug zu liefern eher die Kunst imstande ist. Im Bezug darauf wird erörtert, wie es sich in vorhandenen slowenischen Übersetzungen von Kafkas Kurzgeschichten damit verhielt, wie diese Übersetzungen in dieser Hinsicht eingegliedert und bewertet werden könnten. Zurück JAKOB, Hans-Joachim (Universität Siegen) Franz Kafka und Robert Walser. Ein Forschungsüberblick Abstract „Franz Kafka hat Robert Walser geschätzt wie keinen anderen zeitgenössischen Autor“, so lautet der erste Satz des Klappentextes von Hans Dieter Zimmermanns 1985 publizierter Studie „Der babylonische Dolmetscher“, einem wichtigen Fixpunkt der Kafka/Walser-Forschung der letzten beiden Jahrzehnte. So soll es im Vortrag darum gehen, die Forschungsergebnisse (seit ca. 1980) zu den wechselseitigen Einflüssen der beiden Autoren aufeinander zu rubrizieren. Die monografischen Untersuchungen von Nicole Pelletier (1985), Yongrok Oh (1987), Sabine Rothemann (2000), Jörg Gallus (2006) und eine bislang noch nicht veröffentlichte Studie von 2007 werden dabei ebenso ausgewertet wie kleinere Beiträge und Auszüge aus größeren Untersuchungen. Zurück KOS, Dejan (Universität Maribor) Kafka aus systemtheoretischer Perspektive Abstract Der Aufsatz befasst sich mit dem Problem der Wechselwirkungen zwischen literarischen Einzelphänomenen und ihren soziokulturellen Kontexten. Es wird versucht, Kriterien herauszuarbeiten, auf deren Grundlage die Position des gewählten Phänomenbereichs (Franz Kafka) in unterschiedlichen literarischen Feldern systematisch bestimmt werden könnte. Im Rahmen eines interdisziplinären Modells werden fünf Kategorien des literaturgeschichtlich relevanten Wissens unterschieden: soziale Differenzierung, soziale Strukturen, Medien, symbolische Ordnungen und Identitätskonzepte. Für die Positionierung des Phänomenbereichs sind dabei mindestens drei Komplexitätsebenen von Bedeutung: individuelle Kommunikationshandlungen, institutionelle Rahmenbedingungen und Makrostrukturen des literarischen Feldes. Zurück HARING, Ekkehard W. (Universität Wien) Angst, verrückt zu werden. Über das Nahverhältnis der Literatur zu Heilanstalten Abstract Die intellektuellen Biografien Kafkas und Walsers lassen sich verschiedener kaum denken: Geprägt durch die Erfahrungen unterschiedlicher biografischer Krisen und sozialer Kontexte stehen ihre künstlerischen Aussagen disparat und scheinbar isoliert nebeneinander. Und dennoch ist beiden Schriftstellern mancher Zwiespalt gemeinsam: das Bemühen um Totalität in der literarischen Form und das Bekenntnis zum Scheitern, die literarische Obsession und die Verweigerung einer Autorrolle, nicht zuletzt aber auch eine markante und gleichsam problematische Disposition zu den zeitgenössischen Heilskonzepten ihres Umfeldes. Zurück GÜRTLER, Christa (Universität Salzburg) Gehen als Erzählstrategie. Robert Walser und Elfriede Jelinek Abstract „Mich interessieren also Dichter, die abseits gehen und fremd bleiben, auch sich selbst fremd, Verstörte, die aber besessen sind von der Präzision des Ausdrucks, als wollten sie sich bis zuletzt an etwas festhalten, bevor sie ihr eigens Denken in den Verfall führt und sie den Verstorbenen nachsterben müssen.“ Für Elfriede Jelinek ist Robert Walser, dem sie das Theaterstück „er, nicht als er (zu, mit Robert Walser)“ widmet, ein Dichter, den sie besonders schätzt und der „ein Leben lang neben sich hergegangen“ sei. Robert Walsers Erzählung „Der Spaziergang“ ist einer der bedeutendsten Texte Robert Walsers, er entwickelt darin das „Gehen“ als Erzählstrategie, die von Elfriede Jelinek u.a. in „Der Wanderer“ und ihrem Walser-Stück aufgenommen werden. Der Vortrag wird diesen Korrespondenzen nachgehen. Zurück SCHWERIN, Kerstin Gräfin von (Universität Hamburg) „Eine reizende, kugelrunde Null.“ Zur Poetik des Kleinseins bei Walser und Kafka Abstract Max Brod zufolge gehört Robert Walsers Roman "Jakob von Gunten" (1909) zu Franz Kafkas Lieblingsbüchern und ist nicht ohne Einfluss auf sein Werk geblieben. Jakob von Gunten, der Protagonist dieses Romans, versucht mit dem Ideal des Dienens und einem dezidiert unbürgerlichen Habitus eine radikale Absage an die europäische Kultur zu verwirklichen. Darin wird das Programm einer Bildung der Persönlichkeit in der Herausbildung von bloßen "Nullen" beschrieben, denn nur so können die gesellschaftlichen Verhälnisse, wie sie sind, Jakob von Gunten nichts anhaben. Bei Walser ist es die Null, die sein Ideal des Kleinseins symbolisiert. Die Idee des Kleinseins, die Walsers Dichtung und Poetik durchzieht, die Wahl der 'kleinen Form' als Alternative zu den literarischen Grossformen, lässt sich nicht zuletzt auch auf Walsers private Existenz beziehen. Zurück MAGALLANES, Fernando (Universität Sevilla) Robert Walser, ein lange vergessener Autor Abstract Der Schweizer Dichter, der lange Zeit kaum Beachtung fand, auch wenn er von Kafka und anderen Autoren lobend erwähnt wurde, war ein Intellektueller, an dessen Beispiel sich das Konzept des “vergessenen Autors” gut darstellen lässt. Der literarische Kanon, unbeständiger Bestandteil der Literaturgeschichtsschreibung, da er, neben anderen Faktoren, dem Wandel des ästhetischen Empfindens untergeordnet ist, dient doch vielmals als Referenz zur Bewertung eines Autors. Und so gibt es solche, die zu Lebzeiten berühmt waren und danach in Vergessenheit gerieten, andere, die auf Grund der Qualität ihrer Werke, ebenfalls Anerkennung verdient hätten, ihnen diese aber nie zuteil wurde sowie die Gruppe der Autoren, die zeitweise immer wieder in Mode sind, zwischendurch aber kaum erinnert werden. Die Situation Robert Walsers eignet sich als Beispiel, anhand dessen das Thema der in Vergessenheit geratenen Autoren eingehender behandelt wird, um im Zuge dessen Schlussfolgerungen bezüglich des Wertes genannter Kategorie für die Literaturgeschichtsschreibung treffen zu können. Zurück KOMOROWSKI, Dariusz (Universität Wroclaw) Robert Walser im intellektuellen Kräftefeld der Zwischenkriegszeit in der Schweiz Abstract Aufgrund von Bourdieus Feldtheorie und Baumans Analysen der Position des Intellektuellen in der Gesellschaft im Laufe der Jahrhunderte wird ein Versuch unternommen, den Dichter und Intellektuellen Robert Walser im Spannungsverhältnis zwischen den Kräften des intellektuellen und des Machtfeldes zu untersuchen. Ausgegangen wird von der Bestimmung der herrschenden Positionen innerhalb beider Felder, um dann Walsers literarische und soziale Durchsetzungsstrategien zu analysieren. Der Aufsatz setzt sich zum Ziel, das Schaffen von Robert Walser nach dem Ersten Weltkrieg in möglichst weitem Kontext des Sozialen, Politischen und Literarischen der Schweiz als einen Kampf um die Erhaltung der gesellschaftlichen Position als ‚Legislator’, im Sinne von Bauman, darzustellen. Zurück SAMIDE, Irena (Universität Ljubljana) Traumwelten in der Schule: Walser und Kafka im Vergleich Abstract Die Auswahl geeigneter literarischer Texte sowie gezielte Förderung literarischer Kompetenzen stellen besonders im fremdsprachlichen (Literatur)unterricht für Deutschlehrerinnen und -lehrer oft eine schwierig zu bewältigende Aufgabe dar. Anhand zweier thematisch verwandter Kurzgeschichten von Robert Walser und Franz Kafka werden im Beitrag einige Didaktisierungsmöglichkeiten für den Unterricht angeboten, die sowohl bestimmte literarische Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler entwickeln als auch einen unmittelbareren Zugang zu den beiden Autoren ermöglichen. Zurück KONDRIČ HORVAT, Vesna (Universität Maribor) Robert Walser und Franz Kafka im transkulturellen Dialog Abstract Der Beitrag befasst sich mit der transkulturellen Dimension bei Franz Kafka und Robert Walser und versucht diese an einigen paradigmatischen Beispielen zu demonstrieren. Weder bei Walser noch bei Kafka kann man verglichen mit anderen Autoren vom Anfang des 20. Jahrhunderts einen »fortwährenden Ortswechsel« feststellen oder von weiten Reisen berichten, aber gerade sie lösen große Reisen aus. Diese beiden Autoren geben nämlich ein Paradebeispiel für die Transkulturalität und für die Verbindung von Kulturen ab, z.B. durch ihre Werke, durch ihr Interesse an anderen Autoren und Kulturen, durch das Interesse der Zeitgenossen an ihrer Kunst und durch das große Interesse der WissenschaftlerInnen, die sich in verschiedenen Teilen der Welt mit ihrem Werk auseinandersetzen. Die Transkulturalität äußert sich auch in der in Maribor stattfindenden Tagung, nicht nur durch die TeilnehmerInnen aus dreizehn Ländern, sondern auch durch die angekündigten und präsentierten Themen. Zurück Caputo-Mayr, Maria Luise (Temple University) Kafka als Jurist und Techniker und die Spuren im Werk Abstract Die Kafka-Forschung hat die Folgen der Veröffentlichung von Kafka's Amtlichen Schriften in der Kritischen Ausgabe (Fischer, 2004, hrsg. von Klaus Hermsdorf und Benno Wagner) noch weltweit nicht verarbeitet. Auf der um Vieles erweiterten, von Klaus Hermsdorf 1984 erstmals vom Akademie Verlag herausgegebenen Sammlung Franz Kafka. Amtliche Schriften, basierend, hat man von diesen wichtigen Dokumenten in Europa, besonders in Deutschland, Notiz genommen. Vieles lässt aber auf sich warten. J. Louzil hatte damals zum ersten Mal Kafkas Berufskorrespondenz kommentiert. Damals war die akademische Welt noch nicht bereit, sich auf ein verändertes Kafkabild einzulassen, und den wichtigen Zusammenhang seiner Berufstätigkeiten mit seinen schriftstellerischen Arbeiten in Betracht zu ziehen. Mein Vortrag wird auf einige Themen und Aspekte eingehen, die durch diese Publikation in der Kafka Forschung neu gesehen und durchdacht werden müssen. Kafka ist in den letzten zwei Jahrzehnten nicht nur nach Prag zurückgekehrt, sondern es ist nun die Zeit gekommen, den Einfluss, ja die enge Verkettung seiner Berufsarbeit mit seinem Schaffen zu erhellen. Zurück Neva Šlibar, Filozofska fakulteta Univerze v Ljubljani Unerbittliche Märchenprinzessinnen. Robert Walsers Märchenspiele und Elfriede Jelineks Prinzessinnendramen Zum 120. Geburtstag Robert Walsers verfasste Elfriede Jelinek ein Monologstück in ihrer bekannten Schreibweise „zu, mit Robert Walser“ mit dem Titel „Er nicht als er“, das bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt wurde. Damit ordnet sich Jelinek – Ordnung ist übrigens eines darin angesprochenen Themen – in eine, mit Franz Kafka beginnende Reihe von Autoren und Autorinnen ein, für die Walser den Status eines „Unumgänglichen“ hat, gerade wenn ihre Nähe zu seinem Werk gar nicht offensichtlich scheint. – Im Beitrag wird indes nur ein kleines vergleichbares Segment aus dem Werk beider Autoren untersucht: der Topos bzw. die Figuration der Märchenprinzessin, in der Höhenkammliteratur der letzten hundert Jahre – die beiden Textgruppen entstanden in etwa diesem Abstand – eher gemieden und in die Traumfabrik der Trivialliteratur sowie des Kinos verbannt, wird in seinen Bewegungen und Wandlungen, seiner Funktionsumkehr und in seinem poetologischen Potenzial betrachtet. Robert Walsers frühe Dramolette, zu denen „Aschenbrödel“ und „Schneewittchen“ gehören, beide 1901 bei Insel erschienen, sowie das spätere Dramolett „Dornröschen“ (1920), werden mit ihrer Umkehr des Erwarteten, der Auflösung des Märchendualismus, der spielerischen Inszenierung des Selbstbezugs sowie der Bedeutsamkeit von Traum und Sprache zu Poetiken in nuce. Sie gehen ebenso wie Jelineks späte Prinzessinnendramen „Der Tod und das Mädchen I (Schneewittchen)“, „Der Tod und das Mädchen II (Dornröschen)“ und „Der Tod und das Mädchen IV (Jackie)“ (1999-2002) weit über die bekannten Strategien des Kunstmärchens und der Parodie hinaus. Den Verwerfungen und Spiegelungen von Kunst, Sprache, Wahrheit und Wirklichkeit, wie sie sich im Märchenprinzessinnentopos manifestieren, geht der Beitrag nach und versucht Parallelen und Differenzen sowie autopoetische Elemente zwischen den beiden Autoren herauszukristallisieren. Curriculum vitae: 1949 in Triest geboren, Schulzeit in Wien, Studium der Germanistik, Anglistik und später Literaturwissenschaft in Ljubljana und Zagreb; ab 1980 an der Philosophischen Fakultät der Universität an der Abteilung für germanische Sprachen und Literaturen tätig; 1992: Habilitation, Ernennung zur Dozentin für neuere deutsche Literatur, übernimmt neben dem Graduiertenstudium auch die Organisation des Postgraduiertenstudiums und der Lehrerfortbildung; 1993: Leiterin des Lehrstuhls für neuere deutsche Literatur; 1995 Ernennung zur außerordentlichen, 2000 zur ordentlichen Professorin für moderne deutsche Literatur. 1997-2001 Prodekanin der Philosophischen Fakultät, 2002/2003 Dekanin der Fakultät. Gastprofessorin an der Universität Klagenfurt (Germanistik, Komparatistik); Gastvorträge an der Freien Universität Berlin, an den Universitäten Wien, Klagenfurt, Regensburg, Leipzig, Utrecht u.a. Leiterin des Postgraduiertenstudiums für Frauenstudien und feministische Theorie; Teilnahme an zahlreichen Konferenzen in Österreich, Deutschland, Dänemark, Belgien, Italien, Ungarn, Kroatien, Schweden, Spanien, Portugal, BiH, USA und den Niederlanden; Mitarbeiterin in internationalen Projekten zur Sprachpolitik und zur Mehrsprachigkeit; Unterrichtsschwerpunkte: Literaturtheorie, feministische Theorie, Gegenwartsliteratur, Literaturdidaktik. Wissenschaftliche Schwerpunkte: Gegenwartsliteratur (Aichinger, Bachmann, Veza Canetti, Handke, Lavant, Späth usw.), Literaturtheorie (lebensgeschichtliches Erzählen, weibliches Schreiben, Literaturmodelle, multilinguale Ästhetik), Literaturdidaktik (alternative Modelle und Kompetenzorientierung). Seit 2007 Gründungspräsidentin des Südosteuropäischen Germanistikverbandes. Zurück NOI, Barbara di (Pisa und Cassino): Walsers Einfluss auf Kafkas Roman Amerika Ich gehe von der Feststellung aus, dass Kafkas Interesse an Walser zuerst ein sprachliches war: Ich zitiere die Stelle aus den Tagebüchern, wo Kafkas Ablehnung der erstarrten Metaphern Walsers zum Ausdruck kommt. Das Verhältnis von Kafkas Verschollenem zu Jakob von Gunten ist von tiefer Ambivalenz gekennzeichnet: Einerseits hat Kafka auf Themen und Motive zurückgegriffen, die schon bei Walser vorgeprägt waren, andererseits hat jedoch der Prager Schriftsteller diese Motive intensiv verändert und umfunktioniert, indem er sie im Rahmen der eigenen Poetik verwendete, die sich stark am selbstreflexiven Thema des Schreibens orientiert. Sprache und Wahrnehmung sind bei Kafka aufeinander bezogen. Das Bewusstsein, immer als eine Doppel-Brechung oder „wiederholte Spiegelung“ aufgefasst, als eine Selbstbeobachtung, zu der man durch „Verkehr“ mit den anderen „verführt“ wird, entsteht dort, wo Innenwelt und Außenwelt sich berühren. Im Gegensatz zu Kafka erweist sich Walser der Malerei verpflichtet. Er beneidet sogar den Maler für seine höhere Fähigkeit, den Gegenstand detailgetreu zu fixieren. Kafka ist sich darüber im Klaren, dass die Literatur eher das beständige Strömen der Außenwelt widerspiegeln muss. Ihm gilt das Schreiben eher als immerwährende Bewegung und Verkehr. Diesem Verständnis der dynamischen Beschaffenheit der Außenwelt steht jedoch in seinem Amerika-Roman eine übertriebene Aufmerksamkeit des Blicks gegenüber, die die Zerstörung der organischen Einheit des Bildes verursacht. Zurück Literarni večer/Lesung: Cvetka Lipuš Cvetka Lipuš bo brala iz svojih pesniških zbirk, tudi iz čisto sveže Obleganje sreče, v slovenščini in nemščini. Cvetka Lipuš je v pesniških korakih, za katere so značilni številni nenavadni prestopi, tokrat na sledi tega, kar francoski filozof Alain Badiou ob poeziji dvajsetega stoletja označi s pojmom figure elokvence. Da bi jezik predstavila v njegovih zarezah, ki so seveda tudi zareze oslabljenega subjekta, se ne izogiba tem figuram in njihovi elokventnosti. Pa vendar gre tudi pri njej povsem očitno za jezik, ki je ranljiv, ki se zaveda ubožnosti časa in prostora, v katerem nastaja sleherna poezija prehoda v enaindvajseto stoletje, te »postdemokratične dobe« (Guillermo Gómez-Peña), v kateri je pisati pesmi zgolj in povsem osebna odločitev za odmik od tako rekoč vseh središč razsrediščenega polisa. Seveda se pesnica zaveda, da mora tudi sama (če še enkrat uporabimo Badioujevo terminologijo) umestiti resnico časa v podedovani jezik. A ta podedovani jezik ni --kot je bil npr. pri Paulu Celanu – neprehoden. Nasprotno: je prehoden, z njim in skozenj se pretakajo različni interteksti: pesniške taktike, vsakdanji slogani, prebrani pasusi ne vemo več katerih knjig. Iz spremne besede Tomaža Toporišiča Cvetka Lipuš (1966, Železna kapla), obiskovala Zvezno gimnazijo za Slovence v Celovcu. Že več kot desetletje živi, dela in ustvarja v Pittsburghu, ZDA, kjer je – po študiju primerjalne književnosti in slavistike na celovški in dunajski univerzi – opravila študij bibliotekarstva in informacijskih ved. Prvo samostojno pesniško zbirko Pragovi dneva je objavila v Celovcu leta 1989. Sledile so: Doba temnjenja, Celovec 1993 (nemški prevod Abgedunkelte Zeit, 1995, bolgarski prevod Vremeto na zdraša, 1995), Geografija bližine, Celovec 2000 (nemški prevod Geographie der Nähe, 2000), Spregatev milosti, Ljubljana 2003 (nemški prevod Beugung der Gnade, 2006), Obleganje sreče, Ljubljana 2008. Objavlja v slovenskih in nemških revijah. Njene pesmi so prevedene v nemščino, angleščino, italjanščino, srbščino, češčino, slovaščino, bolgarščino, francoščino in madžarščino. Podatki o knjigi: Format: 14,5 x 20,5 cm, obseg: 126 strani, cena: 16,95 EUR --------------------------------------------------------------------------------------------------Cvetka Lipuš list aus ihren Gedichtbänden, auch aus dem gerade erschienenen Obleganje sreče /Belagerung des Glücks.Lesung auf Deustch und Slowensich Cvetka Lipuš bewegt sich in ihren dichterischen Schritten, für die viele ungewöhnliche Übergänge charakteristisch sind, diesmal in den Spuren dessen, was der französische Philosoph Alain Badiou anhand der Poesie des 20. Jahrhunderts mit dem Begriff figure elokvence bezeichnet. Um die Sprache in ihren Einschnitten vorzustellen, die natürlich auch die Einschnitte des geschwächten Subjekts sind, weicht sie diesen Figuren und ihrer Eloquenz nicht aus. Und doch handelt es sich auch bei ihr offensichtlich um eine verletztbare Sprache, die sich der Ärmlichkeit einer Zeit und eines Raumes bewusst ist, in denen jede Poesie des Übergangs in das einundzwanzigste Jahrhundert, dieses »postdemokratischen Zeitalters« (Guillermo Gómez-Peña), entsteht, in dem Gedichte schreiben eine lediglich und durchaus persönliche Entscheidung für die Abweichung von den sozusagen allen Mitten des mittelosen Polpolis bedeutet. Natürlich ist es der Dichterin bewusst, dass auch sie selbst (wenn wir nochmals zu Badious Terminologie greifen) die Wahrheit der Zeit in die geerbte Sprache einbeten muss. Doch diese geerbte Sprache ist – wie dies z.B. bei Paul Celan der Fall war – nicht undurchlässig. Im Gegenteil: sie ist durchgängig, mit ihr und durch sie fließen verschiedene Intertexte: dichterische Taktiken, alltägliche Slogans, gelesene Abschnitte aus den, man weiß nicht mehr welchen Büchern. Aus dem Vorwort von Tomaž Toporišič Cvetka Lipuš (1966 Bad Eisenkappel), besuchte das Bundesgymnasium für Slowenen in Klagenfurt. Sie lebt, arbeitet und schafft schon mehr als ein Jahrzehnt in Pittsburgh, USA, wo sie – nach dem Studium der Komparatistik und Slavistik an der Universität Klagenfurt und Universität Wien – das Studium der Bibiotheks- und Informationswissenschaften absolvierte. Ihren ersten Gedichtband Pragovi dneva (Tagesschwellen) veröffentlichte sie in Klagenfurt im Jahre 1989. Es folgten: Doba temnjenja, Celovec/Klagenfurt 1993 (deutsche Übersetzung Abgedunkelte Zeit, 1995, bulgarische Übersetzung Vremeto na zdraša, 1995), Geografija bližine, Celovec/Klagenfurt 2000 (deutsche Übersetzung Geographie der Nähe, 2000), Spregatev milosti, Ljubljana 2003 (deutsche Übersetzung Beugung der Gnade, 2006), Obleganje sreče (Belagerung des Glücks), Ljubljana 2008. Sie veröffentlicht in slowenischen und deutschen Zeitschriften. Ihre Gedichte sind ins Deutsche, Englische, Italienische, Serbische, Tschechische, Slowakische, Bulgarische, Französische und Ungarische übersetzt. Angaben zum Buch: Format: 14,5 x 20,5 cm, Umfang: 126 Seiten, Preis: 16,95 EUR Eine Annäherung an die Kärntner Lyrikerin Cvetka Lipus Lipus, Cvetka: Unterm Schutzdach der Liebe Von Andreas P. Pittler (21. April 2000) Cvetka Lipus ist im literarischen Leben Österreichs immer noch eine unbekannte Größe. Und doch ist es schon 15 Jahre her, dass ihre Werke erstmals für Aufsehen sorgten. Damals hatte die 1966 in Zelesna Kapla/Eisenkappel geborene Dichterin gemeinsam mit Fabjan Hafner den Band "V lunini senci" (Im Schatten des Mondes) vorgelegt. Zu dieser Zeit lebte sie in Wien und studierte Slawistik und Sinologie. Doch nur wenig später kehrte sie nach Klagenfurt zurück, um dort das Studium der vergleichenden Literaturwissenschaften zu beginnen, welches sie schließlich mit ihrem ersten Magistertitel (ein zweiter kam in den Vereinigten Staaten hinzu, wo sie ab 1995 Bibliothekswissenschaften an der Universität Pittsburgh studiert hatte) abschloss. Lipus erste Gedichte sind noch von einer Offenheit, die man in ihrem späteren Werk nur noch selten finden wird. Poeme wie "jaz" (Ich) oder "zaljubjeno telo" (Verliebter Leib) sprechen von Liebe ebenso wie von Leidenschaft, von Angst wie von Sehnsucht. Schon damals zeigte sich der Bilderreichtum von Lipus' Sprache, der für ihre späteren Werke so charakteristisch sein wird. Passagen wie "Berauscht vom Wein und vom Regen deiner Worte" oder "Die berauschende Wärme der Umarmung freit, umwirbt meinen Leib" zeugen von einer impulsiven Direktheit, zu der Lipus erst in ihren bislang jüngsten Gedichten teilweise zurückkehren sollte. 1986 erschienen einige ihrer Gedichte in der Anthologie "Das slowenische Wort in Kärnten/Slovenska beseda na Koroskem", wodurch auch die deutschsprachige Leserschaft auf die 19-jährige Autorin aufmerksam wurde. Lipus veröffentlichte damals auch in der "Wiener Zeitung" einige Gedichte (in der Beilage "Lesezirkel") und publizierte regelmäßig in der slowenischsprachigen Zeitschrift "Mladje", die 1960 u. a. von ihrem Vater Florjan begründet und deren Redaktion in den 90ern sie selbst angehören sollte. Auch wenn die Slowenischkenntnisse nicht ausreichen, ihre Gedichte zu verstehen, so genügt allein das laute Lesen der Wortkombinationen, um die sprachliche Poesie, die Melodik, die sorgfältige Komposition dieser Texte zu erkennen. 1986 war Lipus ohne Frage eine Autorin, von der man noch viel erwarten durfte. Doch vorerst schlug nur Stille an der Leserschaft Ohr. Volle vier Jahre vergingen, ehe 1989 Lipus erster eigener Gedichtband "Pragovi dneva" (Die Schwellen des Tages) erschien. Dieser stieß zwar auf großes Interesse unter den Slowenen - Lipus erhielt ihre ersten großen Preise -, doch in Österreich blieb das Echo gering. Dies wohl auch deshalb, weil der Band lediglich in Slowenisch erschienen war, in jener Sprache also, in der Lipus von Anbeginn an ihre Werke verfasst. Nicht anders erging es ihr 1993, als ihr zweiter Band "Doba temnjenja" (Die Epoche des Nachdunkelns) ebenfalls auf Slowenisch erschien. Doch der Verlag brachte schließlich 1995 "Abgedunkelte Zeit" heraus, wo die Poeme dieser beiden Bände in einer deutschen Übersetzung nachzulesen sind. Nunmehr setzte auch im deutschsprachigen Raum eine entsprechende Rezeption ein. Die "Neue Zürcher Zeitung" etwa meinte damals: "Ihre Gedichte sind filigrane, lakonische Wortgebilde, rhythmisch austariert und von leiser Tonart. Sie kreisen unermüdlich um Zeit und Raum, Licht und Dunkelheit, Meer und Stein, Nähe und Ferne, ausgehend von einem Ich, das seine Wahrnehmung und Gefühle in Metaphern hüllt." Hermetische Sprache In der Tat, Lipus' Gedichte waren unzugänglicher geworden. Die Autorin bediente sich, wie es Ales Debeljak nannte, einer "hermetischen Sprache". Vieles, was zu Zeiten von "V lunini senci" noch unumwunden an- und ausgesprochen worden war, konnte nunmehr nur noch erahnt, vermutet werden. Lipus' Vorliebe für wortmalerischem Bilderreichtum war geblieben, doch dieser ließ eine Vielzahl von Lesarten zu, die alle zutreffend, aber auch genauso gut falsch sein konnten, und es galt, wie bei einem Palimpsest, die eigentliche Bedeutung zu deuten. Bei manchen Bildern fühlt man sich an Bob Dylan erinnert, aber auch Eluard oder Appolinaire, ja selbst Zwetajewa und Mandelstam schimmern ab und an zwischen den Worten hervor. Doch Lipus ist weit davon entfernt, Epigonin zu sein, vielmehr gleichen ihre Verse einer mittelalterlichen Kathedrale, in die nach Maßgabe von Möglich- und Notwendigkeit auch der eine oder andere Stein aus der Antike eingemauert wurde. Obwohl in den beiden Bänden auch noch viel von Ein- und Zweisamkeit, von "Gefühl und Verstand" die Rede ist, so rücken erstmals geografische Komponenten, das Meer, aber auch bevorzugte Orte wie Lipus' Lieblingsstadt Piran oder Leningrad in den Vordergrund. Die Erschließung von Räumen ist letztlich auch der Gegenstand des nun vorliegenden dritten Bandes "Geografija blizine" (Geografie der Nähe), der zeitgleich im slowenischen Original wie in deutscher Übersetzung erschien. Er wählt nicht zufällig bereits im Titel die Metapher des Raumes. Der Raum hat mannigfache Bedeutung in den sprachlichen Bildern der Cvetka Lipus. Der Bogen spannt sich von "verstummter Landschaft" bis zu einem "Schutzdach der Liebe". Besonders eindringlich wird der "Beziehungsraum" durchleuchtet. Es sind die Möglichkeiten des Zusammenlebens, die den Menschen vor ein Dilemma stellen, um das die gesamte menschliche Existenz beständig kreist. Lipus' Deskriptionen sind dabei eine Art lyrische Paraphrase auf "Verstand und Gefühl". So muss also gleichsam die Beschaffenheit des Gefühlsraumes, die Geografie eben, vermessen werden, um festzustellen, wie viel Nähe zulässig, wie viel Nähe wünschenswert ist. Oder, wie Ales Debeljak schreibt: "Durch ein aufmerksames und sehr oft einmaliges Beschreiben existenzieller Situationen auf der Suche nach dem richtigen Maß der Nähe, bietet uns Cvetka Lipus einen Entwurf für eine Architektur des Zusammenlebens, in dem der Einzelne seinen persönlichen Raum nicht unbedingt auf dem Altar der Gemeinschaft opfern muss." Vermessung der Nähe Der emotionelle "Raum der Liebe" kann eben ohne verstandesmäßige geografische Vermessung der Nähe nicht existieren. Und so, um bei diesem Bild zu bleiben, setzt Lipus auch auf ihrem schriftstellerischen Weg einen neuen Meilenstein, der uns Orientierung sein wird für ihr weiteres Werk. Für den herkömmlichen Leser mag es genügen, mit dem Resultat eines Schaffensprozesses konfrontiert zu sein, welches er dann goutiert oder aber verwerfen kann. Und doch scheint es nicht uninteressant, auch eine Geografie der Genese von Lipus' Gedichten vorzunehmen. Wie also schreibt Lipus? "Ich mache mir zwar immer wieder Notizen, aber wenn ich einmal eine ungefähre Vorstellung von einem Textprojekt habe, setze ich mich jeden Tag zum Schreibtisch, ob mich nun die Muse küsst oder nicht." Wie formulierte das jemand so treffend: Schreiben ist 99 Prozent Transpiration und 1 Prozent Intuition. Bei Lipus aber ergibt sich ein zusätzlicher Aspekt. Ihre Gedichte stehen zumeist in einem inneren Zusammenhang: "Da meine Texte fast alle aus längeren Gedichtzyklen bestehen, ist es für mich auch notwendig, eine gewisse Zeitperiode ohne Unterbrechungen an einem Zyklus zu arbeiten, um eine Idee und einen gewissen Tonfall zu entwickeln und auch einzuhalten." Dabei bemüht sie sich um einen Einklang mit ihrem eigenen inneren Tempo. Die Originaltexte gleichen somit einem Fluss, der "genau meinem eigenen Windungen, Tiefen und Untiefen folgt". Die meisten Texte durchlaufen dabei einige Entwicklungsstufen: "In den wenigsten Fällen", so Lipus, "ist der erste Entwurf bereits die Letztfassung. Im Laufe eines intensiven Arbeitsprozesses arbeite ich jeden Tag an den Texten, wobei ich jeden Arbeitstag mit der Endfassung des Vortags beginne, da mir der zeitliche Abstand über etwaige Unklarheiten oder auch festgefahrene Situationen hilft. Meistens beende ich die Arbeit an einem Gedicht nicht, bevor ich es in gewissen Zeitabständen immer wieder gelesen habe, ohne weitere Änderungen vorzunehmen." Lipus führt überdies seit Jahren ein eigenes Journal, in dem sie bei Bedarf neue Ideen notiert. Selten jedoch greift sie wirklich auf diese Notizen zurück. Ihr Journal hat mehr psychohygienischen Charakter: "Auf diese Weise habe ich wohl die Illusion, es gibt ein Reservoir an Textentwürfen, auf das ich zurückgreifen kann - sozusagen ein kleiner Zufluchtsort." Lipus ist jetzt 33 Jahre alt - wenn man nicht gerade Rimbaud heißt, kein Alter für eine Lyrikerin. In einem Gespräch mit ihrem Übersetzer Klaus Detlef Olof bemerkte Lipus einmal, dass ihre bisherigen drei Lyrikbände jeweils mit der intensiven Beschäftigung einer bestimmten Herkunft von literarischen Vorbildern zusammenfielen. Während des Entstehens von "Pragovi dneva" befasste sie sich intensiv mit französischer Lyrik, zum Zeitpunkt der Genese von "Doba temnjenja" waren es die Russen wie Puschkin, Pasternak, Achmatowa, Zwetajewa oder Mandelstam, mit denen sie sich auseinander setzte. Nun, in Pittsburgh (wo sie mit Ihrem Mann, dem auch öfter im "EXTRA" veröffentlichenden Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch, lebt), füllte sie ihre "großen Leselücken in der amerikanischen Lyrik" auf, während sie an "Geografija blizine" schrieb. Es ist also nicht nur spannend, welche Richtung Lipus' weiteres Werk einschlagen wird, es wäre auch für vergleichende Literaturwissenschaftler eine reizvolle Aufgabe, den Konnex zwischen Lipus' Lektüre und Lipus´ Lyrik herzustellen. Und Auguren mögen sich darüber Gedanken machen, welche Bücher demnächst bei Cvetka Lipus' auf dem Nachtkästchen liegen werden. Wäre Lipus auf einem Weg "back to the roots", wenn man dort Lu Xun, Bei Dao oder Zhang Jie liegen sähe? Lipus' Werk war schon bislang schillernd und voller Überraschungen. Die Gedichtbände von Cveta Lipus erscheinen auf Deutsch im Wieser-Verlag. Zurück