Brigitte Schobesberger Transferaufgabe 8/1 Was verändert sich durch Schulprofilierung? Dem Aufsatz „Was verändert sich durch Schulprofilierung? Qualifikation und Selektion an Schulen mit dem Schwerpunkt Informations – und Kommunikationstechnologien“ konnte ich folgende Haupttendenzen, bzw. „Trends“ entnehmen: 1. Schulprofilierung dient als Werbemittel gegenüber Konkurrenzschulen um hohe Anmeldezahlen zu erwirken (möglichst viele Schüler und Schülerinnen zu rekrutieren) um zu selektieren (also möglichst „gute“ Schüler und Schülerinnen anwerben zu können). Dabei scheint es gerade den Hauptschulen ein Anliegen zu sein, Qualifikationsfunktion hinsichtlich berufsnützlichem Wissen zu übernehmen. Das Ausstellen von Zertifikationen gilt in diesem Zusammenhang als Qualitätsmerkmal. 2. Schulintern entsteht durch Schulprofilierung eine so genannte „Kultur der Unvermeidlichkeit“. Gesellschaftliche Forderungen erschweren innerschulische Oppositionen. 3. Die Beziehung der Schule zur Außenwelt scheint sich zu intensivieren. Schulen werden zunehmend Betrieben ähnlicher und deren LeiterInnen gleichen ManagerInnen. 4. Eine spezielle didaktische Entwicklung ist kaum zu beobachten. Die Didaktik ist eher ein individuelles Anliegen der LehrerInnen und wird nicht als hohe Priorität der Schulentwicklung und LehrerInnenfortbildungen angesehen. Das kann daran liegen, dass Lehrer und Lehrerinnen sehr selektiv sind bei der Übernahme neuer Technologien. Didaktische Innovationen brauchen erfahrungsgemäß sehr lange bevor sie eine Großzahl der Unterrichtenden erreichen. Der Computer ist ein hohes Statussymbol für Macht und Modernität. Didaktische Innovationen sind nicht zwingend nötig, alleine die Hardware ist publikumswirksam genug. Die „symbolische Kraft der Profilierung“ ist entscheidend und nicht die Art und Weise ihrer Verwendung. 5. In den Funktionsbehauptungen deuten sich inhaltliche Veränderungen an: Schule als Ort der Qualifikation für das spätere Berufsleben, sowie Schule als Ort der Selektion nehmen mehr an Bedeutung zu Die Integrationsfunktion wird weniger bedeutsam. Meine Hypothesen hinsichtlich einer Trendentwicklung durch Schulprofilierung, möchte ich für die Schwerpunkte „Sport“, „Musik“ und Sprachen“ aufstellen. Soweit ich mich erinnern kann, kennzeichneten diese Fachrichtungen schon vor 25 Jahren die ersten so genannten „Schwerpunktschulen“ oder „Spezialschulen“, allerdings fernab von Begriffen wie „Schulautonomie“ oder gar „Schul-Leitbild“. Ich denke, dass unabhängig davon, welcher dieser drei Schwerpunkte eine Schule profilieren ähnliche Tendenzen zu erwarten sind. Ich gehe davon aus, dass genau wie in den untersuchten IKT-Schulen, hohe Anmeldezahlen als eines der wesentlichen Erfolgskriterien gelten werden, und damit verbunden werden diese Schulen danach trachten, möglichst viele „gute“ Schüler und Schülerinnen für ihre Schule zu gewinnen. Somit werden diese Schulen auch zunehmend eine Selektionsfunktion übernehmen. Ich habe meine ersten 18 Unterrichtsjahre an einer Sporthauptschule verbracht und somit „einschlägige“ Erfahrungen sammeln dürfen, da ich unter anderem der Strategiegruppe angehörte, die einberufen wurde, um ein „Schulleitbild“ zu erarbeiten. Die Schule unterlag keinem Schulsprengel und die hohen Anmeldezahlen wurden schon damals als eine der Hauptqualitätskriterien angesehen. Bei gleicher sportlicher Eignung (festgestellt durch einen üblichen Aufnahmetest), hat eben oft das bessere Zeugnis entschieden. Diese Entwicklung wurde sogar noch deutlicher sichtbar, indem diese Sporthauptschule in weiterer Folge eine so genannte „TopKlasse“ installierte, um AHS - reife Schüler und Schülerinnen anzuwerben. In diese Klasse wurden ausschließlich Kinder aufgenommen, die sowohl schulisch als auch sportlich „bestgereiht“ waren. Diese Maßnahme wurde und wird noch immer von vielen Eltern sehr begrüßt! Es ist den Eltern wichtig, dass ihr Kind eine weiterführende höhere Schule erfolgreich überwechseln (oder verbleiben) kann. Ich vermute, dass sich das alle Eltern, unabhängig vom Schwerpunkt erwarten, Ich gehe daher davon aus, dass sich alle diese Schulen noch eingehender mit den Anliegen der Eltern auseinandersetzen müssen, gerade neben den speziellen Intentionen, auch das schulische Lernen als Qualitätsanspruch anzuerkennen. Dies stellt meiner Meinung nach auch die größte Herausforderung dieser „legendären“ Schwerpunktschulen dar, da durch Schulprofilierung schlicht und einfach mehr, (wenn nicht sogar alle!) Schulen zu Konkurrenten werden und Eltern wahrscheinlich sehr darauf bedacht sind, dass ihre Kinder auch berufsnützliche und zukunftsträchtige Kompetenzen erwerben. Diesem Anspruch können meines Erachtens Schulen mit sprachlichem Schwerpunkt leichter gerecht werden. Der Trend, die Beziehungen der Schule zur Außenwelt zu intensivieren wird anhalten, bzw. steigen. An der SHS-Linz zeichnete sich bald folgendes Bild ab: Eine der drei Klassen pro Schulstufe wurde als reine „Fußballklasse“ installiert, deren Buben allesamt schon Vereinsspieler waren. Nicht nur die Stundenpläne wurden den Trainings- und Wettkampfzeiten der Kinder angepasst, darüber hinaus wurde eine sehr intensive Zusammenarbeit mit den Vereinen gesucht. Vereinssport und Schulsport ergänzten also sinnvoll einander. Ich weiß, dass diese Entwicklungen auch an anderen Sportschulen zu erkennen sind und angestrebt werden. Die Sportschulen werden in enger Zusammenarbeit mit den Sportverbänden noch mehr angehalten sein, als so genannte „Talente – Werkstatt“ zu fungieren (und funktionieren!). Ebenso werden die Musik(haupt)schulen eng mit außerschulischen Institutionen kooperieren. Die Musikhauptschule Harbach arbeitet beispielsweise sehr eng mit dem Linzer Landestheater zusammen. Öffentliche Auftritte (Adventsingen, musikalische Einlagen bei diversen öffentlichen und privaten Festivitäten) gehören schon lange zum Alltag von Schulen mit musikalischem Schwerpunkt. Dass Schulprofilierung auch schulinterne Veränderungen mit sich bringt, ist meines Erachtens ziemlich sicher. Die Sportschulen stellen sich ja im wahrsten Sinnen des Wortes ihren Konkurrenten, was die vielen Beteiligungen an den Schulwettkämpfen dokumentieren. Erfolg wird eben auch unmittelbar daran gemessen, wie viele Medaillen, Urkunden, Landessieger, Bundessieger, …etc „nach Hause“ gebracht werden. Das wiederum hat zur Folge, dass auch an die SportlehrerInnen hohe Anforderungen gestellt werden und die angebotenen Fortbildungskurse im sportlichen Sektor stets überfüllt sind. Viele der SportlehrerInnen sind Experten und Expertinnen und nicht selten können sie auch besondere Qualifikationen vorweisen, wie „Staatlich geprüfte Trainerin“ oder sie kommen selbst aus dem Spitzensport. Auch an Schulen mit den beiden anderen Schwerpunkten werden zunehmend Experten und Expertinnen gefragt und bestellt werden. Didaktische Veränderungen an Sport- oder Musikschulen werden wahrscheinlich nicht wesentlich an Bedeutung gewinnen. Die drei didaktischen Prinzipien „Vom Bekannten zum Unbekannten“, „vom Einfachen zum Komplexen“ und „Vom Leichten zum Schweren“ sind quasi „Universalgesetze“ im motorischen (und ich denke auch im „musischen“) Lernen. Lediglich die Ausgangssituation ist eine andere, da ja alle Kinder notwendige Talente besitzen. Der stark wettkampforientierte Sportunterricht oder leistungsorientierte Musikunterricht erfordert daher eher andere Konzepte als im herkömmlichen Sportunterricht (Musikunterricht), was eine erhöhte Methodenkompetenz der SportlehrerInnen (Musik- und InstrumentalleherInnen) voraussetzt. Auch an die Lehrer und Lehrerinnen, die nicht das Schwerpunktfach selbst unterrichten, werden sich zunehmend mehr mit dem Schwerpunkt „identifizieren“ müssen. Dass Schularbeiten und andere Leistungsfeststellungen, bzw. das Schulleben ganz allgemein, wohl (oder übel) auf den Wettkampfkalender oder an andere außerschulischen „Auftritte“ abgestimmt werden müssen, um dem Schulleitbild Rechnung tragen zu können, versteht sich von selbst. Viel bedeutsamer bei dieser Identifikation ist es, das Ansehen dieser LehrerInnen bei den Kindern zu bewahren und aufrecht zu erhalten. „Die symbolische Kraft der Profilierung“ ist an diesen Schwerpunktschulen wahrscheinlich gleichrangig mit der Art und Weise ihrer „Verwendung“. Das hohe Ansehen der Schwerpunkte in der Gesellschaft reicht alleine nicht aus, um SchülerInnen zu rekrutieren. Dazu braucht es mit Sicherheit auch die außerschulischen Erfolge, an denen man die „Art und Weise ihrer Verwendung“ messen kann. 2. Wie sehe ich die Zukunft der Schulprofilierung? Nach Daniel Goedevert ist Bildung „ein aktiver, komplexer und nie abgeschlossener Prozess, in dessen glücklichem Verlauf eine selbstständige und selbsttätige, problemlösungsfähige und lebenstüchtige Persönlichkeit entstehen kann“. Ich leite daraus ab, dass Bildung nicht auf Wissen reduziert werden kann. Wissen wird eher als Hilfsmittel zum Bildungserwerb verstanden und nicht als einziges Ziel. Ähnlich dem Humboldtschen Bildungsbergriff, zielt Bildung darauf ab, neben dem Erwerb von empirischem Wissen, seine (ihre) Persönlichkeit zu vervollkommnen und Individualität zu erreichen. Und das um seiner selbst willen und nicht, umein materielles Ziel zu erreichen. Pestalozzi beschreibt dies treffend durch seinen Gedanken „Menschen sind wir eher, als wir Professionisten werden! Von dem, was wir als Menschen wissen, und als Jünglinge gelernt haben, kommt unsere schönste Bildung und Brauchbarkeit für uns selbst her, noch ohne zu ängstliche Rücksicht, was der Staat aus uns machen wolle. Ist das Messer gewetzt, so kann man allerlei damit schneiden.“ Ich könnte jetzt noch viele Definitionen von Bildung abschreiben und wiedergeben, und für mich haben sie alles etwas gemeinsam: Bildung ist nicht das, was PISA misst! Was hat nun Schulprofilierung mit PISA zu tun? Ich befürchte, dass Schulprofilierung künftig nicht mehr vorrangig die Idee verfolgen kann, Kinder, ihren individuellen Begabungen und Interessen gerecht, zu fördern und zu fordern. Im „Kampf“ um hohe Anmeldezahlen, werden sich die Schwerpunktschulen wohl oder übel diesem Wettbewerb stellen müssen. Wettbewerb heißt aber auch, sich messen zu müssen, was wiederum durch die Einführung der Bildungsstandards oder anderen Leistungstests geschehen wird. Die Streitschrift „Theorie der Unbildung“ von Konrad Paul Liessman spricht mir da irgendwie aus der Seele und unterstreicht meine Befürchtungen „…Die Schulen, wie immer sie organisiert sein mögen und wie immer das Milieu aussieht, in dem sie agieren, werden damit zu Trainingsstätten für die heimlichen Lehrpläne der OECDIdeologen. Dass kein einziges europäisches Land den Mut hatte, die Entwicklung der eigenen pädagogischen Kultur ungeachtet der PISA-Ergebnisse für vorrangig zu halten, zeigt, welch normativer Druck von solchen Tests ausgeht, … Grundkenntnisse der Soziologie hätte genügt, um zu wissen, dass eine empirische Bestandsaufnahme, die sich in Zeiten der Wettbewerbsmanie in einer Rangliste manifestiert, nicht mehr Ausdruck einer Leistungsmessung, sondern Artikulation eines Imperativs sein wird...“ (Seite 86). Dieser Druck von außen wird die Ausrichtung dieser Schwerpunktschulen dahingehend beeinflussen, in der Öffentlichkeit ganz oben „gereiht“ zu werden. Die Funktion solcher Ranglisten hat meines Erachtens aber nicht zwingend etwas mit der Qualität von Bildung zu tun. Sie gilt, wie Liessmann beschreibt, als „Steuerungs- und Kontrollmaßnahme, die dem Bildungsbereich noch das letzte Quäntchen Freiheit austreiben sollen, das ihm als Relikt humanistischer Ideale geblieben ist.“ (Seite 87). Wo bleibt da Raum für „SCHULE“? Schule lässt sich auf das griechische Wort scholé zurückführen und meinte ursprünglich ein „Innehalten in der Arbeit“. Das liest sich für mich wie ein romantischer Traum, der Schule als ein Idyll solidarischen Miteinanders skizziert und beim Aufwachen erahne ich, was die Schule von morgen kennzeichnet: Wettbewerb, Konkurrenz, Tests, internationale Rankings, Evaluationen, Qualitätssicherungsmaßnahmen und effizientsorientierten Kursen. Und wenn Paul Liessmann meint „von Anfang an stand der Gedanke der Bewertung und Reihung in Verbindung mit dem Paradigma betriebswirtschaftlichen Denkens, das aus Schulen und Universitäten Unternehmen machen wollte, die an ihren marktorientierten Ergebnissen zu messen seien“ (Seite 81), so beunruhigt mich das schon, wenn das Schule macht. Die Entwicklung zur reinen Wissensgesellschaft scheint nahe liegend und schließe mit einem Zitat von Nietzsche: „Was alle wissen, wird von allen vergessen.“