Prof. Dr. Paul Mecheril Universität Innsbruck ab WS 2011: Universität Oldenburg Anne Broden Für eine „andere Welt“? Beiträge der Rassismuskritik zur Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse Nicht nur in Deutschland, auch in den Niederlanden, in Ungarn, Österreich oder in Frankreich erleben wir ein Wiedererstarken rassistischer Semantiken und Diskurse. Zugleich findet ein gesellschaftlicher Kampf darum statt, ob in Europa die rassistische Rede im öffentlichen Raum wieder eine mögliche Rede sein kann. Diejenigen, die rassistisch argumentieren, müssen in der Öffentlichkeit beteuern, nicht rassistisch zu sprechen. Diese Figur gehört zum europäischen Rassismus seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Trotz der nach der Shoah einsetzenden Ächtung des Rassismus als respektable „Theorie“ und Menschenanschauung ist Rassismus nicht einfach verschwunden, sondern taucht in unterschiedlichen argumentativen Gewändern neu auf: im argumentativen Gewand der „Kultur“ oder im Gewand der „ethnischen Gruppe“. Mit Rassismus haben wir es immer dann zu tun, wenn mit vermeintlich gesichertem Wissen über die Natur der Menschen die Wesenhaftigkeit ganzer Gruppen erstens behauptet und zweitens als Erklärung für ihre – um es ganz allgemein zu sagen – schlechtere gesellschaftliche Position genutzt wird. Nicht erst seit September 2001 hält dieses Wissen auch Erklärungen für die Gefahr bereit, die von bestimmten Personengruppen vermeintlich ausgeht. Rassismus legitimiert mit pseudo-wissenschaftlicher Rede Herrschaftsverhältnisse, von denen zunächst jene profitieren, die rassistisch sprechen. Genau diese Position artikuliert sich gegenwärtig wieder vermehrt in Europa. ‚Rassismuskritik’ kann als politische und pädagogische Praxis verstanden werden, die zum Thema macht, in welcher Weise, unter welchen Bedingungen und mit welchen Konsequenzen Selbstverständnisse und Handlungsweisen von Individuen, Gruppen, Institutionen und Strukturen durch Rassismen vermittelt sind und diese stärken. Rassismuskritik zielt darauf ab, auf Rassekonstruktionen beruhende Unterscheidungen zu erkennen und zu problematisieren, dadurch zu schwächen und alternative Unterscheidungen deutlich zu machen. Rassismuskritik kann in einem allgemeinen Sinne als reflexive und unabschließbare, zugleich entschiedene Praxis verstanden werden, die von der Überzeugung getragen wird, dass es sinnvoll ist, nicht in dieser Weise auf rassistische Handlungs-, Erfahrungs- und Denkformen angewiesen zu sein. Rassismuskritische Ansätze treten hierbei mit dem Anspruch auf, einen Beitrag zu alternativen, ‚gerechteren’ Verhältnissen zu leisten. Gesellschaftliche Verhältnisse, die über lange Zeit hinweg von Rassismen beeinflusst sind, können zwar nicht durch singuläre Praxen verändert werden. Gleichwohl ist es möglich, lokale Veränderungsprozesse einzuleiten. Die Tagung „Für eine ‚andere Welt’? Beiträge der Rassismuskritik zur Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse“ wendet sich an interessierte Kolleginnen und Kollegen in Bildungsarbeit und Erziehungswissenschaft, vor allem an solche, die theoretisch und in (sozial)pädagogischen Handlungsfeldern mit Macht- und Herrschaftsdimensionen (migrations-) gesellschaftlicher Realität befasst sind. Die Analyse von Möglichkeiten und Grenzen der Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse durch Rassismuskritik wird im Rahmen der Tagung mit Blick auf drei miteinander zusammenhängende Hauptaspekte zum Thema: 1. Normative Referenzen der Rassismuskritik: Was sind die normativen Ansprüche und die normativen Entwürfe, die rassismuskritischer Gesellschaftskritik zugrunde liegen und diese Kritik strukturieren (können)? Welche Ansprüche und normativen Entwürfe können mit welchen moraltheoretischen, moralpädagogischen und gesellschaftswissenschaftlichen Argumenten und aufgrund welcher empirischen Erfahrungen favorisiert werden? Vortrag: Prof. Dr. Micha Brumlik, Universität Frankfurt a. M. Kommentierung: Prof. Dr. Astrid Messerschmidt, Pädagogische Hochschule Karlsruhe 2. Subjekte der Veränderung – Veränderung der Subjekte: Wer ist unter welchen Bedingungen in der Lage, rassismuskritische Argumente und Erwägungen, Semantiken und Handlungen wirksam in den gesellschaftlichen Gestaltungsprozess einzubringen? Kann dieses „wer“ gesellschaftsanalytisch aufgeklärt und bestimmt werden? Gibt es ein „Privileg der Minorität“ in der Rassismuskritik? Sollte die Kritik nicht gerade durch die potenziell durch Rassismus Privilegierten formuliert werden? Aber welcher Bedingungen bedarf es, dass die Privilegierten selbst aktiv eigene Privilegien infrage stellen und zu verändern suchen? Ist diese Formulierung der Kritik bereits als Veränderung der jeweiligen Subjektposition, des Selbstverständnisses und der eigenen routinisierten Praxis zu verstehen, gar zu konzipieren? Vortrag: Prof Dr. Mark Schrödter, Universität Kassel Kommentierung: Prof. Dr. Stephan Bundschuh, Fachhochschule Koblenz 3. Orte der Veränderung – Veränderung der Orte: Welche gesellschaftlichen Orte können als jene Orte bestimmt werden, an denen die Veränderung der Verhältnisse und womöglich auch eine Selbsttransformation der Orte in Gang kommt? Inwiefern sind formelle und informelle Orte der Bildung (Schule, Universität, Erwachsenenbildung …) als Veränderungsorte anzusehen? Welche Ortsveränderung ist hier nötig, möglich und erwartbar? Vortrag: Dr. Manuela Bojadžijev, TU Berlin Kommentierung: Prof. Dr. Krassimir Stojanov, Universität der Bundeswehr München Um im Rahmen der Tagung eine intensive Auseinandersetzung zu ermöglichen, werden zu jedem der drei Aspekte Hauptvorträge gehalten, an die sich vorbereitete Kommentare von Kolleg/inn/en anschließen. Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse durch Rassismuskritik wird im Rahmen der Tagung von dem anspruchsvollen Ziel geleitet, dass sowohl theoretische Aspekte und Fragen als auch in der politischen und pädagogischen Praxis relevante Fragen fruchtbar thematisiert werden. Organisatorisches Termin: 9. Dezember 2011, 14.00 Uhr - 10. Dezember, 16.00 Uhr Ort: Münster, Jugendgästehaus am Aasee Teilnahmebeitrag: 20,- € (darin enthalten: Teilnahmebeitrag & Verpflegung; nicht enthalten: Unterkunft) Infos: Anne Broden Paul Mecheril [email protected] [email protected] Tel: 02 11 / 15 92 55-5 Anmeldung (mit beiliegendem Anmeldebogen), erbeten bis zum 27. November 2011: IDA-NRW Anne Broden Volmerswerther Str. 20 40221 Düsseldorf Telefon: 02 11 / 15 92 55-5 Fax: 02 11 / 15 92 55-69 [email protected] Anmeldung zur rassismuskritischen Fachtagung „Für eine ‚andere’ Welt?“ 9./10. Dezember 2011, Münster Name:..................................................................................................................... Institution:………………………………………………………………………………... Straße:.................................................................................................................... PLZ:........................................................................................................................ Ort:.......................................................................................................................... Telefon:................................................................................................................... E-Mail:..................................................................................................................... Vegetarisches Essen: Anmeldung bis zum 27. November 2011 an: IDA-NRW Anne Broden Volmerswerther Straße 20 40221 Düsseldorf Telefon: 02 11 / 15 92 55-5 Fax: 02 11 / 15 92 55 69 [email protected]