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Prof. Dr. Matthias Junge
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Call for Papers
Die soziale Metaphorik „Gesellschaft“
Tagung des Arbeitskreises Soziale Metaphorik in der Sektion Wissenssoziologie vom
30.11.-01.12.2012 an der Universität Rostock
Metaphernforschung und -analyse können auf eine zumindest bis Aristoteles reichende
Tradition theoretischen Nachdenkens verweisen, die kulturelle und soziale Bedeutsamkeit
lässt sich noch weiter zurück bis zu den ersten Mythenbildungen verfolgen. Demgegenüber
steht eine recht junge sozialwissenschaftliche Befassung mit Metaphern und der sozialen
Metaphorik. Letztere zielt auf eine Analyse der Bedeutung, Funktion und Wirkung von
Metaphern in gesellschaftlichen Kontexten, etwa als Mittel der Diagnose, Kritik oder des
Appells.
Eine besondere Funktion hat dabei die Metapher der Gesellschaft selbst. Nicht nur, dass
Gesellschaft als Konzept nur auf metaphorische Weise beschreibbar scheint, wie die Vielzahl
von Umschreibungen in der kurzen Geschichte der Soziologie zeigt, sondern vielmehr und
vor allem, dass die Kennzeichnung sozialer Zusammenhänge als Gesellschaft diesen Kontext
in einen bestimmten Fokus rückt. Denn Gesellschaft scheint eben nicht Verein, Gesellung,
Geselligkeit, Gemeinschaft, soziale Dichte, Emotionalität oder Intensität, sondern etwas
anderes. Ob damit vorwiegend das Gegenteil oder eher eine andersartige Beschreibung in
strategischer, instrumenteller, normativer, kritischer oder affirmativer Hinsicht angedeutet
wird, soll im Zentrum dieser ersten Tagung des Arbeitskreises Soziale Metaphorik in der
Sektion Wissenssoziologie stehen.
Interesse besteht an Vorschlägen, die das Thema unter einer der nachfolgenden
Fragestellungen aufgreifen und theoretisch oder empirisch informierte Antwortversuche
unternehmen:
(1)
Dass Gesellschaft durch den Kontrast oder Vergleich mit unmittelbaren,
kleinräumigen und kleinteiligen Beziehungsmustern wie etwa Gemeinschaft
beschreibbar ist, ist seit Tönnies Gemeingut der Soziologie. Dabei wird zur
Klärung der Frage nach der Beschreibung von Gesellschaft häufig auf die
Nennung eines Prinzips, eines Mechanismus oder eines kennzeichnenden
Eindrucks zurückgegriffen. Ein älterer Vorschlag der Soziologie hierzu war
„abstrakte“ Gesellschaft. Damit wurde zum Ausdruck gebracht, dass Gesellschaft
den Individuen entfernt gegenübersteht und nach einem andersartigen Prinzip
organisiert ist. Auch heute stellt sich die Frage, wer mit welchen Interessen welche
metaphorische Umschreibung von Gesellschaft in deren Diskursraum hineinträgt.
(2)
In der Soziologie weit verbreitet ist die Theorie rationaler Wahl. Damit wird ein
Bild gesellschaftlicher Zusammenhänge angedeutet, das diese als Ergebnis von
Entscheidungsprozessen eines Kalküls rekonstruiert. Vielerlei kann so beschrieben
und umschrieben werden. Wo aber liegen die Grenzen dieser Metapher? Denn das
Konzept bleibt eine vieldeutige Metapher, die den Fokus auf Kalkül,
Entscheidung, Effizienz und Instrumentalität legt, jedoch die Aspekte von
Irrationalität, Emotionalität und Spontaneität wenig beleuchtet. Was kann mit
dieser Metaphorik nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten ausgesagt werden?
Welcher Assoziationsraum, welcher Fokus wird im Einzelnen damit auf
Gesellschaft gerichtet? Welche Elemente oder Prinzipien werden durch diese
Metapher ausgeblendet, unsichtbar gemacht oder gar der Thematisierung
entzogen?
(3)
Neoliberalismus ist seit den vielfältigen ökonomischen Krisen der Gegenwart
entweder ein Schimpfwort oder aber eine anerkennende Kennzeichnung einer
sozialen, politischen oder ökonomischen Idee. Neoliberalismus bedeutet zuerst,
wortwörtlich, neuer Liberalismus. Also einer, der vom klassischen Liberalismus
etwa der schottischen Sozialtheorie unterscheidbar ist. Aber: Im Hinblick auf
welche Merkmale? Welchen neuen Akzent setzt das „Neo“? Auf welche
Eigenschaften wird hingewiesen? Wie ist diese Metapher im Einzelnen zu
beschreiben? Wie wird sie vom Liberalismus abgegrenzt? Ist das überhaupt
möglich? Welche Assoziationskontexte werden durch den Gebrauch dieser
Metapher geweckt? Wie kann verständlich gemacht werden, dass „neoliberal“
zugleich einerseits ein Schimpfwort und andererseits eine Auszeichnung meinen
kann?
Bitte senden Sie einen maximal 400 Wörter umfassenden Vorschlag für einen Beitrag, der die
ausgewählte Problemstellung theoretisch oder empirisch aufgreift und diskutiert, bis zum 01.
Mai 2012 an den Ausschreibenden:
Matthias Junge ([email protected])
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