Österreichisches Jahrbuch für Politik 2014

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sebastian kurz
Das neue Islamgesetz
Das neue Islamgesetz erneuert Österreichs Position als Vorreiter in Sachen Islam in
Europa. Mit der Erarbeitung des neuen Islamgesetzes wurde eine im „Dialogforum
Islam“ erarbeitete, wichtige Forderung umgesetzt. Das Gesetz stärkt die Möglichkeiten der Religion als Teil der Lösung im Integrationsprozess. Es unterstützt die Entwicklung eines Islam österreichischer Prägung und unterstreicht den Grundsatz, dass
es kein Widerspruch ist, gläubiger Muslim und zugleich stolzer Österreicher zu sein.
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Österreichs internationale Vorreiterrolle im Verhältnis zum Islam
Wir haben Grund, stolz darauf zu sein, dass sich Österreich heute wieder,
ebenso wie bereits in der Zeit um die Jahrhundertwende, als Vorreiter der
Regelung des Verhältnisses zwischen Staat und Muslimen bezeichnen kann.
Mit dem 1867 erlassenen und heute noch geltenden „Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger“ fand die Religionsfreiheit Eingang in die österreichische Verfassungsordnung. Gleichzeitig wurde
festgehalten, dass „jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft (…) den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen“ ist. Die spezifisch
den Islam betreffende Religionspolitik entwickelte sich in Österreich-Ungarn in weiterer Folge spätestens seit dem Jahr 1908 aufgrund der durch
den Berliner Kongress 1878 abgesegneten Annexion von Bosnien und Herzegowina. Die Herausforderung bestand daraufhin in der Gewährung des
Schutzes der Religionsausübung und einer wohlwollenden Einbeziehung
der nunmehr in einer weitaus höheren Anzahl im österreichisch-ungarischen Imperium lebenden Muslime. Als Ergebnis der diesbezüglichen, drei
Jahre dauernden und inhaltlich sehr differenzierten Debatte trat am 15. Juli
1912 das Islamgesetz, das die Muslime nach der hanafitischen Rechtsschule
als Religionsgesellschaft anerkannte, in Kraft.
Dieses Islamgesetz, das auch nach den geänderten Voraussetzungen
durch den Gebietsverlust im Ersten Weltkrieg weiter in Geltung verblieb,
begründete Österreichs Ruf als Vorreiter in Sachen rechtliche Regelung
der äußeren Angelegenheiten des Islam und seiner Beziehung zum Staat.
Diesem Ruf werden wir mit der Neufassung des Islamgesetzes auch heute
wieder gerecht. Das neue Islamgesetz ist im internationalen Vergleich ohne
Äquivalent und stößt auf reges Interesse bei sowohl muslimisch geprägten
als auch anderen Ländern. Durch die historisch geordnete Entwicklung des
Verhältnisses zwischen Staat und Islam haben wir heute den Vorteil, mit
der, 1979 gegründeten, Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich
(IGGiÖ) schon lange Zeit eine Ansprechpartnerin in Form einer Kör­
perschaft des öffentlichen Rechts zu haben. Gemeinsam mit der jüngeren
muslimischen Religionsgesellschaft der ALEVI (Islamisch Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich) haben wir damit Gesprächspartner, von denen man eine verlässliche Kommunikation und ein Zusammenwirken im
Namen des Großteils der in Österreich organisierten Muslime und Musli-
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minnen erwarten kann. Wie man in einem internationalen Vergleich sieht,
sind diese Strukturen äußerst selten und tragen erheblich zu einer kooperativen Zusammenarbeit bei. Das aktuelle Gesetz stärkt dieses geschichtlich
gewachsene Gefüge abermals und sichert damit nachhaltig die Möglichkeit
der islamischen Religionsgesellschaften, positiv zum Integrationsprozess der
Muslime und Musliminnen in Österreich beizutragen.
Religion ist Teil der Lösung
In der komplexen Materie der Integration stellt die Religion nicht einen
„Teil des Problems“, sondern vielmehr einen „Teil der Lösung“ zum guten Zusammenleben dar. Dieser Ansatz, den wir seit Jahren vertreten, wird
manchmal missverstanden. Ziel ist natürlich nicht ein bloßes Nebeneinander von Religionen und Kulturen, sondern vielmehr deren Eingebettetsein in einen wechselseitigen Prozess, der das Aufeinander-Zugehen
auf gleicher Augenhöhe und den Abbau von gegenseitigen Hürden und
Vorurteilen beinhaltet. Es darf kein Widerspruch sein, sich zugleich als
gläubiger Muslim und stolzer Österreicher zu fühlen. Wer in seiner Religion – gerade zu Beginn des Integrationsprozesses – einen Anker finden
kann, ohne sich dafür rechtfertigen oder deren Fundament verteidigen
zu müssen, dem wird es – in einem allgemeinen Klima des gegenseitigen Respekts und der Dialogbereitschaft – auch möglich sein, neue Gemeinsamkeiten mit anderen zu finden. Diese Gemeinsamkeiten bestehen
ohne Zweifel in unserer gemeinsamen Heimat mit ihren rechtsstaatlichen
Strukturen, der mit ihnen verbundenen Sicherheit und Freiheit sowie den
bestehenden Möglichkeiten, bei Einsatz der eigenen Leistung etwas erreichen zu können. Dieser gesamtheitliche Zugang zu Integration kann
dabei, recht betrachtet, nur mit der Religion und nicht gegen die Religion arbeiten. Die Wertschätzung für die Vielfältigkeit wird von uns dabei
in der Begehung und Ausrichtung zahlreicher religiöser Treffen durch das
Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA) verdeutlicht, wie beispielsweise dem Empfang zu Ramadan und Muharrem,
dem Empfang der fremdsprachigen katholischen und evangelischen Gemeinden oder dem Rosch-ha-Schana-Empfang. Neben dem Vorleben von
Dialogbereitschaft, die das Bundesministerium für Europa, Integration und
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Äußeres durch den Start eines Dialogprozesses zwischen allen 16 in Österreich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften im Mai letzten
Jahres weiter unterstützt, bedeutet Religion einen Teil der Lösung, aber
auch, dass den Kirchen und Religionsgesellschaften eine wichtige Rolle
im Bereich der Wissensvermittlung und Bewusstseinsbildung zukommt.
Ein wesentliches Prinzip unserer Integrationsarbeit ist die Vermittlung jener Wertegrundsätze, die der österreichischen Bundesverfassung zugrunde
liegen und die wiederum durch sie garantiert und geschützt sind. Diese
sind für ein friedliches und harmonisches Miteinander eine notwendige
Voraussetzung. Die Aufgabe der Religion muss auch in dieser Hinsicht
sein, das Verbindende in den Vordergrund zu stellen und zu fördern sowie
das Trennende hintanzuhalten.
Praktisch konnten wir diesen Ansatz in den letzten Jahren bereits
während meiner vergangenen Tätigkeit als Staatssekretär für Integration in
mehrfacher Hinsicht verfolgen. Bereits zu Beginn der Integrationsarbeit auf
Bundesebene zeigte sich, dass „der Islam“ in all seinen Facetten und Ausprägungen Gegenstand einer breiten und durchaus auch polarisierenden
Debatte war. Die gesamtgesellschaftliche Relevanz und die Herausforderungen, die sich in diesem Zusammenhang ergeben können, waren offensichtlich. Eine Priorität der Integrationsarbeit stellten daher von Anfang an die
Ängste, mitunter vorhandene Vorurteile und Pauschalierungen aufseiten der
Mehrheitsgesellschaft sowie die Unsicherheiten und erfahrenen Zurückweisungen aufseiten der Muslime und Musliminnen bzw. die ihrer Integration
hinderlichen Strukturen dar.
Leitlinie für unsere Arbeit war daher von Beginn an der wertschätzende Umgang mit den Religionsvertretern und -vertreterinnen und die
sachliche Führung der oft kontroversiell angegangenen Debatte. Dies beinhaltet die Einbeziehung der verschiedenen Sichtweisen auf den Islam der
Zivilgesellschaft und der Wissenschaft, aber auch von anerkannten Glaubensvertretern und -vertreterinnen, in eine umfassende Betrachtung. Auch
das 20-Punkte-Programm des unabhängigen Expertenrates für Integration,
das die wichtige Grundlage der Integrationsarbeit in Österreich auf Basis
des Nationalen Aktionsplans für Integration aus dem Jahr 2010 darstellte,
inkludierte die Empfehlung der Einrichtung eines institutionalisierten Dialogs mit Muslimen und Musliminnen in Österreich.
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Gemeinsam mit der IGGiÖ – damals noch einzige islamische Religionsgesellschaft – wurde vor diesem Hintergrund 2012 als eine der ersten Maßnahmen des 2011 geschaffenen Staatssekretariats für Integration das
„Dialogforum Islam“ ins Leben gerufen. Dieses Forum zielte darauf ab, sich
über die Themen betreffend den Islam in Österreich ein umfangreiches Bild
zu verschaffen, und bestand in einem mehrmonatigen, institutionalisierten
Dialog zwischen der Bundesregierung, beigezogenen Experten und Expertinnen und der IGGiÖ mit sieben Arbeitsgruppen. Als eines der wesentlichsten Ergebnisse dieses Prozesses präsentiert sich heute die Neufassung
des Islamgesetzes. Weitere Empfehlungen des „Dialogforum Islam“ werden
mit einzelnen, im Islamgesetz enthalten Regelungen erfüllt werden, unter
anderem betreffend die Etablierung eines islamisch-theologischen Studiums
an der Universität Wien oder die Qualitätsstandards für die Ausbildung von
muslimischen Seelsorgern in Haftanstalten.
Zusammenarbeit mit den islamischen Religionsgemeinschaften zum
Islamgesetz
Schon im Vorfeld der Organisation des „Dialogforum Islam“ konnten wir
mit der IGGiÖ konstruktiv zusammenarbeiten. Präsident der Islamischen
Glaubensgemeinschaft, Dr. Fuat Sanaç, und ich wählten durch das Steuerungsgremium die Leiter und Leiterinnen der Arbeitsgruppen für das Dialogforum aus. Diese nominierten in der Folge für ihre jeweilige Arbeitsgruppe Experten und Expertinnen. Jede Arbeitsgruppe beinhaltete dabei
Vertreter oder Vertreterinnen der IGGiÖ. Mit insgesamt 50 Sitzungen bot
das Dialogforum infolgedessen einen strukturierten Rahmen für einen offenen Austausch mit Muslimen und Musliminnen in Österreich, in dem
alle relevanten Themen und Fragestellungen des Zusammenlebens diskutiert und Lösungsvorschläge für bestehende Herausforderungen entwickelt
wurden. Durch diese enge Zusammenarbeit mit der IGGiÖ konnten die
Arbeitsgruppen nach einem Jahr konkrete Ergebnisse festhalten, die von religionsgesellschaftlicher und staatlicher Seite als notwendig erachtet wurden.
Teil dieser Empfehlungen waren beispielsweise, wie erwähnt, die als erforderlich erachtete Einführung eines islamisch-theologischen Studiums, aber
auch die Einrichtung von (nunmehr bereits etablierten) Ansprech- bzw.
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Beratungsstellen für radikalisierte Jugendliche und deren Angehörige sowie Betroffene von Islamfeindlichkeit, die Herausgabe eines Handbuchs für
Gemeinden betreffend den Moscheebau vor Ort, die Bekanntmachung von
muslimischen Österreichern und Österreicherinnen als Vorbild (wie es laufend im Rahmen der Schulbesuche durch „Zusammen:Österreich“ stattfindet) und als einen wesentlichen Hauptpunkt die Novellierung des Islamgesetzes. Zur Begründung wurde festgehalten, dass eine solche Novellierung
den Ansprüchen und Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts Rechnung tragen
müsse und notwendig sei, um die Anerkennung des Islams in Österreich an
die heutigen gesellschaftlichen Realitäten anzupassen.
Auch der – ebenfalls durch den Expertenrat für Integration und
durch die Aufnahme der Forderung ins Regierungsprogramm im Jahr 2013
unterstützte – darauffolgende Gesetzwerdungsprozess fand in regelmäßigem
Dialog mit den islamischen Glaubensgemeinschaften statt. Herr Bundesminister Ostermayer zeichnet in seinem Beitrag die Sondierungsgespräche und
Arbeitstreffen mit den muslimischen Vertretern und Vertreterinnen im Zuge
der Entstehung des Entwurfes, das Begutachtungsverfahren – mit unserem
mehrstündigen Besuch bei einem Treffen des Obersten Rates der IGGiÖ,
bei dem noch etliche Bedenken ausgeräumt wurden – und die intensiven
Diskussionen nach. Parallel dazu fand eine Vielzahl von Treffen mit engagierten Personen der muslimischen Zivilgesellschaft (mit und ohne Mitgliedschaft zur IGGiÖ) statt.
Im Zuge des Begutachtungsverfahrens erhielten wir von vielen Muslimen und Musliminnen, Organisationen, Einrichtungen und Experten und
Expertinnen sehr viele positive Rückmeldungen zu dem Entwurf. Aufgrund
der vielen Abstimmungsschritte war jedoch, im Gegensatz dazu, das teilweise
leider negative Feedback zum Entwurf seitens der IGGiÖ und von anderen, außerhalb dieser stehenden muslimischen Vereinigungen eine wirkliche
Überraschung. Sicher ist Kritik auch Ausdruck der Wahrnehmung eigener
Grundrechte sowie der Teilnahme an der Gesellschaft und am demokratischen Zusammenleben. Dennoch ist – in Anbetracht des dargestellten, stetigen inhaltlichen Austausches mit muslimischen Vertretern und Vertreterinnen
– eine Interpretation des Gesetzes als Benachteiligung bedauerlich. Diese
war und ist weder die Intention, noch die zu erwartende Konsequenz des
Gesetzes. Unpräzise Bewertungen oder Meldungen, die faktisch unzutref-
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fend sind, schaden dem Zusammenleben mehr, als sie nützen, und leisten der
Verortung des Islam in unserer Gesellschaft keinen guten Dienst.
Eine neue Rechtssicherheit für Muslime und Musliminnen in
Österreich
Nicht oft genug betont werden kann vielmehr, dass mit dem Neuentwurf
des Islamgesetzes Muslime und Musliminnen nunmehr tatsächlich klare
Rechte erhalten. In vielen Bereichen kommt ihnen eine neue Rechtssicherheit zugute, etwa hinsichtlich der möglichen Errichtung islamischer
Friedhöfe, der (religionsrechtlichen, nicht jedoch arbeitsrechtlichen) Anerkennung islamischer Feiertage, der Beschneidung, des Berücksichtigungsgebots islamischer Speisevorschriften oder der geregelten Seelsorge. All dies
stellt einen positiven, wichtigen Schritt Österreichs dar, sodass seine über
500.000 muslimischen Bürger und Bürgerinnen bessere Anerkennung erfahren. Die Neufassung des Islamgesetzes liegt in diesem Sinne ganz klar
im Interesse der muslimischen Gemeinschaft, indem es einen wesentlichen
Fortschritt der Rechtssituation und eine zusätzliche Teilhabemöglichkeit für
Muslime und Musliminnen in Österreich mit sich bringt. Um es auf den
Punkt zu bringen: Das Gesetz schützt und ermöglicht in ganz konkreter
Form die Religionsfreiheit für Anhänger des Islam in Österreich.
In dem Ausmaß, wie der Schutz der Religionsfreiheit der Muslime
und Musliminnen in Österreich Ziel des Gesetzgebers ist, muss aber auch
selbstverständlich sein, dass der Gesetzgeber Pflichten und Rechtsrahmen
für die Zuerkennung der geschützten Rechte vorsieht, indem er z. B. regelt, dass die gewöhnliche Tätigkeit einer gesetzlich anerkannten und geschützten Religionsgesellschaft innerhalb Österreichs von dieser selbst getragen werden kann. Religionsgesellschaften in Österreich sollen nicht von
ausländischen Staaten beeinflusst werden, sondern sich an den Grundsatz
der Selbstfinanzierung halten. Die diesbezügliche Regelung des Verbots der
laufenden Finanzierung aus dem Ausland im neuen Islamgesetz stellt dabei
keine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Religionen dar, da es beispielsweise in keiner anderen Religion in Österreich Prediger gibt, die Beamte eines anderen Staates sind. Schließlich ist es auch die Pflicht des Staates eine freie, unabhängige Religionsausübung zu gewährleisten.
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Nachhaltig auf die Qualität des islamischen Unterrichts und der muslimischen Ansprechstellen wird sich die Einrichtung eines islamisch-theologischen Studiums an der Universität Wien spätestens ab dem Jahr 2016 auswirken. Das Studium wird Absolventen und Absolventinnen im Inland und
in deutscher Sprache auf ihre Tätigkeiten als Imam, Seelsorger oder Seelsorgerin und Islamwissenschaftler oder Islamwissenschaftlerin vorbereiten. Es
ist im Übrigen ein weiteres Beispiel dafür, dass der Islam in Österreich bzw.
durch das Gesetz keine Benachteiligung erfährt, sondern im Gegenteil nunmehr der katholischen und der evangelischen Kirche insofern gleichgestellt
wird, als nur diese beiden bisher auf eine universitäre theologische Ausbildung zurückgreifen konnten.
Die islamische Theologie kann dabei in ihrer Bedeutung nicht überschätzt werden. Sie ermöglicht die Entwicklung eines Islams österreichischer Prägung, der sich im Rahmen und in Wertschätzung der österreichischen (Rechts-)kultur weiterentwickelt und ein klares Gegengewicht zu
anderen Interpretationen bildet, die behaupten, seinen Schriften wohne ein
unüberwindbarer Gegensatz zum westlichen Demokratieverständnis inne.
Absolventen und Absolventinnen der islamischen Theologie werden damit
in Zukunft dazu beitragen, dass sich unser Bild von muslimischen Mitbürgern neu prägt. Schon heute ist dieses in vielen Fällen nicht mehr zeitgemäß. Die Vorstellung des geschätzten, aber in seiner Lebenswelt nicht ganz
greifbaren „Gastarbeiters“ entspricht nicht mehr den Realitäten der vielen
jungen österreichischen Muslime und Musliminnen, mit denen ich bei vielen Gelegenheiten Gespräche geführt habe. Die geplante universitäre Ausbildung wird dabei auch auf theologischer und wissenschaftlicher Ebene
diesen Generationenwechsel abbilden.
Aktuelle Entwicklungen und nötige Haltungen
Nicht ausklammern möchte ich in diesem Zusammenhang einen kritischen
Punkt. Immer wieder wurden wir, aufgrund des zufälligen Zusammentreffens der Fertigstellung des Gesetzesentwurfs mit den aktuellen internationalen Sicherheitsbedrohungen durch islamistische Terrorgruppen und ihren
Auswirkungen in Form von Rekrutierungen auch in Österreich, mit der
Befürchtung konfrontiert, der aktuelle Gesetzesvorschlag hätte darin seinen
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Anlass. Hier sollten die dargestellten langjährigen Vorbereitungsarbeiten für
sich sprechen und diese Bedenken ausräumen. Die Grausamkeit der Vorgehensweise des menschenverachtenden Terrorregimes des „IS“ ist nicht zu
überbieten, soll jedoch keine Rechtfertigung für staatliches Zögern oder
Nichthandeln sein. Auch wir hätten uns für die Präsentation des Entwurfes
ein positiveres Klima gewünscht. Ein jahrelanges Aufschieben dieses wichtigen Gesetzgebungsprozesses, bis sich die Lage national und international
entschärft, ist jedoch keine Option.
Im Gegenteil ist mir eines ganz wichtig zu betonen. Das Terror­regime
des „IS“ in Irak und Syrien sowie der jüngste Anschlag in Paris dürfen keinesfalls dazu führen, dass Muslime und Musliminnen in Österreich in Misskredit geraten. Die islamischen Religionsgemeinschaften in Österreich verurteilen klar den Missbrauch des Islam durch Terroristen und Terroristinnen.
Einen Weg der gegenseitigen Vorverurteilungen und des Generalverdachts
– ohne Dialog und ohne die Anerkennung der innerislamischen, differenzierten Auseinandersetzung mit den verschiedenen Strömungen des Islam
– zu gehen, würde bedeuten, selbst schutzwürdige Prinzipien, wie das Diskriminierungsverbot oder die Menschenwürde, zu verletzen. Es darf in Österreich zu keinem Vertrauensverlust zwischen der muslimischen und der
nicht-muslimischen Bevölkerung kommen, und dafür müssen auch die islamischen Glaubensgesellschaften und die Muslime und Musliminnen im
Allgemeinen ihren Beitrag leisten. Wir sehen es vielmehr als unsere Aufgabe,
den – seit so langer Zeit in Österreich gesetzlich anerkannten – Islam in
Österreich zu unterstützen, der sich gegen Radikalisierung abgrenzt, und
die bisherige Zusammenarbeit mit Muslimen und Musliminnen fortzusetzen, die sich ganz gleich der nicht-muslimischen Bevölkerung in unserem
Rechtsstaat zu Hause fühlen und die Sicherheit und Freiheiten in unserem
Land hoch schätzen.
Man kann es deutlich aussprechen: Die Radikalisierungsthematik,
insbesondere im Zusammenhang mit dem Dschihadismus, ist dem Integrationsklima nicht zuträglich. Die diesbezügliche Sachlage und die sich daraus ergebenden Gefahren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt dürfen
nicht unterschätzt werden. Neben der Fokussierung aller betroffenen Ressorts (insbesondere Bildung, Justiz, Inneres, Integration) auf die Intensivierung der Präventions- und Deradikalisierungsarbeit gilt es im Bereich der
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Integration vor allem, den eingeschlagenen, erfolgreichen Kurs zu halten.
Die Integrationsdebatte sollte nicht religiös dominiert werden, sondern es
ist notwendig, klar zwischen religiösen, sozialen und sicherheitspolitischen
Herausforderungen zu differenzieren. Der Weg des Dialogs, der Reflexion
über die Standpunkte des jeweils anderen und die Ausrichtung auf gemeinsame Ziele wird von uns in Österreich weiter verfolgt. Die Förderung des
Zusammenhalts ist aber nicht zuletzt auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die jeden Einzelnen und jede Einzelne betrifft und in seinem/ihren
Wirkungsbereich umgesetzt werden kann. Ich bin zuversichtlich, dass sich
die Bemühungen lohnen.
Dahingehend wird das Islamgesetz einen wichtigen Beitrag leisten.
Nach über 100 Jahren der Anerkennung des Islam in Österreich und nach
50 Jahren Arbeitsmigration sind Muslime und Musliminnen ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Das Islamgesetz setzt das Zusammenleben auf
eine sichere und transparente Basis und wird damit zur Grundlage für die
Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Integration ist letztlich ein wechselseitiger Prozess, der das Engagement von allen Seiten erfordert.
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