1 Jonas Ebel 27.04.2010 HS: Politics and policies in the West Wing – Politikformulierung in den USA (1-Gruppe, Mittwoch 10:00 – 12:00 Uhr) Dozent: Dr. Sven Leunig Arbeitspapier zum 28.04.2010 Aufgabe: Welche Folgen hat vor allem die Binnenstruktur der Parteien für deren Einfluss im amerikanischen Politikformulierungsprozess? Welche Rolle spielen Interessenverbände in diesem Zusammenhang? Und warum ist es für den Präsidenten auch wichtig, auf die Besetzung des Supreme Court Einfluss zu nehmen? Quellen: - Verfassung der USA (Q1) - Oldopp, Birgit, Das politische System der USA, Wiesbaden 2005, S. 113-118. (Q2) - Hübner, Emil, Das politische System der USA. Eine Einführung, 5., akt. Aufl., München 2003, S. 149-160. (Q3) - Vile, Maurice J. C., Politics in the USA, New York 2007, S. 103-118. (Q4) Parteien - Amerikanisches Parteiensystem ist geprägt durch die Dominanz der Demokratischen und der Republikanischen Partei Staatenparlamentarier, die nicht einer der beiden großen Parteien angehören sind eine absolute Seltenheit (17 von 7308; Stand: 2003) (Q2, S. 113) - Wesentliche Merkmale der amerikanischen Parteien: (1) US-amerikanische Parteien sind keine Mitgliederparteien, sondern eher Wählervereinigungen, die überwiegend im Wahlkampf aktiv sind (= begrenzter Tätigkeitszeitraum), (2) Mit Ausnahme der Bundesparteien gibt es kaum fest angestelltes Personal oder bezahltes Führungspersonal, (3) Stark ausgeprägte föderalistische Parteienstruktur, wobei jede Parteiebene autonom handeln kann und eigene Aufgaben erfüllt; daraus resultiert ein geringer Grad an organisatorischem Zusammenhalt (= Stratarchy), (4) Wenig Einfluss der Partei auf die Rekrutierung des politischen Personals (Q2, S. 114f.) - Eher geringer ideologischer Zusammenhalt, was aber nicht mit Profillosigkeit verwechselt werden darf Republikaner: Konservativ, gegen Eingriffe des Staates in andere Lebensbereiche, Betonung der Selbständigkeit der Einzelstaaten – Demokraten: liberal (im amerikanischen Sinne), positiv eingestellt zum Sozialstaat und begrenzte staatliche Eingriffe in Wirtschaft und Gesellschaft (Q2, S. 117) - Insgesamt sind amerikanische Parteien mehr Parteinetzwerke als Parteiorganisationen, d.h. Existenz vieler Nebenorganisationen, etwa bei innerparteilichen Nominierungsbewerbungen (Q2, S. 115) - Das wichtigste Ziel von (amerikanischen) Parteien ist das Gewinnen von Wahlen, was zwar eigentlich das Ziel von Parteien prinzipiell darstellt, aber im politischen System der USA besonders stark ausgeprägt ist (Q2, S. 117f.) 2 - Konkurrieren der Parteien mit Political Action Committees (PACs) und reichen Einzelpersonen auf dem Wahlkampfmarkt Ein Kandidat fürs Parlament darf sich nicht einzig und allein auf die Partei verlassen (Q2, S. 118) - Fazit: Eher schwache Stellung der Parteien im politischen System der USA und im Politikformulierungsprozess ergibt sich aus: (1) Begrenzung des Handelns auf die Wahlkampftätigkeit, wo sie dann noch mit anderen Akteuren konkurrieren müssen, (2) Geringe Bindung eines Kandidaten an die Partei, (3) Strenge vertikale Autonomie der Parteien mit der Folge, dass Wahlausgänge in Einzelstaaten für die Bundesparteien nahezu bedeutungslos sind, (4) Geringer ideologischer Zusammenhalt der Parteien, (5) geringe Bindung an den Wähler durch die fehlende Mitgliedschaft (Q2, S. 114ff.) Interessengruppen - Schwäche der Parteien wird verstärkt bzw. kompensiert durch ein großes Verbändesystem, das einen großen Einfluss auf den Politikformulierungsprozess ausüben möchte (Q4, S. 103f.) - Großes Verbändesystem entsprich der pluralistischen Theorie einer freien Gesellschaft mit verschiedenen Gruppierungen als wesentlicher Bestandteil des politischen Systems, was bereits bei James Madison (1787) betont wird und damit eine wesentliche Grundauffassung amerikanischen Denkens darstellt (Q4, S. 104) - Interessengruppen streben im Unterschied zu den Parteien nicht nach Macht oder auf einen Sieg bei Wahlen und sind ein Beispiel für die Flexibilität der gelebten Verfassung der USA ≠ starrer Aufbau der Parteien (Q4, S. 103ff.) - Versuch der Einflussnahme durch Verbände vor allem auf den Kongress bzw. auf dessen Abgeordnete in Form von Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch den Einsatz moderner Kommunikationsmittel, durch Demonstrationen, durch aktive Unterstützung im Wahlkampf, durch Versuch der Beeinflussung der Kandidatenselektion oder auch durch Versuche der Überzeugung eines Abgeordneten von den eigenen Anliegen (Q4, S. 115f.) - Teilweise richten sich oben genannte Maßnahmen gegen Reformpläne des Präsidenten; z.B. Engagement der American Medical Association (AMA) gegen die Gesundheitsreformpläne von Bill Clinton (Q4, S. 107) - Parteien gelten nicht als die wesentlichen Adressaten von Interessengruppen, jedoch existieren unverbindliche politische Nähen zwischen Parteien und einigen Interessengruppen (Q4, S. 104) - These: Neben der Größe einer Interessengruppe und deren Thematik erscheint gerade die fehlende Bindung zu einer Partei einen großen Einfluss auf den Politikformulierungsprozess zu ermöglichen, da beide Parteien um diese Wählerstimmen kämpfen und sich der Thematik dieser Interessengruppen öffnen müssen; Bsp.: Interessengruppen aus dem Bereich der Farmwirtschaft (Q4, S. 113) 3 Supreme Court - Verfassung sagt nicht viel aus über die Stellung des Supreme Courts Art. III Abschnitt I besagt lediglich, dass die richterliche Gewalt bei einem Obersten Bundesgericht und anderen Gerichten liegen solle (Q1, S. 6) - Erst seit 1803 gilt das Prinzip der judicial review (= Urteil im Fall Marbury v. Madison) Supreme Court als Ort der letztgültigen Verfassungsinterpretation, was auch heute die wichtigste Aufgabe darstellt (Q3, S. 156) - Absage an die parliamentary sovereignty im englischen System und Bekenntnis zum System der checks and balances (Q3, S. 149) - Einflussnahme des Präsidenten auf die Zusammensetzung des Supreme Courts durch Ernennung der Richter auf Lebenszeit, womit er die Judikative im Lande weit über seine Amtszeit hinaus beeinflussen kann (Q3, S. 154) - Präsident braucht allerdings zur Ernennung eines Richters für den Supreme Court die Zustimmung des Senats, was zu heftigen Kontroversen führen kann (Q3, S. 154) - Hoher Grad an Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der Richter Richter erfüllen eben nicht nur die Erwartungen des Präsidenten bzw. dessen Partei, der ihn ernannt hat (Q3, S. 154) - Problembereich der political question Fälle, von denen der Supreme Court vermutet, dass sie in den Ermessenbereich von Exekutive und Legislative fallen, werden nicht zur Entscheidung zugelassen; damit kann der Supreme Court unbequeme Entscheidungen einfach umgehen (Q3, S. 159) - Trotz der Unabhängigkeit seiner Richter sei der Supreme Court eng verknüpft mit der politischen Stimmung im Land, was aber nicht so interpretiert werden muss (Q3, S. 160)