Vorstand Frank Hensel REWE Austria AG, Wiener Neudorf Statement beim Agrarpolitiktag der Wintertagung 2008 des Ökosozialen Forums Österreich, Auditorium Maximum der Universität Wien Wien, 4. 2. 2008 LAND- UND FORSTWIRTSCHAFT ZWISCHEN MARKT UND POLITIK – GLOBALE HERAUSFORDERUNGEN UND EUROPÄISCHE ANTWORTEN „Was bedeuten die Markt- und Preisprognosen für den Lebensmittelhandel? Was bedeuten diese für die Landwirtschaft, ihre Zulieferer und die Konsumenten?“ Als Handelsunternehmen und Marktführer im österreichischen Lebensmittelhandel ist REWE Group Austria den Kunden in ihren jeweiligen regionalen Lebensumgebungen verpflichtet. Unser zentrales Interesse liegt demgemäß darin, regionale Ausprägungen unseren Kunden erlebbar zu machen. Auch wenn Globalisierung eine weltwirtschaftliche Tatsache ist, wissen wir auch, dass sie bei den Menschen in ihrem regionalen Umfeld Ängste verursacht. Das nicht aufzuhaltende Phänomen Globalisierung ist in der eigenen Welt oft schwer nachvollziehbar. Gerade wenn es um ein so wichtiges Thema wie Lebensmittel und Ernährung geht, setzen wir als großer heimischer Lebensmittelhändler den Fokus – wo immer es möglich ist – auf Regionalität und damit auf österreichische Produkte. Weil sie den Menschen in einer komplexen Welt Sicherheit geben, weil sie für natürlichen Ursprung stehen, und weil sie von hoher Qualität sind. Alle Beteiligten der Wertschöpfungskette für ein gemeinsames Bekenntnis zu Österreich Regionalität ist untrennbar mit kulturellen Traditionen, Ess- und Trinkgewohnheiten und den damit im Zusammenhang stehenden Kulturlandschaften verbunden. Es liegt auf der Hand, dass wir unsere Kulturlandschaften nur mit einer funktionierenden Landwirtschaft erhalten können. Es muss somit ein übergeordnetes Interesse der Landwirtschaft, der Nahrungsmittelindustrie und des Handels sein, dazu einen Beitrag zu leisten. In diesem Zusammenhang ist es auch essentiell, dass ein funktionierender Kreislauf zwischen landwirtschaftlicher Produktion, Verarbeitung und Verkauf besteht. Denn dieser Kreislauf bis zum Kunden hin ist eine starke Basis, um geschützt zu sein, vor den immer unvorhersehbaren Entwicklungen am Weltmarkt. Das Bekenntnis zu Österreich – von der landwirtschaftlichen Seite der Produktion über den Handel bis hin zum Käufer – ist die beste Voraussetzung zum Schutz der klein strukturierten heimischen Landwirtschaft. Es gilt nicht, die Existenz des Weltmarkts zu verleugnen, sondern eine starke Kraft im eigenen Land zu sein. REWE Group Austria – mit den Handelsfirmen BILLA, MERKUR, PENNY und Österreichs größter Bio-Marke Ja! Natürlich – fühlte sich bereits in der Vergangenheit und nun stärker als je zuvor verpflichtet, mit der österreichischen Landwirtschaft partnerschaftlich zusammenzuarbeiten und damit einer wichtigen gesellschaftlichen Rolle gerecht zu werden. Denn wir glauben, dass österreichische Produkte nicht nur einen Wert haben, sondern auch eine Zukunft. Es ist eine Tatsache, dass wir als Lebensmittelhändler viele Anstrengungen zur Verbesserung der Produkte unternehmen – sei es im Bereich Qualitätssicherung, Bio oder in Sachen Umweltschutz. Wir haben uns dazu verpflichtet, heimischen Lieferanten und Produzenten absoluten Vorrang einzuräumen: Schweine- und Rindfleisch kommen zu 100 Prozent von in Österreich geborenen und aufgewachsenen Tieren, Trinkmilch kommt zu 100 Prozent von österreichischen Bauern, Eier kommen zu 100 Prozent aus österreichischen Betrieben mit Boden- und Freilandhaltung. Und wir werden in Zukunft noch mehr darauf achten, regional angepasste Sortimente für unsere Kunden anzubieten. REWE Group Austria wird noch flexibler werden, um der regionalen Nachfrage mit regionalen Angeboten entsprechen zu können, und wir werden damit auch vermehrt Lieferanten und Produzenten in den jeweiligen Regionen unterstützen. Gemeinsam österreichische Lebensmittel erlebbar machen REWE Group Austria sieht es als Aufgabe der Landwirtschaft, der Verarbeiter und des Lebensmittelhandels, den Wert der heimischen Produkte und den funktionierenden Kreislauf für den österreichischen Kunden erlebbar zu machen. Das wird unserer Ansicht nach auf Dauer und nachhaltig nur gelingen, wenn wir uns alle diesem Prinzip konsequent unterwerfen, unter Verzicht auf allzu großen Eigennutz. Wir forcieren diesen Ansatz, weil wir spüren, dass bei den österreichischen Kunden das Bewusstsein rund um hochwertige Ernährung und Produkte aus heimischen Regionen noch weiter im Steigen begriffen ist. Hier müssen wir ansetzen und jeden Tag aufs Neue beweisen, dass heimische Lebensmittel schmecken, dass sie wertvolle Produkte sind, und dass mit ihnen und durch sie unsere Kulturlandschaft geschützt wird. Basis dafür ist eine gute Kommunikation zwischen Landwirtschaft und Handel. Grundvoraussetzung für eine langfristige und funktionierende Zusammenarbeit sind ebenso Versprechen, die von beiden Seiten gehalten werden müssen. Faire Partnerschaften stärken Standort Österreich und schützen vor Risiken am Weltmarkt REWE Group Austria ist dazu bereit, die Partnerschaften mit der Landwirtschaft und der verarbeitenden Industrie intensiv zu gestalten. Wir stehen auch für mehrjährige Abnahmeverträge mit garantierten Fixpreisen. Das gibt unseren Partnerschaften Sicherheit, weil man sich auf diese Verträge verlassen kann – eine gänzlich andere Situation als die turbulenten und teilweise untransparenten Marktbedingungen rund um den Globus aufweisen. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass sich die Rahmenbedingungen so rasch geändert haben wie noch nie zuvor. Die Nachfrage ist in vielen Bereichen stark gestiegen, zum Beispiel bei Milch und Milchprodukten: Hier wurde die globale Nachfrage deutlich erhöht, generell in Asien – bei Bio insbesondere in Europa und den USA. Bei Getreide hatte der weltweite Markt mit Dürren und Missernten in Australien, dem drittgrößten GetreideExporteur der Welt, zu kämpfen. Und ähnlich wie bei den Molkereiprodukten hat sich auch bei Getreide aufgrund der gestiegenen Nachfrage aus Asien und aufgrund der Nachfrage von Biosprit-Herstellern der Markt verändert. Darüber hinaus wurde es leider zur Tatsache, dass Lebensmittel-Rohstoffe zunehmend zum Spekulationsobjekt von Finanzinvestoren werden. Unbestrittenes Faktum ist, dass die Weltmarktpreise starken Fluktuationen unterworfen sind, die Rohstoffpreise haben heuer Rekordhöhen erreicht. Das Thema hat uns alle – die Landwirtschaft wie den Handel – das vergangene Jahr sehr bewegt. Aufgrund dessen musste auch der Lebensmittelhandel Preissteigerungen der Landwirtschaft akzeptieren. In der Diskussion der Preiserhöhungen appellieren wir weiterhin für eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Frage, was jedem Einzelnen von uns eine gute Ernährung wert ist. Als Lebensmittelhändler versuchen wir mit den verschiedensten Kampagnen, mit einer gezielten Kommunikation zu unseren Kunden hin, ein Bewusstsein für qualitativ hochwertige Produkte zu schaffen. Aber wir müssen immer bedenken, dass letztlich der Kunde entscheidet. Unsere Kunden spüren die höhere Preise und sind aufmerksam geworden – insbesondere aufgrund der breit geführten Diskussion in den Medien. Als Handelsunternehmen sind wir dazu verpflichtet, auch die Interessen der Verbraucher wahrzunehmen und Waren zu zumutbaren Preisen anzubieten. Wenn wir diese Diskussion offen führen wollen, wenn wir wollen, dass heimische Lieferanten und Produzenten qualitativ hoch stehende Produkte erzeugen und davon auch leben können, wenn wir immer höher werdende Qualitätsstandards setzen, dann stellt es für uns alle eine große Herausforderung dar, in unserer Gesellschaft das Bewusstsein zu schaffen, dass hochwertige Ernährung und verlässliche Qualität einen Wert hat. Dann wird für die Menschen in diesem Land Globalisierung und österreichische Regionalität im Einklang stehen.