begründen, verstehen, beurteilen II– Argumentation, Hermeneutik und Kritik als Methoden wissenschaftlichen Arbeitens 190464 VO, UE - Grundlagen: philosophische Methoden II, 2.2.3 [21b2] laut Studienplan Pädagogik 2002 (2 Std.) Lehrveranstaltungsleiter: Mag. Dr. Martin Steger /TutorInnen: Emanuel Frass, Claudia Gusenbauer, Angela Janssen, Markus Mandl, Kristina Willebrand Donnerstag, 8.00 - 10.00, HS C1 Campus 6. Termin 19.04.07: Textbeispiel Lyotard Formales: Übungsphase: Wir beginnen mit dieser Woche mit einer Übungsphase zur Textkritik: diesmal an einem neutralen Text, die nächsten 3 Lv an unseren Interpretationstexten. In dieser Phase haben wir leicht geänderte Spielregeln. Ich möchte nämlich nicht erzählen, wie Sie Ihre Texte kritisieren sollen, als würde ich Ihnen Lv-Inhalte erzählen. Die inhaltliche Initiative wird daher bei Ihnen liegen – wenn das nicht der Fall ist, werde ich annehmen, dass Ihnen die Kritikansätze klar sind und früher Schluss machen. Das heißt aber natürlich auch, dass Sie die einmalige Gelegenheit haben, all Ihre Probleme los zu werden – allerdings nur, wenn Ihnen schon klar ist, dass Sie diese Probleme haben, wenn Sie also bereits etwas getan haben. Das betrifft vor allem die Textbesprechungen: Dieses Semester habe ich jedem Text einen eigenen Besprechungstermin gewidmet. Zu diesen Terminen sollten 1. die Gruppen anwesend sein, im Klartext: ich erwarte von jeder Gruppe bei allen Texten Anwesenheit zumindest eines Mitgliedes. Damit will ich der Verlockung, nur zum eigenen Text zu kommen bewusst entgegen treten – wir vergleichen die Autoren und ich habe Allgemeines zum Umgang mit Positionen zu sagen, das ist für alle interessant. Warum? Weil ja alle drei Texte dem selben methodischen Prozess unterworfen werden. Methodische Empfehlungen werde ich aber nicht dreimal ausgeben – d.h. beim ersten Termin werden wir schon Muster ausbilden, die für alle interessant sind. alle drei Texte um den selben Inhalt kreisen – Verstehen. Es kann also leicht sein, dass anhand eines Fremdtextes Ihnen auch zu Ihrem Text einiges klar wird, was sie bisher gar nicht thematisiert haben – dass etwa 1 erst am 'Kontrast' klar wird, dass einiges, was Sie als selbstverständlich genommen haben, in Wirklichkeit eine spezifische 'Lösung' für ein Problem ist, das man auch anders lösen kann. Ich werde daher im Vergleich auch in anderen Textstunden unter Umständen über Ihren Text sprechen. Das könnte natürlich auch Stoff für Ihre Arbeit bieten, wenn Sie etwa kontrastierend einen Aspekt, der bei zwei Autoren unterschiedlich behandelt wird, herausgreifen oder Gegenpositionen einfließen lassen. 2. Sie in der Gruppe bereits wissen, in welche Richtung Ihre Textkritik gehen wird Ich werde die Gruppen auch fragen, welche Kritikansätze sie überlegen und erwarte mir zumindest erste Überlegungen – noch nicht ausgefeilte Formulierungen. Also bitte vorher einmal durchbesprechen (genauso wie den Originaltext) – und den mitnehmen. Zur Beruhigung: Mir geht es dabei um Diskussion – ich werde nicht beurteilen, wie klug und toll das inhaltlich ist, was Sie sagen – das werden wir in der Diskussion feststellen. Ich werde nur beurteilen, ob Sie da sind und sich beteiligen – auch Gruppen, die mit ihrer Diskussion komplett in die falsche Richtung gelaufen sind, können dabei helfen – indem sie Fehlerquellen aufzeigen. Was klar ist: Ich werde keine 'peinlichen Verhöre' durchführen. 3. werde ich Ihnen zu diesen Terminen auch kein Skript – oder nur ein rudimentäres – anbieten können, weil es meine Zeitressourcen übersteigt, Diskussionen zu führen und dann nachzuzeichnen. Also bitte selbst darauf schauen, dass Sie das notieren, was Ihnen wichtig ist. Diskussionsforum: Eines sollte auch erwähnt werden – die Diskussionen im Forum sind teilweise philosophische Methodik in Reinkultur – Gratulation. Ich werde die Beteiligung an derartigen Diskussionen natürlich auch in der Beurteilung berücksichtigen. Inhalt: Zusammenführung kritischen Instrumentariums Ausgehend von unseren Beurteilungsperspektiven der Kritik: rhetorische Kritik Vermittlung des Wahrheitsanspruches: Darstellung - Vermittelbarkeit Wissen - positionelle Kritik: Bedingungen des Wahrheitsanspruches: Relevanz Wahrheitsanspruch - Geltungsbereich 2 argumentative Kritik: Geltung des Wahrheitsanspruches: Begründung - inhaltliche Meinung - Gültigkeit Wahrheit haben wir eine Heuristik (eine Handlungssystematik) der Kritik durch Zusammenschau der unterschiedlichen Perspektiven und Kritikstile entwickelt (siehe letzte Lv: immanente und normative Kritik): Heuristik der Kritik von außen/normativ von innen/immanent rhetorische Kritik positionelle Kritik Relevanz Relativieren Geltungsbereich Relativieren Voraussetzungskritik argumentative Kritik Gültigkeit Logische KritikWahrheit Theoriehintergrund: Kriterien: Bestreiten Korrespondenz Evidenz Bewährung Objektivität sowie: Fokus auf: Kohärenz Gültigkeit/Stimmigkeit Konsens Konsens Akzeptanz Widerspruchsfreiheit Prämissen Schluss Das ist eine heuristische Systematik – also eine nicht kategorisch (immer) stimmende, sondern eine, die handlungsorientiert Schwerpunkte setzt zB Bei Voraussetzungskritik (z.B.Transzendentalkritik) verschwimmt Fokus auf Prämissen und auf Schluss – sie geht auf Prämissen, aber indem sie diese hinterfragt - jede Prämissen hat selber Prämissen, Transzendentalkritik tut so, als wäre die Prämisse ein Zwischenschritt, also ein Schluss aus Aussagen, die ich mir dazuüberlegen muss was ist die Bedingung der Möglichkeit von?Kohärenz Vorgehensweise: Einige Eckpunkte des Vorgehens bei Kritik eines Textes: Feststellen des Wahrheitsanspruches 3 Zunächst gilt es zu prüfen, welcher Wahrheitsanspruch überhaupt vom Autor erhoben wird, d.h. was es zu beurteilen gilt (bzw. welche Priorität von Wahrheitsansprüchen – entweder die des Autors oder eigene Prioritäten, allerdings mit Bezug auf den Autor – etwa indem Sie ihren Fokus in Relation zu dem stellen, was Sie als Priorität des Autors sehen) das MUSS eine Interpretation, ein Verstehensakt sein – Sie deuten die Ansprüche des Autors – mit all den Aspekten, die wir im Wintersemester angesprochen haben (d.h. auch, sie schließen mit ihrer Arbeit an die des Wintersemesters an – indem Sie auf Ihre Interpretation verweisen, diese kurz zusammenfassen und/oder in den Bereichen kurz aktualisieren, in denen sich Ihr Verständnis geändert hat. Interpretation und Kritik stehen damit in einem Ergänzungsverhältnis zueinander. Beurteilung des Anspruches Stellungnahme in Bezug auf das Ganze und auf Aspekte des Textes (kann ebenso positiv wie negativ sein) Festlegen des Kritikansatzes Mit unseren Instrumentarien können Sie dann schon festlegen, wie Sie kritisieren. Ihr Ansatz ergibt sich unmittelbar aus der Struktur des Textes und dem Fokus Ihrer Stellungnahme ( etwa bei Lyotard: Wenn Sie diese Transformation des Wissens nicht glauben und daher kritisieren wollen, wird das von der Begründungsstruktur her eine normative Kritik sein müssen: Sie stellen dem eine andere Wirklichkeitsauffassung gegenüber) Überlegen der methodischen Implikationen Mit Ihrem Kritikansatz sind wie besprochen immer schon Vorentscheidungen mit gefallen (siehe auch Raster) - wieder Beispiel Lyotard: Wenn Sie normativ kritisieren, werden Sie korrespondenzorientiert begründen müssen (eben darauf, dass die Wirklichkeit nicht so ist wie beschrieben: Gegenbeispiele, eine anderes Konzept eines anderen Autors etc..) Es ist allerdings nicht so, dass Sie nur einen Kritikansatz verfolgen können: Wie in der Argumentation können/müssen die Perspektiven kombiniert werden: Auch wenn Sie Gegenbeispiele bringen (Korrespondenz), müssen Sie trotzdem argumentieren, was diese Beispiele eigentlich widerlegen, warum sie das tun, was daraus folgt etc (Kohärenz) Textbeispiel: Jean Francoise Lyotard: 4 Das postmoderne Wissen Wir haben uns dem Text argumentativ genähert – d.h. in seiner Argumentstruktur aufgeschlüsselt, um daraus Kritikansätze zu gewinnen: Inhalt: Abs Status 1 Inhalt /Begründung Kritik P: Wissen ist Sprechen P: Pilotwissenschaften handeln von Sprechen Begründung: Beispiele Evidenz Evidenzkritik Gegenbeispiele: korrespondenztheoretisch 2 iP: Pwi. handeln von technologischen Transformationen Zs: Auswirkungen auf Wissen P: 2 Funktionen von Wissen P: 1.Funktion(Forschung) betroffen Begründung: Beispiele Evidenz(analog 1) P: 2.Funktion(Übermittlung) betroffen Begründung: Referenz/Einigung Evidenz von Evidenz über Einigung auf stille Zustimmung hoffend Referenz/Rhetorik: die korresponztheoretischen Begründungen werden zunehmend schwächer P/Z: Prognose: wird noch verstärkt Prognose ist immer induktiv (weil auf Zukunft bezogen – siehe Skript Argumentation) damit ändert sich bei Vorgehen Wechsel von Kohärenz auf Korrespondenz kann nicht nur logisch begründet werden (Alternativen überlegen) – bei der Prüfung schaue ich nicht mehr auf die Argumentfolge, sondern auf die Wirklichkeit als Referenz P/Z: heißt Prämisse/Zwischenschritt: Lyotard folgert, lässt aber impliztit immer Neues einfließen – das bleibt aber unbegründet (das kommt aber bei den meisten Autoren vor) Begründung: Analogie/Einigung Evidenz Evidenzkritik Gegenbeispiel3 P/Z: Natur des Wissen ändert sich quantitativ Geltungsbereich: Von Natur des Wissens zu: alles wird vernachlässigt? Vorsicht vor Vokabel wie alles, nichts, immer, nie – da kann man den Absolutheitsanspruch fast immer bezweifeln (z.B. "ausschließende Argumentation nicht haltbar – es gibt noch immer Bücher") 5 P/Z: Prognose: Unübersetzbares wird vernachlässigt P/Z: Verfügbarkeit der Mittel Begründung: Evidenz (sehr pauschal) auch Fußnoten sind Belege auf Evidenz gezielt P/Z/B: Mit Informatik setzt sich auch Logik durch liefert Begründung für hohen Geltungsanspruch nach 4 P/Z: Prognose: Veräußerlichung des Wissens und Prinzip Bildung verfällt P/Z: Beziehung zu Erkenntnis erhält Wertform folgt nicht zwangsläufig implizite Prämisse P/Z: Wissen hört auf, eigener Wert zu sein. Wieso? keine Begründung – folgt nicht zwangsläufig implizite Prämisse Lyotard arbeitet fast ausschließlich korrespondenzorientiert, aber nicht alle Argumente sind evident daher: Kritik muss normativ sein: Von den Schwachstellen her etwa auf behauptete Relevanz und Geltungsbereich zielend Ist das wirklich das (1979) hochaktuelle und alle Wissensbereiche betreffende Phänomen? Damit kann man aber nur Geltungsbereich kritisieren, also relativieren, genauso mit der Überprüfung, ob die Prognosen von damals eingetroffen sind (ist teilweise eingetroffen und kann ja noch stärker werden) Will man prinzipiell die Aussage bestreiten, muss man am konstitutiven Moment ansetzen: dass die Digitalisierung den Charakter des Wissens ändert – alles andere iert den Geltungsbereich 6