EinführungindiePhilosophie AgrippasTrilemma 09.November2016 ©UlrichGähde 1 WahrheitderPrämissenundSchlüssigkeit § ArgumentealsFolgenvonProposiIonen § UnterscheidungzwischenPrämissenundKonklusion § Beispiel: Platons Argument, warum Wissen besser ist als wahreÜberzeugung. § DiefolgendeÜberlegungenbeziehensichaufdieFrage: „WiekommtmanzuwahrenPrämissen?“ ©UlrichGähde 2 EinBegründungsproblem § Fakt:TierfälltzeitweiligineinenTorpor. § Behauptung: Das Tier muss das tun, um seinenEnergiehaushaltzuregulieren. © Ulrich Gähde Prämisse1‘ ... Prämissem‘ Konklusion Prämisse1 ... Prämissen Konklusion 3 AgrippasTrilemmainderErkenntnistheorie § DasProblem: Begründungen sind Schlüsse, die aus n Prämissen auf die zu begründende These führen. Zutreffende Begründungensinddadurchgekennzeichnet, dasssievoneinemgülIgenlogischen Schluss Gebrauch machen und von wahrenPrämissenausgehen. § DieFrage: WoherkommendiesePrämissen? ©UlrichGähde Prämisse1‘ ... ... Prämissem‘ Konklusion Prämisse1 ... ... Prämissen Konklusion 4 AgrippasTrilemma:OpIonen DreiOpIonen: § InfiniterRegress § Zirkelha^eBegründungen § AbbruchdesBegründungsverfahrens AgrippasskepIscheKonsequenz © Ulrich Gähde Prämisse1‘ ... Prämissem‘ Konklusion Prämisse1 ... Prämissen Konklusion 5 AgrippasTrilemmainderErkenntnistheorie § Infiniter Regress: Der Begründungsvorgang kommt nie zueinemEnde. § Zirkelha^e Begründungen: In die Hierarchie der BegründungenwerdenlogischeZirkeleingebaut:Mangrei^auf Prämissenzurück,derenWahrheiterstanspätererStelle der Begründungsfolge gezeigt werden soll. Zusammenhangmitpe''oprincipii. § Basale Aussagen / Abbruch des Begründungsverfahrens: EsgibtAussagen,dienichtbegründungsbedür^igoder– fähig sind, die aber als Ausgangspunkt aller Begründungengenommenwerden.FragederIrrtumsresistenz. ©UlrichGähde 6 FundamentalisIscheversuskohärenIsches LösungsversuchefürAgrippasTrilemma A: Es gibt Überzeugungen, die nicht unter Rekurs auf andereÜberzeugungengerechgerIgtwerdenmüssen. B: EsgibtÜberzeugungen,dieirrtumsresistentsind. AundB Harter Fundamentalismus Aundnicht-B Moderater Fundamentalismus Nicht-AundB Nicht-Aundnicht-B ? KohärenIsmus ©UlrichGähde 7 FundamentalisIscheLösungsversuche § BesImmte Überzeugungen werden als basal für unser gesamtes Überzeugungssystem betrachtet. Alle andere Überzeugungen sollen unter Rekurs auf diese basalen ÜberzeugungengerechgerIgtwerden. § In manchen fundamentalisIschen Ansätzen werden basaleÜberzeugungenalsirrtumssicherangesehen. ©UlrichGähde 8 FundamentalisIscheLösungsversuche Waswirdalsbasalangesehen?VerschiedeAntworten: § RaIonalismus:BesImmteapriori-Überzeugungen § Empirismus:ÜberzeugungenüberBeobachtbares § Phänomenalismus:Überzeugungenüber Sinneswahrnehmungen. ©UlrichGähde 9 RaIonalisIscheGrundlegegungsversuche: RenéDescartes(1596–1650) „Von der Philosophie will ich nichtsweitersagen,alsdassich sah, sie sei von den vorzüglichsten Geistern einer Reihe von Jahrhunderten gepflegt worden, und dennoch gebe es inihrnichteineSache,dienicht umstriqen und mithin zweifelha^sei...“ Abhandlung über die Methode,1.Kapitel. ©UlrichGähde 10 HauptvertreterdesRaIonalismus: RenéDescartes § *1596inLaHayeinderTorraine. § 1606-1614 Schüler am JesuitenkollegLaFlèche. § 1618 – 1620 Offizier im Heer Moritz‘vonNassausundbeiden TruppenMaximiliansvonBayern. § 1620 Ausscheiden aus dem Heeresdienst. Privatgelehrter in Paris; Kontakt zum Kreis von Mersenne. ©UlrichGähde 11 HauptvertreterdesFundamentalismus: RenéDescartes § 1629ÜbersiedelungindieNiederlande. § 1637–1644PublikaIonderHauptwerke. § 1643 Korrespondenz mit Prinzessin Elisabeth von der Pfalz,insbesondereüberFragenderEthik. § 1649 Descartes übersiedelt auf Einladung von Königin ChrisInenachSchweden. § 1650TodinStockholm. ©UlrichGähde 12 RenéDescartes:MethodischerZweifel § Von einander widersprechenden wissenscha^lichen oder philosophischen Auffassungen muss mindestens eine falsch sein. § Da sich die Aufassungen der verschiedenen Schulen in vielfälIger Weise widersprechen, muss das überkommende WissensgebäudemitIrrtümerndurchtränktsein. § UmsichvordiesenIrrtümernzuschützen,gibtesnureinen Ausweg: eine umfassende Revision des eigenen Überzeugungsgebäudes. ©UlrichGähde 13 RenéDescartes:MethodischerZweifel § Dabei soll alles in Frage gestellt werden, was in irgendeiner Weisealsirrtumsanfälligerscheint.Umganzsicherzugehen, sollen dabei alle nicht ganz sicheren Überzeugungen als explizit falsch angenommen werden. (Hinweis: Descartes Aufforderung, alles nicht völlig gesicherten Überzeugungen als explizit falsch anzusehen, führt direkt in einen Widerspruch.) § NuraufdieseWeisekanneinvölliggesichertes,unbezweifelbares Fundament gefunden werden, auf dem das Wissensgebäudeneuerrichtetwerdenkann. ©UlrichGähde 14 RenéDescartes:MethodischerZweifel InZweifelgezogenwerden: § MetaphysischeAussagen § EmpirischeAussagen § MathemaIscheAussagen Frage: Gibt es Aussagen, die so sicher sind, dass sie nicht in Zweifelgezogenwerdenkönnen? ©UlrichGähde 15 RenéDescartes: Die„ersteGewissheit“ § Nur ein Sachverhalt kann nach Descartes Auffassung nicht in Frage gestellt werden: dass der Träger dieses Zweifels exisIert: Jeder konkrete Schriq im Rahmen des methodischen Zweifels bestäIgt erneut die Existenz des zweifelndenSubjekts. § Der Zweifel erzeugt die Selbstgewissheit der res cogitans. Diese ‚erste Gewissheit‘ wird zum archimedischen Punkt descartesischenSystems. § „Ichzweifle,alsobinich.“ ©UlrichGähde 16 Die„ersteGewissheit“ DieErsteGewissheitalslogischerSchluss: • AlleswaszweifeltexisIert. • Wennetwaszweifelt,dann exisIertes. • Ichzweifle. • Ichzweifle. • Also:IchexisIere B A • Also:IchexisIere Fragen: WasgaranIertdieSicherheitderPrämissen? Woherweißich,dassessichumeinengülIgenSchlusshandelt? DieersteGewissheitalsperforma=veGewissheit.Probleme. ©UlrichGähde 17 EmpirisIscheGrundlegungsversuche Im briIschen Empirismus des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts(Hauptvertreter:JohnLocke(1632-1704),George Berkeley(1685-1753)undDavidHume(1711-1776))wurdedie Auffassung vertreten, dass alle Überzeugungen letztlich unter RückgriffaufBeobachtbareszubegründenseien. ©UlrichGähde 18 DieempirisIscheTradiIon:Grundthesen § InderempirisIschenTradiIonwirdÜberzeugungenüber Beobachtbares ein ausgezeichneter epistemischer Status eingeräumt. § AlleanderenÜberzeugungensollenbegründetwerden,in dem man zu zeigen versucht, wie sie auf Beobachtungsüberzeugungenzurückgeführtwerdenkönnen. ©UlrichGähde 19 Problemedesempiris=schenFundamenta- lismus:‚Korrigierte‘Beobachtungsaussagen BeobachtungsaussagenwerdenoffenbarvordemHintergrund theoreIscherAussagenüberprü^undggf.korrigiert. § Hume’s Beispiel des Ruders, das beim Eintauchen ins Wasseralsgeknickterscheint. § DasLichtdeserloschenenSterns. Hinweis: Rolle von Metaüberzeugungen über die ZuverlässigkeitvonBeobachtungsüberzeugungen. ©UlrichGähde 20 OpIscheTäuschung ©UlrichGähde 21 Vexierbild ©UlrichGähde 22 Hasenente ©UlrichGähde 23 InaqenIonalBlindness ©UlrichGähde 24 RubberHand ©UlrichGähde 25 Vermutung § Auch bei beim AkzepIeren oder Verwerfen von Beobachtungsaussagen spielen Begründungen eine entscheidende Rolle. In diesen Begründungen wird es entscheidend auf die Verträglichkeit dieser Basissätze mit dem verfügbaren Hintergrundwissenankommen. § Je schlechter sie sich in dieses Hintergrundwissen einfügen, desto schärfere Anforderungen wird man an die VerlässlichkeitderbeobachtendenPersonen,derReproduzierbarkeit ihrerBeobachtungenetc.stellen. § IndieBegründungdieserAnforderungenwerdendamitzahlreiche Metaüberzeugungen des Hintergrundwissens einfließen. ©UlrichGähde ©UlrichGähde 26 EinAlternaIvezumFundamentalismus: KohärenIsmus § Es werden keine Überzeugungen als irrtumssicher angesehen. Überzeugungen werden nicht dadurch begründet, dass sie auf besImmte, unbezweifelbare Annahmen zurückgeführtwerden. § Staq dessen erhält ein Überzeugungssystem seine (relaIve) FesIgkeit durch inferenzielle Beziehungen, die in verschiedensten Richtungen zwischen den Überzeugungen eines Überzeugungssystemsbestehen. § Das Ziel besteht darin, zu einem möglichst hochkohärenten Überzeugungssystemzugelangen. § Frage:WasistKohärenz?Zunächst:BonJoursAntwort. ©UlrichGähde ©UlrichGähde 27 LaurenceBonJour:ErsteForderung zurPräzisierungdesKohärenzbegriffs § Ein Überzeugungssystem ist nur dann kohärent, wenn es logischkonsistentist. § Begründung: Angenommen, eine Menge von Aussagen ist inkonsistent. Dann lässt sich aus ihr im Rahmen der klassischenLogikjedebeliebigeAussageableiten. § Von der entstehenden Aussagenmenge wird man aber nicht sagen, dass sie kohärent sei: Sie enthält beliebig viele Aussagen,dienichtsmiteinanderzutunhaben. § Konsequenz:Konsistenzistalsoprimafacieeinenotwendige BedingungfürKohärenz. ©UlrichGähde ©UlrichGähde 28 LaurenceBonJour:ErsteForderung zurPräzisierungdesKohärenzbegriffs § Problem: Wenn Konsistenz eine notwendige Bedingung für Kohärenz ist, dann führt bereits ein einziger Widerspruch in unserem Überzeugungssystem dazu, dass es nicht mehr als kohärentbezeichnetwerdenkann. § Vorwort-Paradoxie § Hinweis auf Lakatos Behandlung des Bohrschen Atommodells. § HinweisaufparakonsistenteLogiken. ©UlrichGähde ©UlrichGähde 29 LaurenceBonJour:ZweiteForderung zurPräzisierungdesKohärenzbegriffs § Die Kohärenz eines Überzeugungssystem ist proporIonal zu seinemGradan‘probabilisIscherKonsistenz’. § Erläuterung an einem Beispiel, bei dem diese Forderung verletztist:Manglaubt,dassp,undhältpgleichzeiIgfürsehr unwahrscheinlich.SolcheFällesollenausgeschlossenwerden. ©UlrichGähde ©UlrichGähde 30 KohärenzundKonsistenz KonsistenzistkeinehinreichendeBedingungfürKohärenz: Beispiel:BetrachtetwerdedasfolgendeAussagensystem: 1. 7isteinePrimzahl. 2. OkapissindPaarhufer. 3. PascalwarkeinJesuit. DieseAussagenmengeistoffenbarkonsistent.Dennochwürde man sie nicht als kohärent bezeichnen, weil die Aussagen keineninhaltlichenBezugzueinanderhaben. ©UlrichGähde ©UlrichGähde 31 LaurenceBonJour:DriqeForderung zurPräzisierungdesKohärenzbegriffs § Die Kohärenz eines Überzeugungssystems nimmt zu mit Anzahl und Stärke inferenzieller Beziehungen, die zwischen seinenKomponentenbestehen. § Beispiele für inferenzielle Beziehungen: DedukIons-, IndukIons-,AbdukIons-undErklärungsbeziehungen. § Problem: Wie ermiqelt man Anzahl und Stärke inferenzieller Beziehungen? In welcher Beziehung stehen die verschiedenen Typen inferenzieller Beziehungen? Was ist überhaupt eine Erklärung? Probleme mit kohärenIsIschen ErklärungskonzepIonen. ©UlrichGähde ©UlrichGähde 32 BidirekIonale(?)inferenzielleBeziehungen § Die(vermeintliche)RollebidirekIonalerinferenzieller BeziehungenbeimAu}auaxiomaIscherSysteme. § DieBeziehungzwischenBeobachtungsdatenundtheoreIschenHintergrundannahmen. ©UlrichGähde ©UlrichGähde 33 LaurenceBonJour:VierteForderung zurPräzisierungdesKohärenzbegriffs § Die Kohärenz eines Überzeugungssystems nimmt ab in dem Maß, in dem es in Subsysteme zerfällt, die weitgehend unverbundendurchinferenzielleBeziehungensind. § Erläuterung am Beispiel von mentalisIschen und neurophysiologischenAussagenüberkogniIveProzesse. § Problem:PräzisierungdesBegriffsSubsystem. ©UlrichGähde ©UlrichGähde 34 LaurenceBonJour:Fün^eForderung zurPräzisierungdesKohärenzbegriffs § DieKohärenzeinesÜberzeugungssystemnimmtabindem Maß,indeminihmunerklärteAnomalienau^reten. § Beispiel:Äther-Theorie. § Problem:PräzisierungdesBegriffsAnomalie. ©UlrichGähde ©UlrichGähde 35 BonJoursMetaannahmen: ObservaIonRequirement § Metaannahme, nach der empirische RechgerIgung durch Kohärenz immer irgendwelche Wahrnehmungen als vertrauenswürdigen Input auszeichnen muss. Welche Wahrnehmungen das sind, wird zunächst bewusst offen gelassen. § Problem: Wie kann man diese Metaannahme rechtferIgen, ohne eine fundamentalisIsche Forderung aufzunehmen? § BonJours Antwort: Es geht um die RechgerIgung von Erfahrungswissen. ©UlrichGähde ©UlrichGähde 36 BonJoursMetaannahmen: Doxas=cPresump=on § Metaannahme, nach der wir bei RechgerIgungen immer vonderVoraussetzungausgehen,dasswirzumindesteine approximaIvkorrekteVorstellungdavonbesitzen,welche Überzeugungenwirhaben. § Problem:IstdieseAnnahmeempirischgerechgerIgt? § Antwort:Vermutlichnicht. § Hinweis:ProblemeinformellerKohärenz-KonzepIonen ©UlrichGähde ©UlrichGähde 37 AgrippasTrilemmainderEthik § Frage (Beispiel): Beschneidung aus ñ religiösenGründenerlaubt? § Begründung normaIver Konklu- NormaIvePrämisse1 ... sionen: Zusammenspiel von normaIven und deskripIven Prä- NormaIvePrämissen missen. § Bedeutung für die Beziehung DeskripIvePrämisse1 ... zwischen Ethik und Erfahrungs wissenscha^en. § Für beide Typen von Prämissen DeskripIvePrämissem stellt sich Agrippas Trilemma NormaIveKonklusion erneut. © Ulrich Gähde 38