04-2013_wissenplus-News_Lebensgemeinschaften

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Politische Bildung & Recht
04/2013
NEWS
Rechtliche Neuerungen
in Lebensgemeinschaften
I.
Zum Thema:
a. Einleitung:
Die nichteheliche Lebensgemeinschaft wird zunehmend als alternative Lebensform zur Ehe zwischen Frau und Mann angenommen. Sowohl in den Medien als
auch in Diskussionen gibt es häufig Unklarheiten über die rechtlichen Folgen
einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Dies auch deshalb, da es in Österreich
keine eindeutige Definition diesbezüglich gibt. Einerseits wird von den Lebensgefährten selbst eine rechtliche Ungebundenheit erwünscht, andererseits ergibt
sich aus dem Zusammenleben eine wirtschaftliche Gemeinschaft, die bei einer
Trennung ein großes Konfliktpotenzial mit sich bringt. Die folgende Auflistung soll
einen Überblick über mögliche Rechte von Lebensgefährten geben, kann jedoch
aufgrund fehlender gesetzlicher Bestimmungen als nicht vollständig betrachtet
werden.
b. Definition gemäß österreichischer Rechtsprechung
Lebensgemeinschaft:
= eine Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtergemeinschaft, die als eine auf
Dauer angelegte, umfassende Beziehung zweier Personen verschiedenen
Geschlechts angesehen wird, jedoch ein jederzeit lösbares familienähnliches
Verhältnis ist, das wohl der Ehe nachgebildet, aber von geringerer Festigkeit ist.
(OGH E 3 Ob 237/11s)
» Wohngemeinschaft:
Die Lebensgefährten sollen in einer gemeinsamen Wohnung leben mit der
Absicht, dort den gemeinsamen Lebensmittelpunkt zu haben. Wichtig ist das
wechselseitige Einbringen von persönlichen Dingen, Kleidung, Möbel etc. Es
genügen nicht drei bis vier gemeinsame Übernachtungen.
» Wirtschaftsgemeinschaft:
Die Lebensgefährten bestreiten die Bedürfnisse des täglichen Lebens auf
gemeinsame Rechnung, das heißt aber auch, dass die Partner nicht nur die
Bestreitung gemeinsam aufwenden, sondern auch die Güter zur Erholung und zur
Zerstreuung gemeinsam genießen. Eine Lebensgemeinschaft stellt auch darauf
ab, dass man Freud und Leid miteinander teilt.
» Geschlechtergemeinschaft:
Hat eine untergeordnete Bedeutung für eine Lebensgemeinschaft, da man auf sie
aus freien Stücken verzichten kann, ohne dass die Lebensgemeinschaft als
beendet angesehen wird. Umgekehrt ist ein sexuelles Verhältnis kein Grund zur
Annahme, dass es sich um eine Lebensgemeinschaft handelt
c. Wirkungen und Rechtsfolgen einer Lebensgemeinschaft:
a) Mit der Errichtung einer Lebensgemeinschaft ergeben sich keine schuld- oder
sachenrechtlichen Rechte. Das heißt – anders als in der Ehe –, dass ein
Lebensgefährte/eine
Lebensgefährtin
jedenfalls
Eigentümer/in
einer
Liegenschaft bleibt, auch wenn er/sie diese während der Lebensgemeinschaft
erworben hat.
© MANZ Verlag Schulbuch
Autorin: Mag. Michaela Reiner
www.wissenistmanz.at/wissenplus
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Weiters ist zu bemerken, dass der Lebensgefährte/die Lebensgefährtin,
der/die in die Wohnung des/der anderen zieht, kein familienrechtliches
Wohnrecht erwirbt.
(Anders bei gemeinsamem Wohnungseigentum, das aber nicht auf eine
Lebensgemeinschaft gerichtet ist!)
b) Obsorgeregelungen ergeben sich aus dem Kindschaftsänderungsgesetz 2013
(KindRÄG 2013) – es wird auf die Ausführungen des Newsletters vom März
2013 verwieseni.
c) Es besteht kein Anspruch auf Hinterbliebenenpension in der gesetzlichen
Sozialversicherung. Einzig wird dem hinterbliebenen Lebensgefährten/der
hinterbliebenen Lebensgefährtin ein Schmerzengeld bei Verlust des
Lebensgefährten/der Lebensgefährtin, „Schockschaden“, sowie der Ersatz von
Besuchskosten bei Körperverletzung zuerkannt.
d) Die Regelungen des Gewaltschutzgesetzes (BG zum Schutz vor Gewalt in der
Familie BGBl 1996/759 idF 2. GewaltschutzG, BGBl I 2009/40) gelten auch für
Lebensgefährten.
e) Auswirkungen bestehender Unterhaltsansprüche gegenüber Dritten: Es gibt
keine gesetzliche Regelung, wird aber nach derzeitiger Rechtsprechung (OGH)
folgend geregelt, dass der Unterhaltsanspruch für die Dauer einer
Lebensgemeinschaft gegenüber dem geschiedenen Ehepartner ruht.
f) Rechtsfolgen bei Auflösung der Lebensgemeinschaft:
» Schenkungen können nicht zurückgefordert werden.
» Aufwendungen während der Lebensgemeinschaft können nicht zurückgefordert werden.
» Investitionen: Wenn die Voraussetzungen für eine Dauerinvestition
weggefallen ist, kann diese rückabgewickelt werden, jedoch müssen beide
einen Nutzen davon haben, sonst ist es nicht möglich.
» Unterhalt: Es besteht keine Unterhaltsverpflichtung zwischen ehemaligen
Lebensgefährten.
© MANZ Verlag Schulbuch
Autorin: Mag. Michaela Reiner
www.wissenistmanz.at/wissenplus
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II. Fallbeispiel
Ludwig und Anna sind nicht verheiratet. Sie leben zusammen in einer DreiZimmer-Wohnung in Innsbruck. Die Einkäufe für das tägliche Leben bezahlt
derjenige von beiden, der gerade einkaufen ist. Eine konkrete Abrechnung oder
eine genaue Aufrechnung der Ausgaben findet nicht statt.
Zu erarbeitende Aufgaben:
1. Nennen Sie Argumente, die für und gegen eine Lebensgemeinschaft sprechen.
2. Die Eigentumswohnung, in der die beiden leben, gehört Ludwig. Welche
Auswirkungen hätte eine Trennung im Hinblick darauf?
3. Es wurden von beiden Investitionen für die Wohnung getätigt. Könnte Anna
diese zurückverlangen?
4. Welche Ansprüche würden sich im Fall des Todes von Ludwig oder Anna
ergeben?
5. Beantworten Sie die oben gestellten Fragen 2.–4. unter der Voraussetzung,
dass Anna und Ludwig verheiratet wären. Vergleichen Sie und erarbeiten Sie
Lösungsvorschläge.
III.
Didaktische Hinweise
Gruppendiskussion:
» Allgemeines zum Thema Ehe, Eingetragenes Partnerschaftsgesetz und
nichteheliche Lebensgemeinschaft; Erarbeitung der Unterschiede; Meinungen
von Schülerinnen/Schülern.
» Verknüpfung mit Obsorge, Stellung ehelicher/unehelicher Kinder
» Unterlage MANZ Newsletter März 2013
Kompetenzen:
» rechtliche Sachverhalte erkennen, analysieren und bewerten
» notwendige Rechtsbegriffe verstehen und anwenden
» eigene Meinungen bilden und die Wege der Rechtsdurchsetzung finden
» Erarbeitung von Lösungen
IV.
Schulbuchbezug:
Demokratie leben – inkl. SbX
SB-Nr.: 135638
MANZ Verlag Schulbuch, 2012
Mitgestalten! – inkl. SbX
SB-Nr.: 145399
MANZ Verlag Schulbuch, 2010
i
http://www.wissenistmanz.at/wissenplus/newsletter/archiv: 02/2013: Änderungen im Zivilrechtsverfahren
und im Familienrecht per 1.1.2013 bzw. per 1.2.2013/1.4.2013
© MANZ Verlag Schulbuch
Autorin: Mag. Michaela Reiner
www.wissenistmanz.at/wissenplus
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