Am 15.11. 2013 fand in Moskau die Konferenz der MB-Studiengruppe – in Kombination mit dem Treffen der russischen kinderonkologischen Gesellschaft am 16.11. – statt. Wie jedes Jahr waren 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den MB-Studienkliniken anwesend. Möglich war dies im Wesentlichen durch die finanzielle Unterstützung des Vereins KONTAKTE-KOHTAKTbI, der die Kosten für Reise und Unterbringung übernommen hatte. Besprochen wurden im ersten Teil die Ergebnisse der Studie MB 2008. Die Studie wurde am 21.02.2008 begonnen, und es wurden bis zum 01.10.2013 innerhalb des Zeitraums von 5 ½ Jahren 3447 Patienten aus 43 Städten mit 49 Teilnehmerkliniken in der Studienzentrale registriert. Eingeschlossen in diese Zahlen sind auch Patienten aus Weißrussland, Usbekistan und Armenien. Allein im Jahre 2012 betrug die Zahl der neu gemeldeten Patienten mehr als 700. Die Registrierung der Patienten bereitet in mancher Beziehung Probleme: manche Patienten werden erst mit Verspätung gemeldet, nachdem die Diagnose gestellt und die Behandlung bereits begonnen worden ist. Dann ist natürlich eine Randomisierung nicht mehr möglich, so dass diese Patienten für die Beantwortung der Studienfragen nicht berücksichtigt werden können. Besonders die Meldung der Daten von Patienten der Hochrisikogruppe ist unvollständig, und es erfordert große Anstrengungen der Studienzentrale, immer wieder telefonisch oder per E-Mail die entsprechenden Daten nachträglich einzuholen. Zum Stichtag 1.10.2013 waren nach Abzug der Patienten, die wegen verspäteter Meldung aber auch aus anderen Gründen die Einschlusskriterien nicht erfüllten, 2914 Patienten für die Studie auswertbar. Allerdings fehlen bisher auch von einem beträchtlichen Teil dieser Patienten Daten zum Behandlungsverlauf und zu Nebenwirkungen der Behandlung. Das bisherige Ergebnis der Studie hebt sich eindeutig positiv von den Ergebnissen der vorhergehenden Studien ab: Nach bisher etwas mehr als 5 Jahren ist die Wahrscheinlichkeit für ein ereignisfreies Überleben, d. h. es sind keine unerwünschten Ereignisse aufgetreten, bei knapp über 80%. Die Überlebenswahrscheinlichkeit insgesamt liegt nach dieser Zeit sogar bei 87%. Dieses Ergebnis, insbesondere die immer geringer werdende Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall der Krankheit, ist sehr erfreulich; es wird allerdings immer noch getrübt durch die Tatsache, dass Kinder während der Anfangsbehandlung oder auch nach dem Erreichen einer Remission, überwiegend an nicht mehr beherrschbaren Infektionen versterben. Gegenüber den vorhergehenden Studien ist allerdings auch dieser Anteil deutlich gesunken, so dass sich auch in dieser Beziehung die Studie 2008 positiv entwickelt. Gründe für die nicht-leukämiebedingte Sterblichkeit sind vermutlich einerseits lange Anfahrtswege, so dass die Kinder zum Teil bereits sehr schwer krank in dem Behandlungszentrum ankommen, zum anderen aber auch (noch) – besonders in neu teilnehmenden Kliniken – mangelnde Erfahrung im Umgang mit der Therapie. Die Behandlung nach den MB-Protokollen ist zwar weniger intensiv ausgelegt als in anderen Protokollen. Sie darf aber dennoch nicht unterschätzt werden, was ihre Gefahren durch die Beeinträchtigung des Immunsystems und die damit verbundene Anfälligkeit gegenüber schweren Infektionen betrifft. Die Teilnehmerkonferenzen sind daher weiterhin von großer Bedeutung für den Erfahrungsaustausch, für die Erkennung der Probleme, die mit der Teilnahme an den Studien verbunden sind, und für die Diskussion von Maßnahmen zu ihrer Behebung sowie generell für die Weiterbildung der Ärztinnen und Ärzte in den Behandlungszentren. Neu besprochen wurde ein Konzept zur Behandlung von Kindern mit Rückfällen der Leukämie. Dieses Konzept soll sich weitgehend an den in Deutschland entwickelten Protokollen der BFM-Rezidivstudien orientieren, aber auch neue Elemente enthalten. Die Behandlung wird entsprechend dem individuellen Risiko der Patienten erfolgen. Für manche Patienten wird eine Chemotherapie ausreichend sein, während für andere eine Stammzelltransplantation erforderlich ist. Die Stammzelltransplantationseinheit in Moskau verfügt über Kenntnisse und Techniken der Aufbereitung von Spenderzellen, die es ermöglichen, auch Stammzellen von Spendern zu verwenden, die nach den konventionellen Kriterien nicht als passend angesehen werden, wie z. B. Vater oder Mutter eines Patienten. Solche Transplantationen werden als haploidentische Transplantationen bezeichnet. Dadurch wird es möglich, auf die Suche nach passenden Spendern zu verzichten und auf diesen Weise Zeit und auch Geld zu sparen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass bei der Vorbereitung zu einer solchen Transplantation keine Ganzkörperbestrahlung durchgeführt werden muss, was besonders im Hinblick auf die Spätfolgen von großer Bedeutung ist. Das vorgestellte Konzept wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung im Wesentlichen akzeptiert und wird nun entsprechend ausgearbeitet werden. Vorgestellt wurden auch Ergebnisse aus anderen Teilnehmerkliniken über immunologische und genetische Untersuchungen zur Diagnostik und zur Messung von minimaler Resterkrankung. Hiermit beschäftigen sich außer Moskau besonders die Kliniken in Minsk und Jekaterinburg. Am zweiten Tag ging es um Knochentumoren und Neuroblastome. Hier wurde über Extremitäten erhaltende Operationen berichtet. Weiterhin wurden Planungen für Studien zur Behandlung von Kindern mit Knochentumoren und mit Neuroblastomen vorgestellt. Solche Studien sollen ähnlich wie die Therapieoptimierungsstudien der GPOH in Deutschland künftig auch in Russland durchgeführt werden. Eine entsprechende Infrastruktur herfür existiert bisher allerdings noch nicht. Die Tagung war insgesamt sehr informativ. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten angeregt und offen, und es zeigt sich immer wieder, dass sich die Pädiatrische Onkologie in Russland weiterentwickelt. Ganz besonders die Ergebnisse der Leukämiebehandlung sind erfreulich, aber es bedarf weiterhin intensiver Arbeit, um die Behandlungszentren zu beraten und die Daten über die Behandlungsergebnisse abzurufen und gut zu dokumentieren. In dieser Beziehung ist die Hilfe von „Kontakte“ auch künftig unverzichtbar. Prof. Dr. med. Dr. h.c. Günter Henze