1. Zugang zum Thema: Eigene Zukunftsvorstellungen

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GS/JLS WT, Dr. Jung, Ev. Religion
Ev. Religion in der Kursstufe – TK 10: Zukunft
Inhaltsverzeichnis
1.
Zugang zum Thema: Eigene Zukunftsvorstellungen .................................................................... 2
1.1.
2.
Einstieg: Entwurf von eigenen Zukunftsbildern .................................................................... 2
Utopien ................................................................................................................................................. 3
2.1.
Definition: Utopie ....................................................................................................................... 3
2.2.
Thomas Morus: Lob der utopischen Staatsverfassung .......................................................... 3
2.3.
Immanuel Kant: Vom ewigen Frieden ..................................................................................... 7
2.4.
Wladimir Lenin: Die kommunistische Gesellschaft ............................................................... 7
2.5.
Platon: Der Gelehrtenstaat – die Philosophen als Könige .................................................... 7
2.6.
Aldous Huxley: Schöne neue Welt............................................................................................ 8
2.7.
George Orwell – Vater der „Dystopien“ ................................................................................. 9
3. Biblische Zukunfts- und Hoffnungsbilder: Jes 65,17ff.; Mt 25,31ff.; Apk 21; Jes 2,1-4; Jes
9,5f.; Jes 11; Micha 4,3f.; Lk 17,20-37 .................................................................................................... 10
4.
3.1.
Jes 65, 17-25 ............................................................................................................................... 10
3.2.
Mt 25, 31-46 ............................................................................................................................... 12
3.3.
Apk 21, 1-8 ................................................................................................................................. 14
3.4.
Weitere biblische Hoffnungsbilder ......................................................................................... 16
Notwendigkeit und Gefahren von Zukunftsbildern .................................................................... 17
4.1.
Karl Popper: Kritik am utopischen Denken ......................................................................... 17
4.2.
Notwendigkeit von Zukunftsbildern ...................................................................................... 20
5.
Zukunft gestalten .............................................................................................................................. 22
6.
Zeit (fakultativ, Themeneinheit nach Wahl).................................................................................. 23
6.1.
Martin Heidegger: Sein und Zeit ............................................................................................. 23
6.2.
Zeit in der Bibel ......................................................................................................................... 27
Im Rahmen der Unterrichtseinheit wird eine Klausur geschrieben.
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1. Zugang zum Thema: Eigene Zukunftsvorstellungen
1.1.
Einstieg: Entwurf von eigenen Zukunftsbildern
a) Für Deine eigene Zukunft: „Ich in 20 Jahren“.
b) Für die Zukunft Deutschlands und der Welt in 20 Jahren
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2. Utopien
2.1.
Definition: Utopie
Eine Utopie („der Nicht-Ort“; aus altgriechisch οὐ- ou- „nicht-“ und τόπος tópos „Ort“;
vergleiche auch Dystopie und Atopie) ist der Entwurf einer fiktiven Gesellschaftsordnung, die
nicht an zeitgenössische historisch-kulturelle Rahmenbedingungen gebunden ist. Im alltäglichen
Sprachgebrauch wird Utopie auch als Synonym für einen von der jeweils vorherrschenden
Gesellschaft vorwiegend als unausführbar betrachteten Plan, ein Konzept und eine Vision,
benutzt.
Ein ähnlicher, in diesem Kontext oft verwendeter Begriff ist der Wunschtraum. Es handelt sich
um eine Gesellschaftsordnung, die bisher keinen Ort hat und nur als Gedanke und Idee existiert.
(Quelle: Wikipedia)
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2.2.
Thomas Morus: Lob der utopischen Staatsverfassung1
Im Jahre 1516 erschien ein Werk, das einer literarischen Gattung den Namen gegeben hat: Die Utopia des
Thomas Morus. Der volle Titel lautet „De optimo rei publicae statu deque nova insula utopia libellus vere
aureus“. Das Buch beschreibt die Lage der Insel Utopia
und ihre wesentlichen Einrichtungen. Es mündet aus im
Lob des utopischen Staates. Dahinter verbirgt sich
beißende Kritik an bestehenden Staaten seiner Zeit.
Ich habe euch so wahrheitsgetreu wie möglich
die
Verfassung
dieses
Staatswesens
beschrieben, das nach meiner festen
Überzeugung nicht nur das beste, sondern auch
das einzige ist, das mit Recht den Namen eines
„Gemeinwesens“ für sich beanspruchen kann.
Denn wo man sonst von Gemeinwohl spricht,
haben es alle nur auf den eigenen Nutzen
abgesehen; hier, wo es nichts Eigenes gibt,
berücksichtigt man ernstlich die Belange der
Allgemeinheit. Hier wie da handelt man mit
gutem Grund. Denn wie wenige gibt es
anderswo, die nicht wissen, dass sie, falls sie
nicht für sich selbst sorgen, trotz noch so
großer Blüte des Staates Hungers sterben
müssten? Und deshalb drängt jeden die Not,
mehr sich selbst als das Volk, das heißt: die
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Zitiert nach: K.J. Heinrisch( HG), Der utopische Staat, Reinek, 1974. 53f, 106-109 (Auszüge)
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anderen, zu berücksichtigen. Hier dagegen, wo allen alles gehört, ist jeder sicher, dass keinem
etwas für seine persönlichen Bedürfnisse fehlt, sofern nur dafür gesorgt wird, dass die
öffentlichen Speicher gefüllt sind. Es gibt nämlich keine missgünstige Güterverteilung, es gibt
weder Arme noch Bettler dort, und obwohl keiner etwas besitzt, sind doch alle reich. Denn
welch größeren Reichtum kann es geben, als wenn man, jeder Sorge ledig, frohen und ruhigen
Herzens leben kann, ohne um sein tägliches Brot zu bangen, ohne von der jammernden Ehefrau
um Geld geplagt zu werden, ohne die Verarmung des Sohnes fürchten zu müssen und sich um
die Mitgift der Tochter zu sorgen, sondern des eigenen Auskommens und Glückes genauso
sicher zu sein, wie dessen aller seiner Angehörigen: Frau, Kinder, Enkel, Urenkel, Ururenkel,
kurz wie lang sich die Reihe seiner Nachkommen ein Edelmann vorstellt? Zumal nicht weniger
für die gesorgt ist, die jetzt arbeitsunfähig sind, einst aber geschafft haben, als für die, die jetzt
arbeiten.( ... )
Welche Last von Beschwerlichkeiten ist doch diesem Gemeinwesen abgenommen, welche Saat
von Verbrechen mit Stumpf und Stiel ausgerottet, seit dort mit dem Gebrauch des Geldes
zugleich jede Gier danach aus der Welt geschafft ist! Denn wer weiß denn nicht, dass Betrug,
Diebstahl, Raub, Streit, Aufruhr, Zank, Empörung, Mord, Verrat und Giftmischerei, durch die
üblichen Strafen mehr nur geahndet als verhütet, mit der Abschaffung des Geldes zugleich
abstürben und zudem Furcht, Kummer, Sorge, Mühsal und Schlaflosigkeit im selben Augenblick
wie das Geld vergehen würden? Ja, die Armut selbst, die allein des Geldes zu bedürfen scheint,
schwände sofort dahin, wenn man überall das Geld völlig abschaffte.( ... )
Das merken zweifellos auch die Reichen. Sie wissen sehr wohl, wieviel besser es wäre, nichts
Notwendiges zu entbehren, als Überfluss an vielem Überflüssigen zu haben, so zahlreicher Übel
enthoben zu sein als von großem Reichtum bedrückt.
Und es fällt uns auch gar nicht ein, daran zu zweifeln, dass die vernünftige Erkenntnis des
eigenen Vorteils oder das Vorbild unseres Erlösers Jesus Christus, der in seiner so großen
Weisheit wohl wissen musste, was das Beste sei, und in seiner Güte nur raten konnte, was seines
Wissens das Beste war, schon längst die ganze Welt mit Leichtigkeit zu den Gesetzen jenes
Staates bekehrt hätte, wenn nicht ein einziges Ungeheuer, das Haupt und die Mutter alles
Verderbens: die Hoffart, sich dem widersetzte. Diese misst ihr Glück nicht am eigenen Vorteil,
sondern am fremden Nachteil. Nicht einmal eine Göttin wollte sie werden, wenn keine
Unglücklichen übrigblieben, die sie beherrschen und verhöhnen könnte, mit deren Elend
verglichen ihr eignes Glück erst hervorstrahlte, deren Not sie durch Entfaltung ihrer Macht
steigern und verschärfen könnte. Wie eine höllische Schlange bohrt sie sich in die Herzen der
Menschen, legt sich wie ein Hemmnis vor sie und hindert sie, einen besseren Lebensweg
einzuschlagen. Sie hat sich allzu tief in die Menschen eingefressen, als dass sie leicht
herausgerissen werden könnte.
Deshalb freue ich mich, dass wenigstens den Utopiern diese Staatsform, die ich gern allen
Menschen gönnte, zuteil geworden ist. Jene haben sich von solchen Grundsätzen leiten lassen,
daß sie ihrem Staat nicht nur die glücklichsten, sondern auch solche Grundlagen gaben, die nach
menschlicher Voraussicht von ewiger Dauer sein werden. Denn nachdem sie bei sich neben
sonstigen Lastern die Ehrsucht und die Zwietracht mit der Wurzel ausgerottet haben, droht
keine Gefahr von inneren Zwistigkeiten mehr, wodurch allein schon die wohlgesicherte Macht
vieler Städte zugrunde gerichtet wurde. Solange aber im Innern Eintracht herrscht und die
heilsame Verfassung gewahrt bleibt, vermag die Missgunst aller benachbarten Fürsten, die das
früher schon öfters, aber immer erfolglos versucht hat, dieses Reich weder zu erschüttern noch
zu beunruhigen.
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Aufgaben
1.
Arbeite die Grundzüge der Staatsverfassung in „Utopia” heraus.
2.
Vergleiche dies mit den Zuständen im 16. Jh. und mit unserer gegenwärtigen Staatsform.
Welche Zustände werden dadurch direkt oder indirekt kritisiert?
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Welche Funktionen haben Eigentum und Geld in Utopia?
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2.3.
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Immanuel Kant (1724-1804) hat in hohem Alter 1795 einen philosophischen Traktat »Zum ewigen Frieden«
veröffentlicht. Der Frieden, der für Kant wegen der radikalen Bösartigkeit des Menschen stets gefährdet ist, kann sich
nur aus den Grundsätzen des Rechts und der Sittlichkeit herleiten.
Nun spricht die moralisch-praktische Vernunft in uns ihr unwiderstehliches Veto aus: Es soll kein
Krieg sein; weder der, welcher zwischen mir und dir im Naturzustande, noch zwischen uns als
Staaten, die, obzwar innerlich im gesetzlichen, doch äußerlich (im Verhältnis gegen einander) im
gesetzlosen Zustande sind; - denn das ist nicht die Art, wie jedermann sein Recht suchen soll.
Ein Ausrottungskrieg, wo die Vertilgung beide Teile zugleich und mit dieser auch alles Recht treffen
kann, würde den ewigen Frieden nur auf dem großen Kirchhofe der Menschheit stattfinden lassen.
Ein solcher Krieg also, mithin auch der Gebrauch der Mittel, die dahin führen, muss schlechterdings
unerlaubt sein.
Wenn es Pflicht, wenn zugleich gegründete Hoffnung da ist, den Zustand eines öffentlichen Rechts,
obgleich nur in einer ins Unendliche fortschreitenden Annäherung wirklich zu machen, so ist der
ewige Friede, der auf die bisher fälschlich so genannten Friedensschlüsse (eigentlich
Waffenstillstände) folgt, keine leere Idee, sondern eine Aufgabe, die, nach und nach aufgelöst, ihrem
Ziele (weil die Zeiten, in denen gleiche Fortschritte geschehen, hoffentlich immer kürzer werden)
beständig näher kommt.
Der ewige Friede (das letzte Ziel des ganzen Völkerrechts) ist freilich eine unausführbare Idee. Die
politischen Grundsätze aber, die darauf abzwecken, nämlich solche Verbindungen der Staaten
einzugehen, als zur kontinuierlichen Annäherung zu demselben dienen, sind es nicht, sondern, so
wie diese eine auf der Pflicht, mithin auch auf dem Recht der Menschen und Staaten gegründete
Aufgabe ist, allerdings ausführbar.
2.4.
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Wladimir Lenin: Die kommunistische Gesellschaft
Wladimir Iljitsch Lenin (1870-1924) war seit 1903 Führer der russischen Bolschewisten und seit November 1917
russischer Regierungschef In seiner Schrift »Staat und Revolution« (1917) führte er die politische Philosophie von Karl
Marx weiter. Dieser hatte den Kommunismus als den Endzustand der Geschichte bezeichnet, in dem es keine
Klassenkämpfe mehr geben werde und der darum der wahre Humanismus sein werde. Ein Auszug aus Lenins Schrift:
Erst in der kommunistischen Gesellschaft, wo der Widerstand der Kapitalisten schon endgültig
gebrochen ist, wo die Kapitalisten verschwunden sind, wo es keine Klassen (das heißt keinen
Unterschied zwischen den Mitgliedern der Gesellschaft in ihrem Verhältnis zu den gesellschaftlichen
Produktionsmitteln) mehr gibt - erst dann »hört der Staat auf zu bestehen« und »kann von Freiheit
die Rede sein«. Erst dann ist eine tatsächlich vollkommene Demokratie, tatsächlich ohne jede
Ausnahme, möglich und wird verwirklicht werden. Und erst dann beginnt die Demokratie
abzusterben, infolge des einfachen Umstands, daß die von der kapitalistischen Sklaverei, von den
ungezählten Greueln, Brutalitäten, Widersinnigkeiten, Gemeinheiten der kapitalistischen
Ausbeutung befreiten Menschen sich nach und nach gewöhnen werden, die elementarsten, von
alters her bekannten und seit Jahrtausenden in allen Vorschriften gepredigten Regeln des
Zusammenlebens einzuhalten, sie ohne Gewalt, ohne Zwang, ohne Unterordnung, ohne den
besonderen Zwangsapparat, der sich Staat nennt, einzuhalten.
2.5.
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Immanuel Kant: Vom ewigen Frieden
Platon: Der Gelehrtenstaat – die Philosophen als Könige
Der griechische Philosoph Platon (427-347) hat ein Werk über den Staat (griech.: Politeia) geschrieben, in dem er seine
Auffassung vom idealen Staatswesen darlegt. Bauern, Wächter (Soldaten) und Philosophen bilden die drei Stände, die im
Staat die wichtigsten Aufgaben zu erfüllen haben. Sie sollen sich vor allem an den Tugenden des Maßes, der Tapferkeit,
der Klugheit und der Gerechtigkeit orientieren. Weder Freiheit noch Demokratie gehören zu den Grundlagen der
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politischen Lehre Platons. Trotzdem hat dieses Werk der Nachwelt viele gute Anregungen gegeben. Die wichtigsten
Gedanken trägt Sokrates vor. Der folgende Textauszug gehört zu den klassischen Stellen der Politeia. Platons Methode
ist der Dialog: Sokrates spricht mit unterschiedlichen Gesprächspartnern und versucht, sie zu überzeugen.
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Sokrates: »So wollen wir zunächst versuchen zu finden und zu zeigen, was denn in den heutigen
Staaten schlecht gemacht wird, dass sie sich nicht in dem Idealzustand befinden, und was man
ändern müsste - das mag nur eine Kleinigkeit sein oder höchstens zwei, so wenig jedenfalls und
gering an Bedeutung wie möglich -, damit der Staat zu einer guten Verfassung käme. «
Glaukon: »Einverstanden!«
Sokrates: »Eine einzige Änderung«, so begann ich, »könnten wir, denke ich, aufzeigen, die einen
solchen Umschwung bewirken würde; sie ist allerdings nicht klein oder leicht, aber durchführbar!«
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Glaukon: »Und welche?« ...
Sokrates: »Wenn nicht die Philosophen in den Staaten Könige werden oder die Könige, wie sie
heute heißen, und Herrscher echte und gute Philosophen und wenn nicht in eine Hand
zusammenfallen politische Macht und Philosophie, und wenn nicht die Vielzahl derer, die sich heute
auf Grund ihrer Anlage nur der einen der zwei Aufgaben widmen, mit Gewalt davon ferngehalten
wird, gibt es, mein Glaukon, kein Ende des Unglücks in den Staaten, ja nicht einmal im ganzen
Menschengeschlecht. «
2.6.
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Aldous Huxley: Schöne neue Welt
Aldous Huxley (1894-1963) war ein britischer Schriftsteller. In dem Roman »Brave New
World«, der 1932 erschien, wird eine perfekte Wohlstandsgesellschaft beschrieben, in der
Elend, Krankheit und Not auf Kosten von Freiheit und Kunst, von Humanität und
Religion überwunden sind. Huxley wollte in dieser Satire das blinde Vertrauen auf den
technologischen Fortschritt erschüttern. Der Anfang spielt in einem Befruchtungsraum,
wo ein Herr Päppler den Studenten die Errungenschaften der Brut- und Normzentrale
Berlin-Dahlem erklärt:
Er führte ihnen den einfachen Mechanismus vor, mittels dessen jeden
sechsten und siebenten Meter alle Embryos gleichzeitig geschüttelt wurden,
damit sie sich an Bewegung gewöhnten. Er wies auf die ernste Bedeutung
des sogenannten »Entkorkungstraumas« hin und zählte die
Vorsichtsmaßregeln auf, die durch zweckdienliches Training des Embryos in der Flasche den
gefahrbringenden Schock auf ein Mindestmaß herabdrückten. Er erklärte ihnen, wie das Geschlecht
des Embryos in der Nähe von Meter 200 geprüft und die Flasche bezeichnet wurde: ein T für
männliche, ein Kreis für weibliche, und für solche, die empfängnisfrei werden sollten, ein
Fragezeichen, schwarz auf weißem Grund.
»Denn natürlich«, sagte Päppler, »ist Fruchtbarkeit in der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle nur
lästig. Denn ein einziges fruchtbares Ovar auf je zwölfhundert könnte für unsere Zwecke wirklich
vollauf genügen. Aber wir wollen eben reiche Auswahl zur Verfügung haben, und selbstverständlich
muss man sicherheitshalber immer gewaltigen Spielraum geben. Daher lassen wir dreißig Prozent
der weiblichen Embryos sich normal entwickeln. Die andern erhalten während des weiteren
Umlaufs alle vierundzwanzig Meter eine Dosis männlichen Sexualhormons. Ergebnis: sie werden in
unfruchtbarem Zustand entkorkt, sind völlig normal gebaut, bis auf« wie er zugeben musste - »eine
ganz, ganz schwache Neigung zu Bartwuchs, aber empfängnisfrei. Garantiert empfängnisfrei. Und
damit gelangen wir endlich aus dem Bereich bloßer sklavischer Nachahmung der Natur auf das viel
interessantere Gebiet menschlicher Erfindung. «
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Er rieb sich die Hände. Es war ja klar, dass man sich nicht damit begnügte, Leibesfrüchte einfach
ausreifen zu lassen; das konnte doch jede Kuh.
»Wir prädestinieren und normen auch. Wir entkorken unsere Kleinlinge als vergesellschaftete
Menschen, als Alphas oder Epsilons, als künftige Kanalreiniger oder künftige ... « Er hatte »künftige
Weltaufsichtsräte« sagen wollen, verbesserte sich aber und sagte »künftige Brutdirektoren.« ...
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Der Rundgang durch purpurne Dämmerung führte sie in die Nähe von Meter 170 des Regals 9. Von
dieser Stelle an war Regal 9 verschalt, die Flaschen legten den Rest der Reise in einem Tunnel
zurück, der stellenweise von zwei bis drei Meter langen Öffnungen unterbrochen war.
»Wärmegewöhnung«, erklärte Päppler.
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Hitzetunnels wechselten mit Kältetunnels ab. Kälte war gekoppelt mit Unbehagen in Form starker
Röntgenstrahlen. Wenn die Embryos entkorkt wurden, war ihnen das Grauen vor Kälte bereits
eingefleischt. Sie waren prädestiniert, in die Tropen auszuwandern oder Bergarbeiter,
Azetatseidenspinner oder Eisengießer zu werden. Später wurde ihr Verstand dazu gezwungen, dem
Instinkt ihres Körpers zu folgen. »Denn wir normen sie auf Gedeihen bei Hitze«, schloss Päppler.
»Unsere Kollegen im nächsten Stockwerk bringen ihnen die Liebe zu ihr bei. «
»Und darin«, warf der Direktor salbungsvoll ein, »liegt das Geheimnis von Glück und Tugend:
Tue gern, was du tun musst! Unser ganzes Normungsverfahren verfolgt dieses Ziel: die Menschen
ihre unentrinnbare soziale Bestimmung lieben zu lehren.« ...
Auf Regal 10 wurden ganze Reihen künftiger Arbeiter für chemische Fabriken an die Einwirkungen
von Blei, Ätznatron, Teer und Chlor gewöhnt. Der erste Schub einer Lieferung von
zweihundertfünfzig Raketenflugzeugingenieuren in embryonalem Zustand passierte soeben Meter
1100 auf Regal 3. Eine besondere Vorrichtung kippte diese Flaschen und bewirkte, dass sie
fortwährend Purzelbaum schlugen. »Damit sich ihr Gleichgewichtssinn stärkt«, bemerkte Päppler.
»Reparaturen an der Außenseite eines Raketenflugzeugs mitten in der Luft sind eine kitzlige
Aufgabe. Wir verlangsamen, wenn die Embryos aufrecht stehen, den Kreislauf des Blutsurrogats, bis
sie halb verhungert sind, und verdoppeln ihn, wenn sie auf dem Kopf stehen. Sie gewöhnen sich
also dran, Kopfstehen und Wohlbehagen zu assoziieren. Ja sie sind geradezu nur dann glücklich,
wenn sie auf dem Kopf stehen können. «
2.7.
George Orwell – Vater der „Dystopien“
George Orwell (1903-1950) war ein britischer Schriftsteller. Mit seinen beiden Hauptwerken
„Farm der Tiere“ und „1984“ warnte er früh vor den verheerenden und menschenverachtenden
Folgen, die Utopien haben können. In der „Farm der Tiere“ übernehmen die Tiere die
Regierung auf einem Bauernhof. Rasch bilden sich Unterdrückungsstrukturen heraus: Die
Schweine nutzen die Dummheit der Schafe und anderer Tiere aus, um sich selbst auf deren
Kosten zu bereichern. Orwell kritisiert in diesem Buch die Auswirkungen des Kommunismus.
In 1984 wird eine Horrorvision eines totalen Überwachungsstaates beschrieben, die im Jahr
1984 (das Buch ist 1948 geschrieben, 84 die Umkehrung von 48) herrschen könnte. Das Buch
hat angesichts staatlicher Überwachungsmaßnahmen heute von bleibender Aktualität. Der
Diktator des fiktiven Staates Ozeanien hat den Titel „Großer Bruder“ – bis heute ist die
Redewendung „Big Brother is watching you“ bekannt.
Orwells Bücher werden oft auch als Dystopien bezeichnet: Utopien, die im Gegensatz zu früheren Visionen eindeutig negativ
sind.
Aufgabe: Erarbeite anhand des Wikipedia-Artikels über das Buch seinen Inhalt.
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3. Biblische Zukunfts- und Hoffnungsbilder: Jes 65,17ff.; Mt 25,31ff.; Apk 21;
Jes 2,1-4; Jes 9,5f.; Jes 11; Micha 4,3f.; Lk 17,20-37
3.1.
Jes 65, 17-25
5
Israel wurde im Jahr 587 v. Chr. von den Babyloniern erobert und die
Oberschicht nach Babylon deportiert. Im Exil in Babylon sehnen sich die
Israeliten zurück nach ihrer Heimat. 537 v. Chr. erlaubte der König Kyros den
Israeliten, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Auf der Rückkehr malten
sich die Israeliten ihre Heimat in den schönsten Farben aus und in ihnen
entstanden paradiesische Vorstellungen von der alten Heimat. In der Heimat
angelangt, wurden sie jäh enttäuscht. Teilweise war das Land noch vom Krieg
verwüstet, andere Menschen wohnten in ihren alten Häusern und
bewirtschafteten ihre Felder und Weinberge. Die Rückkehrer und die
Daheimgebliebenen lebten zum Teil in großer Armut, sodass Väter ihre Kinder
in die Schuldknechtschaft verkaufen mussten. Um so mehr sehnten sich die
Menschen nach einem umfassenden Frieden.
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Denn schon erschaffe ich einen neuen Himmel / und eine neue Erde. Man wird nicht
mehr an das Frühere denken, / es kommt niemand mehr in den Sinn.
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Nein, ihr sollt euch ohne Ende freuen und jubeln / über das, was ich erschaffe. Denn ich
mache aus Jerusalem Jubel / und aus seinen Einwohnern Freude. 19Ich will über Jerusalem
jubeln / und mich freuen über mein Volk. Nie mehr hört man dort lautes Weinen / und
lautes Klagen.
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Dort gibt es keinen Säugling mehr, / der nur wenige Tage lebt, und keinen Greis, / der
nicht das volle Alter erreicht; wer als Hundertjähriger stirbt, / gilt noch als jung, / und wer
nicht hundert Jahre alt wird, / gilt als verflucht. 21Sie werden Häuser bauen / und selbst
darin wohnen, / sie werden Reben pflanzen / und selbst ihre Früchte genießen. 22Sie bauen
nicht, / damit ein anderer in ihrem Haus wohnt, und sie pflanzen nicht, / damit ein anderer
die Früchte genießt. In meinem Volk werden die Menschen so alt / wie die Bäume. Was
meine Auserwählten mit eigenen Händen erarbeitet haben, / werden sie selber verbrauchen.
23
Sie arbeiten nicht mehr vergebens, / sie bringen nicht Kinder zur Welt für einen jähen Tod.
Denn sie sind die Nachkommen der vom Herrn Gesegneten / und ihre Sprösslinge
zusammen mit ihnen.
24
Schon ehe sie rufen, gebe ich Antwort, / während sie noch reden, erhöre ich sie.
25
Wolf und Lamm weiden zusammen, / der Löwe frisst Stroh wie das Rind / [doch die
Schlange nährt sich von Staub]. Man tut nichts Böses mehr / und begeht kein Verbrechen /
auf meinem ganzen heiligen Berg, spricht der Herr.
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Aufgaben:
1. Benenne aus Jes 65, 17-25 die auf die Menschen und die Tiere bezogenen Hoffnungsbilder.
5
2. Erläutere die Bedeutung dieser Bibelstelle vor dem historischen Hintergrund seiner
Entstehung.
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3. Vergleiche Jesaja 65 mit der Utopia von Thomas Morus.
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4. Lege dar, worin Deiner Meinung nach das Besondere dieser biblischen Zukunftsvision liegt.
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3.2.
Mt 25, 31-46
Zur Zeit Jesu lebten die Menschen in Galiläa in großer Armut. Davon
war besonders die Landbevölkerung betroffen, während die Menschen in
der Stadt wohlhabend waren und Zugang zu Kultur und Luxus hatten.
Im Zentrum der Verkündigung Jesu steht die Botschaft vom Reich Gottes.
Mit ihm verbindet sich die Vorstellung einer neuen Welt, in der Frieden
und Gerechtigkeit unmittelbar erlebbar werden. Das Gottesreich tritt aber
nicht plötzlich in der Zukunft ein, sondern ist durch das Wirken und
Predigen Jesu schon präsent. Durch die Wiederkunft des
Messias/Menschensohn (= Rettergestalt) wird dieses Reich dann in
Vollkommenheit gegenwärtig.
Zur Ankunft des Gottesreiches gehört auch das Gericht, in dem der
Menschensohn zwischen den Gerechten (= Schafe) und den Verfluchten
(= [Ziegen-]Böcke) unterschieden wird.
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5
Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich
auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen. 32Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen
werden und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. 33Er
wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zur Linken.
34
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Dann wird der König denen auf der rechten Seite sagen: „Kommt her, die ihr von meinem Vater
gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist.
35
Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu
trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen; 36ich war nackt und
ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und
ihr seid zu mir gekommen.“
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Dann werden ihm die Gerechten antworten: „Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir
zu essen gegeben, oder durstig und dir zu trinken gegeben? 38Und wann haben wir dich fremd und
obdachlos gesehen und aufgenommen, oder nackt und dir Kleidung gegeben? 39Und wann haben
wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?“
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Darauf wird der König ihnen antworten: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner
geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
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Dann wird er sich auch an die auf der linken Seite wenden und zu ihnen sagen: „Weg von mir, ihr
Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist! 42Denn ich war
hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir nichts zu trinken
gegeben; 43ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt und
ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war krank und im Gefängnis und ihr habt mich nicht
besucht.“
44
Dann werden auch sie antworten: „Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder
obdachlos oder nackt oder krank oder im Gefängnis gesehen und haben dir nicht geholfen?“
45
Darauf wird er ihnen antworten: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht
getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.“
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Und sie werden weggehen und die ewige Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben.
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Aufgaben:
1. Der Text schildert eine Gerichtsszene. Kläre die Handlungsrollen!
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2. Benenne das Kriterium, das über Segen und Fluch entscheiden wird.
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3. Unterstreiche den Kernsatz dieses Textes.
4. Spekuliere, mit welcher Absicht Jesus diese Vision erzählt hat: Welche Auswirkungen auf das
Leben in der Gegenwart hat es, wenn man dieser Vision folgt?
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5. Erörtere, weshalb der Text auch von der Vernichtung der Verfluchten redet?
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3.3.
Apk 21, 1-8
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15
Eine Apokalypse (griechisch: „Enthüllung“) ist eine Literaturgattung, die von einer
Vision des Weltendes und der neuen oder verwandelten Welt berichtet. Das Verbum
„apokalyptein“ heißt „aufdecken“, was zuvor verborgen war: nämlich die
unvorhersehbare, endgültige Zukunft der Weltgeschichte, die meist in dramatischen
Bildern dargestellt wird. Apokalypsen beziehen sich meist auch auf konkrete
historische Ereignisse, die als bedrängend und drückend erlebt werden, deren baldiges
Ende durch den Jüngsten Tag und das Gericht Gottes angekündigt wird. Insofern ist
die Johannesapokalypse trotz ihrer dunklen Bilder als Trostbuch für Menschen zu
verstehen, die ihre Religion aufgrund staatlicher Verfolgung im Untergrund
praktizieren mussten.
Die Entstehung des Buches wird aufgrund der scharfen Kritik an Rom (dargestellt als
Babylon) um das Jahr 95, in der späten Zeit des Kaisers Domitian, vermutet. Dieser ließ sich als Herr und Gott
verehren. Alpha ist der erste Buchstabe, Omega der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets.
1
Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die
erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr.
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Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen;
sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat.
3
Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, die Wohnung Gottes unter den
Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird
bei ihnen sein.
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Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine
Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen.
5
Er, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich mache alles neu. Und er sagte: Schreib es auf,
denn diese Worte sind zuverlässig und wahr.
6
30
Er sagte zu mir: Sie sind in Erfüllung gegangen. Ich bin das Alpha und das Omega, der
Anfang und das Ende. Wer durstig ist, den werde ich umsonst aus der Quelle trinken lassen,
aus der das Wasser des Lebens strömt.
7
Wer siegt, wird dies als Anteil erhalten: Ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn
sein.
8
35
Aber die Feiglinge und Treulosen, die Befleckten, die Mörder und Unzüchtigen, die
Zauberer, Götzendiener und alle Lügner - ihr Los wird der See von brennendem Schwefel
sein. Dies ist der zweite Tod.
14
JLS/GS WT, Dr. Jung, Ev. Religion
Aufgaben:
1. Erläutere die wesentlichen Kennzeichen der im Text geschilderten neuen Welt.
5
2. Erkläre die Entstehung der neuen Welt.
10
15
3. Entfalte, welche Einstellung zur Gegenwart die Menschen in der Entstehungszeit des Textes
gewannen, die sich an dieser Zukunftsvision orientierten.
20
25
4. Setze Dich damit auseinander, weshalb dieser Hoffnungstext auch von der Vernichtung der
„Feiglinge...“ usw. (V. 8) redet.
15
JLS/GS WT, Dr. Jung, Ev. Religion
3.4.
Weitere biblische Hoffnungsbilder
Lies die folgenden Bibelstellen und arbeite die Kernaussagen heraus:
5
Jes 2,1-4
10
Jes 9,5f.
15
Jes 11
20
Micha 4,3f.
25
Lk 17,20-37
16
JLS/GS WT, Dr. Jung, Ev. Religion
4. Notwendigkeit und Gefahren von Zukunftsbildern
5
10
15
20
25
30
35
40
45
4.1.
Karl Popper: Kritik am utopischen Denken
Worin also liegt der Unterschied zwischen jenen wohlmeinenden utopischen Plänen, gegen die ich
Einspruch erhebe, weil sie zu Gewalt führen, und jenen anderen, wichtigen und weitreichenden
politischen Reformen, die ich zu empfehlen geneigt bin? Wenn ich eine vereinfachte, Formel, ein
Rezept geben sollte zur Unterscheidung zwischen zulässigen Plänen für soziale Reformen und
unzulässigen utopischen Entwürfen, so würde ich etwa sagen: Arbeite lieber für die Beseitigung von
konkreten Missständen als für die Verwirklichung abstrakter Ideale.
Versuche es nicht, mit politischen Mitteln die Menschheit zu beglücken. Setze Dich stattdessen für
die Behebung konkreter Missstände ein. Oder, um es praktischer auszudrücken: Kämpfe für die
Beseitigung des Elends mit direkten Mitteln - zum Beispiel durch die Sicherstellung eines
Mindesteinkommens für jedermann. Oder kämpfe gegen Epidemien und Krankheit durch den Bau
von Krankenhäusern und medizinischen Lehranstalten. Bekämpfe Unwissenheit, wie du Verbrechen
bekämpfst. Aber tu all dies mit direkten Mitteln. Entscheide, was du als das schlimmste Übel
ansiehst in der Gesellschaft, in der du lebst, und versuche, die Leute geduldig zu überzeugen, dass
und wie wir es loswerden können.
Aber versuche nicht, diese Ziele indirekt zu verwirklichen durch das Planen und Vorbereiten eines
fernen Ideals, einer Gesellschaft, die vollkommen gut ist. Wie tief du auch der inspirierenden Vision
dieses Ideals verpflichtet sein magst, glaube nicht, dass es deine Pflicht ist, für seine Verwirklichung
zu sorgen; oder dass es deine Aufgabe ist, anderen die Augen für seine Schönheit zu öffnen. Erlaube
deinen Träumen von einer wunderbar schönen Welt nicht, dich von den wirklichen Nöten der
Menschen abzulenken, die heute in unserer Mitte leiden. Unsere Mitmenschen haben Anspruch auf
unsere Hilfe; keine Generation darf zugunsten zukünftiger Generationen geopfert werden,
zugunsten eines Ideals, das vielleicht nie erreicht wird. Kurz: Mein Vorschlag ist, dass vermeidbares
menschliches Leid als das dringendste Problem der rationalen öffentlichen Politik anerkannt werden
sollte, während die Förderung des Glücks nicht zu einem politischen Problem gemacht werden
sollte: Das Suchen nach Glück sollte unserer privaten Initiative überlassen bleiben.
Es ist eine Tatsache, und nicht einmal sehr merkwürdig, dass es gar nicht so schwierig ist, durch
Diskussion eine Einigung darüber zu erzielen, was die unerträglichsten Übel unserer Gesellschaft
sind, und auch darüber, welche sozialen Reformen die dringlichsten sind. Es ist viel leichter, eine
solche Einigung zu erreichen als eitle Einigung über die ideale Form des sozialen Lebens. Denn die
Übel finden wir hier und heute, in unserer Mitte. Sie sind oft sichtbar, sie können erfahren werden,
und sie werden 'täglich durch viele Leute erfahren, die durch Armut, Arbeitslosigkeit, nationale
Unterdrückung, Krieg und Krankheit ins Elend gekommen sind. Wer nicht selbst unter solcher Not
leidet, trifft jeden Tag andere, die uns davon berichten können. Das ist es, was das Elend konkret
macht, Das ist der Grund, warum wir etwas erreichen können, wenn wir darüber diskutieren;
weshalb wir Nutzen aus der rationalen Haltung ziehen können. Wir können lernen, indem wir auf
konkrete Ansprüche hören, und geduldig versuchen, sie so gerecht und unparteiisch wie möglich
abzuwägen; wir können nach Mitteln und Wegen suchen, die dringendsten Ansprüche zu erfüllen,
ohne dabei schlimmere Übelstände zu verursachen.
Mit dem ideal Guten steht es ganz anders. Es ist abstrakt: Wir kennen es nur aus unseren Träumen
und aus den Träumen unserer Dichter und Propheten. Solche Ideale können nicht diskutiert,
sondern nur laut verkündigt werden. Sie verlangen nicht die kritische und rationale Haltung eines
unparteiischen Richters, sondern die emotionale Haltung des leidenschaftlichen Apostels.
Die Haltung des Utopismus ist deshalb also der rationalen Haltung entgegengesetzt. Utopismus,
auch wenn er in rationalistischer Verkleidung erscheint, ist nicht mehr als ein Pseudo-Rationalismus.
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Ev. Religion, GK 11, Dr. Jung
Arbeitsauftrag:
1. Beschreibe den Unterschied zwischen der utopischen „Problemlösung“ und der
Methode, die Popper vorschlägt!
2. Arbeite jeweils deren Ausgangspunkt, Ziel bzw. Zweck und die jeweiligen Mittel, die zur
Erreichung des Ziels notwenig erscheinen, heraus und trage sie in die Tabelle ein.
utopische Methode
kritisch-rationale Methode
Ausgangspunkt
18
Ev. Religion, GK 11, Dr. Jung
Absicht/Zweck
Weg bzw. Mittel
Zur
Verwirklichung
19
Ev. Religion, GK 11, Dr. Jung
4.2.
Notwendigkeit von Zukunftsbildern
Begründe die These: Zukunftsbilder / Visionen / Utopien sind notwendig.
20
Ev. Religion, GK 11, Dr. Jung
Diskutiere: Sind Zukunftsbilder notwendig oder schaden sie?
21
Ev. Religion, GK 11, Dr. Jung
5. Zukunft gestalten
Projekt: Arbeite in einer Kleingruppe von 3-4 Personen. Überlegt Euch ein konkretes Projekt,
wo und wie Ihr Zukunft mitgestalten könntet. Sucht einen geeigneten Weg der Präsentation.
Zeitansatz: 2 Stunden Vorbereitung, Hausarbeit, 2 Stunden Präsentation
22
Ev. Religion, GK 11, Dr. Jung
6. Zeit (fakultativ, Themeneinheit nach Wahl)
6.1.
Martin Heidegger: Sein und Zeit
Martin Heidegger (1889-1976) ist der bedeutendste Philosoph des 20. Jahrhunderts
und lehrte in Marburg und Freiburg. Sein Hauptwerk „Sein und Zeit“ entstand in der
Zeit bis 1927; Heidegger stand unter dem Druck, ein Buch zu veröffentlichen. Das
Werk war eigentlich auf 6 Teile hin ausgelegt; Heidegger hat aber nur die ersten beiden
Teile fertiggestellt und auch später nicht mehr daran weitergearbeitet. Das Buch
revolutionierte die Philosophie und gilt bis heute als eins der philosophischen Top-10Werke der Weltgeschichte. Sein und Zeit wurde maßgeblich im Schwarzwald
geschrieben: Heidegger besaß eine kleine Hütte in Todtnauberg, in der er sich immer
wieder aus dem hektischen Universitätsbetrieb zurückzog. Bis heute ist die Hütte im
Besitz der Familie Heidegger. Heidegger war ein Landmensch; er liebte es, in
Schwarzwälder Tracht in Freiburg aufzutauchen und sich als Wälder Bauer auszugeben. Bei den Studenten war
er äußerst beliebt, bei seinen Kollegen nicht: Bei einem Kongress in Davos 1929 ließ er den damals berühmten
Hamburger Philosophen Ernst Cassirer sitzen, um mit seinen Schülern Skifahren zu gehen.
Typisch für Heidegger ist seine eigenartige Sprache: Er verwendet „normale“ Begriffe in ganz anderem Sinn, indem
er sie in Teile zerlegt. Das macht die Lektüre zuweilen etwas schwierig, dennoch aber sehr lohnend.
Sein und Seiendes
Grundlegend für den Heideggerschen Zugriff auf die Seinsproblematik ist die Unterscheidung
von Sein und Seiendem, die Betonung der ontologischen Differenz zwischen beidem. Mit „Sein“
bezeichnet Heidegger – vereinfacht gesagt – den ‚Verständnishorizont‘, auf dessen Grundlage
erst die Dinge in der Welt, das „Seiende“ begegnen können. Wird das Sein zum Beispiel im
Rahmen der christlichen Theologie aufgefasst, dann erscheint vor diesem Hintergrund alles
Seiende als von Gott geschaffen. Dabei vertritt Heidegger den Standpunkt, dass das Sein (der
‚Verständnishorizont‘) bis in seine Gegenwart hinein nicht explizit thematisiert worden ist. Nach
Heidegger führt dies seit der klassischen Ontologie der Antike zu einer Verwechslung von Sein
und Seiendem.
Das Sein ist jedoch nicht nur der nicht thematisierte ‚Verständnishorizont‘, sondern bezeichnet
auch das, was ist, hat also eine ontologische Dimension. Man könnte sagen, Heidegger setzt
Verstehen mit Sein gleich, was bedeutet: Nur was verstanden wird, ist auch und das was ist, ist
immer schon verstanden, da Seiendes nur auf dem Hintergrund des Seins erscheint. Dass etwas
ist und was etwas ist, gehen also stets miteinander einher. Damit wird auch die Bedeutung der
Zeit für eine Bestimmung des Seins verständlich, insofern sich Zeit als Bedingung für jegliches
Verstehen erweist.
Eine zentrale Verfehlung der klassischen Ontologie ist nach Heidegger, dass sie die ontologische
Frage nach dem Sein vermittels des bloß ontischen Seienden gestellt hat. Unter Missachtung der
ontologischen Differenz führte sie also das Sein auf Seiendes zurück. Durch diese Rückführung
verstellt sie aber gerade, so Heidegger, das Sein des Seienden. Als Beispiel hierfür mag wieder der
Hammer dienen: Geht man davon aus, dass nur Seiendes in Form von Materie ist, dann wird
man auf die Frage, was ein Hammer ist, antworten: Holz und Eisen. So kann man jedoch niemals
verstehen, dass der Hammer doch „das Ding zum hämmern“ ist. Auch die Selbstauffassung des
Menschen bleibt hiervon laut Heidegger nicht verschont. Dies hat den Grund darin, dass der
Mensch sein Verstehen immer an der Welt und den Dingen in ihr schult. Will er sich nun selbst
verstehen, dann rückprojiziert er das an der Welt gewonnene Verständnis des Seins (also etwa
„die Welt besteht aus Dingen“) auf sich und fasst sich selbst als Ding auf. Dem stellte Heidegger
seine Auffassung des Menschen als Existenz entgegen, die betont, dass der Mensch kein Ding ist,
sondern nur im Lebensvollzug existiert.
Die Missachtung der ontologischen Differenz ist somit für Heidegger der Grund, warum in der
Tradition Sein oftmals nur als bloße Vorhandenheit (von Dingen oder Materie) thematisiert
23
Ev. Religion, GK 11, Dr. Jung
wurde. Um diesen Fehler zu vermeiden, wird Heidegger statt von Dingen auszugehen,
denjenigen in den Blick bringen, der die Frage nach dem Sein stellt, nämlich den Menschen als
Dasein.
Die „Sein und Zeit“ zugrundeliegende scharfe Trennung zwischen ontischen und ontologischen
Bestimmungen führt zu einer Verdopplung der Begrifflichkeit: zahlreiche Begriffe des Werkes
treten daher in einer ontischen und einer ontologischen Bedeutung auf. Dass Alltagssprache und
die philosophische Begrifflichkeit der Tradition hier nicht unterscheiden, ist ein Umstand, der in
der Rezeption von „Sein und Zeit“ oft zu Missverständnissen geführt hat.
Ontischer Begriff / Bestimmung
Ontologischer Begriff / Bestimmung
Seiendes
Sein
Mensch
Dasein
existenziell
existenzial
Stimmung
Befindlichkeit
Sprache
Rede
„Welt“ (mit Anführungszeichen: Summe des Seienden)
Welt (in ihrer Weltlichkeit)
Insofern die Verwechslung von ontischen Bestimmungen und Ontologie auch der bisherigen
Metaphysik zugrunde liegt (vgl. Seinsvergessenheit), steht „Sein und Zeit“ im Ansatz für eine
Destruktion aller bisherigen Ontologie und Metaphysik, ein Anspruch, der aufgrund der
Unabgeschlossenheit des Werkes letztlich nicht ganz eingelöst werden kann, welchen aber der
spätere Heidegger nach „Sein und Zeit“ nochmals auf andere Weise radikalisiert.
Dasein
Dasein als Ausgangsbegriff anstelle des bereits vielfach ausgelegten und kategorisierten Begriffs
Mensch
Der vielleicht wichtigste Begriff des Werks ist Dasein; so nennt Heidegger das Seiende, das „je
ich selbst bin“. Den naheliegenden Ausdruck Mensch vermeidet er, weil er sich von der
traditionellen Philosophie und ihren Urteilen abgrenzen will. Unter Dasein soll nicht eine
allgemeine Kategorie „Mensch“ verstanden werden, über die jeder bereits theoretische Vorurteile
hegt, der neue Begriff soll die Möglichkeit eröffnen die Philosophie an die unmittelbare
Lebenserfahrung des Einzelnen rückzubinden. Zugleich ermöglicht der Begriff eine Abgrenzung
zur an Kant orientierten Erkenntnistheorie. Heidegger geht in seiner Untersuchung nicht von
einem erkennenden Subjekt aus, sondern von einem verstehenden Dasein. Damit verlagert sich
die Frage danach, wie das Subjekt die Gegenstände erkennt dahingehend, welche sinnhaften
Bezüge die Dinge in der Welt haben und wie man diese versteht: Das Sein der Dinge und des
Daseins wird auf seinen Sinn hin befragt.
Zur Beantwortung der Frage nach dem Sinn von Sein beginnt Heidegger seine Untersuchung mit
dem Dasein, weil dieses die Frage nach dem Sein stellt. Um diese Frage überhaupt stellen zu
können, muss das Dasein über ein bestimmtes Vorverständnis von Sein verfügen – sonst wüsste
es nicht einmal, wonach es fragen soll (vergleiche Platons Dialog Menon).
Freilegung der Existenzialien als phänomenologische Analyse des Daseins
Jeder Mensch glaubt ungefähr zu wissen, was „Sein“ bedeutet, und sagt „ich bin“ und: „das da
ist“. Das Dasein (allein) kann darüber staunen, dass es „überhaupt etwas gibt und nicht vielmehr
nichts.“ Das Dasein findet sich vor – in Heideggers Worten: Es ist geworfen in das „Da-sein“ –
und muss sich zu seinem Sein und zum Sein als Ganzem verhalten. Es hat ein Leben zu führen
und ist hierfür notwendigerweise auf sich und die Welt immer schon irgendwie bezogen. Es
scheint Heidegger daher von Vorteil mit seiner Analyse beim Dasein anzusetzen.
Um der Struktur des Daseins und seinem Verhalten auf die Spur zu kommen, analysiert
Heidegger das Dasein mit Methoden der Phänomenologie und legt so dessen Existenzialien frei,
also das was Dasein disponiert und in seinem Lebensvollzug bestimmt. Als vorläufiges Ergebnis
der Analyse ergibt sich: Das Dasein ist sowohl
immer „schon in“ einer Welt (Geworfenheit), d. h. faktisch in ein kulturelles
Überlieferungsgeschehen eingebunden, als auch
24
Ev. Religion, GK 11, Dr. Jung
„sich vorweg“ (Entwurf), indem es diese Welt versteht und Möglichkeiten darin ergreift oder
ausschlägt und drittens
„bei“ allem innerweltlich Seienden (Verfallenheit an die Welt), das heißt bei den Dingen und
Menschen, an denen es sich unmittelbar orientiert.
In der Einheit dieser drei Punkte sieht Heidegger das „Sein des Daseins“ – in der typisch
heideggerschen Terminologie: „Das Sein des Daseins besagt: Sich-vorweg-schon-sein-in-(derWelt) als Sein-bei (innerweltlich begegnendem Seienden)“.
Sorge als das Sein des Daseins
Das Sein des Daseins – die existenziale Gesamtstruktur des Daseins – nennt Heidegger
abkürzend „Sorge“. „Sorge“ im heideggerschen Sinne ist ein rein ontologisch-existenzialer Titel
für die Struktur des Seins des Daseins. Dieser Begriff der Sorge hat also nur oberflächlich etwas
zu tun mit Alltagsbegriffen wie Besorgnis (Sorge) oder Sorglosigkeit. Das Dasein ist immer schon
in einem umfassenden Sinn in Sorge, indem es sich in der Welt wiederfindet, diese von
vornherein verstehend auslegt und dabei von Anfang an auf Dinge und Menschen verwiesen ist.
Heidegger ist sich bewusst, dass die Identifikation der Struktur des Seins des Daseins mit Sorge
problematisch ist. So versucht er in § 42 diese existenziale Interpretation vorontologisch zu
„bewähren“. Hierzu greift er auf eine antike Fabel des Hyginus zurück (220. Fabel: „Cura cum
fluvium transiret …“). Vom heutigen Standpunkt her mag man eine solche Bewährung
mindestens verwunderlich finden; es zeigt sich hier aber eine Vorgehensweise Heideggers, die für
den späteren Heidegger bezeichnend sein wird. Diese vorontologische Bewährung richtet
Heidegger auch gegen Husserls theoretisches Konzept der Intentionalität. Der Terminus Sorge
soll dementgegen eine Seinsweise des Menschen beschreiben, die sich eben nicht nur auf das
erkennende Anschauen der Welt beschränkt, sondern zunächst im praktischen Umgang mit der
Welt steht, der dann auch eine theoretische Erfassung der Welt ausprägen kann.
Zeitlichkeit
Betrachtet man die Bestimmung des Daseins als Sein zum Tode genauer, wird deutlich, dass erst
die Zeitlichkeit des Daseins es diesem ermöglicht, sich auf den Tod auszurichten. So erweist sich
entsprechend der Bestimmung des Daseins als Sorge, nämlich als Sich-vorweg-schon-sein-in(der-Welt) als Sein-bei (innerweltlich begegnendem Seienden) die Zeitlichkeit für die gesamte
Sorgestruktur als grundlegend: Zeitlichkeit ist der Sinn der Sorge. Die Zeitlichkeit wird durch drei
Ekstasen ausgemacht: Gewesenheit, Zukunft und Gegenwart. Heidegger ordnet diese der
entsprechenden Bestimmung der Sorge zu:
Schon-sein-in-der-Welt: Gewesenheit
Sein-bei (dem momentan zu Besorgendem): Gegenwart
Sich-vorweg-sein (im Entwurf): Zukunft.
An dem Punkt, an dem Heidegger aus ihnen einen allgemeinen Begriff der Zeit herleiten will,
bricht das Buch ab.
Verfallenheit und Eigentlichkeit: Das Man
Mit dem Begriff des Man fasst Heidegger den kulturellen, geschichtlichen und gesellschaftlichen
Hintergrund des Daseins. Der Mensch ist als kulturelles Wesen stets auf ein
Überlieferungsgeschehen angewiesen und durch dieses bestimmt. Die Summe der kulturellen und
gesellschaftlichen Normen und Verhaltensweisen nennt Heidegger Faktizität. Von ihnen kann
niemals abgesehen werden, da sie wesentlich zum Mensch als kulturellem Wesen gehören. Zwar
befähigt die Kultur den Menschen erst gewisse Dinge zu tun und ermöglicht ihm so seine
Freiheit, allerdings kann es auch sein, dass er durch die eigene Kultur in Denken und Handeln
vorbestimmt wird, ohne dass ihm dies bewusst wird. Das Dasein ist dann den vorgegebenen
Verhaltensmustern und Anschauungen ausgeliefert. Diesen Zustand des Ausgeliefertseins
bezeichnet Heidegger als uneigentliche Existenz.
Der Zustand der Uneigentlichkeit ist dabei für Heidegger der durchschnittliche Ausgangszustand
des Menschen. So ist das Dasein notwendigerweise durch die kulturellen und öffentlichen
25
Ev. Religion, GK 11, Dr. Jung
Verhaltensangebote bestimmt. Diese nehmen dem Dasein sein eigentliches Sein ab, Dasein steht
in der Botmäßigkeit der Anderen. Die Anderen sind hierbei niemand Spezielles und so lautet die
Antwort auf die Frage, wer das Dasein in seiner Alltäglichkeit ist: das Man.
„Wir genießen und vergnügen uns, wie man genießt; wir lesen, sehen und urteilen über Literatur
und Kunst, wie man urteilt; wir ziehen uns aber auch vom ‚großen Haufen‘ zurück, wie man sich
zurückzieht.“
Das Man wacht über jede sich vordrängende Ausnahme:
„Alles Ursprüngliche ist über Nacht als längst bekannt geglättet. Alles Erkämpfte wird handlich.
Jedes Geheimnis verliert seine Kraft. Die Sorge der Durchschnittlichkeit enthüllt wieder eine
wesenhafte Tendenz des Daseins, die wir die Einebnung nennen wollen“. (S. 127)
Diese Funktion des Man bezeichnet Heidegger als Öffentlichkeit. Das Man übernimmt zudem
die Verantwortung für das Dasein, denn das Dasein kann sich stets auf es berufen: Das macht
man eben so. Heidegger formuliert scharf: „Jeder ist der Andere und Keiner er selbst.“
Der uneigentlichen Fremdbestimmung stellt Heidegger das eigentliche Selbstsein als existenzielle
(nicht existenziale) Modifikation des Man entgegen. In der Gegenüberstellung von Jemeinigkeit
und Man sucht Heidegger nach der Möglichkeit eines authentischen Lebens, dem eigentlichen
Selbst-sein-können. Hierzu analysiert Heidegger das mögliche eigentliche oder uneigentliche
Verhalten des Daseins zu dessen Existenzialien. Als Möglichkeit der eigentlichen Existenz erweist
sich
die zeitliche Ekstase der Zukunft, auf die hin Dasein sich entschlossen entwirft, d. h. indem es
seine Lebensführung an von ihm selbst kritisch geprüften und für erstrebenswert erachteten
Interessen ausrichtet.
die zeitliche Ekstase der Gewesenheit – Heidegger lehnt sich hier an Ideen Diltheys an. Indem
sich das Dasein „seine Helden“ aus der Vergangenheit wählt und deren gewesene Möglichkeit
zum eigentlichen Selbst-sein-können nicht einfach nachmacht, sondern beantwortet, bietet sich
ihm in der Wieder-holung der Möglichkeit die Chance des eigentlichen Selbst-sein-könnens.
Damit eine solche Wende hin zum authentischen Leben stattfindet, bedarf es des „Ruf(es) des
Gewissens“. Heidegger beschreibt in diesem Zusammenhang eine Struktur, in welcher das
Gewissen das eigene Dasein dazu „aufruft“, es selbst zu sein. Als Gewissensfunktion lässt sich
dies deshalb verstehen, weil nun vom Dasein gefordert wird, dass es sich in seinem Handeln
nicht mehr bloß auf das Man beruft, sondern von nun ab selbst Verantwortung für seine
Entscheidungen übernimmt.
Befindlichkeit
Eine wichtige Rolle spielt in „Sein und Zeit“ die Befindlichkeit als vorreflexiver Weltbezug des
Daseins. Heidegger sieht nicht nur das Verstehen (oder gar die reine Vernunft) als Zugang zur
Welt, sondern betont, dass uns die Dinge in der Welt etwas angehen. Die Befindlichkeit ist somit
für die Erschlossenheit von Welt wesentlich. Besondere Bedeutung kommt der Angst als
Grundbefindlichkeit zu, denn sie erschließt dem Dasein sein In-der-Welt-sein und bringt es vor
dieses. Die Angst lässt die Bezugsganzheit des Um-zu und Um-willen in sich zusammensinken:
Die Dinge werden für uns bedeutungslos und wir werden auf uns selbst zurückgeworfen. Die
Angst lässt von den Handlungsangeboten der Welt zurücktreten und versetzt uns in ein Moment
des reflexiven Selbstbezugs. Hieraus kann die Entscheidung erwachsen, die eigene Existenz
bewusst in die Hand zu nehmen und ein authentisches Leben zu führen, das sich nicht an die
kontingenten Angebote der Öffentlichkeit verliert. Eine solche Seinsweise entspricht der
eigentlichen Existenz. Nachdem Heidegger im zweiten Teil von '„Sein und Zeit“' dann die
Zeitlichkeit des Daseins untersucht hat, kann dieses Phänomen auch in Hinblick auf die Zukunft
verstanden werden. Dabei erweist sich der Tod als ein Moment, der das Dasein auch bezüglich
seiner zeitlichen Erstreckung in die Eigentlichkeit fügt: Als unhintergehbare letzte Möglichkeit
steckt er den Handlungsspielraum ab, der einem gegeben ist.
Sein zum Tode
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Ev. Religion, GK 11, Dr. Jung
Die Bestimmung des Daseins als Sorge, sowie als sich vorweg und schon sein in zeigt, dass der
Mensch immer „mehr“ ist, als sein bloßer Leib: er ist eine Person mit einer Vergangenheit und
einer Zukunft. Diese gehören zum Dasein, erst mit ihnen ist es ein Ganzes. Begrenzt wird es
dabei durch sein Ende, den Tod. Dieser ist jedoch nicht nur ein einmaliges Ereignis am Ende des
Daseins, sondern er bestimmt das Dasein auch in seinem Leben, denn er steckt den vor dem
Dasein liegenden Entscheidungsraum ab. Innerhalb dieses Entscheidungsraums wählt das Dasein
Möglichkeiten. Der Tod eröffnet zugleich und macht dem Dasein seinen
Entscheidungsspielraum bewusst: Erst angesichts des Todes erfasst sich das Dasein als Person
mit einer Vergangenheit und einer eigenen Zukunft. Der Tod erschließt dies dem Dasein durch
seine Charakteristik. Vor dem Tod kann sich keiner vertreten lassen, es ist immer der jemeinige
Tod, der einen als Einzelnen gänzlich in Anspruch nimmt: Im Tod geht es nur und ganz um
mich.
Was das Wort Tod bedeutet, kann aber nicht durch Nachdenken, sondern allein in der Stimmung
der Angst erfahren werden. Durch diese wesentlich erschließende Funktion der Angst weist
Heidegger gegenüber der Vernunft auch den Stimmungen welterkennende Funktion zu. Angst
als ontologischer Begriff bezeichnet dabei nicht das bloße Angstgefühl oder die Furcht vor
irgendeinem dinglichen Etwas. Auch sind Tod und Angst von Heidegger nicht als wertende
Begriffe gemeint, sondern durch ihre Funktion bestimmt: Tod und Angst vereinzeln das Dasein
und machen ihm die unwiderrufliche Einzigartigkeit jedes seiner Augenblicke klar.
Wegen der Wirkung, die der Tod auf den Lebensvollzug des Daseins hat, bestimmt Heidegger
das Dasein als „Sein zum Tode“ – siehe hierzu auch den Einfluss von Kierkegaards „Grabrede“
sowie weiterer christlicher Autoren wie Paulus, Augustinus und Luther. Hierdurch entfernt sich
Heidegger noch weiter von einer Auffassung des Menschen als Vorhandenes, denn im Sein zum
Tode wird ja die Zeit von grundlegender Bedeutung für die Bestimmung des Seins des Dasein.
Das Vorlaufen zum Tod wird so zum Ausgangspunkt für ein selbstbestimmtes, authentisches
und intensives – in Heideggers Worten – eigentliches Leben, das sich nicht von der Verfallenheit
an das alltäglich-gesellschaftliche „Man“ bestimmen und leben lässt.
Quelle: Wikipedia
6.2.
Zeit in der Bibel
(von Hildegard Keller)
„Was ist Zeit? Wenn mich jemand fragt, weiß ich es. Will ich es einem Fragenden erklären, so
weiß ich es nicht“ (Augustinus).
Für unser Denken unfassbar: Ewigkeit ist Anfangslosigkeit und
Endlosigkeit.
Und was sagt uns die Bibel?
Wie können wir trotz der angesprochenen Schwierigkeiten den Zeitbegriff im biblischen Sinn
verstehen und erklären, damit wir uns und das Geschehen um uns in unser Weltbild einordnen
können?
Im Psalm 90, 2. 4 sagt der Psalmist über Gottes unfassbare Ewigkeit „ denn tausend
Jahre sind in deinen Augen wie der gestrige Tag“.
Für den Begriff Zeit werden sowohl im Alten
Testament (AT) wie im Neuen Testament (NT) je nach Bedeutung hebräische beziehungsweise
griechische Wörter verwendet. Für unser Verständnis der biblischen Zeit wurden in diesem
Beitrag die Begriffe Chronos und Kairos ausgewählt.
Chronos (die messbare Zeit)
Chronos ist der Name für die Zeit von Gottes Herrschaft. Für den Menschen ist diese Zeit
physikalisch messbar .Sie unterliegt strengen physikalischen Gesetzen, wie etwa dem ständigen
Fortschreiten und der Unumkehrbarkeit. Mit der Erschaffung der Materie wurde die Zeit ins
Leben gerufen:
Gott nimmt in der Schöpfungsgeschichte unser menschliches Zeitmaß in
Anspruch. Der Tag und die Nacht sind die biblischen Erklärungen für das Geschehen bei der
Erschaffung der Welt.
Es wird ganz genau gesagt, was ein Tag ist.
In Mose 1,14 etwa heißt es:
„Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht…“
Das
27
Ev. Religion, GK 11, Dr. Jung
Messinstrument für Chronos ist die Uhr.
Wir kennen in unserem Sprachgebrauch die Chronik,
den Chronometer, die chronischen Schmerzen.
Die chronologische Zukunft unserer Erde ist
begrenzt. Dafür gibt es in der Bibel Hinweise, zum Beispiel Mat. 24,35 Himmel und Erde werden
vergehen…
Seit Einsteins Relativitätstheorie wissen wir: Raum, Zeit und Materie sind ein
unauflösliches, wechselwirkendes Ganzes.
Kairos (Gottes Zeit) - Gottes Zeit ist Ewigkeit
Kairos hat im Griechischen eine ganz andere Bedeutung als Chronos. Im Gegensatz zum
Chronos unterliegt Kairos nicht den Einschränkungen von Raum und Zeit. Gott misst die Zeit
nicht nach Sekunden, Stunden, Tagen.
Die Begriffe Vergangenheit und Zukunft kennt Gottes
Zeit nicht. Gott übersieht die Zeit mit einem einzigen Blick. Psalm 90,4 „Denn 1000 Jahre sind
vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist und wie eine Nachtwache…“.
Mit Kairos ist also
eine Zeit gemeint, die alles Geschehen zugleich erfasst. Kairos ist die mit Werten und Inhalten
gefüllte Zeit. Es sind die besonders qualifizierten Zeiten, die sich von der üblichen Zeit
unterscheiden. Das Leben verdichtet sich im Glück oder Unglück. „Von Gott kommt alles,
durch Gott lebt alles, zu Gott geht alles."
Röm 11, 36.
Ewigkeit - Ewiges Leben
Ewigkeit ist kein eindeutiger Begriff. Sie wird ganz unterschiedlich verstanden, entweder als das
Gegenteil von Zeit oder aber als grenzenlose Zeit. Eine besondere Sichtweise hat der
Existenzialismus. Ewigkeit wird als eine nicht zu überbietende Tiefe des Augenblicks gedeutet:
Der glückliche Augenblick kennt kein Vorher und Nachher.
Das biblische Verständnis der
Ewigkeit unterscheidet sich von diesen Vorstellungen. Die biblische Sichtweise ist theozentrisch,
das heißt die gesamte Lebens- und Denkweise stellt Gott in den Mittelpunkt. Er ist sozusagen
der eigentliche Inhalt der Ewigkeit. Gott ist alles in allem. Nicht die Dauer ist entscheidend,
sondern das immerwährende Sein. Was Ewigkeit ist, werden wir nach 1Johannes 3,2 erfahren,
wenn wir Ihn (Gott) sehen.
Der Mensch in der Zeit
Unsere menschliche Existenz ist in einen bestimmten Zeitabschnitt eingebunden. Darin geben
wir unserem Leben Sinn und Erfüllung.
Durch seinen Glauben ist der Mensch aber auch
überzeugt, dass seine Endlichkeit mit der Ewigkeit verbunden ist. Durch diese Bindung in
zeitliche Abläufe und das Übergehen in die Welt des Glaubens stellt sich die Frage: Wie ist meine
irdische Zeit mit der Ewigkeit verknüpft? In meinem Leben gibt es Zeiten, die von Gott
festgelegt sind. Diese sind von menschlicher Beeinflussung ausgeschlossen.
Die Zeit des Alterns
gehört dazu. In die Zeit des Gebärens und die Zeit des Sterbens allerdings greift der Mensch unserer
Zeit immer häufiger ein. Positive und negative Auswirkungen sind dadurch Gegenstand ständiger
Diskussionen.
In manchen Situationen erfordert dies von uns Entscheidungen, die an die
Grenzen der Belastbarkeit gehen, etwa bei der Frage: Inwieweit nehmen wir die Dauer unseres
Lebens noch als eine von Gott gegebene Zeit an? Oder: Sind wir davon überzeugt: Unsere Zeit
liegt in Gottes Händen?
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