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SELBSTBESTIMMT LEBEN BEHINDERTER KÖLN
Monica Lierhaus und die Diskussion um das öffentliche Leiden
Stellungnahme des Zentrums für selbstbestimmtes
Kompetenzzentrums Selbstbestimmt Leben NRW (Rheinland)
Leben
Köln
und
des
Monica Lierhaus würde den Tod ihrem derzeitigen Leben mit Beeinträchtigung vorziehen.
Während die einen ihr die Freiheit zugestehen, ihre Situation öffentlich beklagen zu dürfen,
werfen die anderen ihr vor, das öffentliche Bild behinderter Menschen zu besudeln.
Nein, das Leben mit einer Beeinträchtigung ist nicht immer eitel Sonnenschein, aber wessen
Leben ist das schon? Natürlich bringt ein Leben mit Beeinträchtigung andere
Herausforderungen mit sich als ohne. Das gilt jedoch auch für andere Lebensereignisse. Das
Problem, mit dem behinderte Menschen tagtäglich zu tun haben, ist jedoch vielmehr die
Anerkennung als gleichwertige Menschen – nicht immer auf die Beeinträchtigung reduziert
zu werden, nicht immer erklären und sich rechtfertigen müssen, nicht immer bitten und auf
besondere Bedarfe hinweisen müssen.
BEHINDERUNG IN DEN MEDIEN
Das Denken der Mehrheit der Menschen über Behinderung ist defizitär geprägt. Entweder
leiden die betroffenen Menschen an ihrer Situation oder sie sind zu bewundern, weil sie ihre
Situation vorbildlich meistern. So bringt es die Initiative Leidmedien.de auf den Punkt, die
die Berichterstattung über Behinderung verändern will. Die Verfestigung solcher Stereotype
hilft den betroffenen Menschen nicht weiter. Öffentliche Aussagen wie die von Lierhaus
sorgen dafür, dass das Denken über Behinderung in diesen Kategorien verhaftet bleibt.
Monica Lierhaus kann nicht anders. Sie drückt aus, was sie fühlt. Sie hat ihre neue
Lebenssituation nicht akzeptiert, was bedauerlich ist und auf eine Art auch erklärbar. Aber es
wäre gut, sie würde sich mit ihrer Situation auseinandersetzen, bevor sie sich mit solchen
Aussagen öffentlich äußert. Ein Prominenter geht nicht in der akuten Phase seiner
Depression in die Öffentlichkeit, sondern mit der Botschaft, dass er sie überwunden hat und
damit anderen Betroffenen helfen will. Prominente haben große Wirkmacht, sie
beeinflussen das Denken der Öffentlichkeit enorm. Daraus ergibt sich die Verantwortung
darüber nachzudenken, welche Auswirkungen ihre Aussagen haben. Monica Lierhaus kann
dies in ihrer Situation großer Hilflosigkeit vielleicht nicht. Die getätigten Aussagen werden ihr
aber sicherlich nicht dabei helfen, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen, neue
Perspektiven zu entwickeln und angemessene Stellenangebote zu erhalten. Sie wird
weiterhin auf ihre selbstgewählte und –inszenierte leidvolle Situation reduziert werden – ein
Teufelskreis.
PROMINENTE MIT BEHINDERUNG
Die vielzitierten prominenten Beispiele in der Reihe von Monica Lierhaus – Wolfgang
Niedecken, Gaby Köster, Anna-Maria Zimmermann oder Samuel Koch – haben zwei
entscheidende Dinge gemeinsam: Sie haben ihre Beeinträchtigung plötzlich erworben, was
eine immense Herausforderung darstellt. Aufgrund ihrer Bekanntheit sind sie anfällig, ihre
persönliche Geschichte öffentlich zu verarbeiten und ihre Gefühle und Erkenntnisse mit der
Welt teilen zu müssen. Wenn diese Prominenten jedoch im Grunde ihres Wesens noch
nichtbehindert sind, weil sie die neue Lebenssituation nicht angenommen haben, können sie
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nur Aussagen tätigen, die aus der Sicht einer nichtbehinderten Person die Welt einer
plötzlich behinderten erklären.
Der Aktivist Raul Krauthausen beispielsweise ist einer der wenigen bekannten Vertreter auf
der anderen Seite. Er ist mit seiner Beeinträchtigung aufgewachsen und muss nicht über
„das tolle Vorher“ und „das elende Jetzt“ philosophieren. Er bemüht sich um einen
verständnisvollen Umgang miteinander und um den praktischen Abbau von Barrieren. Damit
arbeitet er an der Verbesserung der Lebenssituation behinderter Menschen. Es ist mehr als
fraglich, ob die genannten Personen die Lebenssituation behinderter Menschen in
irgendeiner Weise verbessern.
Die Aussage Monica Lierhaus‘ ist: Lieber tot als behindert. Was bei den Menschen aus dieser
Diskussion hängen bleibt, ist: In solch einer Situation kann man ja auch nicht anders. Wir
dachten eigentlich, diese absolute Herabwürdigung behinderter Menschen seit vielen
Jahrzehnten überwunden zu haben.
Die Selbstbestimmt leben-Bewegung setzt sich seit fast 40 Jahren für die Emanzipation
behinderter Menschen ein. Alle Menschen mit Beeinträchtigung sollen ein Leben nach ihren
Vorstellungen führen und die dabei nötige Unterstützung erhalten. Es ist bedauerlich, dass
Monica Lierhaus nicht die geeignete Unterstützung gefunden hat, um mit ihrer neuen
Lebenssituation umzugehen. Hierfür braucht es positive Rollenbilder. Selbsthilfegruppen und
Beratungsstellen leisten dafür unverzichtbare Arbeit. Die Peer-Beratung der Selbstbestimmt
leben-Bewegung bietet Betroffenen dabei Unterstützung. Monica Lierhaus wünschen wir
von Herzen, dass sie hilfreiche Unterstützung findet.
SELBSTBESTIMMT LEBEN BEHINDERTER KÖLN
„Selbstbestimmt leben“ Behinderter Köln e.V. ist unter anderem Träger des Zentrums für
selbstbestimmtes Leben (ZsL) Köln und des Kompetenzzentrums Selbstbestimmt Leben (KSL)
NRW (Rheinland). Aufgaben sind (politische) Interessenvertretung für behinderte Menschen,
Beratung und Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention. Die
Einrichtung arbeitet nach dem Prinzip des Peer Counseling, alle Mitarbeitenden sind selbst
beeinträchtigt. Die Unterstützung durch ähnlich Betroffene bringt größeres Verständnis für
die Lebenssituation, während die Selbstvertretung größere Authentizität und ein
verändertes Bild über behinderte Menschen als Experten für ihr eigenes Leben befördert.
Das ZsL Köln wird durch die Stadt Köln gefördert, das KSL NRW durch das Ministerium für
Arbeit, Integration und Soziales Nordrhein-Westfalen.
KONTAKT
Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben NRW (Rheinland) · Sandra Meinert · [email protected] · Tel. 0221 - 2771703 · http://www.zsl-koeln.de · http://ksl-nrw.de/ksl-rheinland
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