Golden Rice

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Andreas Huschen
Golden Rice
Von der Grünen Revolution zur Grünen Gentechnik
Reis ist das meist angebaute landwirtschaftliche Produkt, gefolgt von Weizen. Als einzige
Getreideart wird Reis nicht als Viehfutter eingesetzt, sondern ausschließlich für den
menschlichen Verzehr angebaut. Für die Hälfte der Menschheit ist heute Reis das wichtigste
Grundnahrungsmittel.
Reis spielte in der „Grünen Revolution“ der 60er und 70er Jahre eine entscheidende Rolle.
Dieser Begriff bezeichnet die Einführung neuer, ertragsreicher Getreidesorten in der
Landwirtschaft der Entwicklungsländer. So stieg zwischen Mitte der 60er Jahre und Anfang
der 90er Jahre die Reisproduktion in Südasien und Südostasien um mehr als 120%, während
die Anbauflächen nur um 21% erweitert wurden. Die neuen Hochleistungssorten waren an
vielen Standorten auf Bewässerung sowie den Einsatz von Agrarchemie angewiesen, sodass
mit ihrem Einsatz die weit gehende Mechanisierung und Industrialisierung der
Landwirtschaft in den Entwicklungsländern einherging. Auch ein Trend zu Monokulturen
setzte sich durch: Auf 80% der philippinischen Anbauflächen wachsen heute nur noch fünf
Reissorten. Die Grüne Revolution löste erhebliche soziale und gesellschaftliche
Veränderungen aus. Die neuen Marktbedingungen begünstigten Großbetriebe und durch die
Mechanisierung sank die Zahl der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft, sodass viele
Kleinbauern in abhängige Beschäftigung oder in andere Berufe wechselten. Auch die
Arbeitsteilung in den Familien änderte sich. Wo z. B. Zugochsen überflüssig und durch
weibliche Tiere ersetzt wurden, konnte ein Einstieg in die Milchwirtschaft erfolgen –
traditionell ein Arbeitsfeld von Frauen, die so oft erstmals ein eigenes Einkommen
erwirtschaften konnten.
Die wachsende Weltbevölkerung verlangt weitere Ertragssteigerungen. Im Jahr 2020 werden
voraussichtlich 5 von 8 Milliarden Menschen auf Reis als Grundnahrungsmittel angewiesen
sein. Bis dahin muss die gegenwärtige Produktion von 560 Millionen Tonnen pro Jahr auf
mindestens 840 Millionen Tonnen gesteigert werden. Die Wachstumspotenziale der grünen
Revolution sind aber weitgehend ausgeschöpft. Abhilfe verspricht möglicherweise die Grüne
Gentechnik.
Goldener Reis
Prominentestes Beispiel für ein Produkt der Grünen Gentechnik ist „Golden Rice“. Beim
Goldenen Reis geht es nicht primär um Ertragssteigerung. Er soll ein spezifisches Problem
des Grundnahrungsmittels Reis lösen. Menschen können sich nicht ausschließlich von Reis
ernähren, da er nur sehr wenig Vitamin A enthält. Nach Schätzung der WHO leiden über 250
Millionen Menschen weltweit an Vitamin-A-Mangel, der pro Jahr zu ein bis zwei Millionen
Todesfällen führt und 500.000 Menschen erblinden lässt
Golden Rice wurde im Januar 2000 vorgestellt und sollte, wie die verantwortlichen BiotechFirmen verkündeten, die ihre Lizenzen spenden wollten, gratis an die Farmer in armen
Ländern abgegeben werden. Es handelt sich um eine gentechnisch veränderte Reisvariante,
die erhöhte Mengen Beta-Karotin enthält, was dem Golden Rice seine markante Farbe
verleiht und ein Grundstoff ist, aus dem der menschliche Organismus Vitamin A herstellen
kann.
Auf den zweiten Blick verblasst die Leistung des Golden Rice etwas. Denn erstens würden
fehl- oder mangel-ernährte Menschen nur wenig von zusätzlichem Beta-Karotin profitieren.
Um daraus Vitamin A herzustellen, benötigt der Körper nämlich eine ausgewogene
Ernährung, die u. a. grünes Blattgemüse enthält. Dessen Konsum ging aber im Zuge der
Grünen Revolution und dem mit ihr einhergehenden Trend zu landwirtschaftlichen
Monokulturen drastisch zurück. Und zweitens ist der Beta-Karotin-Gehalt in goldenem Reis
so gering, dass der Genuss von 300 Gramm Reis gerade einmal 10% des täglichen Bedarfs an
Vitamin A decken könnte.
Als dann im Jahre 2002 Teile des Reis-Genoms veröffentlicht wurden, zeigte sich außerdem,
dass auch durch konventionelle Zuchtmethoden Beta-Karotin-reiche Reisvarianten erzeugt
werden können. Die Kenntnis des Reis-Genoms kann dafür entscheidende Abkürzungen
aufzeigen. Erste Feldversuche mit Golden Rice fanden im September 2004 in den USA statt.
Weitere Jahre könnten vergehen, bis das erste Saatgut in den Händen der Farmer ist.
Der Stand der Grünen Gentechnik
Aber was verspricht die Grüne Gentechnik? Durchschnittlich gehen in der Landwirtschaft
etwa 40% der Ernte verloren: durch Schädlinge, Krankheiten und Unkräuter. Einmal
abgesehen von der reinen Ertragssteigerung der Nutzpflanze, sind diese Ernteverluste ein
Ansatzpunkt der grünen Gentechnik.
Die möglichen Ergebnisse sind eindrucksvoll: Beispielsweise wurde Baumwollpflanzen ein
Gen eines Bodenbakteriums eingebaut, das die Pflanze in die Lage versetzt, ein für
Schädlinge tödliches Eiweiß zu produzieren. Bis zu 80% des Pestizideinsatzes soll dadurch
überflüssig werden. Herbizidresistenz in Sojapflanzen ermöglicht den zeit- und
mengenoptimierten Herbizideinsatz, womit bis zu 40% dieser Chemikalien eingespart
werden können. Ähnliche Anwendungen gibt es bei Mais und anderen Feldfrüchten.
Gleichzeitig drohen Gefahren. Bei der so genannten Auskreuzung werden neu hinzugefügte
Gene an wilde Verwandte oder andere Nutzpflanzen weitergegeben. In Mexiko wurden in
traditionellen Maissorten bereits Gensequenzen aus genverändertem Mais entdeckt.
Genmanipulierte Pflanzen könnten also direkt oder durch Auskreuzung natürliche Arten
verdrängen. In Kanada fand man Rapspflanzen, die durch Auskreuzung mehrfache
Herbizidresistenzen aufwiesen. Wenn sich solche Eigenschaften bei den wilden Verwandten
des Raps ausbreiten sollten, könnten Unkräuter mit derartigen Eigenschaften nur mit mehr
und stärkeren Herbiziden bekämpft werden.
Auch Marktmechanismen tragen zu zunehmender Artenarmut bei. Die Entwicklung
transgener Feldfrüchte erfordert große Investitionen – und geschieht deshalb nur dort, wo
große Gewinne in Aussicht stehen. Die FAO befürchtet daher eine Konzentration der
Forschung und Entwicklung auf wenige weit verbreitete Spezies und gut vermarktbare
Eigenschaften. Einseitige Konzentration beispielsweise auf Schädlingskontrolle wird aber
den Trend zur Monokultur in der Landwirtschaft noch verschärfen.
Mit Besorgnis sieht die FAO auch die zunehmende Patentierung von transgenen Pflanzen,
Eigenschaften und Technologien, mit der die Agrarkonzerne ihre Investitionen schützen.
Dabei geht es manchmal nicht nur um die rein gentechnische Neuerung. Einzelne GVPflanzen werden beispielsweise nur abgegeben, wenn die Farmer sich auf den Einsatz von
Herbiziden einer ganz bestimmten Marke verpflichten. Dass wie beim Golden Rice die
Lizenzen gespendet werden, dürfte eine Ausnahme bleiben.
Ob natürliche Arten durch Auskreuzung oder mittelbar durch Marktmechanismen in
Forschung und Landwirtschaft verdrängt werden: Verloren gehen dabei Tausende von
traditionellen Feldfruchtsorten und ihre vielfältigen Anpassungen an lokale Gegebenheiten.
Der kleine und spezialisierte Genpool einer von Monokulturen geprägten Landwirtschaft ist
aber anfälliger für veränderte Umweltbedingungen, neue Krankheiten und Schädlinge.
Schauplätze der Grünen Gentechnik
Die aktuelle Debatte um gentechnisch veränderte Organismen (GVO) erweckt mitunter den
Eindruck, als sei die Entscheidung für oder wider noch nicht gefallen. Tatsächlich sind GVO
schon weit verbreitet und sie werden auch nicht wieder verschwinden. Gerade in den
Entwicklungsländern – dem Schauplatz der Grünen Revolution – hat sich die Grüne
Gentechnik aber noch nicht durchgesetzt.
Die wichtigsten GV-Pflanzen sind Soja, Mais, Baumwolle und Raps, meist mit erhöhter
Insektenresistenz und Herbizidtoleranz. In kleineren Mengen werden auch GV-Kartoffeln
und Papaya mit verzögerter Reife und gesteigerter Virusresistenz angepflanzt.
Auf etwa 44 Millionen Hektar werden heute weltweit genveränderte Pflanzen angebaut –
75 % der Flächen liegen in Industrieländern. In nur sieben Entwicklungsländern werden
bisher GV-Pflanzen kommerziell angebaut. Einzig China nutzt bisher eine selbst entwickelte
genveränderte Feldfrucht (Baumwolle). Die anderen Entwicklungsländer importieren GVPflanzen aus den Industrieländern. Allerdings finden gleichzeitig allein in den
Entwicklungsländern Feldversuche mit etwa 200 weiteren genveränderten Feldfrüchten statt,
die noch nicht im kommerziellen Anbau stehen.
Fazit
Die FAO resümiert, dass die Auswahl sowohl an GV-Pflanzen als auch an gentechnisch
erzeugten Eigenschaften bisher gering ist und noch nicht auf die spezifischen Probleme der
Entwicklungsländer ausgerichtet. Vernachlässigt werden bisher beispielsweise Hülsenfrüchte
und Futterpflanzen sowie Eigenschaften wie etwa Toleranz gegenüber Trockenheit.
Grüne Gentechnik wird große Auswirkungen auf Nahrungssicherheit, Armut, Biologische
Sicherheit und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft haben. Den potenziellen Gewinnen –
Ertragssteigerung, reduziertem Einsatz von Agrarchemikalien und in Einzelfällen auch für
bestimmte Einsätze „maßgeschneiderte“ Pflanzen wie Golden Rice – stehen dabei die
Risiken einer zunehmend industrialisierten und monokulturell ausgerichteten Landwirtschaft
gegenüber, deren Abhängigkeit von einem kleinen Genpool sie anfällig für
Umweltveränderungen, neue Krankheiten und Schädlinge macht.
Eine gewaltige politische Anstrengung ist wird erforderlich sein, um die potenziell positiven
Effekte der Grünen Gentechnik für die Internationale Ernährungssicherheit, die
Entwicklungsländer und arme Produzenten wie Konsumenten auch tatsächlich zu realisieren.
Dabei muss sowohl das Interesse der Unternehmen an Patentierung ihrer Entwicklungen
Beachtung finden, als auch der freie Zugang von Pflanzern und Züchtern zu genetischen
Ressourcen gewährleistet werden – eben den Ressourcen, die von Landwirten seit
Jahrtausenden entwickelt und selektiert worden sind.
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