Apo-Krone Nr.01_16_01_09

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Beratungsleitfaden
I. Erfassung der Situation
1. Ist das Schmerzmittel für Sie persönlich bestimmt?
Die Wahl eines Analgetikums richtet sich nach dem Alter der betroffenen Person, nach Verträglichkeitsfaktoren
(➙ siehe IV) sowie nach der Schmerzart.
2. Um welche Art von Schmerzen handelt es sich? In welchem Bereich?
Kopf
● anfallsartig, pulsierend, meist einseitig ➙ Migräne
● dumpf-drückend, ziehend, beidseitig ➙
Spannungskopfschmerz
● chronisch, täglich, diffus, pulsierend, beidseitig ➙
analgetikainduziert
● stechend, „hinter dem Auge“, einseitig ➙
Cluster-Kopfschmerz (selten)
Häufig: Mischform aus Migräne und chronischen Kopfschmerzen vom Spannungstyp.
Bewegungs- und Stützapparat
● Rücken und Nacken
● Gelenke (v. a. Knie)
● Muskeln
Bauch
● Unterbauch: Menstruation, Blase, Darm.
● Oberbauch: Magen, Galle.
Andere
● erkältungsbedingter Schmerz: Hals und/oder Ohren,
mit/ohne Fieber
● Zahnschmerzen:
1. dumpf drückend ➙ Wachstum der Weisheitszähne
2. stechend, ziehend ➙ Defekt (z.B. Karies)
● Neuralgien (siehe II, Nervenschmerzen)
● postoperativer oder posttraumatischer Schmerz
(z.B. Unfall)
3. Seit wann leiden Sie unter den Schmerzen? Gibt es Begleitsymptome?
4. Welche Medikamente wurden bisher angewendet? Mit welchem Erfolg?
II. Schmerz (Dolor)
Akuter Schmerz: vorübergehende Sinnesempfindung, zeigt
einen den Organismus schädigenden Reiz bzw. eine Gewebeschädigung durch mechanische, thermische, elektrische
oder chemische Reize an, präzise Lokalisation.
Chronischer Schmerz: Dauer > 3–6 Monate, hat seine
Alarmfunktion verloren, diffuse Lokalisation, eigenständiges Krankheitsbild, betrifft rund 20% aller ÖsterreicherInnen. Bis zu 90% aller PatientInnen kann geholfen werden, sofern sie eine individuell abgestimmte, multidisziplinäre Schmerztherapie erhalten ➙ ärztliche Konsultation.
Schmerzformen
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Entzündungsschmerzen
spastische Schmerzen
Nervenschmerzen
Fehlregulationsschmerzen
psychosomatische Schmerzen
Entzündungs- und spastische Schmerzen beruhen beide
auf der Erregung von Nozizeptoren. Beim Entzündungsschmerz wirken chemische Entzündungs- bzw. Schmerz-
mediatoren erregungsfördernd (z.B. rheumatoide Arthritis,
Zahnschmerzen), beim spastischen Schmerz tritt hingegen
eine übermäßige Kontraktion der glatten Muskulatur innerer Organe auf.
Nervenschmerzen (auch neuropathischer Schmerz bzw.
Neuralgie) beruhen auf Irritation oder Schädigung peripherer Nerven oder zentralnervöser Strukturen (z. B. Amputationsschmerzen, Bandscheibenvorfall).
Fehlregulationsschmerzen beruhen auf einer unangemessenen Funktion eines physiologischen oder biochemischen
Regulationssystems (z. B. Schmerzen bei Fehlhaltung, Migräne).
Psychosomatische Schmerzen sind Ausdruck unbewältigter psychischer oder psychosozialer Probleme (z. B. Migräne nach psychischer Belastung), beim Somatisierungsprozess können Mechanismen der Fehlregulation (z. B. psychisch ausgelöste Muskelverspannung) mitwirken. Nicht
selten wird durch die Schmerzäußerung ein sozialer Vorteil erwartet („sekundärer Krankheitsgewinn“, z. B. kindliche Bauchschmerzen zur Sicherung der mütterlichen
Zuwendung).
n Schmerz
„KundIn verlangt ein Mittel gegen Schmerzen“
Redaktion: Mag. Natalie Sonnbichler
In Zusammenarbeit mit Univ.-Prof. Mag. pharm. Dr. phil. Eckhard Beubler
Beirat der Österreichischen Schmerzgesellschaft und Vorstand des Instituts für
experimentelle und klinische Pharmakologie, Medizinische Universität Graz
III. Selbstmedikation JA/NEIN
JA
NEIN
Die Selbstmedikation ist bei akut auftretenden
Schmerzen gerechtfertigt, sofern die Ursache hinlänglich bekannt ist. Ist eine notwendig gewordene
ärztliche Behandlung nicht unmittelbar möglich,
können Übergangsempfehlungen zur kurzfristigen
Selbstbehandlung (2–3 Tage) gegeben werden. Das
Arzneimittel sollte gut verträglich bzw. sollten die
Betroffenen mit der Wirkung zufrieden sein. Chronische Schmerzen sollten grundsätzlich ärztlich abgeklärt werden.
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Schmerzen im Verdauungstrakt
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starke Schmerzen
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Schmerz > 2–3 Tage
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chronische Schmerzen
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plötzliche Kopfschmerzen mit hoher Intensität
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Nackenstarre
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hohes Fieber
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beidseitige Schwellung der Lymphknoten
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Eiterbildung (v. a. bei Tonsillen, Zahnfleisch)
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häufiges Zahnfleischbluten
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Kariesschäden am Zahn
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schmerzender Ischiasnerv
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uncharakteristischer Rückenschmerz (v. a. LWS-Bereich)
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Verdacht auf Arzneimittelmissbrauch
IV. Empfehlungen – Selbstmedikation
Zur Schmerzbehandlung stehen Nichtopioidanalgetika zur
Verfügung, diese wirken über die Hemmung der Prostaglandinsynthese.
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Achtung: bei unkontrollierter Abgabe Gefahr von gastrointestinalen Nebenwirkungen, Verlängerung der Blutgerinnung, Nierenprobleme, Überempfindlichkeitsreaktionen (z. B. ASS-Asthma) sowie Entwicklung eines arzneiinduzierten Dauerkopfschmerzes.
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Alters- und verträglichkeitsabhängige Empfehlung:
● Paracetamol: Kinder, Erwachsene, ältere Menschen
● Ibuprofen: Kinder, Erwachsene
● Naproxen, Acetylsalicylsäure (ASS): Erwachsene
Die Verträglichkeit von Paracetamol und Ibuprofen ist
vergleichbar hoch. Paracetamol ist für alle Altersgruppen
gut geeignet, verfügt über ein geringes Nebenwirkungsprofil, zeigt allerdings ein leberschädigendes Potenzial
(Kontraindikation bei Alkoholkranken). ASS bei Zahnschmerzen vermeiden.
Acetylsalicylsäure (ASS)
Paracetamol
Ibuprofen
Dexibuprofen
Kombinationen, z.B.
– Paracetamol, ASS, Coffein
– Paracetamol, Propyphenazon, Coffein
– ASS, Pseudoephedrin bei erkältungsbedingten
Schmerzen und Fieber
Pflanzliche Alternative:
Zitterpappel-Esche-Goldrute bei rheumatischen
Beschwerden und Bewegungsschmerzen
Topische Analgetika (Beispiele)
Lokalbehandlung bevorzugt bei rheumatischen Schmerzen,
Muskelverspannungen oder Lumbago („Hexenschuss“):
● Diclofenac
● Diethylammoniumsalicylat
● Ibuprofen
● Ketoprofen
● Hyperämisierungsmittel oder Capsaicin
● Wirkstofffreie Wärmeauflagen
Orale Analgetika (Beispiele)
Wird ein rascher Wirkeintritt gewünscht, sind Arzneiformen wie Brause-, Kau- oder Sublingualtabletten hilfreich,
für Kinder eignen sich Saft bzw. Zäpfchen.
Zum Thema Schmerzen sind zuletzt Artikel in folgenden Ausgaben erschienen: Apotheker Krone Nr. 23/2008 (S. 10), 20/2008 (S. 38), Sonderausgabe 4/2008 (S. 16) und 15/2008 (S. 24).
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