Deutsche Teilung: Leben im Grenzgebiet Birgit Pieplow Arbeitsblatt 2: Von der Demarkationslinie zur Systemgrenze Infobox: Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen Nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs, den Deutschland im September 1939 mit dem Überfall auf Polen begonnen hatte, wird Deutschland in vier Zonen aufgeteilt. Die 1945 zwischen den Besatzungszonen gezogenen Grenzen bezeichnet man als Demarkationslinien. Aufgabe 1: Recherchieren Sie, wann, von wem, an welchem Ort und aus welchem Grund die Aufteilung Deutschlands in vier Zonen geplant wurde. Wann wurde sie endgültig beschlossen? Wann? ......................................................................................................................... Von wem? .................................................................................................................... ....................................................................................................................................... Wo? ............................................................................................................................... Aus welchem Grund? ................................................................................................. ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... Endgültiger Beschluss? ............................................................................................. Aufgabe 2: Recherchieren Sie, was man unter einer Demarkationslinie versteht und überlegen Sie, warum auch nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik für die Grenze verschiedentlich noch der Begriff „Demarkationslinie“ verwendet wurde. ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... Gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur © 2012, DigiOnline GmbH 1 Deutsche Teilung: Leben im Grenzgebiet Birgit Pieplow ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... Infobox: Die Grenze von 1945 bis 26. Mai 1952 Die Zonengrenzen werden zunächst von Soldaten der Besatzungsmächte kontrolliert. Unmittelbar nach Kriegsende können noch Millionen von Menschen von der sowjetischen Besatzungszone in die westlichen Zonen wechseln. Ab Herbst 1945 wird die sowjetische Demarkationslinie schärfer kontrolliert; wer die Grenze überschreitet, riskiert erschossen oder verhaftet zu werden. Die anhaltend starken illegalen Grenzübertritte sowie Fahnenflucht von Soldaten der Roten Armee führen dazu, dass die Zonengrenzen am 30. Juni 1946 auf Antrag der Sowjets durch den Alliierten Kontrollrat für vier Monate komplett gesperrt werden. Privatreisende benötigen nun einen Interzonenpass. Ende 1946/Anfang1947 übernimmt die deutsche Grenzpolizei unter Aufsicht der Roten Armee die Bewachung der Demarkationslinie; wegen einer noch geringen Zahl von Grenzpolizisten kann die Grenze zunächst noch an vielen Stellen „schwarz“ überschritten werden. Ab Oktober 1947 gibt es eine Vorschrift für die Grenzpolizei, nach der Schusswaffen gegen „Räuber, Banditen, bekannte Rückfalldiebe“ und gegen „bedeutende Mitglieder der faschistischen Partei“1, also ehemalige Nazis, eingesetzt werden dürfen. 1 zit. nach Strehlow, Hannelore: Der gefährliche Weg in die Freiheit. Fluchtversuche aus dem ehemaligen Bezirk Potsdam. Publikation der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung, Potsdam 2004; http://www.politische-bildungbrandenburg.de/publikationen/pdf/gefaehrliche_weg_freiheit.pdf Aufgabe 3: Überlegen Sie in Partnerarbeit, was Gründe für die bis 1952 anhaltend starken illegalen Grenzübertritte – von Ost nach West und umgekehrt – gewesen sein könnten und notieren sie ihre Ergebnisse hier. ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... Gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur © 2012, DigiOnline GmbH 2 Deutsche Teilung: Leben im Grenzgebiet Birgit Pieplow Infobox: Eiserner Vorhang, Truman-Doktrin, Berlin-Blockade, Kalter Krieg, Gründung der beiden deutschen Staaten Zunehmendes Misstrauen der westlichen Alliierten gegenüber der Politik der Sowjetunion in Osteuropa und in der sowjetischen Besatzungszone sowie der Sowjetunion gegenüber der Deutschlandpolitik der USA und deren AtomwaffenMonopol führen dazu, dass die Vier-Mächte-Regierung scheitert. Der englische Premierminister Winston Churchill prägt bereits im März 1946 den Begriff vom „Eisernen Vorhang“. Die USA unter Präsident Truman verkünden im März 1947 eine Politik des „Containment“ (dt.: „Eindämmung“, sogenannte Truman-Doktrin). Danach soll eine weitere Ausbreitung des Kommunismus auf noch nicht kommunistische Staaten in Europa verhindert werden. Die USA wollen hierzu durch wirtschaftliche und finanzielle Hilfe beitragen. Im Frühjahr 1948 beschließen die Westmächte in London gemeinsam mit den Benelux-Staaten die Errichtung eines westdeutschen Teilstaates (Londoner Sechsmächte-Abkommen). Am 20. Juni 1948 verkünden die Westmächte in ihren Besatzungszonen und West-Berlin eine Währungsreform; hier wird die D-Mark eingeführt. Eine Währungsreform in der sowjetischen Besatzungszone folgt am 23. Juni 1948. Als Reaktion auf die Währungsreform im Westen blockieren sowjetische Truppen in der Nacht zum 24. Juni 1948 die Zufahrtswege nach West-Berlin (Berlin-Blockade). West-Berlin wird von der Versorgung aus den westlichen Besatzungszonen abgeschnitten, Gas- und Stromlieferungen aus dem sowjetischen Sektor werden drastisch eingeschränkt. Die Sowjetunion will so die westlichen Alliierten dazu zwingen, den Plan zur Gründung eines westdeutschen Teilstaates aufzugeben. Fast ein Jahr lang versorgen die Westmächte mit einer Luftbrücke die Bevölkerung WestBerlins mit Lebensmitteln. Die Blockade verschärft den Gegensatz zwischen den Westmächten und der Sowjetunion und gilt als erster Höhepunkt des Kalten Krieges. Im Mai 1949 gibt die Sowjetunion die Blockade auf. Im Mai 1949 wird die Bundesrepublik Deutschland als Demokratie nach westlichem Vorbild gegründet, im Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik (DDR) als sozialistischer Staat nach sowjetischem Vorbild. Auch nach Gründung der DDR ist die Grenze an vielen Stellen kaum markiert. Im April 1952 fordert Stalin den Ausbau der innerdeutschen Grenze. Er wird im Mai 1952 mit der „Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands“ umgesetzt. Gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur © 2012, DigiOnline GmbH 3 Deutsche Teilung: Leben im Grenzgebiet Birgit Pieplow Aufgabe 4: Lesen Sie die „Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands“ vom 26. Mai 1952. Die Verordnung finden Sie im Internet unter http://www.verfassungen.de/de/ddr/demarkationslinienverordnung52.htm 1. Welche Gründe werden im Verordnungstext für die verstärkten Sicherungsmaßnahmen an der Demarkationslinie genannt? ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... 2. Erklären Sie, worin der Unterschied zwischen den in der Verordnung genannten Gründen für die Maßnahmen und deren Wahrnehmung durch die Mehrzahl der Menschen in der DDR und in der Bundesrepublik bestand. ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... 3. Überlegen Sie, warum die Verordnung in § 2 den Zusatz enthält: „Alle zur Durchführung dieser Maßnahmen getroffenen Anordnungen; Bestimmungen und Anweisungen sind unter dem Gesichtspunkt zu erlassen, daß sie bei einer Verständigung über die Durchführung gesamtdeutscher freier Wahlen zur Herbeiführung der Einheit Deutschlands auf demokratischer und friedlicher Grundlage sofort aufgehoben werden können.“ Notieren Sie hier, was Sie als Grund annehmen. ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... Gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur © 2012, DigiOnline GmbH 4 Deutsche Teilung: Leben im Grenzgebiet Birgit Pieplow Infobox: Die innerdeutsche Grenze zwischen 26. Mai 1952 und 13. August 1961 Mit der Verordnung vom 26. Mai 1952 wird entlang der innerdeutschen Grenze ein Sperrgebiet eingerichtet. Es umfasst einen 10-m-Kontrollstreifen, einen 500-mSchutzstreifen und eine 5-km-Sperrzone. Für den 500-m-Schutzstreifen und die 5km-Sperrzone werden Zutritt und Aufenthalt besonders geregelt. Tausende Menschen werden aus dem Sperrgebiet zwangsausgesiedelt (s. Arbeitsblatt 4). Die Grenze wird zunehmend abgeriegelt, unter anderem mit Stacheldrahtzaun, Wachtürmen und Bunkern. Die Bevölkerung wird in die Grenzsicherung einbezogen: Sogenannte Grenzpolizeihelfer überwachen ab August 1952, dass niemand das Grenzgebiet unberechtigt betritt. Die Flucht über die innerdeutsche Grenze ist lebensgefährlich. Immer mehr Menschen fliehen deshalb über Ost- nach West-Berlin, von wo sie per Flugzeug in die Bundesrepublik Deutschland gelangen können. Die Flucht über West-Berlin als Schlupfloch ist bis zum Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 noch möglich. Die sozialistische Planwirtschaft führt Anfang der 50er-Jahre zu einer massiven Ernährungskrise, einem Rückgang der industriellen Produktion und zu hoher Unzufriedenheit der Bevölkerung in der DDR. Als die DDR-Regierung die Norm, die die Arbeiter zu erfüllen haben, im Mai 1953 um mehr als zehn Prozent erhöht, kommt es zu massenhaften Streiks und Demonstrationen der Arbeiter in Berlin, die nicht nur eine Rücknahme der Normerhöhung, sonder auch freie Wahlen, die Absetzung des SED-Generalsekretärs Walter Ulbricht, und die Wiedervereinigung fordern. Die Aufstände breiten sich von Berlin aus in der gesamten DDR aus. Am 17. Juni 1953 wird der Volksaufstand von sowjetischen Truppen blutig niedergeschlagen. Die Westmächte greifen nicht ein. 1955 werden beide deutsche Staaten politisch und militärisch in die jeweiligen militärischen Machtblöcke integriert: Die Bundesrepublik erhält die staatliche Souveränität und tritt unter Bundeskanzler Konrad Adenauer der NATO bei, die DDR dem Warschauer Pakt. Die Sowjetunion bestätigt die volle Souveränität der DDR. Die Demarkationslinie wird von der DDR fortan als Staatsgrenze bezeichnet. Aufgabe 5: Bilden Sie innerhalb Ihres Kurses per Los zwei Gruppen. Gruppe A: Schreiben Sie aus Sicht eines 1952 in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Journalisten eine Nachricht über die Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR nach dem 26. Mai 1952 für eine Tageszeitung (maximal 900 Zeichen). Gruppe B: Schreiben Sie aus Sicht eines SED-nahen Redakteurs in einem grenznahen Kreis der Deutschen Demokratischen Republik einen Bericht über die Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR nach dem 26. Mai 1952 (maximal 900 Zeichen). Sammeln Sie die Artikel in einer „Pressemappe“ und arbeiten Sie im Plenum inhaltliche Unterschiede heraus. Gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur © 2012, DigiOnline GmbH 5 Deutsche Teilung: Leben im Grenzgebiet Birgit Pieplow Infobox: Die innerdeutsche Grenze zwischen 1961 und 1983 Am 15. September 1961 werden alle Grenzeinheiten der Deutschen Grenzpolizei der Nationalen Volksarmee (NVA) unterstellt. Nach dem Bau der Berliner Mauer wird die Grenzsicherung der DDR immer weiter perfektioniert: Erdminen werden verlegt und die Stacheldrahtzäune doppelreihig errichtet. Ab Mitte der 60er-Jahre werden Stacheldrahtzäune durch Metallgitterzäune ersetzt, in einigen Grenzabschnitten Lichtsperren montiert. Hundelaufanlagen, Kfz-Sperren und Betontürme werden errichtet. Nach 1970 werden Splitterminen (SM-70) in Form von Selbstschussanlagen an den Grenzzäunen angebracht. Grenzsoldaten ist erlaubt, auf Grenzverletzer zu schießen. Unter der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt kommt es ab 1969 zu einer neuen Ostpolitik der Bundesrepublik. Sie führt unter anderem zum Vier-MächteAbkommen über Berlin vom September 1971, in dem die Sowjetunion den ungehinderten zivilen Verkehr zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin zusichert. Ende 1971 schließen die Bundesrepublik und die DDR ein Transitabkommen über den Besucher- und Reiseverkehr. Die Bundesrepublik und die DDR schließen Ende 1971 ein Transitabkommen über den Besucher- und Reiseverkehr und im Dezember 1972 einen Grundlagenvertrag, in dem die beiden Staaten sich bereit erklären, zukünftig „normale und gutnachbarliche Beziehungen“ zu pflegen. Als Folge des Grundlagenvertrags wird ab dem 21. Juni 1973 der grenznahe Tagesverkehr an der innerdeutschen Grenze, der sogenannte Kleine Grenzverkehr, möglich (s. Arbeitsblatt 6). Dennoch treibt die DDR-Regierung die Perfektionierung der Grenzsicherung auch in den 1970er-Jahren weiterhin voran: Vermehrt werden etwa die Splitterminen SM-70 eingesetzt, ab 1973 zusätzlich Signal- und Alarmzäune errichtet. 1971 wird Erich Honecker mächtigster Mann in der DDR. Im Gegenzug zu einem von der Bundesrepublik gewährten Milliardenkredit lässt die DDR im Jahr 1983 die Splitterminen abbauen und alle Bodenminen räumen. Die Grenze bleibt dennoch fast undurchlässig. Aufgabe 6: Hören Sie im Internet unter http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/de/Start/Index/id/783542/item/2/page/0 den RIAS-Bericht vom 27. September 1983 über die humanitären Gegenleistungen der DDR für den Milliardenkredit. Fassen Sie kurz zusammen, wie die DDRRegierung auf den Milliardenkredit der Bundesrepublik inhaltlich und formal reagierte und bewerten Sie diese Reaktion. ....................................................................................................................................... Gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur © 2012, DigiOnline GmbH 6 Deutsche Teilung: Leben im Grenzgebiet Birgit Pieplow ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... Infobox: Die innerdeutsche Grenze von 1983 bis 1989 Die Regierung der DDR plant in den 1980er-Jahren unter dem Projektnamen „Grenze 2000“, die perfekte Sicherung der Grenze mit Hochtechnologien, etwa Mikrowellenanlagen oder Infrarotschranken bis zur Jahrtausendwende. Die für dieses Projekt geplanten Ausgaben gehen in die Milliarden. Abschlussaufgabe zu Arbeitsblatt 2 (Wiederholung): Stellen Sie in Partnerarbeit politische Ereignisse, die zur Entwicklung der Grenze von der Demarkationslinie zur Systemgrenze beitrugen, auf einer Zeitleiste dar. Notieren Sie an der Zeitleiste an markanten Punkten jeweils Stichworte zur „Durchlässigkeit“ der Demarkationslinie beziehungsweise innerdeutschen Grenze. Gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur © 2012, DigiOnline GmbH 7 Deutsche Teilung: Leben im Grenzgebiet Birgit Pieplow 8.5. 1945 Gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur © 2012, DigiOnline GmbH 9.11. 1989 8