BUND KG Friesland, Schönhörnweg 8, 26452 Sande Landkreis Friesland – Untere Naturschutzbehörde – Postfach 12 44 26436 Jever BUND Kreisgruppe Friesland c/o Hartmut Müller-Mangels Schönhörnweg 8 26452 Sande Tel. 04422-507494 Sande, den Geplantes Landschaftsschutzgebiet (LSG) „Marschen am Jadebusen – West“ Hier: Stellungnahme Sehr geehrte Damen und Herren, für die Gelegenheit, uns zu dem im Betreff genannten Vorgang zu äußern, bedanken wir uns. Unser Landesverband hat uns beauftragt, für den BUND eine Stellungnahme zu der vorgesehenen Ausweisung des LSG „Marschen am Jadebusen - West“ abzugeben. Das Vogelschutzgebiet V64 „Marschen am Jadebusen“ ist Bestandteil des kohärenten Europäischen Netzes “Natura 2000”. Das geplante Landschaftsschutzgebiet “Marschen am Jadebusen - West” soll der Sicherung und Entwicklung eines günstigen Erhaltungszustandes der wertgebenden Arten des Vogelschutzgebietes V 64 (DE 2514-431) “Marschen am Jadebusen” im Landkreis Friesland sowie der wertgebenden Art Teichfledermaus und des FFHLebensraumtyps 3150 in einem Teil des FFH-Gebiets FFH 180 “TeichfledermausHabitate im Raum Wilhelmshaven” (DE 2312-331) dienen. Der BUND begrüßt grundsätzlich die geplante Schutzgebietsausweisung. Der BUND kritisiert allerdings das Zustandekommen und einige Inhalte des Verordnungsentwurfs. Der Rat der europäischen Gemeinschaften begründet den Erlass der „Richtlinie des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (79/409/EWG)“ (Vogelschutzrichtlinie VSchRL) u. a. folgendermaßen: „Bei vielen im europäischen Gebiet der Mitgliedsstaaten wildlebenden Vogelarten ist ein Rückgang der Bestände festzustellen, der in bestimmten Fällen sehr rasch vonstatten geht. Dieser Rückgang bildet eine ernsthafte Gefahr für die Erhaltung der natürlichen Umwelt, da durch diese Entwicklung insbesondere das biologische Gleichgewicht bedroht wird.“ Auf die besondere Bedeutung der Zugvogelarten, die ein gemeinsames Erbe darstellen und gemeinsame Verantwortlichkeiten mit sich bringen, wird in der Begründung gesondert hingewiesen. Der Rückgang der Wiesenvogelbestände ist besonders gravierend und hält kontinuierlich an. Diesem Rückgang Einhalt zu gebieten ist nur durch weitreichende und effektive Schutzanstrengungen auf nationaler und internationaler Ebene zu erreichen. Die in deutscher Verantwortung stehende Gewährleistung des bestmöglichen Schutzes der Zugund Brutvögel im Vogelschutzgebiet V64 kann nur durch eine rechtskonforme Umsetzung der VSchRL in nationales Recht gesichert werden. Leider scheint die Zielsetzung der Verordnung (VO) eher die Sicherung von Nutzungsansprüchen und nicht die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes zu verfolgen. Bereits im Vorfeld Seite 1 von 9 wurde einem ausgewählten Kreis von Projektträgern und Nutzern Gelegenheit zur Einsichtund Einflussnahme auf die Erstellung der VO gegeben. So ist der Sitzungsvorlage Nr. 867/2011 vom 03.02.2011 für den Ausschuss für Umwelt, Abfall und Landwirtschaft sowie den Kreisausschuss des Landkreises Friesland zu entnehmen, dass intensive Vorgespräche mit dem Landvolkverband und der Landwirtschaftskammer Niedersachsen stattgefunden haben. Wir erkennen die Bemühungen an, bei der Vorbereitung der LSG-Verordnung ein Einvernehmen mit der Landwirtschaft und den Flächenbesitzern herstellen zu wollen. Dennoch ist es verwunderlich, dass die Naturschutzverbände nicht zu diesen Gesprächen eingeladen wurden, zumal mit dem Vogelschutzgebiet und der Ausweisung eines nationalen Schutzgebietes ureigene Aspekte des Naturschutzes betroffen sind, für die sich die Naturschutzverbände mit großem Fachwissen und ehrenamtlichen Engagement einsetzen. Diese Vorgehensweise wird der Sache nicht gerecht. Den im Vorfeld eingebundenen Nutzern und Projektträgern war es somit außerhalb des ordnungsgemäßen Verfahrens bereits frühzeitig möglich, maßgeblich die Inhalte der VO zu bestimmen. Daraus haben sich Detailregelungen in dem VO-Entwurf ergeben, die letztlich großen Anteil daran haben, dass der vorliegende Entwurf nicht den Anforderungen der EUVSchRL entspricht und teilweise dem Schutzzweck sogar zuwider läuft. Wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen im Einzelnen ergibt, werden bzgl. der Schutzziele entgegen der Vorgabe des § 32 Abs. 3 S. 1 BNatSchG zahlreiche Arten des Anhangs I zur VSchRL und gem. Art. 4 Abs. 2 VSchRL relevante Zugvogelarten ausgeklammert. Die Ge- und Verbote werden entgegen der Vorgabe des § 32 Abs. 3 S. 3 BNatSchG durch Teilprivilegierungen und Freistellungen derart geschwächt, dass eine effektive Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in Zweifel gezogen werden muss. Wir weisen darauf hin, dass auch hinsichtlich einer richtlinienkonformen Gebietsabgrenzung Unsicherheiten bestehen. Als Gefährdungsursachen für das Vogelschutzgebiet V 64 werden im Standarddatenbogen Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung Windkraftanlagen Grünlandumbruch genannt. Der Verminderung oder Beseitigung der Gefährdungsursachen ist nach unserer Auffassung in der LSG-VO besonders Rechnung zu tragen, um die Lebensräume der schutzbedürftigen Arten zu sichern, zu entwickeln und wiederherzustellen. Der vorliegende VO-Entwurf lässt die Bemühungen darum nicht durchgängig erkennen. Zu den einzelnen Paragrafen der Verordnung nehmen wir wie folgt Stellung: Zu § 1 Ziff. 2: In § 1 Ziff. 2 heißt es: „Das Landschaftsschutzgebiet ‚Marschen am Jadebusen – West’ dient vorrangig der Sicherung und Entwicklung eines günstigen Erhaltungszustandes der wertgebenden Arten des im Gebiet des Landkreises Friesland liegenden Teils des Vogelschutzgebietes V 64 (DE 2514-431) ‚Marschen am Jadebusen’...“. Unter Bezug auf Art. 3 der VSchRL weisen wir darauf hin, dass der VO-Entwurf insbesondere auch auf die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes sowohl der wertgebenden Arten als auch ihrer Lebensräume abzielen muss. Zahlreiche der im Gebietsdatenbogen erfassten Vogelarten befinden sich in einem „durchschnittlichen oder beschränkten“, also schlechten Erhaltungszustand (Erhaltungszustand C). Dazu zählen im Vogelschutzgebiet V 64 (bezogen auf das gesamte Gebiet in den Landkreisen Friesland und Wesermarsch): Brutvögel: Schilfrohrsänger, Feldlerche, Sandregenpfeifer, Wiesenweihe, Wachtelkönig, Uferschnepfe, Steinschmätzer, Braunkehlchen Zugvögel: Löffelente, Knäckente, Knutt, Trauerseeschwalbe, Uferschnepfe, Kampfläufer Zumindest für die o. g. Arten, aber auch die Arten nach Anhang I der VSchRL, insbesondere die Brutvogelarten, muss durch die VO zum Ausdruck kommen, dass die Wiederherstellung Seite 2 von 9 eines günstigen Erhaltungszustandes angestrebt wird. Dies würde mindestens dem Erhaltungszustand B entsprechen. Desgleichen gilt auch für die entsprechenden elementaren Lebensräume der zu schützenden Vögel (hier vornehmlich Grünland). Die EUKommission hat erst kürzlich die Sicherstellung des Erhaltszustandes vieler Arten sowie den Schutz von Grünlandgebieten durch die Mitgliedsstaaten gerügt (vgl. “Bericht der Kommission vom 13. Juli 2009 über den Erhaltungszustand von Arten und Lebensraumtypen gemäß Artikel 17 der Habitatrichtlinie). Wir schlagen deshalb die folgende Formulierung vor (Änderungen unterstrichen): „Das Landschaftsschutzgebiet ‚Marschen am Jadebusen – West’ dient vorrangig der Sicherung, Entwicklung und Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der wertgebenden Arten des im Gebiet des Landkreises Friesland liegenden Teils des Vogelschutzgebietes V 64 (DE 2514-431) ‚Marschen am Jadebusen’ sowie ihrer Lebensräume...“ Zu § 1 Ziff. 3 (hier Grenze des LSG): Laut anliegender Karte, auf die in § 1 Ziff. 3 Bezug genommen wird, liegen die Haus- und Hofstellen nicht innerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung. Darüber hinaus wurde die Gebietsgrenze im Bereich von zehn Hofstellen und Gebäuden teilweise in erheblichem Umfang zurückgenommen. Nach der Sitzungsvorlage Nr. 867/2011 vom 03.02.2011 für den Ausschuss für Umwelt, Abfall und Landwirtschaft sowie den Kreisausschuss des Landkreises Friesland sind bei der „Erarbeitung des Geltungsbereichs konkrete Bauvorhaben von Betroffenen unter Beachtung der Ansprüche der wertgebenden Arten des Vogelschutzgebiets bereits berücksichtigt worden“. Dieses Vorgehen ist aus den folgenden Gründen unzulässig und beschränkt die Landwirtschaft in ihrer betrieblichen Entwicklung. Die LSG-VO deckt nicht die Gebietsgrenze des Vogelschutzgebietes ab. In den nicht durch nationales Recht abgedeckten Bereichen besteht deshalb eine hohe Rechtsunsicherheit bezüglich der Realisierung von Bauvorhaben. Nach der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes gilt ein Vogelschutzgebiet so lange als sog. „faktisches Vogelschutzgebiet“ bis es richtlinienkonform geschützt ist. Werden aus dem Geltungsbereich des Vogelschutzgebietes Flächen aus der LSG-VO herausgenommen, besteht für diese Bereiche, die somit nicht richtlinienkonform geschützt sind, im Prinzip eine totale Veränderungssperre. Dagegen können im Geltungsbereich des LSG später rechtssichere Ausnahmen für die Realisierung von Bauvorhaben zugelassen werden. Die LSG-VO trägt somit zu einer Sicherung und Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebe bei. Zu § 2 Ziff. 1: Die Höfe und Einzelhäuser im LSG konzentrieren sich auf Idagroden und Petersgroden und sind linienförmig an der Straße „Am Jadebusen“ gelegen. Das südlichste der drei Teilstücke des LSG ist komplett frei von Hoflagen. Im mittleren Teilstück befindet sich lediglich ein landwirtschaftlicher Hof und im nördlichen Teilstück gibt es neben der Besiedlung entlang der Straße „Am Jadebusen“ nur einen abseits gelegenen Hof. Insofern ist die Formulierung in § 2 Ziff. 1 „Beim Landschaftsschutzgebiet ‚Marschen am Jadebusen – West’ handelt es sich um landwirtschaftlich genutzte, weitgehend offene und gehölzarme Marschgebiete mit eingestreuten Höfen und Einzelhäusern“ nicht zutreffend, was die Beschreibung der Siedlungslagen angeht. Es müsste vielmehr heißen (Vorschlag): „Beim Landschaftsschutzgebiet „Marschen am Jadebusen – West“ handelt es sich um landwirtschaftlich genutzte, weitgehend offene und gehölzarme Marschgebiete. Das Landschaftsschutzgebiet ist weitgehend frei von Streusiedlung. Im nordöstlichen Bereich des Landschaftsschutzgebietes befindet sich das Siedlungsband von Idagroden und Petersgroden.“ Wir verweisen an dieser Stelle auf die Ausführungen zu § 4 Ziff. 1 b. Zu § 2 Ziff. 3: Im Verordnungsentwurf wird die besondere Bedeutung der Landwirtschaft für die Entstehung und den Erhalt des Gebietes herausgehoben. Der BUND unterstreicht die Verantwortung der Landwirtschaft für den Werterhalt des Vogelschutzgebietes und auszuweisenden Seite 3 von 9 Landschaftsschutzgebietes und erkennt diese Leistung an. Wiesenvogelarten (z.B. Kiebitz, Großer Brachvogel, Uferschnepfe u. a.) konnten sich in den niedersächsischen Grünlandregionen, wie es das Vogelschutzgebiet „Marschen am Jadebusen“ darstellt, z.T. erst mit der Entwicklung von Grünland in den letzten zwei Jahrhunderten verbreiten und haben sich im Laufe der Zeit an die Nutzung angepasst. Auch heute sind Wiesenvögel elementar auf landwirtschaftlich genutztes Grünland als Lebensraum angewiesen. Andererseits ist der Grünlandlebensraum für Wiesenvögel durch die Intensivierung der Landwirtschaft mit Entwässerung, häufigen und frühen Mahden, hohen Viehdichten und einer intensiven maschinellen Bearbeitung der Flächen in den letzten Jahrzehnten erheblich unter Druck geraten und teilweise grundlegend verändert worden. Das Grünland wurde großflächig entweder in Ackerland umgewandelt oder wird heute vielfach so intensiv genutzt, dass es mit dem Grünland, an das die Wiesenvogelarten angepasst sind, nichts mehr zu tun hat. Diese Entwicklung hat sich aktuell in den letzten Jahren noch erheblich beschleunigt und verschärft. Trotz starker Naturschutzanstrengungen weisen die Bestände der „klassischen“ Wiesenvogelarten, wie z. B. Kiebitz, Uferschnepfe, Bekassine, Rotschenkel und Großer Brachvogel einen unverminderten und sich eher noch beschleunigenden Rückgang auf und werden mittlerweile alle in den „Roten Listen“ als bestandsgefährdete Vogelarten geführt. Der Kiebitz kann zwar auch auf Äckern angetroffen werden, brütet dort aber meist ohne oder nur mit geringerem Erfolg, so dass auch solche Brutplätze nach einigen Jahren verwaisen. Die Bestände des Kiebitzes gehen daher seit Jahren dramatisch zurück. Der einst sehr häufige 'Allerweltsvogel' Kiebitz wird in Niedersachsen/Bremen nun schon in der Roten Liste als in der Kategorie 'stark gefährdet' geführt. Der Bestand hat seit dem Jahr 1980 um mehr als 50 Prozent abgenommen. So ist es letztlich neben dem allgemeinen Flächenverlust überwiegend der veränderten landwirtschaftlichen Nutzung geschuldet, dass überhaupt Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen. Insofern trägt die Landwirtschaft natürlich auch eine Verantwortung für den Schutz der Wiesenvögel im allgemeinen und der wertgebenden Arten des Vogelschutzgebietes im besonderen. Davon unbenommen ist, dass damit nicht der einzelne Landwirt gemeint sein kann, sondern die allgemeine Ausrichtung der Landwirtschaft und die Bedingungen, denen die Landwirte unterworfen sind. Es ist richtig, dass der Landwirtschaft für den Erhalt und die Entwicklung der Brut-, Nahrungs- und Rasthabitate der wertgebenden Arten eine besondere Bedeutung zukommt. Vor diesem Hintergrund ist § 2 Ziff. 3 („Der Landwirtschaft kommt als Voraussetzung für den Erhalt und die Entwicklung der Brut-, Nahrungs- und Rasthabitate der wertgebenden Arten eine besondere Bedeutung zu. Daher ist die Sicherung und Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebe erforderlich.“) zwar sachlich richtig. Die „Sicherung und Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebe“ stellt aber weder einen Schutzgegenstand noch einen Schutzzweck dar und entspricht nicht einem für das Vogelschutzgebiet formuliertem Erhaltungsziel. Im Landschaftsschutzgebiet soll gemäß § 1 Ziff. 2 der VO ein günstiger Erhaltungszustand der wertgebenden Arten eines international bedeutsamen Vogelschutzgebietes und eines FFH-Gebietes, für die Deutschland eine besondere Verantwortung trägt, gesichert und entwickelt werden. Dies kann und soll mit Hilfe der ansässigen landwirtschaftlichen Betriebe geschehen. Es ist aber nicht Sinn einer LSG-VO, die EU-Recht in nationales Recht überführen soll, landwirtschaftliche Betriebe zu sichern und zu entwickeln. Ziff. 3 muss deshalb aus § 2 vollständig gestrichen werden. Der Inhalt dieser Ziffer entspricht nicht dem Leitgedanken der VSchRL, die den Schutz der Vögel und nicht der Landwirte zum Inhalt hat, und ist somit nicht richtlinienkonform! Beschließt der Landkreis eine solch unzureichende Schutzgebietsverordnung, bleibt der Status des „faktischen Vogelschutzgebietes“ erhalten. Das bedeutet – gerade auch für die Landwirtschaft – eine totale Veränderungssperre ohne jede Rechtssicherheit. Wie bereits unter unseren Hinweisen zu § 1 Ziff. 3 ausgeführt, werden die landwirtschaftlichen Betriebe durch die geplante LSG-VO geschützt. Zum einen bedeutet das einen Schutz der Lebensgrundlagen und damit Erwerbsgrundlage für die Landwirtschaft, zum anderen wird Seite 4 von 9 durch die LSG-VO hinsichtlich der Realisierung von Bauvorhaben Rechtssicherheit hergestellt. Darüber hinaus können das Landschaftsschutzgebiet und die ihm zum Schutz anbefohlenen Wiesenvögel z. B. über Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes zu einer Sicherung landwirtschaftlicher Betriebe beitragen. Wir verweisen an dieser Stelle auf unsere Ausführungen zu § 9. Dort besteht die Möglichkeit, den Inhalt der Ziff. 3 sinngemäß unterzubringen. Zu § 2 Ziff. 4 I.: Die Sicherung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes soll durch den Schutz und die Entwicklung der Lebensräume, insbesondere der wertgebenden Arten des Vogelschutzgebietes (allgemeine Erhaltungsziele), erzielt werden. Dazu sollen die unter § 2 Ziff. 4 I. näher bezeichneten Lebensraumstrukturen und -bedingungen sowie das Landschaftsbild erhalten werden. Die Liste ist zu ergänzen durch: Erhalt des Dauergrünlandes und Förderung extensiver Grünlandbewirtschaftung mit hohen Grundwasserständen Einstellung möglichst hoher Wasserstände auf Teilflächen, die für die Ziele des Wiesenvogelschutzes entwickelt werden Begründung: Die Ergänzungen entsprechen den in der LSG-VO fehlenden Maßnahmen und Schutzzielen zur Erhaltung und Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der Arten und Lebensräume, die das NLWKN für Vogelschutzgebiet „Marschen am Jadebusen“ formuliert hat. Abweichend von den Ausführungen des NLWKN regen wir an, den Begriff Dauergrünland statt Grünland zu nutzen. Zu § 2 Ziff. 4 II.: Ziel der VO muss es sein, die Erhaltungsziele für die zu schützenden Arten im Gebiet sicherzustellen und einen guten Erhaltungszustand entsprechend der VSchRL zu gewährleisten. Die wertgebenden Arten des Vogelschutzgebietes, die für die Auswahl des Gebietes gemäß EU-Vogelschutzrichtlinie ausschlaggebend waren, sind: Weißwangengans, Blässgans, Löffler, Goldregenpfeifer, Pfeifente, Kiebitz, Rotschenkel, Großer Brachvogel, Dunkler Wasserläufer sowie Lach-, Mantel-, Silber- und Sturmmöve; alle Arten als Gastvögel, Kiebitz und Rotschenkel zusätzlich auch als Brutvogel. Diese Arten sind unter § 2 Ziff. 4 II. genannt. Eine LSG-VO muss aber auch der Forderung der VSchRL gerecht werden. Danach müssen für Arten des Anhang I und für relevante Zugvogelarten gem. Art. 4 Abs. 2 VSchRL „weitere Schutzmaßnahmen“ getroffen werden. Vor diesem Hintergrund vermissen wir in den unter § 2 Ziff. 4 II. dargestellten Schutzzwecken insbesondere folgende Arten des Anhanges I der VSchRL aber auch Zugvögel, die nach den Angaben des NLWKN im Gebiet regelmäßig als Brutvögel nachgewiesen wurden und die neben den wertgebenden Arten aufzulisten wären: Vogelarten des Anhang I: Singschwan, Zwergschwan, Rohrweihe, Wiesenweihe, Wachtelkönig, Kampfläufer, Pfuhlschnepfe, Säbelschnäbler, Flussseeschwalbe, Trauerseeschwalbe, Eisvogel, Blaukehlchen. Zugvögel: Zwergtaucher, Haubentaucher, Kormoran, Graureiher, Höckerschwan, Graugans, Saatgans, Ringelgans, Brandgans, Schnatterente, Krickente, Stockente, Knäkente, Löffelente, Spießente, Tafelente, Reiherente, Teichhuhn, Blässhuhn, Austernfischer, Flussregenpfeifer, Sandregenpfeifer, Sichelstrandläufer, Alpenstrandläufer, Bekassine, Uferschnepfe, Regenbrachvogel, Grünschenkel, Bruchwasserläufer, Flussuferläufer, Lachmöwe, Heringsmöwe, Feldlerche, Rauchschwalbe, Schwarzkehlchen, Braunkehlchen, Steinschmätzer, Schilfrohrsänger. Seite 5 von 9 Zu § 3 Ziff. 2: Hinsichtlich der Verbote des § 3 sind unter „Im Landschaftsschutzgebiet ist es insbesondere verboten:“ zu ergänzen: Geflügelmassentierhaltungsanlagen zu errichten und zu betreiben, das betrifft auch die von der LSG-VO ausgenommenen Bereiche, die im Geltungsbereich des Vogelschutzgebietes V 64 liegen (Verminderung des Risikos der Übertragung von Tierseuchen/ Vogelgrippe auf Wildvögel, siehe dazu auch unsere Hinweise zu § 4 Ziff. 1 b) Geflügelkot auf die im Landschaftsschutzgebiet gelegenen Flächen auszubringen (Vermeidung Seuchenausbreitung, s. o.) andere als mit Grünlandschnitt und Landschaftspflegegut durch Feststoffvergärung betriebene Agrargasanlagen zu errichten und zu betreiben, das betrifft auch die von der LSG-VO ausgenommenen Bereiche, die im Geltungsbereich des Vogelschutzgebietes V 64 liegen (siehe dazu auch unsere Hinweise zu § 4 Ziff. 1 b) der Anbau von Mais zur Energiegewinnung („Energiemais“) (siehe dazu auch unsere Hinweise zu § 4 Ziff. 1 b) Grünland umzubrechen und vegetationsverändernde Neueinsaaten ausschließlich hochproduktiver Grassorten vorzunehmen Schleppschlauchausbringung von Gülle während der Brutzeit, d. h. zwischen 15.3. und 30.06. (Vermeidung von Biodiversitätsschäden durch Zerstörung von Gelegen) Gefahrenquellen für Brut- und Rastvögel herzustellen (z. B. Erhöhung des Kollisionsrisikos) Vergrämungs- oder Vertreibungsmaßnahmen zu ergreifen sofern diese nicht die Anforderungen von Art. 9 VSchRL erfüllen Begründung: Das Nichteinhalten der zu ergänzenden Verbote würde in allen Fällen dazu führen, den Charakter des Gebietes zu verändern oder dem unter § 2 formuliertem Schutzzweck sowie Art. 2 der VSchRL zuwiderzulaufen. Die detaillierten Begründungen für das Verbot der Errichtung und des Betriebs von Geflügelmassentierhaltungsanlagen und Agrargasanlagen finden sich in unseren Hinweisen zu § 4 Ziff. 1 b. Das Verbot für Grünlandumbruch begründen wir wie folgt. Das Grünlandumbruchverbot ergibt sich direkt aus der hohen nationalen und internationalen Wertigkeit der Grünlandbereiche als Brut-, Rast- und Überwinterungsgebiet sowie Hochwasserfluchtplatz. Ziel des Schutzes im Gebiet muss die Verbesserung der Bruterfolge bei Wiesenvögeln sein. Viele Wiesenvögel sind dabei direkt von der Artenvielfalt in der Vegetation und der daraus resultierenden Insektenfauna abhängig. Uniforme, artenarme Intensivgrünländer können den ökologischen Ansprüchen der Arten daher nicht gerecht werden. Um die Forderungen der VSchRL zu erfüllen, muss die Ansaat ausschließlich von Intensivgrünlandarten verhindert werden. Siehe dazu auch unsere Hinweise zu § 8. Falls in der LSG-VO Verbotsbestimmungen für innerhalb des Geltungsbereiches des Vogelschutzgebietes gelegene Bereiche, die jedoch wegen der Herausnahme aus der LSGGebietsabgrenzung außerhalb der geplanten LSG-Schutzgebietsgrenze liegen, nicht möglich sind, muss nach anderen Wegen gesucht werden, dort die Errichtung und den Betrieb von Geflügelmassentierhaltungsanlagen und Agrargasanlagen zu verbieten, da die Errichtung und der Betrieb der genannten Anlagen in das Vogelschutzgebiet hineinwirken würden. Im Prinzip wäre allerdings jedwede Errichtung von Anlagen innerhalb der Gebietsgrenzen des Vogelschutzgebietes unzulässig, wenn sich diese nicht auch innerhalb der LSG-Grenze befinden (siehe dazu auch unsere Ausführungen zu § 1 Ziff. 3). Zu § 4 Ziff. 1 b: Zahlreiche der im VO-Entwurf enthaltenen Freistellungen kollidieren mit Gemeinschaftsrecht, da sie Projekte erfassen, für die eine erhebliche Gebietsbeeinträchtigung nicht mit der nötigen Gewissheit generell ausgeschlossen werden kann. Seite 6 von 9 Die Freistellung privilegierter Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB über § 4 Ziffer 1b der Verordnung und damit das Entfallen der Eingriffsregelung lehnen wir ab, zumal die gewählte Formulierung den Weg zur Errichtung von z.B. Massentierhaltungsanlagen durch die pauschale Freistellung aller nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Vorhaben zulässt. Die Ausführungen sind deutlich nicht im Geiste einer Verordnung für den Natur- und Landschaftsschutz verfasst und widersprechen eindeutig der Zielsetzung der VSchRL. Damit wird dieser Verordnungsentwurf seiner Zielsetzung, den in europäischem Kontext bedeutsamen Naturschutz und hier insbesondere Vogelschutz zu befördern, nicht gerecht. Insbesondere sind Geflügelmassenhaltungen im Landschaftsschutzgebiet zu versagen und auszuschließen, weil intensive Geflügelhaltungen immer wieder Entstehungsort hochpathogener Vogelgrippeviren sind. Aus den Haltungen können durch Abluftanlagen oder Transport die gefährlichen Viren in das Freiland gelangen und Wildvögel infizieren, wie bei der letzten großen Infektion durch das H5N1-Virus, für dessen Ausbreitung die Gründe in der Geflügelwirtschaft zu suchen sind. Diese Erkenntnis hat sich bereits in der Genehmigungspraxis durchgesetzt. In aktuellen Umweltverträglichkeitsstudien zu Geflügelmastanlagen wird ausgeführt, dass „zur Verminderung des Risikos durch Übertragung von Tierseuchen durch Wildvögel“ keine Beerensträucher in unmittelbarer Umgebung von Geflügelmastanlagen angepflanzt werden sollen (siehe z. B. Genehmigungsantrag auf Erteilung der Genehmigung nach BImSchG zu Errichtung und Betrieb von zwei Hähnchenmastställen in Wiefelstedermoor, Landkreis Ammerland). In einem Gebiet, dessen vorrangiges Ziel u. a. besonders die Erhaltung und Förderung von Rastvögeln ist, die Tierseuchen weit verbreiten können, verbieten sich Anlagen, die die Verbreitung von pathogenen Keimen fördern. Daher stellt Geflügelhaltung in einem international bedeutsamen Vogelschutzgebiet eine kontinuierliche, erhebliche Gefährdung der Wildvögel dar, zumal i.d.R. weder die Abluftanlagen noch die Transportfahrzeuge virendicht sind. Gerade diese Fahrzeuge würden über viele Kilometer durch das Vogelschutzgebiet fahren und ggf. Zehntausende von Vögeln infizieren können. Dies widerspricht insbesondere Art. 5 der VSchRL. Gleichermaßen sind Agrargasanlagen, die nicht mit Grünlandschnitt und Landschaftspflegegut durch Feststoffvergärung betrieben werden, im Landschaftsschutzgebiet zu versagen und dürfen nicht über den § 35 Abs. 1 BauGB zugelassen werden. Alle nicht mit ausschließlich Grünlandschnitt und Landschaftspflegegut durch Feststoffvergärung betriebene Anlagen würden zwangsläufig zu einer Vermehrung der Ackerflächen und zu Grünlandumbruch führen, was dem Schutzzielen der VSchRL widerspricht. Eine Aussiedlung von Betrieben in den Geltungsbereich des LSG muss unterbleiben, da es dem Schutzzweck und den Erhaltungszielen des Vogelschutzgebietes diametral entgegenstehen würde. Wie bereits unter den Anmerkungen zu § 2 Ziff. 1 ausgeführt, ist das LSG nahezu frei von Streusiedlungen, abgesehen von der linienhaften Bebauung in Ida- und Petersgroden. Die Errichtung und der Betrieb von Geflügelmassenhaltungsanlagen und Agrargasanlagen, die nicht mit Grünlandschnitt und Landschaftspflegegut durch Feststoffvergärung betrieben werden, sowie die Neuansiedlung von Betrieben im Vogelschutzgebiet würden außerdem dem Verschlechterungsverbot nach Artikel 13 VSchRL widersprechen. Deshalb sollten diese unter § 3 ohne Einschränkung als Verbotstatbestand aufgeführt werden. Zu § 4 Ziff. 1 g: Die Maßnahmen, zu deren Durchführung eine gesetzliche Verpflichtung besteht, sind näher zu beschreiben. Zu § 6 Wir weisen auf das Gebot hin, dass alle potenziell erheblich beeinträchtigenden Pläne und Projekte im LSG vor ihrer Durchführung einer FFH-VP unterzogen werden müssen. Seite 7 von 9 Zu § 7 Akustische Vergrämungsmaßnahmen in einem Vogelschutzgebiet sind unzulässig, weil sie nicht artspezifisch wirken. Ebenso widerspricht der Neubau von Straßen und Wegen sowie die Beseitigung von Gewässern dem Schutzzweck und dem Verschlechterungsverbot nach Artikel 13 VSchRL. Auch durch den Ausbau vorhandener Wege und Straßen kommt es immer auch zu einer Intensivierung des Verkehrs. Von Straßen und Wegen gehen Störungen für Brut- und Gastvögel aus und zudem kommt es durch Straßenverkehr immer wieder zu tödlichen Kollisionen. Zu § 8 § 8 Ziff. 1 impliziert die Möglichkeit eines Grünlandumbruchs. Im Standarddatenbogen wird Grünlandumbruch explizit als Gefährdung genannt. Nach dem Standarddatenbogen machte die Ackernutzung bereits 2007 13 % der Gebietsfläche des Vogelschutzgebietes, bezogen auf das gesamte Gebiet des VSG V64, aus. Inzwischen dürfte es noch mehr sein. Daten zum Bereich des LSG „Marschen am Jadebusen – West“ liegen nicht vor. Es ist aber anzunehmen, dass auch hier eine Ackernutzung in ähnlichem Verhältnis stattfindet oder sogar darüber liegt. Es wurde bereits unter unseren Anmerkungen zu § 3 Ziff. 2 auf die Notwendigkeit artenreichen Grünlandes für das Erreichen der Schutzziele für die Wiesenvogelarten hingewiesen. Die im Vogelschutzgebiet vorkommenden Brut- und Rastvögel sind allesamt als Grünlandarten zu bezeichnen, die zu mehr als 95 % Grünland nutzen. Sowohl Gänse wie auch Wiesenvögel sind Dauergrünlandnutzer. Grünlandumbruch ist daher in jedem Fall unzulässig. Die Landwirtschaft muss sich hier in der guten fachlichen Praxis der Erreichung der Erhaltungsziele unterordnen. Wie eingangs schon erwähnt haben die Bestände der Wiesenvögel in den letzten 40 Jahren dramatisch abgenommen. Ehemals häufige Arten wie z. B. Rotschenkel und Kiebitz sind inzwischen stark gefährdet. Maßgeblich hat dazu die Intensivierung der Landwirtschaft beigetragen, die durch höhere Düngergaben, häufige Neu- und Nachsaaten, häufige und frühe Mahdtermine, Entwässerung sowie hohe Viehdichten die Brutgebiete der Wiesenvögel stark geschädigt hat. Niedersachsen hat eine international herausragende Verantwortung für den Erhalt der Wiesenvogelpopulationen. Nur wirksame Maßnahmen zum Schutz der Wiesenvögel können verhindern, dass sich der derzeitige Erhaltungszustand der Wiesenvogelarten im Gebiet nicht verschlechtert. Die Erlaubnis zum Grünlandumbruch, wie in § 8 impliziert, stellt damit einen grundsätzlichen Verstoß gegen die VSchRL dar, da sie dem Verschlechterungsverbot der VSchRL zuwiderläuft. Deshalb sollte Grünlandumbruch ohne Einschränkung als Verbotstatbestand aufgeführt und der § 8 gestrichen werden. Ungeachtet dessen lässt § 8 Ziff. 1 die „erhebliche Beeinträchtigung des Schutzzwecks“ vollkommen offen ohne jegliche Nennung verbindlicher Daten oder Ziele. Der Paragraf ist damit absolut ungeeignet, Ziele hinsichtlich des Grünlandanteils im Vogelschutzgebiet vorzugeben. Allein schon deshalb ist § 8 zu streichen. Zu § 9 Zwischen Ziff. 1 und der jetzigen Ziff. 2 sollte eine neue Ziff. 2 eingefügt werden mit folgendem Wortlaut (Vorschlag): „Der Landwirtschaft kommt als Voraussetzung für den Erhalt und die Entwicklung der Brut-, Nahrungs- und Rasthabitate der wertgebenden Arten eine besondere Bedeutung zu. Die im Landschaftsschutzgebiet wirtschaftenden Landwirte sollen ausreichend Gelegenheit erhalten, sich über die besonderen Bedingungen der schutzbefohlenen Vögel zu informieren. Die Vergütung von besonderen Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen soll geprüft werden. Ziel ist, den landwirtschaftlichen Betrieben z. B. über den Vertragsnaturschutz einen Beitrag zur Sicherung und Entwicklung ihrer Betriebe zu ermöglichen.“ Es sollten zielgerichtete Maßnahmen angestrebt werden, wie z. B. die Feststellung und Sicherung von Nestern, die den Landwirten bei der Bewirtschaftung ihrer Flächen größtmöglichen zeitlichen Spielraum lassen. Gute Beispiele gibt es aus SchleswigHolstein, wie z. B. der „Feuerwehrtopf“. Die jetzige Ziff. 2 wird dann zu Ziff. 3. Seite 8 von 9 Da wir den Schutz der Vogelarten der EU-VSchRL und den Erhalt und die Verbesserung ihrer Lebensräume durch den VO-Entwurf nicht gegeben sehen, halten wir eine Überarbeitung des Entwurfes für dringend erforderlich. Wir bitten um Ergänzung und Überarbeitung der Verordnung und sind gerne bereit, konstruktiv daran mitzuarbeiten. Mit freundlichen Grüßen Seite 9 von 9