Koordinierungsbüro: Silbergasse 15, 39100 Bozen Tel. + Fax (nach tel. Anmeldung) 0471 324987, E-Mail: [email protected], www.dirdemdi.org PRESSEAUSSENDUNG zum Jahreswechsel Bozen, 29. Dezember 2007 Eine partizipative Demokratie ist möglich, wenn die Bürgerinnen und Bürger es wollen! Im ausgehenden Jahr haben Bürgerinnen und Bürger in Südtirol und beispielhaft für ganz Italien etwas Außerordentliches erwirkt: Sie werden in einer Volksabstimmung selbst entscheiden, wie die demokratischen Regeln zur politischen Mitbestimmung gestaltet sein sollen. Dies gewissermaßen mit doppelter Berechtigung, sind doch zweimal so viel Unterschriften für die Durchführung der Volksabstimmung über das bessere Gesetz zur Direkten Demokratie abgegeben worden, als vom Landesgesetz verlangt. Das Recht, das ihnen jetzt die Möglichkeit dazu gibt, ist von den Bürgerinnen und Bürgern selbst erstritten worden. Das ist ein Quantensprung in der demokratischen Realität nicht nur unseres Landes, dessen wir uns bewusst sein sollten, und ein positives Zeichen für eine Demokratie, die offensichtlich noch nicht zur Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger funktioniert. Sie haben sich den Spielraum erwirkt, deren Reform selbst in Angriff zu nehmen. Die Notwendigkeit dazu ist durch eine Demokratie gegeben, die ihren eigentlichen Anspruch nicht erfüllt, die Beteiligung oft verunmöglicht, die Bürgerinnen und Bürger entmutigt und die sich mit der Konzentration von Entscheidungsmacht in den Händen von sehr wenigen selbst blockiert: Zum Beispiel, in Italien mit dem sogenannten bipolaren System, einer politischen Vertretung in zwei Blöcken, die sich gegenseitig blockieren und im parlamentarischen Wechsel sich ihre jeweilige politische Arbeit gegenseitig zunichte machen. Zum Beispiel, in Deutschland, wo die politische Vertretung sich weigert, den Verfassungsauftrag zur paritätischen Mitbestimmung des Volkes zu verwirklichen. Zum Beispiel, mit den Beteiligungsquoren, an denen ein Versuch nach dem anderen scheitert, an der politischen Vertretung vorbei gesellschaftliche Abstimmungen in wichtigen Fragen zu erreichen – zuletzt über eine Wahlgesetzreform in Aosta. Zum Beispiel vor allem aber auch in der wichtigsten Sachfrage überhaupt: Wie ist eine sozial und ökologisch verträgliche Entwicklung möglich angesichts eines lebensbedrohenden Abbaus von Gleichgewicht in der Gesellschaft und in der Natur? Eine unvollständige Demokratie kann nicht funktionieren. Wir wissen es aus dramatischer historischer Erfahrung. Ihre Vervollständigung geschieht über gute und wirksame Mitbestimmungsrechte für das Volk, den eigentlichen Souverän. So, wie die Gesellschaft sie braucht, gibt es sie in Südtirol noch nicht. Direkte Demokratie soll hier nur dann angewandt werden können, wenn es die regierende politische Vertretung für richtig und wichtig hält und nicht dann, wenn es die Bürgerinnen und Bürger für notwendig halten. Von den Landtagswahlen im Herbst 2008 ist aufgrund des geltenden Wahlgesetzes für die Lösung der wesentlichen Probleme und ein zufriedenstellendes Funktionieren der Demokratie wenig zu erwarten, da sie nur der Erneuerung eines sich selbst genügenden Entscheidungsapparates dienen, der sich um den Mehrheitswillen in der Bevölkerung nicht wirklich kümmern muss. Das eigentliche politische Ereignis der neueren Geschichte unseres Landes steht für den Herbst 2009 bevor. Alle Bürgerinnen und Bürger des Landes werden in der ersten landesweiten Volksabstimmung entscheiden, wie unser Land in Zukunft regiert werden soll: weiterhin autoritär von oben herab und im Dienst der im Konkurrenzkampf sich durchsetzenden stärksten Interessen oder partizipativ und kooperativ auf der Suche vieler nach der jeweils besten Lösung für alle. Stephan Lausch (Koordinator der Initiative)