Sprachgeschichte in Skandinavien

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Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
1
Sprachgeschichte in Skandinavien
Im PS 1 vorwiegend synchrone Sprachwissenschaft
PS 2: Sprachgeshcichte
Klassifizierung von Sprachen:
1. typologisch
2. genealogisch( nach Verwandtschaft)
Sprachliche Überlieferung im skandinavischen Raum seit 200 n.Chr., ab 800 gut belegt
vorher keine direkte Überlieferung, nur einzelne Wörter und Namen von den Römern mit
überliefert  Rekonstruktion
Indoeuropäisch
Baskisch
Altaisch
Uralisch
Afroasiatisch
u.v.a.
Sprachstämme
Zahlwörter (1 bis 5)
schwedisch
en
två
tre
fyra
fem
deutsch
ein(er)
zwei
drei
vier
fünf
lateinisch
unus(oinos)
duo
trēs
quattour
quinque
indogermanischer Sprachstamm
von Urindogermanisch
litauisch
viēnas
dù
trys
keturi
penki
finnisch
yksi
kaksi
kolme
neljä
viisi
baskisch
bat
bi
hiru
lan
bost
urindogerm.
*oinos
*d(u)uō(u)
*treies
*quetuōres
*peηque
Uralischer Baskischer
Sprachst. Sprachst
u [w] [ j ]
Theorien
Hypothese: alle uralischen Sprachen sind mit Indogermanisch verwandt- bezieht sich auf
Grundworte, die wohl nicht entlehnt sind
z.B. Finnisch:
nimi
vesi (Gen: vedi)
minä
Deutsch:
Name
Wasser ( vatn)
ich ( meiner..)
v.a. Sowjetische Forscher haben „Supersprachstämme „ postuliert- sehr umstrittene Theorien!
„Nostratische Theorie“
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
Indogermanisch + Uralisch+ Altaisch (Türkisch,Mong.) + Afroasiatisch (semitische Spr) +
Elamo-Drawidisch (Südindien) +Kartwelisch (Südkaukasisch,Georgisch)+ Koreanisch
Konbstrukt- methodologisch nicht ganz seriös, sehr freie Spielregeln- es werden
Worte verglichen, die weit voneinander entfernt sind. Semantische Diskrepanzen.
Forderung: bis in Steinzeit zurück ( 30.000 v.Chr.)
„Eurasiatisch“ (Greenberg)
Indogermanisch + Uralisch + Altaisch,+ Koreanisch + Japanisch + Ainu + Giljakisch
(Sachalin) + Paläosibirisch (NO-Sibirien) + Eskimo-Aleutisch
statistische Argumentation ( Massenvergleich von Sprachen durch Feststellung, wie viele
Wörter ähnlich sind) sehr spekulativ
Greenberg hat auch die Afrikanischen und Indianersprachen neu eingeteilt- nicht akzeptiuert
„Dene-Kaukasisch“
Nordkaukasisch mit Nordamerika-Dené m(Indiander) + Baskisch+ Etruskisch + SinoTibetisch + weitere Sprachen
Literatur: Ruhlen, Merritt: A guide to the world´s language. Standford UP1994
Haupt Bibliothek
Urindogermanisch
(40% der Weltbevölkerung sprechen heute die Folgesprachen)
ältestes Zeugnis: 2.Jh.v. Chr.
älteste Stufe-alles andere ist nur Spekulation
um 2000 v.Chr. starke Zergliederung der Sprachen
Wo gab es diese Sprache?
Nicht in West- und Mitteleuropa (Kelten, Germanen und Italer sind eingewandert)
sondern im Osten „Europas“
Thesen:
 Steppen nördlich des Schwarzen Meeres- Ukraine/Grenze Weissrussland
 Anatolien (Hethitisch älteste belegte Sprache, wegentwickelt von Urindogerm.)
 nördlicher Kaukasus ( sowjetische Forscher)
Urindogermanisch war keine Standardsprache, sondern ein Dialektkontinuum
ineinander übergehende Dialekte ohne scharfe Grenzen, durch Abwanderung
Auseinanderentwicklung, aber ein Durcheinander- immer Bruchstücke auch in anderen
Sprachfamilien enthalten. Am weitesten wanderten Kelten und Inder.
Phonembestand: keine besonderen Laute
viele Plosive!
Plosivep
t
k
(k palatal und velar)
qu
2
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
b
d
g
(g palatal und velar)
bh
dh
gh
(gh palatal und velar)
behauchte stimmhafte Plosive
gu
gh u
es gibt noch andere Theorien zur Aussprache, nicht eindeutig rekonstruierbar- z.B. glottale
Konsonanten im Georgischen (sowjet. Forscher) p t k usw.
b gibt es fast nicht im Urindogermanischen
Laryngale eventuell zusätzliche Laute, hinterer Rachenbereich: h1, h2, h3 Aussprache
unbekannt, im Hethitischen- Erklärung für altindische und altgriechische GrammatikHilfsmodell
nicht in den germanischen Sprachen
Frikative: nur s
Nasale
m, n
Laterale
l
Vibranten
r
können auch lang und silbenbildend sein
z.T. in slawischen Sprachen,Altindisch
später Vokal vorgesetzt
Halbvokale
i, [ j ] u [ w ]
Vokale:
a, e, i, o, u, ə lang und kurz ( Länge hat phonetischen Charakter,
unabhängig von Silbenstruktur)
Diphthonge lang oder kurz! alle Vokale mit i oder u: ai, ei, oi, ui, au, eu, iu, ou
alle Vokale mit l, m, n, r: z.B. am, im,... an, in,... il,ir,...
litauisch vilkas = Wolf
Morphologie sehr komplex
stark flektierende Sprache
Nomen: 8 Kasus:
1. Nominativ
2. Genetiv
3. Dativ
4. Akkusativ
5. Vokativ
6. Ablativ
7. Lokativ
8. Instrumental
heute: alle 8 nur mehr im Sanskrit
7 ( ohne Ablativ) Litauisch und einige slawische Sprachen
6 ( ohne Ablativ und Vokativ):Russisch
4 Germanisch
Ergativ-Reste ( ursprgl. andere Struktur: Agens und Patiens, nicht Subjekt und Objekt
Patiens im Akkusativ: Er wirft den Stein- Der König schläft, fällt
Endungen im Latein: -s alter Ergativ -m Absolutiv
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Im Schwedischen Genetiv generell auf S- aber helsuvold alter Genetiv!- ältere Sprachstufen
als Urindogermanisch?
Verb: kein bekanntes Tempussystem -es geht nicht um Zeitstufen, sondern um Aspekte,
Zustandskategorien (gut erhalten im Slawischen)
Imperfekt --------------------------- Perfekt
andauernder Vorgang
abgeschlossener Vorgang
z.B. schlafen
einschlafen
sekundär aufgesetzt:
Präsens – Nichtpräsens ( kein Futur)
Germanisch: neues Zeitsystem, aus Latein übernommen- Konstrukt
z.B. kmtóm
pətēr
bhrater
nokts
ulquos
100
Vater
Bruder
Nacht
Wolf
Urindogermanisch ( 4000-3000 v. Chr)
Urgermanisch ( 2000-500 v.Chr.)
komplexes Geschehen,
möglicherweise nicht gleichzeitige Aufspaltung
Südwestgermanisch
Nordgermanisch
(Deutsch, Engl.,Niederl.)
Ostgermanisch
(Gotisch, † 6.Jh.)
Urnordisch ( 200-800 n.Chr.)
ältestes Runenalphabet mit 24 Zeichen
typ.skandinav.Merkmale ab ca. 500-radikale Änderung
Altnordisch ( ab 800)
West-Nordisch (ab ca 900 )
† Norn Altisl. Altfäröisch Altnorw.
Shetland
Orkneys
Ost-Nordisch ( ab ca 900)
Altschw. Altdän. Altgotnisch 12./13.Jh
( zu S)
Abspaltung zwischen 800 und 12./13.Jh, ausgehend von Dänemark – dann Schweden :
Zwischen Runen- und Altdänisch ( bzw. Schwedisch) viele Ändeurngen
westnordische Sprachen eher konservativ
umstritten: periode zwischen 1200 und 1550: Alt-oder Mittel- Dänisch/S usw.
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Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
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Urgermanisch
von Urindogermanisch zu Urgermanisch starke Veränderung!!!
Nord- Deutsch—Süd-Skandinavisch
Ca. 1000 v. Chr.
1. Germanische Lautverschiebung
nicht ganz genau datierbar, auf jeden Fall vor 500 v.Chr.
Urgermanisch war ursprünglich auch ein Dialektkontinuum
Lautverschiebung bezieht sich hauptsächlich auf die plosiven Laute
Mit Lautverschiebung werden bestimmte Lautwandel-Phänomene bezeichnet, welche im Laufe der
Entwicklung einer Sprache auftreten können. Dabei wandeln sich nach gewissen Regeln Konsonanten
und/oder Vokale regelhaft in andere um
Lautverschiebungen treten offenbar schubweise auf, während der erreichte Zustand dann
jahrhundertelang unverändert Bestand haben kann. Die Auslöser für so tiefgreifende Verschiebungen
im Lautsystem einer Sprache sind noch nicht bekannt
Der Begriff "Lautverschiebung" wird in erster Linie für zwei ähnlich gelagerte
Konsonantenverschiebungen benutzt, die vom Urindogermanischen zum Hochdeutschen geführt haben
Bei beiden Lautverschiebungen kann man nach dem Artikulationsort drei Gruppen von Konsonanten
bilden, die sich jeweils innerhalb der Gruppe zu einem anderen Konsonanten gewandelt haben:
Dentale 'Zahnlaute') (s, sch, sk, z, t, th, d usw.)
Labiale ('Lippenlaute') (p, b, f, v, w, pf usw.)
Velare 'Kehllaute') (g, k, c, ck, ch usw.)
1.Lautverschiebung ( ca 500 v.Chr.) Aus einem indogermanischen Dialekt wurde die germanische
Ursprache.
a) p > f ; t > þ ; k > x > h
st, sp, sk : haben lautverschiebung nicht mitgemaacht
b) b > p; d > t; p > k urindogermanisch aug > altisl. Auka
b) bh > b; dh > d; gh > g
urindogermanisch
p
t
k



urgermanisch
f
þ
χ
b
d
g



p
t
k
bh
dh
gh



b
d
g
lat. pater ----an: faðir 
lat. tres --- an:þrir
lat. centum--- an hundrað
lat. decem --- an tíu
altind. bharati ---an: bera
bh, ... verloren, frikative Laute gewonnen im Inlaut anders- s. Beiblatt
Verners Gesetz 1877
Der Grammatische Wechsel ist ein sprachhistorisches Phänomen, das in der germanistischen Linguistik
für eine Entwicklung von der Indogermanischen zur Germanischen Sprachstufe steht. In der Ersten
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
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(Germanischen) Lautverschiebung werden die stimmlosen Verschlusslaute /p, t, k/ des
Indogermanischen zu germanisch /f, þ, h/. Da im Germanischen ebenso wie im Indogermanischen der
freie Wortakzent vorherrschte, konnte die Betonung von Wörtern sowohl auf der Kernsilbe als auch auf
der Flexionsendung liegen. So konnten unter bestimmten Bedingungen die stimmlosen Reibelaute zu
stimmhaften lenisiert (= erweicht) werden.
Die nach der germanischen Lautverschiebung vorhandenen vier stimmlosen Spiranten (=ReibelauE t)
/f, h, þ, s/ sind zu den entsprechenden stimmhaften Spiranten /b, g, d, z/ erweicht in stimmhafter
Nachbarschaft, wenn der unmittelbar vorhergehende Vokal nicht nach der ursprünglichen
indogermanischen Betonung den Hauptton trug.
Ausnahme: Vernersches Gesetz Grammatikalischer Wechsel hat mit dem V G zu tun
urindog.
urgermanisch urgermanisch
p, t, k, s
f, þ, χ, s
b, d, g, z
uridg. *bhrātēr ---got. broþar
aber: uridg. *p tér ---- got. fadar [ð]
lat. pater
lat frater
 Konsonanten werden dann stimmhaft, wenn der Akzent auf der folgenden Silbe liegt,
dies gilt aber nicht für anlautende Konsonanten
2.Vokalverschiebung
urindogermanisch
Vokale
urgermanisch


o
ā
a
ō
kein kurzes o und kein langes a mehr!
lat. hostis , frater (-ā-) dt. Gast, Bruder ( -u-, - ō-)
nọtt / Nacht lat naet
broder /Bruder--- frater
urindogermanisch a und α wird zu indogermanisch a
urindogermanisch ō und ā wird zu ō
3. Akzentfestsetzung
Indogermanisch: freier Akzent
Germanisch: Initialakzent (auf erster Silbe)
4. Umlaute
Der Umlaut ist eine Veränderung derjenigen Vokale, auf die eine Beugungs- oder Ableitungssilbe folgt
oder früher folgte, die den Vokal i oder den Halbvokal j enthält. Diese Vokaländerung ist typisch für die
jüngeren germanischen Sprachen.
i
u
e
o
a
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i-Umlaut
urindogermanisch e > i vor i oder j der Folgesilbe und vor Nasal+ Konsonant
ei > ī (Ausnahme: vor a der Folgesilbe: ei > ē)
Ursache der Vokaländerung: Der helle Vokal i übt eine assimilierende Wirkung aus, indem er den
Vokal der vorausgehenden Silbe sich selbst ähnlich, also heller macht.
*setjan > sitta ( schwedisch) j zieht das e an sich
*beita  bíta
a-Umlaut
bei a in der Folgesilbe (Ausnahme: vor Nasal + Kons)
i > e * oiros urindogerm. > * wiraz > ahd. wer
u > o * brutanaz > brotinn ( altisl.)
* wultaz > Wolf schw. ulv ( nicht immer kommt a-Umlaut)
ē ( langes e) – es entstand ein zweites langes e - ē2
ē entwickelt sich zu a , ē2 bleibt gleich
ē 2 ist aus dem urindogermanischen ēi entstanden
weitere Verschiebungen:
m n l r > um , un, ul, ur
(Schwalaut) > a
en wird gehoben zu in
Morphologie (Flexionsebene)
Kasus: 4 ausgenommen einige Reste
Gotisch; Vokativ,
Althochdeutsch: Instrumental
Bildung der schwachen Adjektivformen:
Schwedisch ett stort hus ( stark) det store huset ( schwach)
das große Haus
Verben
Bildung der schwachen Konjugation: kalla- kallade- kallat (Dentalsuffix)
Gehen auf ein freies Morphem zurück
Starke Verben: (ältere Verben): werden systematisiert (vom Urindogermanischen zum
Urgermanischen)
Systematisierung des Ablautes für die Formenbildung des starken Verbums in 7 Ablautreihen
,davon sind 6 regulär
Ablaut= Vokalwechsel von Wörtern mit gemeinsamer Wurzel
Altgr. Lógos (Wort) légo ( sprechen, lesen) e > o Wechsel!
Dehnung oder Reduktion (Schwund) möglich:
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e Vollstufe
ē Dehnstufe
Schwundstufe
1. Reihe:
Basis: Vollstufe >
Präsens Vollstufe
Prät. Sg. abgelautete Vorstufe
Prät. Pl., Part. Prät Schwundstufe
ei
ei
oi
i
Präs Prät Sg. Prät. Pl. Part.Prät.
1. Reihe
urindogermanisch
urgermanisch
altnordisch
ei
ī
2. Reihe
urindogermanisch
urgermanisch
altnordisch
eu
iu
3. Reihe
urindogermanisch
urgermanisch
altnordisch
oi
ai
bíta
i
i
beit
i
i
bitum
ou
u
au
u
brjóta braut
bitinn
u
u ( > o)
brutum brotinn
e
e/i
o
(Schwundstufe)
a
u
u ( >o)
bresta brast
brustum brostinn
spinna spann
spunnum spunninn
bjarga barg
burgum
borginn
Nur wenn e +Nasal oder Labial (l, r) + weiterer Konsonanten
4. Reihe
urindogermanisch
urgermanisch
altnordisch
e
e
ē
o
ē
a
bera
bar
u ( > o)
bárum
borinn
Nur wenn e +Nasal oder Labial
5. Reihe
urindogermanisch
urgermanisch
altnordisch
e
ē
o
e
e
ē
a
gefa
gaf
e
gáfum
gefinn
e + Sonstiges
6. Reihe
urindogermanisch
urgermanisch
altnordisch
a/o
ā/ō
ō
a
fara
ō
fór
ā/ō
a/o
a
fórum
farinn
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7. Reihe
ehemals reduplizierende Verben
(reduplizierende Vorsilbe):
Reduplikation nur im Präteritum, ist im Germanischen fast vollständig verschwunden
te I tigi (Lat)
-taghaitan- haihait [ he-] got.
altisl: róa- rera sá- sera (Rhotazismus, r war ursprgl s)
deutsch: tun- tat : althochdeutsch teta
verschiedene Stammvokale, aber das Prinzip bei allen gleich
altnordisch
heita
hét
hétum
heitinn
hlaupa
hljóp
hljópum
hlaupinn
Im Germanischen: Tempussystem
Krahe, Hans (Sammlung Göschen): Indogermanische Sprachwissenschaft
Germanische Sprachwissenschaft
weitere Veränderungen:
Urgermanisch bis etwa Christi Geburt (unklarer Prozess)
Aufspaltung in
West/Südgermanisch
[Lautverschiebung]
(Deutsch,Englisch)
Nordgermanisch
Urnordisch
Ostgermanisch (Gotisch)
a) Stammbaummodell: nur grob
b) Wellenmodell: kommt der Wahrheit näher
Verändeurngen breiten sich von verschiedenen Zentren wellenförmig aus
Urnordisch (200-800)
200-500 Runen: älteres Futhark
bis 800, 24 Runen
jüngeres Futhark ab 800, 16 Runen
ca. 400 n.Chr.: Goldhorn von Gallelius
Ek HlewagastiR HaltijaR horna tawido. (Ich …gast… macht das Horn)
Älteres Futhark (24 Buchstaben) 2 r-Phänomene
<r> 
r
<R>

aus z (Verner!)
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Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
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Lehnwörter:
erste Schicht : aus dem Keltischen: rík (Reich):
zweite Schicht : aus dem Lateinischen- vin, kaupa (kaufen)
man erkennt nicht mehr den lat. Ursprung
Urnordisch ist fast mit dem Urgermanisch identisch.
500-800: tiefgreifende Verränderungen- Herausbildung des Nordgermanischen
(um 800  Altnordisch)
Altnordisch
zu dieser Zeit entstanden die typischen Skandinavismen
A) lautliche Veränderungen /Lautverschiebungen vom Urnordischen zum Altnordischen
1. Schwächung von unbetonten Silben (Endsilben)
Schwund von kurzen Vokalen = Synkope: urnord. dagaR  altnord. dagr
Kürzung von langem Vokal urn. dagōR  altn. dagar
langes o und kurzes a verschwinden
2. Umlaute:
i-Umlaut (in der Folgesilbe i, j) jeder Vokal kann umgelautet werden, außer e, i
gastiR  gestr lange un dkurze Volale werden umgeleitet
ae
oø
uy
au  ey
á æ
ó  oe
úý
u-Umlaut (in der Folgesilbe u, v)
urn. *barnu  bọrnu  börn
a  ọ ö nur kurzes a!
[á  ọ á ] bleibt im Ergebnis gleich
e  ø vor v in Folgesilbe
i  y vor v in Folgesilbe
3. Brechungen (Diphthongierung)
a-Brechung:
e  ja vor a in der Folgesilbe (berga  bjarga)
u-Brechung
e  jọ  jó vor u, v in der Folgesilbe (*erþu  jọrð  jörð)
4. Schwund von anlautendem j- (*jungR  ungr)
5. Schwund von anlautendem w- vor o, u (*wufar  ulfr) vor dunklen Vokalen, also o und u
verða- var- urðum- orðinn je nach Folgevokal mit oder ohne v!
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6. Schwund von auslautendem –n (Infinitiv *-an  -a) bergan  bjarga
7. Assimilatrion von Konsonanten :
nþnn
finþan finna
nRnn
stainar  steinn ( über Zwischenform stainR )
B) Grammatikalische Veränderungen
1.Mediopassiv auf –sk, -s kalla sik  kallask gerufen werden
Das reflexionspronomen wird angehängt
2.Erste Vereinfachung der Verbflexion: Zusammenfall von 2. und 3. Person Sg:
urn.
*bindiR (du bindest)
altn. bindr nur mehr 5 Endungen
6. Endungen
*bindiþ (er,sie,es bindet)
3.suffegierter bestimmter Artikel entsteht etwas später( ca.9.Jh.)
urn. dagr hinn  dagrinn
unbetontes Demonstrativpronomen wird angehängt
Syntax des Urnordischen nicht eindeutig nachvollziehbar, da wir nur recht kurze
Runeninschriften zur Verfügung haben und diese wahrscheinlich nicht die Syntax der
Alltagssprache benutzen, sondern eine sehr freie Wortstellung.
Urnordisch: SVO
Altnordisch :SVO Hauptsatz, SOV Nebensatz
SOV
VOS
S= Subjekt V= Verb O= Objekt
Wortschatz: ergänzt aus dem Latein
Gemeinsame Entwicklungen des Nordgermanischen mit dem übrigen
Germanischen:
a) Gemeinsamkeiten zwischen Ost- und Nordgermanisch :
1. Gotonordische Verschärfung ( nicht im Süd-/Westgermanischen)
nordg. ggj altnoirdisch tweggja
urgerm. jj

got. ddj
got. twaddje
*twajja
ahdt. j
zweio
2. Bildung der 2. Person Sing. Präteritum auf -t
altn. gefa
altnordisch + got.: gaft
ahdt. gābi ( kein t!)
3. Inchoative Verben( Verben, die den Beginn und den Verlauf eines
bezeichnen, z.B. einschlafen...) auf – nan:
gotisch: fullnan ( voll werden) altn. roðna (erröten)
b) mit Westgermanisch:
urg. ē  ā (im Nord- und Süd-/Westgermanisch)- aber got. bleibt ē
ahdt: lāzan, an: lāta
got:lētan
Vorgangs
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
Altnordisch (800-1200)
Begriff „Altnordisch „ wird unterschiedlich verwendet:
a) einheitliche Sprache Skandinaviens, die aus dem Urnordisch entstand- bis 1200
b) alle skandinavischen Sprachen im Mittelalter bis ca. 1350 ( Saga-Schreibung)
Es gibt auch die Bezeichnung Runenschwedisch bzw. Runendänisch
Das Altnordische war nur ca. 100 Jahre lang einheitlich, im 9. Jh. erste
Aufspaltungserscheinungen in Dänemark- nicht erklärbar durch Stammbaummodell, eher
durch Wellenmodell
jüngeres Futhark (16 Buchstaben)  viele Buchstaben (stimmhafte und stimmlose) fallen
zusammen (b+p), aber immer noch zwei r (<r>, <R>)
um 1200 Einführung der lateinischen Schrift (Christentum)
ab 900: Aufspaltung in West- und Ostnordisch (in der Schrift, sprachlich evtl. schon
früher)
Westnordisch: Isländisch, Färöisch, norwegisch: konservativ, wenig Änderungen
Ostnordisch: Dänisch, Schwedisch ( konservativ in Gotland): starke Änderugen
A) Lautveränderungen:
1. Ostnordische Monophthongierung
Westnordisch
ai, au, ey
erhalten
ai  ē
aisl. steinn
au  ø
aisl. auga
ey  ø
aisl. heyra
Ostnordisch
verändert
altschw./alstdän. stēn
altschw. øgha, altdän. øghe
altschw. høra, altdän. høre
Beginn in Dänemark kurz nach 900, in S um 1000, Ende ca 1200. Ausnahmen: (bis heute)
Teile N-Schwedens, Gotland und Finnland-S (teilweise auch in Norwegen)
2. Umlaute und Brechungen
Westnordisch: mehr Umlaute, Ostnordisch: mehr Brechungen
Umlaute:
Westnordisch:
taka (nehmen)
aisl. tekr
( Zwischenst: takir-Umlautung)
Ostnordisch
aschw. taker ( ich nehme)
saku (Sache)
aschw :sak
aisl. sök
Stammwechsel bei Flexion bleibt im Westnordischen erhalten, im Ostnordischen wieder
zurückgebildet- analoge Vereinfachung
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Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
Brechungen
*eka (ich)
Westnordisch:
aisl. / anorw. ek
Ostnordisch
aschw. / adän. iak
Ostnordische Brechung: y  iu vor -ngv-, -nkv-, -ggvaisl. syngva
adän. / aschw. siunga / siunge
3. Assimilationen bei Konsonanten stärker im Westen:
v im Anlaut
verschwindet
bewahrt
aisl. reiðr
aschw. vredher
mp, nt, nk
assimiliert (pp, tt, kk)
mọttul (Mantel)
bewahrt
mantul
4. Unterschied o und u
Westnordisch
Ostnordisch
ūō búa, trú
boa, tro
ursprgl. Form
Dialektunterschied schon vor der
Aufspaltung
a-Umlaut nicht durchgeführt im Osten
o u holt (Gehölz)
hult
(Zwischenst. hulta)
B) Grammatikalische Veränderungen
1. Flexion der 2. Person Plural
fara
aisl. farið
2. Mediopassiv
Westnordisch
-sk kallask
aschw. farin ( unklar, woher n kommt)
Ostnordisch
(später –st)
-s kallas
Literatur:Haugen, Einar: Die Skand. Sprachen (the scandinavian languages)
Wessen,Elias: Die nordischen Sprachen
Ostnordisch ( 12. Jh.)
Unterschiede Altschwedisch / Altdänisch
A) lautliche Veränderung:
1.unbetonte Vokale Dreiklang
aisl. a,i,u
aschw. a,i,u
adän. schwa-Laut (-æ-)
Ausnahme: Skånen (Vokale wie im Schwedischen)
bera

bæræ
bondi

bondæ
varu

varæ
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Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
B) grammatikalische Veränderungen
2. Nominalflexion
aschw. (+ Skånen)
altdänisch
Sing. Nom.
Gen.
Dat.
Akk.
fisker
fisks
fiski
fisk-
fiskfisks
fiskfisk
Im Altdänischen nur Genetiv-s!
Altdänisch gilt auch für Adverb
Altschwedisch ist noch sehr konservativ, Altdänisch bereits vereinheitlicht.
3.Verbalflexion
altschw.
Sg.: iak, þu, ham skiuter (-r)
Pl: vi skiutum (-um)
I skutin
(-in)
þe skiuta (-a)
3 verschiedene Endungen im Plural
altdän.
iæk, þu, han hauer ( -r)
vi, i, þe
hauæ (-æ)
1 Pluralendung Sing: jeweils 1 Endung
Ausnahme starke Verben: ( S und DK) Prät. 2. Pers. Sg.: -t
iak gaf
þu gaft
han gaf
gemeinsame Änderungen (Altschwedisch und Altdänisch)
1. nur noch ein r in der Schrift
r, R (Runen) 
r (in Lateinschrift)
2.Sprossvokal = Svarabhati-Vokal
-e- wird eingefügt
altsil. fiskr > altschwedisch fisker
in allen Sprachen fōr –u- , isl, -u-, norweg. –e[keine silbenbildenden Konsonanten mehr Ina]
3. der ostnordische Charakter:
a) Musikalischer Akzent entstand während der Runenzeit (S,N)
b) Vorton des Dänischen Stoßtons
Syntax
aus den Runeninschriften ist wenig bekannt. Danach sind noch keine wesentlichen
Verändeurngen erfolgt.
Wortschatz
weitere Lehnwörter im Zuge der Christianisierung
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Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
im 12. Jh. hauptsächlich aus Latein und Griechisch, fast ausschließlich im religiösen
Bereich.wenig bzw. keine Lehnwörter aus dem Deutschen
kyrka / kirka
< griech.
Kloster
< lat.
vin
< lat.
um 1200
Altskandinavische Periode (1200-1350)
erstmals Lateinschrift für skandinavische Sprachen gebraucht,
Monophthongierung abgeschlossen
 stabile Zeit mit relativ wenigen Veränderungen
Ostnordische Merkmale haben sich überall entwickelt
Sprache um 1200:
Altschwedisch, Altdänisch, Altisländisch, Altnorwegisch Altfäröisch, Altgutnisch
schon sehr große Unterschiede im Ostnordischen zwischen altdänisch und altschwedisch
altisländisch ( + färöisch) praktisch identisch und unverändert, sehr konservativ
altnorwegisch geht nun mit dem Schwedischen und nicht mehr mit dem Isländischen
wenig Belege für die Veränderungen in Dänemark kurz vor 1200 , da aus diesem Zeitraum
von dort kaum Runen erhalten sind- nur Rekonstruktion möglich
Veränderungen geschehen am schnellsten in Dänemark
phonetische Veränderungen ( S, DK, N):
Nicht alles ist auch in der Schrift erkennbar
1. postvokale Konsonanten werden erweicht (nur Dänisch)
p, t, k > b, d, g
altschw. gripa > aldtdän. gribæ
13. Jh. gripæ: [ grammatikal. p, Aussprache als b ] Dänisch
14. Jh: gribæ [ b ]
b,d,g > ( b, d, ) im Mittelalter weitere lautliche Veränderungen, nicht grammatikalisch
niedergeschrieben
altdänisch gatæ > gadæ
2. Frikative werden ganz stark erweicht ( im Dänischen)
v, ð, γ werden zu Halbvokalen w, j, φ oder zu Diphthongen
altdän. skogh , vægh > [ skov ], [ væj ]
[
]
[
]
Man erkannte dies durch teilweise falsche Schreibung (skov, væ)
( Im Schwedischen später verhärtet)
3. Stoßton (im Dänischen)
4.Vokalhebung:
ā>ō
i
u
15
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
im 13. Jh. in Dänemark
ā>ō [ ]
altdän. baat [ ]
im 14. Jh. in Schweden und Norwegen
ā>ō [
16
o
e
o
a
] > [ o: ] (heute) altschwed. bāter [ a: ] > [ ] > [ o: ] (heute)
5. Vokalharmonie und Vokalgleichgewicht :nur regional /dialektal ( in Schweden und
Norwegen
a) Vokalharmonie
:Assimilation
e nach hinterem Vokal (o)
i nach vorderem Vokal (u)
i
y
e
aschw. systir
brōþer
u
o
a
b) Vokalgleichgewicht
gilt nur für unbetonte Silben: bei langen Silben sinkt das u zu einem o, nach kurzen Silben
bleibt es ein u.
gatur kurze Silbe
kyrkior lange Silbe
6.Konsonanten:
a) þ verschwindet in Schrift
þ> th,t Aussprache unklar ( 13.Jh. in Dänemark, 14.Jh. in S)
b) Palatalisierungen in allen skandinavischen Sprachen
g /k vor vorderem (hellen) Vokal wird als j gesprochen- beginnend mit j-Anschlag ( heute
noch im Isländischen, im heutigen Dänisch verschwunden)
gj k j
altschw: gøra manchmal auch giøra ( nicht Standardschrift!)
c) Assimilation im Dänischen
tn > nn
altschw. vatn > altdän. vann
7. Grammatik ( v.a. in Dänemark)
a) Genitiv –s überall-: Singular und Plural
b) doppelte Flexion (best. Substantive) verschwindet
d.h. z.B.Genitiv-s nur noch am Artikel
altschwedisch fisksins > altdän. fiskins
Ausnahme: archaische, meist religiöse Texte (Bibel mitunter bis ins 15.Jh.)
c) unbest. Artikel entsteht
en oder ett (aus Zahlwort)- im Altnordischen gibt es keinen unbest. Artikel
c) Adjektiv-Flexion vereinfacht ( um 1350), wird an Substantiv angeglichen
Das Dänisch von 1350 entspricht fast schon dem heutigen Dänisch
8 Syntax
kaum Fremdeinflüsse
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
17
Zunächst gibt es eine klare Überwiegung der Hauptsätze (parataktische Reihung) gegen Ende
der Periode wird der Einfluss des Lateinischen und Niederdeutschen größer und es entstehen
zunehmend hypotaktische Satzfolgen ( Nebensätze)
Wortschatz
lateinischer, griechischer und niederdeutscher (Hanse) Einfluss
Texte (
vor 1200 gab es nur kurze Runeninschriften, ab 1200 bzw. im Isländischen etwas früher nach Einführung der lateinischen Schrift breit gestreute Texte
Island und Norwegen:Sagas, Edda, Skaldik: spezielle literarische Texte
zusätzlich alles wie auch in Schweden und Dänemark:
1.Gesetzestexte:
S
Västgötalagen ( um 1225)
DK
Skånske Lov
(1200 -1220)
Jydske Lov
(um 1240)
jede Landschaft hat eigene Gesetzestexte ( z.B. Magnus Eiriksson Landslag)
Texte sind meist nur in Abschriften, die einige Jahrzehnte älter sind als ursprgl. Text,
erhalten
einfache Syntax, Alltagssprache, original skandinavisch
2. Religiöse Texte: Legendensammlungen unter latein.Einfluss
S: Schriften der Hl. Birgitta (herausragend!, teilw. auf Latein. Gründerin von Kloster
Vadstena, das Zentrum wird)
4. Höfische Literatur: Übersetzungen aus dem Deutschen und Französischen, zuerst nur
in Schweden
keine eigene höfische Literatur( Ausnahme Riddararsögur auf Island)
Eufemiavisorna (Sammlung von 3 übersetzten Texten) Schweden
Weg der höfischen Literatur: Frankreich → England →Island/Norwegen →Schweden
→Dänemark
Eirikskrönikan : historischer Text, der höfischen Literatur. nahestehend:: schwed.
Geschichte 1240-1400, Stil an höfische Lit. angeglichen
Urkunden und Dokumente noch hauptsächlich in Latein
Der Sprachstil der Texte ist unterschiedlich:
 Rechtssprache: einfache Syntax, kaum Lehnwörter, archaische Flexionen wie im
Altnordischen
 Religiöse Sprache: in Wortschatz und Syntax hauptsächlich vom Latein gesprägt
 Höfische.Literatur-Sprache: viele Lehnwörter (je nach Vorlage), flexionsmorphologisch
und syntaktisch am weitesten fortgeschritten- relativ modern
Mittelskandinavische Periode ( 1350-1550)
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
18
Am Ende dieser Periode stehen die Bibelübersetzungen ( D, S, Isl.)
Nun wird auch das Schwedische verändert
Norwegisch geht ab jetzt parallel mit Schwedisch
Isländisch und Färöisch bleiben weiterhin konservativ
religiöse Texte (Beispiel Gustav Vasa Bibel) noch konservativer ( alte Flexionen)
Kalmarer Union ( Politik ) Hanse (Wirtschaft- starker niederdeutscher Einfluss)
Literarische Zeugnisse
I) Dänemark und Schweden
1. juristische und administrative Dokumente:
Gesetzestexte, Diplome, …
2. Religiöse Texte: Legenden, Teile der Bibel (schon im 14./15. Jh. übersetzt, gesamte Bibel
1500-1550 S: Gustav Vasa 1541, Dk Christian III 1550)
S: Kloster Vadstena als kulturelles Zentrum
3. Höfische Literatur: weiterhin nur Übersetzungen- nun auch in Dänemark:
Eufemiavisorne (DK)
4. Historische Texte: sind neu, stark ausgeprägt, Chroniken
Rimkrönikan (DK), Sturekrönikan (S)
5. Didaktische Schriften: „Fachliteratur“ ( medizinisch, Landwirtschaft...)
Lucidarius
6. Folkevisa v.a. in Dänemark: entstandne im Mittelalter, belegt nach 1500
Bei Übersetzungen gab es keine Angaben zu den Übersetzern, höchstens zu der Vorlage. Die
Übersetzer sind somit unbekannt.
II) Norwegen wird stark von Dänemark abhängig (Kalmarer Union bis 1814). Ab ca 1500
verschwindet norwegisch aus Schrift,es wird nur mehr Dänisch egshcrieben ( bis ins 19.Jh.)
Es wird wenig eigene Literatur produziert.
III) Island: weiterhin Sagas, Bibelübersetzung im 16.Jh. , sonstige Literatur., wie S und Dk
IV) Färöer: kaum literatur- Färöisch wird erst im 19.Jh. Schriftsprache
Veränderungen der Sprache: sehr viele. Sie hängen oft mit der Vorperiode zusammen
Phon.-Morphologische Änderungen
1. Konsonanten:
nur DK: Veränderungen bei postvokalen p,t,k nun auch in der Schrift:
p, t, k nach Vokal  b, d, g (gesprochen altdänisch) b, d, g
<b, d, g>
gripe > gribe
aber Weiterentwicklung zu Frikativen nicht in der Schrift
altdänisch skogh > mitteldän. Skow/ skogh
Diphthongisierung zeigt sich normalerweise nicht in der Schrift
Schreibung bleibt konservativ, hinkt hinter Lautung her ausser bei b,d,g
2. Vokalhebung ( nur in S und Norwegen, in DK nur a > å)
betrifft nur lange hintere Vokale
ī y
langes a ist ja bereits zu langem u gehoben
ǖ
ū
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
ō>ū
ū>u
u>y
daher 2 ü
ē
-Laute !
altschw. bōk [o:]  neuschw. bok [u:]
hus [u:]  hus [ü:]
ny [ü:]  ny [y:]
19
ō
ā
(nicht in Schrift!)
schon früher
altschw. ursprgl( im AN) kurzes o wird als o gesprochen ( son)
ursprgl. ( im AN) langes o wird als u gesprochen
spæter wird o wird entweder als o oder als aa /å geschrieben ( bāter > baater )
3. Vokalharmonie / Vokalgleichgewicht regionale/dialektal
4. Palatalisierungen: geht in allen Ländern weiter:
g und k vor vorderem Vokal als j gesprochen , es beginnt nun auch mit sj als sch- man nähert
sich der heutigen Aussprache
5. Quantitätsverhältnisse
Silbenstruktur
im Altskandinavischen 3 Silbenlängen
kurz
lang
( 1 Vokal+ 1 Kons.) (lg.Vokal oder 2 Kons.)
altschw.
sak
Vokal gedehnt
mittelschw.
überlang
(lg.Vokal+2 Kons.)
ātta
bōk
band
Vokal gekürzt
bōk [ u:]
sak [ a:]
åtta
alle Silben wurden lang : entweder ein langer Vokal oder mehrere Konsonanten
bei kurzen Silben wird Vokal gedehnt, bei überlangen Silben gekürzt
Das gilt im Prinzip für alle skandinavischen Sprachen- auch für das Isländische ( Akzent ist
dort keine Längenbezeichnung mehr). Im Dänischen mitunter Ausnahmen und noch kurze
Silben
6. Senkung kurzer Vokale i, u, y
(v.a. im Dänischen)
y
i
u im Dänischen nicht in Schrift: visse als vesse gespr.[ e ]
im Schwed. visse als i gespr. [ i ]
e
øø
o
in Fremdwörtern bleibt im Dän. oft das i auch in Aussprache
a
7. Unterschied S-Dänisch iu- y
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
20
ursprg. Diphthong wird im Dänischen ( und Skåne) zu y : altschw. djup> mitteldän.
dyb dialektal
8.Dreiklang in unbetonten Silben (kurze Vokale)
altisländisch: a, e, i
Dänemark ( und Riksmål) : bereits Schwalaut -Einklang
regional in Schweden + Nynorsk, ( + BM) Tendenz zu Zweiklang a und e (hat sich in S nicht
durchgesetzt)
Schweden: Dreiklang a –e -o (Senkung)
spielt eine Rolle bei Flexionsendungen ( Pl. –ir > -er)
9. Retroflexe: S, N
10. Nominalflexion
a) Vereinfachung des Kasussystems in S und N
schwache Substantiva: Akkusativ und Nominativ fallen zusammen, Dativ –Endung (i)
verschwindet allmählich -es bleibt nur Genetiv –s, das nun verallgemeinert wird ( früher nur
in Dänemark)
starke Subst: Akkusativ-Endung bleibt
Übergangsphase- Entwicklung dauert bis ins 17.Jh.
b) doppelte Substantiv-Flexion verschwindet überall
c) unbestimnmter Artikelentsteht überall
d) Adjektivflexion auch vereinfacht
11.neue Pluralbildungen: (Dänemark)
zwei alte Utrumendungen werden auf Neutra ausgeweitet:
-er ( v.a. zweisilb. Neutra z.B. rige – riger)
-e (land- lande)
12. Verb
a) Endungen:
Dänemark: Änderungen bereits in voriger Periode: Sing. –r, Plural Schwalaut
Schweden: Sg. Einheitsendung, Pl. weiter 3 Endungen- aber neu ist für die 1. Pers. Pl. –e statt
om /um
vi bærum
/ vi bärom > vi bäre
b) Tempusbildung:
Das System ändert sich:
starke Verben werden schwach,
schwache Verben in 1. Klasse ( Wurzel + Vokal kalla, kallada...), auch die meisten
Fremdwörter
Bildung einerneuen Klasse von schwachen Verben in S und N:
im Präteritum Doppeldental:
tro – trodde – trott
betrifft einsilbige Verben, die auf Vokal enden
( bleiben in Dänemark in der 1. Klasse)
Syntax
Fremdeinflüsse werden stärker
• [Infinite[ Partizipialkonstruktionen (aus dem Lateinischen, durch Übersetzungen)
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
•
•
•
•
•
•
21
Satzperioden : viele Haupt- und Nebensätze
Endstellung des finiten Verbs in nebensätzen
Satzadverbien bekommen die heutige Stellung im Nebensatz ( rücken vor das finitive
Verb, z. B.(ikke, aldri, …)
Verwendung von „thet“ > „det“als Vormaler Objekt-Verrblassung (det regner, det
kommer en bil)
Relativpronomen „som“ wird ausgeweitet
Wortstellung wird fixiert- Fixierung der Satzgliedstellung
Stile
neu ist Kanzleisstil 14. Jh. Sprachwechsel im Bereich der Urkunden, …nahc
niederdeutschem Vorbild
Dänemark führend, Einfluss auf S
Wortschatz
Lateinisch + Griechische Entlehnungen+ viele niederdeutsche Lehnwörter (Hanse)
einige 1000 Wörter, werden heute nicht mehr als Lehnwörter empfunden
Lehnbereiche:
Stadtleben: (stad)
Handel:
(handel, betale)
Handwerk: (skomakare/skomager)
Kultur: viele Termini des Ritterlebens (riddare/ridder, hov/hof)
Alltag:
(frukost, trappa,)
Affixe:
Präfixe : be-, anSuffixe : -inna/ -inde
Isländisch und Färöisch: Sonderstellung, wenig grammatikalische
Veränderungen
Lautlich:
Silbenstruktur ( nur mehr lange Silben)
Diphthongierung á,é,ó ( entspricht der mittelalterl.Vokalhebung)
Sprossvokale (dagr > dagur)
Neuskandinavisch
Frühneuskandinavisch ( 1550-1700)
dem heutigen Schriftbild bereits sehr ähnlich
Politische Entwicklung: Schweden übernimnmt Vormachtstellung, Skåne geht an Schweden
Quellen:
großer Einfluß auf Schriftsprache, überregionale Normen entstehen erstmals ,v.a. in DK
1. Bibelübersetzungen
S:
Gustav-Vasa-Bibel (1541), NT ca. 15 Jahre vorher
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
22
DK: Christian-III.-Bibel (1550)
in den Bibel noch sehr archaische Sprache
2. religiöse Quellen:
Olaus Petri (16.Jh.) relig. Schriftsteller, hat großen Einfluss auf die Sprachentwicklung in S
3, profane Literatur (Belletristik)
Georg Stjernhielm: Gründer der poetischen Sprache in S (17.Jh.)
Anders Sørensen Vedel in DK (16.Jh.)
4. Fachliteratur zur Sprache ( ab 17.Jh.)
Reflexionen über die Sprache
a) Georg Sternhielm: „Gambla Swea al Götha Måles fatebu“
erste Auseinandersetzung mit Fremdwörtern, setzt sich für deren Ausmerzung ein, „Purist“
b) Samuel Columbus: „En swensk ordeskötsel“
fordert Annäherung der Schriftsprache an die Umgangssprache und Vereinfachung der
Orthographie
c) erste Grammatiken (17. Jh.): in DK und S Grammatiken und Wörterbücher
[S: Erik Auivillius (lat.), 1684, Nils Tjällmann (schw.), 1696
DK: Erik Eriksson Pontoppidan, 1668, Peder Syv, 1685]
Sprachliche Veränderungen
schwankende Orthographie
Phonologisch-morpholog. Änderungen
1. orthographische Vereinfachung <dh>, <gh> verschwindet (Reibelaute), wird zu < d >
und < g > [außer im DK]
2. Tendenz zur Restitution von alten Lautenzuständen: S: a-e-o > a-i-u
Mittelschwedisch: gator /gater [ er ] > frühneuschwedisch gator [ u ]
Leseaussprache
3. Palatalisierungen geht weiter und erreicht heutigen Stand
S,N: [ j ], [ cs ] [ ] göra- köpa- skära Palatalvokale
in DK: Palatalisierung ist rückläufig/ verschwunden
ins keine Endelung
4. Retroflexe ausgeweitet, nehmen heutige Form an
Grammatik
1. Nominalflexion: 2 Kasus auch in S
Ausnahme religiöse Literatur. 16. JH.: DK, S: dözeus doppelte Flexion
2. Pluralendungen der Substantive:
DK: -(e)r, -e weiter ausgedehnt
Pl. Neutr. bestimmte Form:–ne
S:
-na / -ne -n
äpple pl äpplen auf Neutra ausgedehnt
3. Genus völlig umgestaltet
in S und DK: 3 Genera  2 Genera M- F- N > U-N ( han-hun > den)
in relig. Schriften in S noch bis ins 19.Jh. M und F erhalten)
NN, FÄR, ISL: 3 Genera
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
23
4. Adjektive Flexion wie Substantive vereinfacht
(S: schwache Form im Pl.  -a, Reste des männlichen –e nur bei Lehnwörtern
erhalten)
5. Verb:
a) in DK Situation bereits eine Sg. / eine Pl.-Form: –er / -e
nun auch Beginn der Vereinfachung in S: eine Sg. / drei Pl.-Formen (im 17. Jh. in der
Umgangssprache nicht mehr)
b) Konjunktiv (synthetisch) verschwindet in DK
c) Klassenwechsel geht weiter ( starke Verben werden schwach, schwache Verben in
1.Klasse)
[6. S: ni entsteht (-en + i) ]
Syntax
Einflüsse bleiben gleich: lat + griechisch
hochdeutscher Einfluss
1.Komplexizität
religiöse Sprache vereinfacht- v.a. Satzbau
Kanzleisprache wird immer komplizierter
Literatursprache steht dazwischen
2. Endstellung des finiten Verbs im Nebensatz nimmt zu [stark im 16. Jh., verschwindet im
17. Jh ].
3. Gruppengenitiv: ganze Phrase wird in den Genetiv gesetzt, nicht jedes Glied einzeln
flektiert - Genitiv am Ende einer Nominalphrase det stora husets
5. Bestimmter Artikel häufiger verwendet , weniger artikellose Formen( Tendenz seit
dem Mittelalter)
Sprachstile
1. Religiöser Stil
2. Kanzleisprache ( noch stark lokal gefärbt)
3. Literatursprache nimmt an Bedeutung zu
4.Latein wird zurückgedrängt- an Uni erste Vorlesungen in Muttersprache
Richtlinien:
Bibelübersetzungen
Einfluss aus Cøbenhavn und Stockholm
umgangssprachlicher Einfluss nimmt ebenfalls zu
Wortschatz
hochdeutscher Einfluss ( 30 jähriger Krieg im 17. Jh.) im militärischen und technischen
Bereich, allerdings nicht so stark wie früher der niederdeutsche Einfluss
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
24
Neuskandinavische Zeit ab 1700- heute
•
•
•
Umgangssprache im Wesentlichen den heutigen Stand erreicht
Schriftsprache konservatier, vereinfacht, an Umgangssprache angepaßt
Umgangssprache andererseits von Schriftsprache beeinflusst (Dialekte ↓ )
Quellen:
alle Arten, v.a. Literatur und naturwissenschaftliche Texte haben Aufschwung
S:18.Jh.
Olof von Dalin: „The Swänske Argus“,(Wochenzeitschrift)
Carl von Linné: Naturw., nüchterner Stil, starke Einwirkung auf den Prosastil
Johan Ihre: erstes etymologisches Wörterbuch
Sven Hof,:schrieb über schwedischen Sprachgebrauch
Abraham Sahlstedt: Sprachwissenschaftler, schrieb schw. Wörterbuch und
Grammatik, die alles vorige ersetzt haben
19./20. Jh. Literatur explodiert, viele Publikationen, Literatur erreicht alle
Bevölkerungsschichten
wissenschaftliche Schriften entstehen ↑-, in DK zuerst auf deutsch, dann auch
in skandinavischen Sprachen
DK:18.Jh.:
Ludvig Holberg (nicht prägend für die folgenden Jahrhunderte, sehr
schwerfälliger, lateinlastiger Stil mit komplizierter Syntaxl)
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
25
Jens Sneedorff ( wichtig für Entwicklung der dän.Literatursprache des
19./20.Jh.)
Johannes Ewald : ebenso
DK 19/20.Jh. wie S, Literatur und Wissenschaften ↑ noch stärker von D beeinflusst
Rasmus Christian Rask : wichtigster Skandinavischer Sprachforscher dieser
Zeit:
Sprachliche Entwicklungen
1. heutige Aussprache entsteht
1. Dänisches R <r> [r]  [R], heute uvulares r ( kam aus Frankreich über Deutschland, bis
Südschweden und S-Norwegen :NN) in Dänemark
2. Palatalisierung verschwindet endgültig in Dänemark
kiøbenhavn > København
3. Restituierung alter Lautzustände in DK und S
S: Es wird wieder so gesprochen, wie geschrieben wird:
AS
MS MS /NS NS , heute
gatur > gator > gater > gator
geschrieben immer kallade
[kallade] > [ kalla] >
[ kallade ]
DK: v.a. Konsonanten zwischen 2 Vokalen
[ b ] wird nicht mehr als w gesprochen ( betr. aber nicht g- das ist verschwunden)
Orthographie stabilisiert sich- Rechtschreibreform im 19.Jh.
2. Substantive
1. Utrum
endgültig eingeführt :vollständiger Zusammenfall der Genera F und M, in S aber noch bis ca.
1900 „akademisches maskulin und feminin“, in Alltagssprache und Literatur nicht mehr
(nicht in allen Dialekten!)
2. Pluralendung -ne / -na
Pluralendung nicht mehr vom Genus abhängig,
Genusregel:
weibliche Pluralendung: -na, männliche –ne
z.B. sakerna, gatorna dagarna
Wohlklangsregel,
–ne nach –ar sonst –na
in vielen Fällen Übereinstimmung zwischen beiden Regeln!
G
W
G
W
Nicht bei z.B. „Gast! gästerne > gästerna solarna > solarne
allmählicher Übergang ( Strindberg z.B. archaisch)
im 19. Jh. setzt sich –na als alleinige Endung durch
3. Verben
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
1.weitere Klassenübertritte
2. Supinum entsteht in S (etwa Neutrum Perfekt-Partizip)
starke Verben: bita - bitet ( adjektive Form) bitit (Zeitenbildung = Supinum)
künstliche Restitution ( i > e )
3. Aufgabe der Pluralendungen
DK: 1913 Einheitsendung: Sg-Endung –er auch im Plural: vi komme  vi kommer
S:
1. Pl. -a (-e)
2. Pl. –en > -a im 19.Jh. > um 1950 – r als einzige Verbform!
3. Pl. -a
4. Konjunktiv ist in DK schon weg, verschwindet weitgehend auch in S ( v.a. Präsens)
4. Syntax
Nach 1700 Vereinfachung von Stil und Wortstellung- Tendenz zu Kürze und Klarheit
 Fakultative Endstellung des finitiven Verbs in Nebensätzen verschwindet
 Gruppengenetiv setzt sich überall endgültig durch
2 Ausnahmen:
 DK: Holberg-Zeit ( 1. Hälfte des 18.Jh.): schwerfällig, stark vom Latein geprägt
(Partizipialkonstruktionen)
 S: Gustavianische Periode ( Gustav III., um 1800) komplizierte Syntax
5. Sprachstil
Literarischer Stil
Wird ungezwungen, von Umgangssprache beeinflusst
„moderner Prosastil“ Olaf von Dalin (S), Jens Sneedorff (Dk)
Gegensatz:: Gustavianischer Stil: Gustav III fördert Kultur, Rhetorik, Drama- dieser Stil ist
Vorbild für die schwedische Literatur bis Mitte des 19.Jh.
Carl von Linneé für ungezwungenen Prosastil
Schwedische Literatursprache wird später als die Dänische vereinfacht
wissenschaftlicher Stil
Entwicklung der Naturwissenschaften im 19. Jh., Beginn des fachsprachlichen Schrifttums
Dänen veröffentlichen viel auf Deutsch, viele Lehnwörter aus dem Deutschen, aber auch
Latein und Griechisch im Wissenschaftsstil
6. Wortschatz
Einflüsse: Französisch ( bereits ab 17. Jh,. Maximum 18.Jh.) garderobe, dessert…
Deutsch eingeschränkt (Wissenschaft, literarisch geprägte Sprache)
Englisch ab 19. Jh.
7. Sprachpflege ( neu)
Einfluss auf die Entwicklung der Sprache unter verschiedenen Aspekten:
26
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
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a) normative Gramnmatik: Vereinheitlichung der Orthographie- verpflichtend
Wörterbücher, Grammatiken
b) Purismus
Besonders in 1. Hälfte des 19.Jh.,ab 2. Hälfte zurückgehend „Vernordischung“Fremdwörter werden durch nordgermanische Wörter ersetzt- z.T. werden niederdeutsche
Lehnwörter eher als romanische akzeptiert
c) Nordische Institute entstehen an Universitäten, Lehre der Skandinavistik entsteht
d) Sprachpflegeeinrichtungen entstehen in jedem Land
S: Nämden för svensk språkvård
DK: Dansk Sprognævn ( 1955)
Norwegische Sprachgeschichte
Norwegen war sehr lange kolonisiert- Einfluss auf Sprachentwicklung
Nynorsk wurde aus Dialekten im 19. Jh. geschaffen- ursprgl. als Landsmaal
Bokmål hat sich im 19. Jh. Vom Dänischen emanzipiert -ursprgl. Als Riksmaal
Geschichte:
Norwegen war bis 1319 unabhängig, dann zuerst Union mit Schweden, ab 1380 Union mit
Dänemark (ab 1997 Kalmarer Union) bis 1814, danach kam es zu Schweden , war kulturell
ziemlich autonom, 1905 Unabhängigkeit
Sprachentwicklung
Urnordisch
Altnordisch
Alt-Westnordisch im 12. Jh. Lateinalphabet
Altnorwegisch um 1200
Mittelnorwegisch, bis ca. 1480 aber Dänisch wurde schrittweise wichtiger
Norwegisch: Entwicklung wie Schwedisch ( spätmittelalterliche Vokalhebung,
Vokalgleichgewicht, Vokalharmonie)
Etwa 1500 verschwindet Norwegisch aus offiziellem Sprachgebrauch ( in Kirchen noch bis
1510 Dokumente auf Norwegisch) und bleibt nur in Dialekten
In Literatur in kurzen Passagen (Bauern reden Norwegische Dialekte)
Keine Bibelübersetzung ins Norwegische!
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
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1536 ( Reformationsbeginn) -1814 Dänische Zeit:
nur Oberschicht kann schreiben (Dänisch), Rest der Bevölkerung:Analphabeten
Schulwesen wird danisiert, aber die Aussprache wird geändert:
1. Oberschicht: Norwegisch nimmt Dänische Zügen an
2. Dänische Einwanderer nehmen Aussprache an- Leseaussprache ( harte Konsonanten)
ab 1814- Aufschwung für das Dänische (Union mit Schweden)
95 % der Bevölkerung (Landbevölkerung) spricht Norweg. Dialekt,
5 % Oberschicht ( in Städten) 2 Varianten:
formell Dänisch mit Norwegischer Leseaussprache
informell eher Norwegisch an das Dänische angeglichen
Schulen werden ausgebaut- gesamte Bevölkerung hat Dänisch als Schriftsprache
Gegenströmung in Nationalromantik
In anderen Ländern in Nationalromantik Aufwertung der eigenen Sprache- aber in Norwegen
keine eigene Schriftsprache (Mittelnorwegisch: zu starke Unterschiede)- 2 Ideen
a) Nationalsprache aus Dialekten ( wie auf Färöern) bilden: > Landsmaal
Ivar Aasen, verwendet v.a. westnorwegische Dialekte, sehr konservativ
(Pluralendungen, Dativ)
b) Norwegisierung des Dänischen ( also der Kolonialsprache) > Riksmaal
c) Kolonialsprache = Dänisch wird behalten: wird verworfen ( z.B. Afrikanische Länder)
Sprachpolitische Entscheidungen
Landsmaal
1878 in Schulen muss auf Umgangssprache der Schüler Rücksicht genommen werden
1885 prinzipielle offizielle Gleichstellung von Landsmaal und Riksmaal (Amtssprache,
Schule)- Regierungswechsel im Parlament: Venstre hat Mehrheit
1892 Landsmaal wird als Gesetzessprache zugelassen
Landsmaal im Vormarsch v.a. im Westen, nicht im Osten des Landes
Riksmaal
1887: Aussprachenormen für Riksmaal entsprechend der gebildeten Umgangssprache,
Leseaussprache wird abgeschafft, eine Orthographiereform ist notwendig
( harte Konsonanten)
bide ausgesprochen mit t kann nun fakultativ auch als bite geschrieben werden
Knud Knudsen (Pädagoge): Verfechter dieser Linie
1892: diese Schreibung wird in Lehrbücher aufgenommen
1894: Orthographieregeln
nach anfänglich großem Abstand zwischen Landsmaal und Riksmaal erfolgt in 1. Hälfte des
20. Jh. Annäherung, es entsteht sogar die Idee für eine Zusammenführung in Samnorsk. In
2. Hälfte des 10. Jh. Wieder Auseinanderentwicklung
1901 für Landsmaal: Orthographie
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
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Hægstad (konservativ, wie Aasen, setzt sich durch) und Midlandnormalen(Skjøtt,
Arne Garborg: entspricht etwa heutigem Nynorsk, damals nicht durchgesetzt)
1907 Landsmaal wird in Gymnasien als verpflichtende Zweitsprache eingeführt.
Reform des Riksmaal : weitere Vernorwegischung- als Kompromiss alles wahlfrei
Basis ist die Mittelklassesprache (städtische allgemeine Umgangssprache, nicht mehr
Oberschicht)
z.B., Pluralendung –e kann –er (Utrum) oder nichts (Neutrum) sein
dage- ( dän.) – dager (N) huse (dän.)- hus (N)
1910 Reform des Landsmaal
Öffnung für Ost-Dialekte, wahlfrei
1917 ab diesem Zeitpunkt gleichzeitige Reformen beider Sprachen
Aneinanderführung von Riksmaal und Landsmaal - alles wahlfrei
Riksmaal:
Feminina,
bestimmte Pluralendung Neutrum: husa statt husene
Verb ( kasta statt kastet)
Landsmaal: husi > husa , skåli > skåla ( i ist westnorwegisch, a ostnorwegisch)
Proteste von konservativen Kreisen
Landsmaal ca 15 % der Schüler, auf Westen (außer Bergen) konzentriert)
Nun auch offizielle Sprache in Gemeinden und Sprachgesetz für neue Beamte
1929 Umbenennung in Nynorsk und Bokmål
1933: Nynorsk auch in Radio und Wissenschaft
1935: ungefähr.20 % der Schüler sprechen Nynorsk
1938 radikale Reform- obligatorische Änderungen- hat sich nie ganz durchgesetzt
starke Angleichung der beiden Sprachen- heftige Proteste
Bokmål: etwa 1000 obligatorische Feminina, Diphthonge eingeführt sten> stein
Nynorsk ostnorwegische Formen mehr verpflichtend( im BM wahlweise möglich)
1939 29,5 % NN
1940-1945 Besatzungsszeit: Aufschwung des NN: 1944 sprechen 34,1 % NN ,
NN breitet sich aus nach Norden (Troms, Trondheim, Nordland) und Zentralnorwegen
(Oppland), im SO (Oslo) und Bergen weiter BM, auch als Widerstandssprache
nach 1945 geht NN wieder zurück:
Grund: starke Urbanisierung und Zentralisierung (Zusammenlegung von Gemeinden
und Schulbezirken)
Noch immer Politik der Angleichung (Samnorsk)- aber dagegen auch WiderstandSamnorsk-Perspektive wird aufgegeben
NN gespalten (Traditionalisten und Radikale)
1959 Sprachreform relativ geringe Veränderungen
BM kaum geändert, NN bescheidene Annäherungen
Verlage, Presse. Wirtschaft: weiter konservatives Riksmaal, man ignoriert 1938 und
schreibt nach 1917-Regeln
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
30
1964 Kommission für Strategie der Sprachfindung eingesetzt (Vogt-Kommisson):
Ergebnis: Aufgabe von Samnorsk und alte (illegale) Riksmaal-Formen sollen
zugelassen werden- dann Sprachfriede – Ergebnisse werden 1966 veröffentlicht,
Politik der Angleichung wird aufgegeben
1969 neues Grundschulgesetz: Abstimmung über Unterrichtssprache: nur mehr die Eltern,
nicht die Gesamtbevölkerung – das schadet NN
Quotensystem: 25 % NN im Radio und bei Regierungsveröffentlichungen- dadurch
wird Minderheitencharakter endgültig fixiert.
Sprachorganisationen werden gegründet:
1952 Norsk språknemd: Aufgabe: Annäherung der beiden Sprachen
1972 Norsk språkråd: Aufgabe: Pflege der Kultur...
1980 Gesetz für öffentlichen Dienst: Gleichstellung der Sprachen
1981 Reform des Bokmål:
auf Betreiben des Riksmaalførbundet ( konservative Organisation) wird die Reform
von 1938 rückgängig gemacht. Abschaffung der obligatorischen Feminina, man sagt
wieder husene und auch kastet - alles wahlfrei
1958 Stimmrecht in Sprachbezirken wieder für alle Bürger, nicht mehr nur Eltern
1990er Jahre verschiedene Sprachformen nebeneinander( bis heute)
5 verschiedene Sprachformen mit 2 Schwerpunkten:
progressives BM NN nahe,intellektuelle und literarische Kreise- viele Feminina.
moderates BM wenig Feminina Hauptform heute
konservatives BM: ( praktisch Dänisch) keine Feminina.)
moderates NN ( wenig angeglichen) Hauptform heute
progressives NN ( stark angeglichen an BM)
NN rückläufig wegen Urbanisierung und Zuwanderung (meist in Städten, lernen daher BM),
heute ca. 14-15 % NN
Dialekte wichtig- seit den 70er Jahren auch im NRK
Englisch dringt in beide Sprachen ein
Mitte 19.Jh.
1938
heute
Riksmaal
Landsmaal
Bokmål Nynorsk
Bokmål
Nynorsk
Texte: Analyse: Entwicklung der beiden Sprachen
weit auseinander
fast gleich
Auseinanderentwicklung
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
31
Beide: Groß-und Kleinscheibung, aa und å
Landsmaal/NN:
Substantiv: Endungen: -a mehrere bestimmte Formen
dotteri > dattera, gjente- gjenta, Gavor> gåver
strålane
Femininum ei sola
Adjektiv:
Endungen stora>store
Verb:
Kurzformen: hava > ha
Kløyvd infinitiv: hjelpe- koma ( Vokalharmonisierung. Lange Silbe e, kurze a)
Endungen: lidet-lide bzw. lide> lidi
Diphthonge
Riksmaal
vor und nach 1907:
harte Konsonanten vide > vite siddende > sittende ude > ute
Kurzform
sagde > sa
beder > ber
blive > bli
Klassenwechsel (Verben) svarede > svarte ( 1.> 2.)
Best. Form Neutrum: det Pæretræ > det pæretræet
Vor und nach 1938 ( moderat > radikal)
Feminina!
Diphthonge: føk > fauk dzp > djup
Præteritum skeftet > skefta
Infinitiv: grave > grava ( radikal: Kløyvd infinitiv, auch –a-Formen s. Nynorsk)
ostnordisch > westnordisch: tro > tru
radikales Bokmål: nur an einzelnen Wörtern erkennbar( z.B. ikke / NN ikkje ) und an
unbestimmten Artikel-Endungen
Geographische Verteilung der beiden Sprachen
2001 (%) NN/BM
Norwegen
Sogn og
Fjordane
Møre og
Romsdal
Hordaland
Oppland
Nord-Trøndelag
Troms
Finnmark
15 / 85
0,2 Samisch
96,3
1945 (%)
NN/BM
33
97
55,7
93
44,5
22,5
2,6
0,5
0,0/91,22
8,8 Samisch
81
44
67
48
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
32
Hochburgen von Nynorsk : Sogn og Fjordane, Møre og Romsdal und Hordaland ( ohne
Bergen)
In umgebenden Fylken Rogaland, Oppland und Telemark noch 20-30 %
Gründe für den Rückgang: Urbanisierung
In Sogn og Fjordane stabil geblieben, in Møre og Romsdal und Hordaland starke
Urbanisierung
Rückgang vor allem in den 1960er Jahren, im Norden ging auch die ländliche Bevölkerung
wieder zum Bokmål über.
Soziologie
Schriftsprache:
Welche Sprache bevorzugen Sie, wenn Sie schreiben müssen?
Umfrage 1957
Nynorsk
Bokmål (1938)
Riksmål
12
19
65
Gesamt Norwegen
1
14
81
Osten (urban)
50
11
33
West/Süd (rural)
andere
4
4
5
Die meisten nannten Riksmaal und nicht das progressive Bokmål
Aufhebung der Reform von 1938
Sprachliche Situation ist einzigartig in Europa, da eine Kreolsprache führt ( in Weissrussland
oder Ukraine zwar auch Mischsprachen, diese haben sich aber nicht durchegesetzt)
Amtssprache
jede Gemeinde kann ihre Amtssprache frei wählen, Bokmål, Nynorsk oder neutral
(beide Sprachen erlaubt)
Nynorsk
116
Gesamt (435)
NN: kleine Gemeinden, mit geringer Einwohnernzahl
Oslo ( 1)
Sogn og Fjordane (26)
Møre og Romsdal (38)
Hordaland (34)
Østfold (18)
0
26
23
31
0
Bokmål
165
neutral
154
0
0
2
0
16
1
0
13
3
2
Einstellung
Schüler :
( Umfrage 1996) Ist die Einstellung zu Nynorsk / Bokmål negativ oder positiv?
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
Nynorsk
Bokmål
Frage an alle
positiv
negativ
27
73
95
5
Bokmål-Sprecher
positiv
negativ
18
82
96
4
33
Nynorsk-Sprecher
positiv
negativ
78
22
84
16
Bokmål ist bei allen Gruppen beliebter ( auch bei den Schülern, die NN als
Hauptsprache haben)
Prestigefrage?
Parteien:
Minderheiten haben in Norwegen keine eigene Partei
Frp ( Framskrittsparti)
Høyre (rechts)
22 %
AP (Arbeiderparti)
Krf (Kristelige Folkeparti)
SP (Senterparti)
SV (sosiale Venstre) 34 %
17 % positiv zu NN
23 %
52 %
37 % v.a. Bauern und Fischer
Kein Zusammenhang zwischen politischer Richtung und Sprache
Verwendung von NN /BM:
Privatleben:
Welche Sprache benutzen Sie im privaten Bereich? (Umfrage 1995)
Gesamtbevölkerung
15-29 Jahre
30-44 Jahre
45-59
über 60 Jahre
Nynorsk
7,4
6,4
6,0
6,9
10,5
Bokmål/Riksmål
87,0
beide
5,0
4,4
4,4
5,1
6,4
k. A.
0,5
Ungefähr 10 % benutzen NN privat
Am wenigsten NN ca. 30 Jährige, am meisten NN über 60 Jährige
Schüler, die in der Schule auf Nynorsk unterrichtet wurden ( ca.15 %) sprechen im späteren
Leben nicht unbedingt Nynorsk.
nur mehr 11,2% der Wehrpflichtige bzw. der Menschen, die eine
Einkommenssteuererklärung abgebende, sprechen NN
Bildung:
Nynorsk-Anteil am geringsten bei universitärer Bildung (Urbanisierung?)
Fischer und Bauern: ca. 30 % Nynorsk
Selbständige: 6-7 %
Verwendung in Medien (1996)
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
Radio und TV: ca. 10% Nynorsk
Bücher: ca. 10 % Nynorsk
34
ca. 10 (TV) - 16% Dialekt
Zeitungen (1991)
Nynorsk
beide
49 = 24%
21 = 10 %
Gesamt (208)
6%
5%
Auflage (3 Mio.)
1/3 der Zeitungen,aber nur 8 % der Auflage ist in NN
Bokmål
138 =66 %
89%
EINFÜHRUNGSPROSEMINAR I. – SKANDINAVISCHE
LITERATURWISSENSCHAFT
Was ist Literatur?
1. Fachliteratur
2. Dichtung
- Gemeinsamkeiten: Sprache und Kommunikation – beide wollen etwas mitteilen
- Unterschiede: Dichtung = Sprach – und / oder Wortkunstwerk
jede sprachliche Äußerung hat eine begriffliche Aussage und eine künstlerische Seite
- Arno HOLZ: K = N + x
K ..... Kunstwerk
N .... Natur
x .... Künstler
→ Natur steht nicht alleine sondern mit dem Künstler = subjektiv
→ x soll möglichst klein sein
-
ein Baum stellt in der Dichtung nicht nur einen Baum dar
-
Baum steht auch für das Leben, die Liebe, das Energische,...
-
hinter der äußeren sprachlichen Fassade steht noch ein tieferer Sinn
-
mimesis (griechisch) = Nachahmung der Wirklichkeit
-
Kunst ist nicht nur das N (in der Natur)
-
indirekte Mitteilung ist sehr wichtig in der dichterischen Sprache
-
STRUKTUR: sprachlicher Ausdruck wird geformt  x
Dichter formt die Dichtung
-
Text löst sich dadurch von der faktuellen Wirklichkeit
-
wichtig: Selbstständigkeit des Textes
-
Ästhetik: Lehre vom Schönen (schöngeistig)
früher: etwas, das empfunden/wahrgenommen wird
-
Belletristik: schöne Literatur
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
35
Was ist Literaturwissenschaft?
1. Dichtungswissenschaft: Analyse, Interpretation, Hermeneutik (aus der Theologie)
2. Literaturgeschichte: Synthese (Gesamtbild, Zusammenfassung), Darstellung des
geschichtlichen Ablaufes
-
2. Hälfte des 18. Jahrhundert: Beginn der geschichtlichen Einordnung
 Heinrich Wilhelm von GERSTENBERG: „Briefe über Merkwürdigkeiten der Literatur“
(1766-1767)
 Merkwürdigkeiten = das Originelle, das Einzigartige, das Andere  Neuentdeckung des
Originellen des Künstlers
 das künstlerische Genie drückt sich anders aus als der andere
 das größte künstlerische Genie laut Gerstenberg: SHAKESPEARE
 Shakespeare galt als primitiv – Grund: Vermischung der Gattungsformen
 Volkslied: zweitgrößte künstlerische Gattung  einfaches Volk wird entdeckt
 Romantik: Künstler = Genie (Gebrüder Grimm)
 Johann Gottfried HERDER: „Über die neuere deutsche Literatur“ (1767-1768)
 deutsch: Nationalliteratur
 jede Nation drückt sich in seiner Literatur aus
 Verlangen, die Geschichte der Literatur einer Nation aufzuschreiben
-
Beschäftigung mit der Vergangenheit  LITERATURGESCHICHTE
-
Vergleich, ob die Regeln von den Dichtern eingehalten wurden
-
Bei Nichteinhaltung (so wie bei Shakespeare) galt der Dichter als schlecht und primitiv
KOMPARATISTISCHE METHODE
-
weder bei Herder noch bei Gerstenberg wurde der Text in Frage gestellt
-
Urtexte (siehe Urfaust)
-
Ein Text mit künstlerischer Aussage wird von einem Autor zu einem bestimmten Zeitpunkt in
einer bestimmten Gattung verfasst  Auffassung bis 1890
-
Dekonstruktivismus
-
Methoden sind notwendig und wichtig, stehen aber an zweiter Stelle  Vordergrund: TEXT
-
Heute:
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
-
o
Postdekonstruktivistisch?
o
Postmodernistisch?
o
Poststukturistisch?
36
Pluralismus: Aktion – Reaktion
These – Antithese
-
Modell:
Autor --------------- Text --------------- Leser
 Autor = subjektiv
 Text = objektiv
 Leser = subjektiv
 Der Leser ist subjektiver als der Autor
 absolute Objektivität ist unmöglich!
 Verhältnis zwischen Autor und Text = Produktion des Textes
 Verhältnis zwischen Text und Leser = Rezeption des Textes
 Produktion des Textes ist objektiver als die Rezeption
 Produktion besteht aus den Erlebnissen des Autors (objektiv)  Biografie (wann? Warum?)
 Rezeption besteht aus der Aneignung des Textes (subjektiv)  Interpretation des Textes
Geschichte der Literaturwissenschaft:
-
Beginn: noch sehr im Geiste der Romantik
-
Um 1870: Zäsur: Etablierung der BIOGRAFISCHEN METHODE vor allem im Bereich
des Autors
-
Vorläufer:
o
Literaturkritiker Hippolite TAINE
o
Literaturkritiker SAINTE-BEUVE
-
Taine und Sainte-Beuve beginnen in ca. in den 1850ern mit ihren Behauptungen
-
3 Komponenten (formuliert von Taine): = Haupteigenschaften eines Werkes
-
o
Rasse = Volk, Nation
o
Milieu = Umgebung
o
Augenblick = Moment
jeder Dichter ist bestimmt von den drei Komponenten, die die vorherrschende Eigenschaft
bestimmen (la faculté maitresse)
WISSENSCHAFTLICHE METHODE
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
37
Wissenschaftliche Methode: alles muss in Erfahrung gebracht werden, um sich ein Bild zu machen
BIOGRAFISCHE METHODE
Biografische Methode (bis in die 1920er/30er Jahre): Herstellung eines umfassenden Bildes eines
Künstlers
 POSITIVISTISCHE METHODE
Positivistische Methode: jeder Autor ist ein Produkt der Zeit, des Milieus und der Nation
-
bis ca. 1930: Literatur beschäftigt sich mit der biografischen Methode
-
skandinavischer Kritiker: Georg BRANDES (1870er Jahre in Skandinavien; biografische
Methode)
 vertrat die französischen Methoden
 schrieb Biografien über Shakespeare, Michelangelo, Julius Caesar, Voltaire,..
-
Zwischenkriegszeit: Verlagerung auf den Test (Auseinandersetzung mit dem Text)
 WERKIMMANENTE METHODE
Werkimmanente Methode: Analyse
-
1930er/40er Jahre: „New Criticism“ = neue Kritik statt der biografischen Methode
hier ist der Autor uninteressant
-
Rene WELLEK (CZ) und Austin WARREN (USA): „Theory of Literature“ (1949)
METHODE DES „DOSE READING“
Methode des „Dose Reading“: Konzentration auf den Text
-
1947: Cleaneth BROOKS: „The well-wrought Urn“ (Die gut verwobene Urne)
ästhetischer Ausdruck und ethnischer Inhalt
-
früher schon: “Ode an eine griechische Vase”
-
1970er: Studentenrevolution 1968  das ganze Leben und die Literaturkritik wurden
politisiert
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
 Ideologiekritik: jeder Autor und auch jeder Leser ist von einer Ideologie (im
politischer
Bedeutung/marxistische Ideologie) abhängig
-
Leser wurde miteinbezogen
-
Reaktion auf Ideologiekritik: STRUKTURALISMUS
 Franzose Roland BARTHES: „Kritik und Wahrheit“ (1967)
 Der Dichter ist tot, es lebe der Text, aber dieser ist/war schon geschrieben, bevor der Dichter
ihn
strukturierte
 Schweizer Ferdinand DE SAUSSURE:
la parole (Wort)
la langue (Sprache)
-
Textmaterial existiert bereits; er wird vom Dichter strukturiert
-
- Dichter wird hier noch mehr ignoriert als beim New Criticism
-
gerne Beschäftigung mit Volksdichtung (Grund: Autoren sind anonym)
 Russe Vladimir PROPP: „Die Morphologie des Volksmärchens“ (1922 auf deutsch)
-
Morphologie = Formlehre
-
31 Funktionen/Definitionen des russischen Zaubermärchens
-
die 31 Definitionen werden in verschiedenen Strukturen verwendet
-
Analyse bei Propp wie eine mathematische Gleichung
-
Reaktion des Lesers:
 Wolfgang ISER: 2 Typen von Lesern
1. idealer/implizierter Leser (existiert nicht) = Leser, für den der Autor schreibt
2. realer Leser
Interesse gilt der Wirkung des Textes auf den Leser
 Hans Robert JAUSS:
1. idealer Leser hat ästhetischen Erwartungshorizont
2. Text hat keine eigene Kompetenz
3. es gibt so viele Texte wie Leser
OBJEKTIVITÄT  SUBJEKTIVITÄT
-
kein Text mehr mit Gültigkeit
38
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
Was ist das Studium der skandinavischen Literaturen?
ENTWICKLUNG DER SKANDINAVISCHEN UNIVERSITÄTEN:
Schweden:
1668: Universität in Lund
weniger konservativ
einzige Karrieremöglichkeit für Bauern (nur Männer): Theologie, Lehramt
 Industrialisierung
1920: Universität in Stockholm
1954: Universität in Göteborg
1965: Universität in Umeå
Dänemark:
1479: Universität in Kopenhagen
1928: Universität in Aarhus (zweitgrößte Stadt)
erste Universität mit Campus
fortschrittlich und radikal (linksgerichtete Idologie)
1965: Universität in Odense
1970er Jahre: Universität in Roskilde (Entlastung für Kopenhagen)
Radikalste aller Universitäten
Projekte und keine traditionelle Ausbildung
Heute: Ålborg
Norwegen:
1811: Universität in Olso
1948: Universität in Bergen
1978: Universität in Trondheim (erst 1990 fertig ausgebaut)
????: Universität Tromsø
Island: (300.000 Einwohner)
1911: Universität in Reykjavik
Färöer-Inseln: (45.000 Einwohner)
1965: kleine Universität in Torshaun
Grönland:
1983: „Universität“ in Nuuk (Hauptstadt) – 150 Studierende
39
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
-
40
1820/1830: Auseinandersetzung mit Sprache und Literatur in Lund, Uppsala und Kopenhagen
 nordische Philologie
-
70er Jahre: Popularität des Literaturstudiums
Gibt es eine skandinavische Literaturgeschichte oder skandinavische
Literaturgeschichten?
-
Ganzheit der skandinavischen Literatur
-
Tendenz: getrennte Literatur
ZETTEL:
P.M. Mitchell:
-
“Litteraturen, der ikke er” (Die Literatur, die keine ist)  Ausgangspunkt: Nordische Literatur
in 2 Bänden
-
Amerikaner
-
sagt, dass es keine nordische Literatur gibt
-
meint, dass die Bevölkerung die Literatur der anderen nordischen Länder nicht lesen
können/wollen
-
gibt chronologischen Überblick  keine Möglichkeit einer speziellen Literatur
-
erstellte eine Liste von grenzüberschreitenden internationalen Dichtern  haben nichts mit
den nordischen Dichtern zu tun
-
Aussage: man kann die fünf nordischen Literaturen nicht integrieren, d. h. es gibt keine
nordische Literatur und keine
nordische Literaturgeschichte
Dansk Bogfortegnelse: Dänisches Bücherverzeichnis
-
1976
-
36 Übersetzungen ins Schwedische (13 Krimis)
-
18 Übersetzungen ins Norwegische (10 Trivialromane)
Mai Sjöwall und Per Wahlöö
Louis Masterson (Pseudonym für Kjell Halbing)
Bjørnsterne Bjørnson: 1832-1910
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
-
„Sigurd Slembe“
-
nordischer Autor
-
Realist
-
gehört zur Weltliteratur
Ludvig Holberg: 1684-1754
-
„Jeppe auf dem Berge“
-
geboren in Norwegen
-
fühlte sich als dänischer Dichter
-
gehört zur Weltliteratur
Johannes V. Jensen: 1873-1950
-
Nobelpreisträger
-
Nordischer Dichter
-
gehört zur Weltliteratur
Selma Lagerlöf: 1858-1940
-
Nobelpreisträgerin
Knot Hamsun: 1859-1952
-
Nobelpreisträger
-
Norweger
Sigrid Undset: 1882-1949
-
Nobelpreisträgerin
Halldor Laxness: 1902-1998
-
Island
Zeitschriften:
-
Scandinavian Studies
-
Arkiv för nordisk filologi
-
Skandinavistik
-
Scandinavica
Sven H. Rossel:
-
„Skandinavische Literatur 1870-1970
Morgens Brøndsted:
41
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
42
-
Bis 1988 Professor für nordische Literatur
-
„Nordens litteratur, 1-2“ (1968)
-
war nicht der alleiniger Herausgeber, sondern der Hauptredakteur
-
wurde am selben Tag in allen fünf nordischen Ländern veröffenlticht
-
Arbeitsbericht: Frage: Gibt es eine nordische Literatur? – einerseits ja und andererseits nein;
gibt Mitchell zuerst recht, kommt aber dann zu dem Schluss, dass der Norden ein
zusammenhängendes Gebiet ist  eine Literatur
Jørgens-Frantz Jacobsen: 1900-1938
-
färöischer Literat
-
starb an Tuberkulose
-
schrieb auf dänisch (verwendeten einfach eine andere Sprache)
William Heinesen: 1900-1991
-
färöischer Literat
-
schrieb auf dänisch
Johann Sigurjonsson: 1818-1919
-
Isländer
-
schrieb auf dänisch (dänisch = 1. Fremdsprache in Island)
-
Studium in Kopenhagen
Gunnar Gunnarson: 1889-1975
-
Isländer
-
schrieb auf dänisch
Kristmann Gudmundsson: 1901-1983
-
Isländer
-
schrieb bis ca. 1940 auf norwegisch (größerer Markt als in Island)
Edith Södergran: 1892-1923
-
finnischer Lyriker
-
starb an Tuberkulose
-
schrieb auf schwedisch
Elmer Diktonius: 1896-1961
-
finnischer Lyriker
-
schrieb auf schwedisch
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
Tove Jansson: 1914-2001
-
Finne
-
schrieb auf schwedisch
Bo Carpelan: 1926-
Finne
-
schrieb auf schwedisch
Johan Ludvig Runeberg: 1804-1877
-
„Kung Fjalar“
-
Finne
-
schrieb die finnische Nationalhymne auf schwedisch
Zacharias Topelius: 1814-1898
-
Finne
-
schrieb auf schwedisch
Henrik Ibsen:
-
„Hærmændene paa Helgeland“ (1858): Wickingerstück
-
„Gildet paa Solhoug“ (1856): inspiriert von den Mittelalterballaden
-
„Et Dukkehjem“
-
Realist
-
Schrieb auf dänisch
Alesander Kielland:
-
Realist
-
Schrieb auf dänisch
Jonas Lie:
-
Realist
Adam Oehlenschläger: 1779-1850
-
„Vaulundurs Saga“ (1805)
-
„Helge“
-
schrieb auf dänisch
Esaias Tegnér :
-
„Frithiofs saga“ (1825): inspiriert von Wikingersaga
43
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
Carl Michael Bellman: ca. 1770
-
Schwede
-
Schrieb Lieder; war Komponist und übernahm auch die Musik von anderen Künstlern
-
Themen der Lieder: Wein, Weib, Gesang, Tod
-
War in Dänemark populärer als in Schweden
Karl Warburg:
-
„Holberg i Sverge“ (1885)
Johannes Ewald: 1743-1781
-
typisch dänischer Lyriker
-
Frühromantik
Johan Herman Wessel: 1742-1785
-
„Norske Selskab“
-
norwegischer Satiriker
-
Gegenspieler von Ewald
Jens Krag Høst:
-
„Nordia“: gesamtnordische Zeitschrift, die nur für 1 Jahr existierte (1795-1796)
Johan Kjellgren: 1751-1795
-
bedeutendster schwedischer Frühromantiker
Anton Blanck:
-
„Den nordiska renässansen i sjuttonhundratalets litteratur“ (1911)
-
Schwede
Otto Springer:
-
„Die nordische Renässance in Skandinavien“
Albert Nilsson:
-
„Tre fornnordiska gestalter“ (1928) (dt: Drei frühnordische Gestalten)
Jöran Mjöberg:
-
„Drömmen om sagatiden“ (1868) (dt: Traum über Sagazeiten)
44
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
-
idealisierter Norden
-
baut auf pannordischer Auffassung auf
AD ZETTEL:
-
Mitchell und Brøndsted vertreten unterschiedliche Meinungen
-
Mitchell: keine nordische Literatur und keine nordische Literaturgeschichte
-
Brøndsted: gesamtnordische Literatur und –geschichte
-
Voraussetzung zur Lösung des Problems: Beantwortung der Frage, ob es eine nordische
Literatur gibt
-
Problem: verschiedene nordische Sprachen
-
„Dansk Bogfortegnelse“ (Dänisches Bücherverzeichnis) = Vorlage für Brøndsted
-
starke Verbindung zwischen Finnland und Schweden
-
starke Verbindung zwischen Island und Norwegen
-
man muss eine Sprache nicht (fließend) sprechen können, um die Literatur lesen zu können
-
 theoretisch: eine nordische Literatur, obwohl viele Leser sie nicht lesen können
-
die Übersetzungen der Literatur können zu einer Gesamteinheit beitragen
Grenzüberschreitungen in der Literatur:
-
1319: Verbindung von Norwegen und Schweden (durch eine Heirat)
-
1392: Dänemark kam hinzu (durch die Kalmarer Union)
die dänische Königin Margarethe vereinigte Schweden, Dänemark und Norwegen
unter einer Krone
-
1523: Bruch der Union
Grund: Unabhängigkeit Schwedens
-
bis 1814 war Norwegen Teil der Doppelmonarchie
-
ab 1814 war Norwegen Teil von Schweden (bis 1905)
-
bis 1809: Finnland an Russland (bis 1917) (vorher gehörte Finnland zu Schweden)
Södergran sprach deshalb auch russisch
-
bis 1944 waren Island und Dänemark eine Personalunion
-
Färöer-Inseln und Grönland gehören immer noch zu Dänemark
-
Grönland: beginnt mit eigener Literatur
Große amerikanische Basis auf Thule (Öl und Gas)
-
politische Einheit  kultureller Austausch
45
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
-
Ende der politischen Einheit bedeutet nicht, dass auch der kulturelle Austausch beendet wird
(man kann sich auch in Frieden trennen)
-
46
Gemeinsamkeiten:
1. gemeinsame sprachliche Vergangenheit
2. Kirche
-
dänischer und norwegischer König muss EVANGELISCH sein
-
nach 1809 bis kurz vor dem 1. WK: schwedisch auch in Finnland
-
Schriftsprache auf den Färöer-Inseln erst ca. 200 Jahre alt
-
Nach 1814: kulturelle Verbindung Dänemark und Schweden blieb erhalten (Publikum las
dänisch)
-
Norwegische Theologen lasen theologische Fachzeitschriften auf dänisch
-
In Norwegen wird auch dänisch gesprochen
-
Ibsen wurde in Norwegen auf dänisch uraufgeführt
PANSKANDINAVISMUS: Überblick / Epochen
Die Anfänge:
 Runenschriften:
-
Runenliteratur
-
3. – 12. Jahrhundert
-
gesamtnordische Literatur und gesamtnordische Sprache
-
einheitliches Runenalphabet: zuerst in Holz geritzt, später in Stein gehauen
-
Name des Autors von Runenschriften, Name eines toten Kriegers,... wurde eingeritzt 
Beginn der Literatur
 Mittelalter:
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Edda-Dichtung
-
Saga-Dichtung
-
Skalden-Dichtung (Skald = Dichter, der seine Verse in komplizierter Metrik vorträgt)
-
Handlung: Besiedlung Islands (auch schon vor dem Jahr 1000) von Norwegen aus
-
Sagas wurden erst im 13. Jahrhundert niedergeschrieben – vorher wurden sie mündlich
Westnordische Tradition (bis ca. 1000)
überliefert
-
Sagas: norwegisch-isländische Tradition (=Westnordische Tradition)
-
Dänemark + Schweden = ostnordisch
-
Westnordische Tradition = Inspiration für den ganzen Norden, v. a. für den Sagastil (kurze
Sätze, Schmerz)
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
-
Keine echten Sagas um 1800
-
Wikinger: Romantiker glorifizierten diese Zeit
-
Bjørnson 1862: Wikingerstück „Sigurd Slembe“
47
 Hochmittelalter:
-
13. – 15. Jahrhundert
-
Mittelalterballade + Mittelaltervolkslied = gesamtnordische Literatur
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Sehr beliebt, weil der Autor anonym ist
-
Letzter Teil dieser Epoche fällt noch in die Kalmarer Union
-
Ballade = Volksdichtung
-
Ritterballade: Hauptfigur = Ritter (z. B. Parzifal)
Gesamtnordischer Raum
Tanzlied (sehr viele Strophen)
Ausgenommen Finnland (dort: Kalevala)
-
Weiterentwicklung der Ritterballade in Schweden  Brautraubballade (Untergruppe): Ritter
raubt die Braut aus dem Kloster; Ende: entweder Happy End oder Tod des Ritters
 Ludvig Holberg:
-
zählt zur Weltliteratur
-
dänisch-norwegischer Dichter
-
Orientierung zu Europa hin
-
Komödien spielen alle in Dänemark
-
Genauso populär in Schweden
-
Bellman: Themen aus dem Alten Testament
Nachahmung in der Romantik
Vergleichbar mit Nestroy
Schrieb Singspiele, Komödien
-
dänische Frühromantik: eigentlich dänisch-norwegisch
Ewald und Wessel
-
Wessel: Tendenz eher zu Norwegen
-
Krag Høst: Verbindung zu Schweden (Nordia)
 Romantik:
-
gesamtnordische Epoche
-
Kennzeichen: Rückorientierung auf das Mittelalter
-
Beginn schon in der Frühromantik
-
Adam Oehlenschläger: in Norwegen und Schweden mehr gelesen als in Dänemark
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
48
Nordischer Dichterkönig (in Dom zu Lund mit Lorbeeren gekrönt)
„Helge“ (1814): sehr populär; handelt von einem dänischen
Wikingerkönig
Vorbild für „Frithiofs saga“
-
Runeberg: „Kung Fjalar“ (1844)
-
Oehlenschläger leitet Skandinavismus ein
-
Skandinavismus: Bewegung der fünf nordischen Länder; von Studenten getragen; Angst vor
preußischer Übernahme
-
1848-1850: Krieg Dänemark – Schleswig-Holstein
ENDE: Waffenstillstand (Dänemark sieht das als Sieg)
-
1854: Krieg Dänemark – Österreich-Preußen
ENDE: Süd-Jütland ging bis 1920 an Deutschland
Grund für Niederlage Dänemarks: Norwegen und Schweden versprachen, zu
Hilfe zu kommen, taten es aber dann nicht  keine Chance für Dänemark
 Naturalismus:
-
Kritiker Georg Brandes (war auch Förderer)  Inspiration für ganze Generation
-
Als Schule organisiert
-
Ideologie, die alle fünf nordischen Länder umfasst
-
Gruppe von Autoren: „Das junge Schweden“:
 Dänemark: Jens Peter Jacobsen (1847-1885) und Holger Drachmann (1856-1908)
 Island: Hannes Hafstein (1861-1922) und Gestur Palsson (1852-1891)
 Finnland: Minna Canth (1844-1897; schrieb auf schwedisch)
 Schweden: August Strindberg (1849-1912)
 Norwegen: Arne Garborg (1851-1924), Bjørnstjerne Bjørnson (1832-1910), Henrik
Ibsen, Alexander
Kielland
-
Abwendung vom Naturalismus  Grund: Philosoph Friedrich Nietzsche (Philosophie des
Übermenschen: Mensch setzt sich über alle Regeln hinweg und folgt nur seinen eigenen
Regeln)
-
Brandes entdeckt Nietzsche  Aufsatz darüber: „Aristokratischer Radikalismus“
-
Netzwerk unter den Autoren wurde ausgebaut:
 positiv: Inspiration
 negativ: schlechtes Verhältnis zwischen den Autoren
-
Beispiel: Ibsen vs. Strindberg:
Ibsen schrieb Stück über die Emanzipation der Frau („Ein Puppenheim“) 
Strindberg schrieb „Gegenstück“ mit dem gleichen Titel
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
49
Dänischer Autor Ernst Bruun Olsen (geb. 1923): „Wohin ging Nora, als sie von
zuhause wegging?“ (Reaktion auf Ibsens Stück)  1968: Studentenrevolution,
Emanzipation der Frau,...
-
Ernst Bruun Olsen (Däne), Helge Rode (1870-1937), Kaj Munk (1898-1944; Däne)), Peder
W. Cappeler (geb. 1931; Norweger) wurden von Brandes beeinflusst
 20. Jahrhundert:
in allen nordischen Ländern vertreten:
-
Expressionismus: um 1920 in Kunst und Literatur
-
Sigmund Freund: Psychoanalyse in den 1930er Jahren
-
Modernismus: 1940er Jahre
Reaktionen auf gesamteuropäische politische Ereignisse:
-
1917: bolschewistische Revolution
-
zwei Weltkriege
-
Aufstieg des Nationalsozialismus (1930er)
-
Atomare Bedrohung nach 1945
-
Vietnamkrieg
-
Koreakrieg (1952): erscheint kaum in der Literatur  kein Medienkrieg
-
keine identische nordische Literatur, dennoch viele Gemeinsamkeiten, Übereinstimmungen,
Querverbindungen,....
 teilweise integrierte Darstellung der nordischen Literatur
-
aber auch Gegensätze, Parallelen, ähnliche Reaktionen,... in allen fünf nordischen Ländern
 1970er Jahre:
-
Rossel sollte fünfbändige Literaturgeschichte schreiben (ein Band pro Land)
-
Erster Band: 1992 (Dänemark)
-
Letzter Band: 2007 (Island)
 POETIK
= Dichtungslehre, Teilaspekt der Literaturwissenschaft
-
Aus dem griechischen.: hervorbringen
-
DEFINITION: Lehre von der Technik der Dichtung, d. h. man kann die Dichtkunst erlernen
 älteste Poetik vom Griechen Aristoteles (384-322 v. Chr.): „Poetik“
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
50
 zweitälteste Poetik vom Römer Horaz (65-8 v. Chr.): „Ars Poetica“  wieder Auffassung, dass
Dichtkunst erlernbar ist
wichtigster Ausspruch von Horaz: „Ut pictura poesis“ = Wie ein Bild sei das Gedicht
 Gedicht= BESCHREIBUNG der Wirklichkeit, Mimesis (Nachahmung)
 Folge: Jahrhunderte lang wurde in der Dichtung nur beschrieben
 Mittelalter: die Poetik gerät in Vergessenheit
 Aufklärung: erste Versuche, wieder Poetik zu schreiben
-
Boileau: „L’art poetique“ 1674  Kopie von Aristoteles bzw. Horaz
-
Deutschland : Johann Christoph von Gottsched : „Versuche einer kritischen Dichtkunst für die
Deutschen“ 1730
 baut auf Boileau
auch Gottsched hält an den Regeln/der Regelpoetik/den Mustern/der normativen
Poetik fest
-
an diesen Regeln wird das Niveau des Werkes festgemacht  keine Möglichkeit für Fantasie,
keine dichterische Freiheit
-
Feld des Dichters beschränkt sich auf seinen Verstand (ratio, Rationalismus)
10 Jahre später:
-
Schweizer Johann Jakob Bodmer: „Kritische Abhandlung von dem Wunderbaren in der
Poesie“ (1740)
Das Wunderbare von Bodmer ist das gleiche wie das Merkwürdige bei Gerstenberg
-
Schweizer Johann Jakob Breitinger: „Kritische Dichtkunst“ (1740)
-
Hervorhebung der Fantasie rückt in den Vordergrund
-
Bei Bodmer und Breitinger gibt es keine Regeln mehr, sie heben die Bedeutung des Gedichtes
hervor
-
Z.B. Goethe, Schiller, Herder,... beschäftigten sich mit der Fantasie in der Dichtung
-
Dichtung hat keine erzieherische Bedeutung mehr
-
Zum ersten Mal Ich-Poesie (Ausdruck eigener Gefühle); früher: Projektion der eigenen
Gefühle auf andere Personen/Figuren
 STILISTIK
-
lateinisch: stilus = Schreibstift
-
DEFINITION: Stil = eigenständige, einheitliche Darstellungsweise
-
Z. B. im Stil der Romantik, Persönlichkeitsstil, moderner Stil,...
STILMITTEL
 Bilder:
 Tropik: = wörtliche Wendung
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
Staat
Schiff
Treue
Gold
Haare
Schnee
Rede
Fluss
 Simile: = Vergleich
Er führt den Staat wie ein Schiff
Sie ist treu wie Gold.
Seine Haare sahen aus wie Schnee.
Sie redet wie ein Fluss.
 Metapher: = Übertragung (übertragene Bedeutung eines Wortes)
Redefluss
Staatsschrift
Schnee des Kopfes
goldtreu
 das wie verschwindet
-
übertragene Sprache in der Literatur
Beispiele:
Meine Seele ist wie eine Taube. (Simile)
Meine Seele ist eine Taube. (Metapher)
Meine Taube. (modern)
Sonderformen der Metapher:
 Kenning: = mehrgliedrige Umschreibung
Metaphern werden zu erstarrten Formeln
Fürst = Schwertverteiler
Rabe = Odins Habicht
Schiff = Wogenrenner
 Heiti: = eingliedrige Umschreibung
Ross = Renner
Krieger = Recke
 Synästhesie: = Verschmelzung der Sinnesgebiete (von zwei oder mehreren) – v. a. in der
Romantik
51
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
Farbton
Golden wehen die Töne nieder (...)
Durch die Nacht blickt zu mir der Töne Licht (...)
Warme / kalte Farben
Schreiendes grün
Trauerndes schwarz
Unschuldiges weiß ......
 Personifikation: = Konkretisierung abstrakter Begriffe
süßer Frieden, komm in meine Brust... (Goethe)
Friede, lieblicher Knabe, ... (Schiller)
 Allegorie: = Übersetzung von etwas Abstraktem in ein Bild
Justitia  Göttin des Rechts
Weiße Lilie  Unschuld
 Wortfiguren:
 Enphase: = Nachdrücklichkeit (Bedeutung eines Wortes hervorheben)
v. a. durch Ausrufezeichen
Beispiel: Schiller, „Die Räuber“ oder Goethe „Urfaust“
 Hyperbel: = Übertreibung (Steigerung des Ausdrucks)
Umgangssprache, Schimpfwortsprache
Beispiel: du Esel, du Ochse, du Schwein; fuchsteufelswild; ein Mund wie ein Scheunentor;
das habe ich dir schon 1000 Mal gesagt,...
 Litotes: = Untertreibung, Milderung, Abschwächung
Beispiel: das Essen war nicht schlecht; sie ist nicht ohne Fleiß; er ist nicht ganz dumm,..
 Periphrase: = Umschreibung eines Begriffs (mit Hilfe einer Eigenschaft)
Beispiel: man sagt nicht Gott, sondern: der Allmächtige, der Barmherzige,...
 Gedankenfiguren:
 Anruf:
1. Apostrophe: = Anrede
Dichter wendet sich zur Abstraktion
Beispiel: Freude schöner Götterfunken
2. Inovkation: = Anruf des Anrufes
Beispiel: großer Gott, wir loben dich
52
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
53
 Antithese: = Entgegenstellung zusammengesetzter Begriffe
Gut und Böse
Jung und Alt
Heute rot, morgen tod
 Klangfiguren:
 Tautologie: = Wiederholung des bereits Gesagtem mit einem Synonym
z.B.: voll und ganz
 Synonym: = sinnverwandte Worte
z.B.: scheinen = glitzern, schimmern,...
 METRIK = Verslehre
 Jambus:
 Trochä:
 Anapest:
 Daktylus:
z. B.: Verbot
z. B.: Liebe
erweiterter Jambus
 Blankvers: = 5 Jamben (Shakespeare)
Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise (18. Jahrhundert)
 Knittelvers: = 4 druckstarke Silben (verteilt im Satz)
 holprige Verse (daher auch der Name)
v. a. im späten Mittelalter und der Renaissance
Hans Sachs (16. Jahrhundert) = Meister seines Werkes
 Alexandriner: = 6 Jamben
oft mit Pause nach dem 3. Jambus
klassisches Versmaß in der französischen Literatur des 16. und 17. Jahrhundert
in Deutschland nicht so populär
 Hexameter: 6 Silbenpaare bestehend aus Daktylen
klassisches Versmaß des Epos (Vergil,...)
nicht sehr populär in der Aufklärung
in der Romantik sehr berühmt (z.B. Goethe)
Klopstocks religiöses Epos „Messias“ in Hexametern
 REIMFORMEN
 Stabreim: = Alliteration
Konsonanten reimen sich: z.B.: Wind und Wetter; Wasser und Wein
Germanische Tradition: älteste Form
9. Jhd.: Einführung des Endreimes verdrängt Stabreim
z. B.: Libretti von Wagner; Rainer Maria Rilke
 Endreim: =Schlussreim
Vokale sind gleich
Reine Reime: z.B.: Raub – Staub; Frühe – Mühe; ...
Unreine Reime: z.B.: Gemüt – Lied; sprießen – grüßen; Geläute – Weite
z.B. bei Heinrich Heine
 Assonanzen:
Vokale stimmen überein
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
54
z.B.: Heinrich Heine: „Don Ramiro“:
Endlich auch nach langem Ringen
Muss die Nacht dem Tage weichen;
Wie ein bunter Blumengarten,
Liegt Toledo ausgebreitet.
 männlicher Reim:
einsilbig
z.B.: Mut, Hut, Glut, Blut,...
 weiblicher Reim:
zweisilbig
z.B.: Blume, teuer, heuer,... (klingen weicher)
 Reimfolge:
 Paarreim: zwei Zeilen reimen sich (AABB)
 Haufenreim: vierzeilige Strophe – Reim ist in alles Zeilen gleich (AAAA-BBBB)
 gekreuzte Reime: ABAB
 umarmende Reime: ABBA
 Kehrreim: = Refrain (Wiederholung einer oder mehrerer Zeilen am Ende der
Strophe)
 GATTUNGEN
- ab dem 17. Jahrhundert
- 18. Jahrhundert: Gattungen werden in 3 Gruppen eingeteilt:
 Lyrik (Dichtung)
 Epik (Prosa)
 Drama (Theaterstück)
- es gibt auch Mischformen: z.B. Prosadichtung, Lesedrama
 LYRIK:
-
älteste Gattung
Unterschied zum Drama/zur Epik: Lyrik muss keine Handlung haben und muss nicht
auf einen Dialog aufbauen (kann aber)
Gedicht = sprachlich strukturierter Verlauf, getragen von Rhythmus, Klang und
Druckerscheinungen
Rhythmus, Klang und Druckerscheinungen machten Gedicht zur exklusivsten Gattung
Name: lyra (griechisch) = Leier
Texte wurden ursprünglich mit Musikbegleitung vorgetragen
Nicht nur in Griechenland sondern auch im Orient
Z.B.: Psalmen Davids mit Harfe begleitet
Texte haben mythischen Kontext (vielleicht Arbeitslieder, Todes- und Klagelieder,
Zaubersprüche,...)
Z.B.: Kirchenlied, Volkslied, Populärlied,...
Orientalische Tradition beginnt in Griechenland
600 v. Chr.:
 Liebeslieder
Trauergesänge
 Huldigungen an Götter
 Wein, Weib und Gesang
 ursprünglich alle Lieder von der Leier begleitet
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
55
 Kultur von Römern übernommen – fügen satirisches Element hinzu – tendieren zu kurzen
Formen
(epigrammatische Formen)
- Mittelalter (12./13. Jahrhundert):
 kirchlich orientiert
 Lyrik vorwiegend auf Latein
 Lobgesänge und moralisierende, lehrhafte Lieder
 gleichzeitig: weltliche Dichtung
 Themen: Tanz, Wein, Satire, Bettellieder, Schwänke
 Vagantendichtung: wandernde, bettelnde Studenten trugen die weltliche Dichtung vor (v. a.
Carmina
Burana)
 Volksdichtung: in Nationalsprache (Ursprung unbekannt)
 Minnesang: Liebesdichtungstradition
Walther von der Vogelweide
Minne = Liebe
Zentrum: Gedicht an die Frau (Frauenpreis) – Parallele zum Marienlied
Ausgebaute Reime
- Ende des Mittelalters:
 Minnesang am Hof
 Volkslied von und für Bauern
 bürgerliche Form (Hans Sachs)
 bürgerliche Kultur kommt auf
- Renaissance (14./15. Jahrhundert):
 Wiedergeburt der antiken Kultur
 kein Latein mehr
erstmals entwicklungsnationale Tradition
 Mittelalter war europäisch
Entwicklung der lyrischen Gattungen nach Nationen
- Skandinavisches Volkslied:
MERKMALE:
1. Tanzlied
2. mündliche Form
3. anonym
4. aus dem Mittelalter
5. episch ((dramatische) Geschichte wird erzählt)
- Ballade in Frankreich: 1000/1100
- Ballade in Skandinavien: 1200
- Blütezeit: 1200-1350
- Milieu: Ritter, Adel am Königshof
- Nach 1350: in eine volkstümliche Richtung  Bauernlied
- 16. Jahrhundert: es war Mode, Poesiebücher zu schreiben
Poesiebücher waren Hobby der adeligen Frauen – Gäste wurden gebeten, Lieder
hineinzuschreiben
- 2 Theorien, wie Gedicht nach Skandinavien kam:
1. über England / Schottland
2. direkt aus Frankreich von Studenten gebracht (Paris hatte damals als einzige
Stadt eine Universität)
- man tendiert eher zur 2. Theorie
- Ritterballade: Agierende aus dem Ritterstand
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
-
56
Zauberballade: z. B. „Von Elfen geschlagen“ (eine der ältesten)
Historische Balladen: handelt von Königen,...
Mythische Balladen: beschäftigen sich mit der nordischen Götterkultur (die jüngste)
Legendeballaden: religiöse Balladen
Scherzballaden: komisch, halbpornografisch (werden bei den meisten Sammlungen
weggelassen)
Alle Typen von Balladen in England, Schottland, Frankreich und Skandinavien
Noten der Lieder wurden nicht aufgeschrieben
Balladen wurden bis ins 19. Jahrhundert im bäuerlichen Milieu gesungen
Keine lebendige Tradition mehr
Bauern: Lieder = Arbeitslieder
Gedicht: „Von Elfen geschlagen“:
- Französischer Titel: „Le roi Renault“
- Englischer Titel: „Clerk Calvill“
- Tragödie
- 2000 Jahre vor Sartre: alles was wir machen, stürzt uns ins Verderben
- Handlung: Ritter (Herr Oluf) verirrt sich im Wald  Begegnung mit Elfkönigstochter
 Oluf will nicht mit ihr tanzen  wird von den Elfen geschlagen  stirbt durch die
Begegnung / Berührung mit den Elfen  seine Braut (küsst seine Litten) und seine
Mutter (leidet sehr) sterben am Ende auch
- Egal, was Herr Oluf machen wird, er wird sterben
- Inhaltlich passt der Tanz nicht zu dem tragischen Ende
- Scharfer Kontrast zwischen christlichen Vorstellungen und heidnischen
Naturerlebnissen
- Metrik: 2 Zeilen + Refrain
- 4 druckstarke Silben in jeder Zeile
- Ursprungstext aus der Bretagne um 1100 (das Gedicht gibt es daher auch in
Frankreich)
- zweizeilige Strophenbildung gilt als älter als die vierzeilige
- zweizeilige ist konzentrierter
- Refrain „Aber der Tanz geht so leicht im Haine.“: sagt aus, dass zu diesem Lied
getanzt wurde
Ist kennzeichnend für skandinavisches Volkslied
- Reime: nur Endreime in der Volksdichtung (Alliteration passiert nur zufällig)
Endreime müssen nicht rein sein
- Hauptelement der Volksdichtung ist die mündliche Übertragung (weil der Text
gesungen wurde)
- Herder schuf Begriff „Volkslied“ (aus dem Englischen: popular song) und übersetzte
den Text 1780 ins Dänische
- Volkslied wird vom Volk geschaffen
- Z. B. auch Grimms Volksmärchen
- Man hatte keine gedruckten Texte  mündliche Übertragung  Reime verwandeln
sich / Texte verwandeln sich  ZERSINGEN der Texte
- Wiederholungen im Gedicht, um sich den Text leichter zu merken
-
Deutsche Volkslieder sind viel lyrischer als skandinavische
Färöer-Inseln: dort werden diese Lieder noch getanzt (Vorsänger singt den Text, die
anderen Tänzer singen den Refrain und tanzen dazu)
Aufführungen sind nie identisch
Tanzlieder: Gedicht hat eine Handlung und keinen Dialog
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II

57
- „Erlkönig“ von Goethe geht auf diesen Text zurück
- neuere Version in der skandinavischen Literatur: „Elfenhügel“ (vierzeilig)
100-150 Jahre jünger
 eigentlich Monolog (Traum)
 Moralisierung
 Tragik
 DRAMA:
-
-
-
Dramen haben sich aus Fruchtbarkeitsritualen entwickeln  sollten zur Unterhaltung
dienen
Älteste Fragmente: 5. Jahrhundert v. Chr.
Dyonysius: Wettbewerb um den besten Dramatiker (drei Dramatiker sollten mit 3
Tragödien und 1 Komödie gegen einander antreten)
Nur eine zusammenhängende erhaltene Trilogie von Aischylos: „Die Orestie“ (Rache
von Elektra und Orestres)
Wurden in einer Arena (Kreistheater) aufgeführt (entweder ganzer Kreis oder nur auf
3 Seiten)  z.B. Colosseum
Nur männliche Schauspieler
Schauspieler liefen auf Stelzen, damit die Zuseher in den hinteren Reihen die
Handlung auf mitverfolgen konnten
Schauspieler trugen alle Masken (darin war ein Lautsprecher (Trichter) integriert)
Anfangs waren nur wenige Schauspieler auf der Bühne
Chor von 12 Leuten auf der Bühne
Chorleiter = erster Schauspieler  Dialog zwischen dem ersten Schauspieler und dem
Chor
Ursprünglich wurde rezitiert
Einfluss des Chors wurde mit der Zeit immer geringer  Anzahl der Schauspieler
wurde immer mehr
AISCHYLOS (524-456): fügte den zweiten Schauspieler auf der Bühne hinzu
Schrieb ca. 80 Dramen (nur 7 sind bewahrt)
„Die Orestie“
SOPHOKLES (516-406): erfand den dritten (und noch weitere) Schauspieler
Schrieb ca. 130 Stücke (nur 7 sind bewahrt)
„Antigone“, „Oidipus“
EURIPIDES (480-406): schrieb „nur“ 90 Dramen
Alltäglichere Sprache
Themen sind nicht mehr so eng mit der Mythologie verbunden
Erfindet „Deus ex machina“
„Medea“, „Elektra“
Bote überbringt Nachricht von den Göttern
1. KOMÖDIE: erste Quelle des Dramas
 alte Komödie:
- ARISTOPHANES (ca. 445-388): Hauptgestalt
- Lebte in Athen
- Schrieb insgesamt etwa 44 Komödien (11 erhalten)
- Lässt Euripides in einer Komödie („Die Frösche“) auftreten und macht sich über ihn
lustig
- Lässt Sokrates in einer Komödie („Die Wolken“) auftreten und parodiert ihn
- Schreibt Satiren und macht sich über andere Personen lustig
- Satirisiert auch über Politik und Politiker
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
-
-
58
„Lysistrate“: Kommentar auf Peloponesischen Krieg (431-404)  Krieg zwischen
Athen und Sparta (Sieger)
Inhalt von „Lysistrate“: Frauen, deren Männer in den Krieg gezogen waren, wollten,
dass diese wieder zurückkommen und drohten ihnen mit Sexentzug  alle Männer
kamen zurück
Satire richtete sich nicht nur gegen Sparta sondern gegen den Krieg an sich
Botschaft: Make Love, not War
Thema ist bis heute aktuell
Komödie ist normalerweise in 5 Akte aufgeteilt  bei Aristophanes spielt sich alles in
2 Teilen ab:
1. Teil ist strikt strukturiert  dann folgt eine Parabase von 100-200 Zeilen (Botschaft des
Autors wird in der Gestalt des Schauspielers übermittelt)  3. Teil ist wie ein
Kabarett aufgebaut
- Ende des Krieges zwischen Athen und Sparta bedeutet das Ende der alten Komödie
-
 neue Komödie:
-
MENANDROS (342-291)
Schrieb über 100 Komödien (nur 1 erhalten)
Bei ihm verschwindet die Parabase  Werk ist enger zusammengeschweißt
Es gibt 1 Handlung von Anfang bis Ende in 5 Akten
Milieu: Mittelschicht, Bürgerliche, wohlhabende Bauern,...
Fest konstruierte Intrige: junge, intelligente Leute schmieden eine Intrige, um die
dümmeren Alten auszutricksen (Geld, Hochzeit, ...)
1958: Fund eines ganzen Textes von Menandros: „Dyskolos“ (= der grobe Bauer)
bis 1900: kaum Informationen über Menandros
wurde von der römischen Kultur übernommen
 römisches Theater:
- Dominanz: Komödie
- SENECA (4 v. Chr. – 65 n. Chr.): Texte sind zum lesen, nicht für das Theater
- Name von Menandros taucht nicht mehr auf
- Römer kopieren seine Texte und fassen sie zu neuen Komödien zusammen (Name
Menandros wird zwar aufgeführt, aber nicht der Name seines Werkes)
- PLAUTUS (250-184 v. Chr.) :
Schrieb 21 Komödien : z.B. : „Miles gloriosus“, „Aulularia“
Motive aus der neuen griechischen Komödie
Milieu: römisch
Plautus ist vulgärer, gröber und lustiger als Terentius
Fokus auf bestimmte Charaktere  Parodie
Typen: der Geizkragen, der schlaue Diener/Sklave/die schlaue Dienstmagd, prahlender Soldat
(erzählt von
Schlachten, in denen er nie war),...
Intrige kommt immer von der Unterschicht
„Aulularia“ von Plautus und „Der Geizige“ von Molière (1622-1673) gehen auf das Motiv
des Geizigen zurück
- TERENTIUS (185-159 v. Chr.):
6 Komödien
nicht so lustig, Stil ist verfeindet, nicht elegant
wird in der Renaissance sehr geschätzt  Plautus wird erst mit Molière wieder entdeckt
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
59
 Renaissance:
-
Plautus und Terentius werden ins Italienische übersetzt  Weiterbearbeitung von
italienischen Autoren  Tradition wird fortgesetzt
-
Neue Tradition: „Commedia dell arte“ (rein italienische Gattung) im 16. Jhd.
 keine Namen bekannt, alles anonym, weil alles improvisiert wurde
 keine aufgeschriebenen Texte, nur Szenarien (Dario Fo setzt diese Tradition
fort)
 Intrigen (Liebe, Tricks,....)
 Professionelle Schauspieler
 Viel Action, viel Gelächter
 Feste Charaktere (Tradition von Menandros wird fortgesetzt)  HARLEKIN
(= schlauer Diener; startet/leitet die Intrige) / COLUMBINE (weibliche Rolle)
/ PIERROT (dummer Diener)
 Auch weibliche Schauspieler
 Von reisenden Theatergruppen aufgeführt (kam so nach Frankreich) 
Einfluss auf Molière (griechisch-römische Tradition und ebenfalls aus dem
Mittelalter-Theater)
Charakterkomödie
Intrigenkomödie
-
2. MITTELALTERTHEATER: zweite Quelle des Dramas
- Ursprung: Frankreich
- Entwicklung aus der Liturgie der Kirche
- Geht zurück auf 10. Jhd.: Osterereignis wurde gezeigt, weil die Menschen nicht lesen
konnten (Geistliche fungierten als Schauspieler)  zuerst Pantomime  lateinische
Texte  erste Dialoge
- Erstes Krippenspiel
- Sündenfall (Adam und Eva)
- ältester Text: „Jeu d’Adam“ (12. Jhd.)
 wurde nur außerhalb (direkt vor) der Kirche aufgeführt (in französischer
Sprache), weil immer mehr weltliche Elemente dazu kamen – direkt vor dem
Tor: Bühne (Simultanbühne) – zu Beginn waren die Geistlichen immer noch
die Schauspieler
 MYSTERIUMSPIEL:
- streng religiös
- älteste Gattung
- Themen aus dem Alten und Neuen Testament
- Simultanbühne: alle Orte sind gleichzeitig auf der Bühne
Wichtigste Orte: Himmel und Hölle
Keine Akte und kein Vorhang
Hintergrund = Kirche
Geistliche werden durch nicht-geistliche Schauspieler ersetzt
 WUNDERSPIEL=MIRACELSPIEL: 12. Jhd.
- Thema: Heiligenlegenden – Bekehrung
- Hauptperson führt kein tugendhaftes Leben  Bekehrung
- Griechische Technik des Deus ex machina (oft Mutter Gottes)
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
-
60
Immer mehr Realismus
Erste komische Elemente
 MORALITÄT: 1400 und später
- keine Liturgie
- Charaktereigenschaften werden auf der Bühne dargestellt (sehr bliebt: Tugend und
Laster)
- Z. B.: „Jedermann“ (Allegorien) – geht auf eine englische Version des 15. Jhd. zurück
und wurde von Hofmannsthal bearbeitet
- Kampf um die menschliche Seele
 FARCE: 15. + 16. Jhd
- reine Komödie
- Charaktereigenschaften werden lächerlich gemacht
- Menschliche Schwächen werden bloßgestellt
- Haupthandlung: der Schlauere legt den Dümmeren rein
- „Maistre de Pathelin“ (um 1460) – anonym
 Maistre de Pathelin = schlauer Rechtsanwalt wird von einem „dummen“ Hirten
reingelegt
- daraus entwickelten sich die FASTNACHTSPIELE in Deutschland: berühmtester
Vertreter ist Hans Sachs (1494-1576); Sachs schrieb 85 Fastnachtspiele
3. RENAISSANCE:
- Schuldrama:
 ursprünglich Latein, um die Sprache besser zu lernen
 Schüler = Schauspieler
 Themen: Altes Testament (Sündenfall, Kain und Abel,...)
 Sehr moralisierend
- 16. Jhd: Übersetzung des Schuldramas ins Deutsche
- in D wird der Knittelvers verwendet
- beliebtes Thema: Susanna im Bad (alte Lüstlinge wollen Susanna verführen und
missbrauchen  Susanna ist tugendhaft und verneint  Männer gehen mit ihr vor
Gericht  dort wird der Spieß umgedreht und die Männer behaupten, Susanna wollte
sie verführen  Susanna gesteht)
- Sixtus Birch 1632
- französische Stücke wurden in Frankreich an den Höfen vorgespielt  wurden dem
König mit der Zeit langweilig  ließ Italiener ins Land kommen, um italienische
Opern zu hören  französische Stücke wurden ins Dänische übersetzt
- 1721/22: Ludvig Holberg begann mit Charakterkomödie
- Milieu: (neu) betrunkener Bauer
- Holberg folgte den Regeln nicht (schrieb die Komödie zwar in 5 Akten, brach aber
alle anderen Regeln)
- klassischer Aufbau einer Komödie:
1. Akt: Exposition (Personen, Handlung werden vorgestellt)
2. Akt: Intrige
3. Akt: Kulmination (Text spitzt sich zu)
4. Akt: Auflösung der Intrige
5. Akt: Konklusion (Happy End)
Ludvig Holberg (1684-1754): „Jeppe vom Berge“ (1722)
- Holberg schrieb 10 Charakterkomödien und 10-15 Intrigenkomödien
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
61
- war größter und vielseitigster Aufklärer Skandinaviens
- Aufklärung:
Ratio soll uns leiten
Via media (vernünftiger Mittelweg)
Literatur soll aufklären
Muster: antike Literatur
 Klassizismus (Bezeichnung in der Literatur)  1674: L’art poetique
 Rationalismus (Bezeichnung in der Philosophie)
 Deismus (Bezeichnung in der Theologie): Problem: Erklärung des Bösen in der Welt
- Hintergrund für Holberg:
Atheismus war noch nicht erfunden  man glaubte an das Gute in der Welt
Mensch ist gut  kann entscheiden, was gut und was böse ist
Ablehnung von Heiligen, Wundern,....
Französische Revolution: Gott kann nicht gut sein, wenn er so etwas zulässt
- 1720: Holberg begann sein Werk
- komisches Epos „Peder Paars“ (Happy End)  Parodie auf Homer, Vergil und
Cervantes
 Geliebte Dorothea, Diener Peder Rausch
„Jeppe vom Berge“
-
Exposition: Frau Nille stellt Situation vor – Spannung steigt
2. Szene: Konfrontation (Erklärung, warum Jeppe trinkt)
dominantes Motiv: Alkoholismus
Jakob = einer der Schurken
Monolog – Dialog – Monolog – ....
Dialektik
1. Akt / 8. Szene: Beginn der Intrige
auch Aristokrat wird zum Schurken  Intrige wird aber vom Lakaien ins Leben
gerufen
Motiv des „schlafenden Bauern“
2. Akt: langer Monolog von Jeppe – gleiche Dialektik
 Jeppe glaubt, tot zu sein
2. + 3. Akt: Intrige wird fortgesetzt
Jeppe kommt an die Macht  missbraucht sie genauso wie der Baron
4. Akt: Beginn einer neuen Intrige (zieht sich bis in den 5. Akt)
doppelte Intrige: Regeln, wie eine Komödie auszusehen hat, werden nicht befolgt
5. Akt (Ende): moralisierende Botschaft (vom Baron)
Holberg selbst war auch adelig:
In wie weit ist er solidarisch mit Jeppe?
Macht er sich lustig über Jeppe?
Ist der Baron ein Schurke?
 ROMAN
Terminologie:
-
12. Jhd.: in Frankreich Romanz = jedes Werk in der Volkssprache
Roman = dichterische Schaffung in Volkssprache
Roman = Verse
Roman = Epos
„Roman de la rose“ (1230): kein Roman, sondern ein allegorisches Lehrgedicht über
die Liebe in 20.000 gereimten
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
62
Zeilen
„Roman de Renart“: besteht aus 30 Gedichten
Renart = Name eines Fuchses
Satirische Gattung
Personen werden zu Tiergestalten
- „Reinecke Fuchs“ (1794) von Goethe
- „Animal Farm“ von George Orwell
- ab 14. Jhd.: Roman = Prosa
- Definition des Romans:
1. erzählt eine Geschichte (episch)
2. jemand erzählt die Geschichte (es gibt einen Erzähler)
3. hat eine gewisse Größe
4. in Prosa verfasst
-
Geschichte des Romans:
 griechische Antike:
1. heroisches Epos: Homer „Illias“, „Odyssee“ (700 v. Chr.)
Fortsetzung in Rom von Vergil („Aenaeis“)
2. religiöses Epos: Gründer = John Milton: „Paradise lost“ (1667)
Fortsetzung: Klopstock „Messias“ (1748-1773)
3. komisches Epos: „Der Kampf zwischen den Fröschen und den Mäusen“ (ca. 5. Jhd.,
Autor anonym)
Ludvig Holberg: „Peder Paars“ (1720)
-
Epos = erzählendes Gedicht
Germanische Epen gehen auf Sagen aus der Völkerwanderungszeit (5. Jhd.) zurück:
 Edda (Island, 13. Jhd.)
 Beowulf (10. Jhd.)
heroische Epen
 Niebelungenlied (13. Jhd.)
- romanische Völker:
 Chansons des gestes (Lieder der Taten): bauen auf keltischen Sagen auf (König Artus,
Tristan und
Isolde,...)
 Chanson de Roland (im Jahre 1000): Kämpfe von Karl dem Großen
 13. / 14. Jahrhundert: Mittelalter:
- heroisches Epos wird zum Ritterepos
- „Parzifal“ (1200)
- „Tristan und Isolde“
- beide Werke sind noch in Versen verfasst
- Fokus auf psychologische Motive (Treue, Untreue, Verrat,...) und nicht auf die äußere
Handlung
 Renaissance:
-
-
Blüte vor allem in Italien
Dante: „La divina commedia“ (1307-1321): Beschreibt Dantes Reise nach dem Tod in
den Himmel
Ist in Versen verfasst
Ariosto: „Orlando furioso“ (1516)
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
63
-
Ritterepos stirbt in der Renaissance aus
Epos wird nur für religiöse Themen wiederbelebt
Moderner Roman ersetzt Epos
Prosa anstatt gebundener Versform
Fokus immer mehr auf psychologische Wirkung
Held = ein Suchender (Parzifal); besitzt nicht mehr die totale Wahrheit; ist nicht mehr
100%ig gut oder schlecht
- Immer noch Erzähler
Gattungen des Romans:
 Frankreich:
- Wiege des Romans
- Francois Rebelais: „Garganta et Pantagruel“ (begonnen 1522)
In 5 Bänden verfasst
Satirische Darstellung zweier Riesen, die durch Frankreich reisen
Umgebende Wirklichkeit wird geschildert
Zentrum: Mensch und keine Idee
 Spanien:
-
picaresker Roman
Picaro = Schelm, Vagabund, Kleinkrimineller
Picaro reist durch die Gesellschaft
Er ist schlau, begabt, kein glänzender Held  ANTIHELD
Keine heroischen Taten
 Gesellschaftsroman:
- Held reist umher
- sehr beliebter Romantyp
- „Lazarillo des Tormes“: (1554) unbekannter Autor
- England: Henry Fieldings „Tom Jones“ (1749) = erster moderner englischer Roman
(Tom Jones reist durch England, erlebt viele Abenteuer, Happy end)
- Charles Dickens „Pickwick Papers“ (1837)
- Thomas Manns “Felix Krull” (1954)
 Robinsonade:
-
„Robinson Crusoe“ von Daniel Defoe (1719): zivilisierter Schiffbrüchiger kann die
Natur beherrschen (dank seiner Tapferkeit, seiner Tugend,...)
Gegensatz Natur – Zivilisation
 sentimentaler Familienroman:
= Tagebuchroman
= Briefroman
- „Pamela“ von Samuel Richardson (1740-1741): erster Bestseller der Welt ; junges
Dienstmädchen widersteht den reichen Verführer  will sie heiraten (zur Belohnung
für ihre Tugend)
- „Die Leiden des jungen Werther“ von Goethe (1774): Fortsetzung des sentimentalen
Briefromans; Huldigung der passionierten Liebe (Ende: Selbstmord des Werther 
viele Imitatoren); zweiter Bestseller
 Bildungsroman:
-
v. a. in der Romantik
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
-
64
zeigt die innere und äußere Entwicklung eines Menschen von der Kindheit bis zur
persönlichen Reife
Entwicklung wird durch eine Reise dargestellt (endet oft in Italien)
Eigener Wille führt zur Bildung (ohne fremde Hilfe)
Ich-Erzähler (pseudoautobiografisch)
Z.B. Charles Dickens „David Copperfield“ (1849)
 historischer Roman:
- Walter Scott „Waverly“ (1814): historisches Milieu
- Sehr populäre Romane
- Wurde zu einem Jugendbuchroman
 Horrorroman:
- Gothic novel: Milieu = alte Schlösser, Kirchen, Ruinen aus gotischer Zeit
- Mary Shelley: „Frankensteins Monster“
- Heute: Steven King
 Utopischer Roman:
= Zukunftsroman
- Thomas More: „Utopia“ (1516): Zukunftsvision einer Idealgesellschaft
- Francis Bacon: „Nova Atlantis“ (1643): baut auf der Sage rund um Atlantis auf
- Ludvig Holberg: „Niels Klim“ (1741): Niels fällt in Norwegen in ein Loch und kommt
in einer anderen Welt wieder heraus; diese Welt (Potu) wird von Frauen regiert); auf
Latein (wegen Zensur)
- George Orwell: „1984“ (1948): Schilderung einer Diktatur; eigentlich eine Distopie,
weil negativer Ausgang
 PERIODISIERUNG
- Problem der Einteilung der Literatur
- Keine MA-Literatur bei Fritz Paul
- Schweden: viele Runenschriften (über 2000 Inschriften aus dem 11. Jhd.)
- Stilisierte Sprache mit Alliterationen, Kenninger,...
- Nicht bei F. Paul:
 Beginn der ältesten, nordischen Literatur
 Edda
 Sagas
 skaldische Dichtung
 Tradition des Volksliedes
 1200: große Geschichtschronik in DK (Saxo) „Gesta Danorum“
 „Die Offenbarungen der heiligen Brigitta“ (1301-1371): erste große Autorin Skandinaviens
diktierte ihre
Offenbarungen → wurden aufgeschrieben
 Brigitta und Saxo sind die 2 bekannten skandinavischen Dichter, die internationale
Bedeutung hatten
 14. / 15. Jhd.: Spätmittelalter
300-1100: altnordische Periode
1100-1520: Mittelalter
ab 1520: Renaissance
1536: Lutherische Reform
1544: Lutherische Reform in Schweden
danach: Konfrontation zwischen den Anhängern der alten Literatur und der modernen
ab 1620: Barock (16./17. Jhd.)
nicht mehr Latein, sondern Volkssprache
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
65
30jähriger Krieg (1618-1648) war entscheidend für Lebensauffassung und –einstellung
Menschen waren täglich vom Tod bedroht
Hinwendung zur Religion
Architektur: hohe Bauten – zu Gott hin
Kirchenlieder (keine Heldenlieder)
-
literarische Grenze zwischen Europa und Skandinavien
Dänemark = Verbindung zwischen Skandinavien und dem Kontinent
Strömungen kamen aus D,...
Norwegische Romantik erst ab 1830
Schweden war Großmacht nach dem 30jährigen Krieg (auch in der Literatur zu
spüren)
Kriege zwischen Schweden und Dänemark
Heilige Brigitta = erste große Dichterin
ADAM ÖHLENSCHLÄGER – „Die goldenen Hörner“
- Original: „Gulhornene“ aus dem Gedichtband „Digde“ 1803 (Gedichte)
- Ungewöhnlicher Titel, weil die Titel früher blumiger waren
- 17. Jhd.: Barock
- 18. Jhd.: Aufklärung in Skandinavien
dann Romantik → neues Selbstbewusstsein der Dichter (ich bin ein Genie, ...) → Beruf
Dichter bekommt neue Bedeutung
Aufklärung: jeder soll gutbürgerlich leben, wenn gedichtet werden soll, dann nach den
strengen Regeln
- Öhlenschläger bringt Romantik nach Skandinavien
- Schweden: 1807 Durchbruch der Romantik (Grund: Schweden war sehr an Frankreich
orientiert)
Aufklärer leisteten Widerstand gegen die Romantik
- 1806/1807: Krieg Schweden gegen Russland (Grund: Finnland)
Schweden hat Krieg verloren  Rückbesinnung auf die alten Zeiten
- jede Romantik träumt vom goldenen Zeitalter
- goldene Zeit in Skandinavien: Wikingerzeit
- Flucht vor der Gegenwart (z.B. verlorener Krieg)
- Napoleonische Kriege – 1815 Niederlage in Waterloo – Schweden auf der Seite der
Franzosen
- Dänische Flotte von England (Admiral Nelsen) geraubt
- Romantik durch Niederlagestimmung gefördert
- Dänemark verlor Norwegen an Schweden (neuer König Bernadot) – Norwegen blieb
bis 1905 mit Schweden in der Union
- 1815: erstes norwegisches Grundgesetz: Aufbau des neuen Landes  keine Zeit für
Romantik → Durchbruch der Romantik in Norwegen erst 1830
„Die goldenen Hörner“
- Programmgedicht
- In Jütland wurden tatsächlich 2 goldene Hörner mit Runenschrift gefunden
- 1. Horn wurde 1639 von einem Bauernmädchen in der Erde gefunden
- 2. Horn wurde 1734 von einem Bauernjungen in der Erde gefunden
- weil sie in der Erde gefunden wurden, gehörten sie dem Staat und wurden im Museum
ausgestellt
- 1802: beide Hörner wurden von einem deutschen Goldschmied gestohlen und
eingeschmolzen (zuvor wurden Kopien angefertigt)
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
66
- METRIK:
 traditionelle Endreime
 Buchstabenreime (Alliterationen = Reimform der Skaldendichtung): wird bewusst
eingesetzt, weil auch das Thema alt ist
 Öhlenschläger dichtet modern und frei
- Hinweise auf alte Götter (poetische Motive), Aberglaube
- Unterschiede zwischen Rationalismus und Romantik
- INHALTE:
 Auffinden der beiden Schätze aus dem gloriosen Zeitalter
 Archäologen und Philologen (sie) suchen nach dem Schatz, finden aber nichts – goldenes
Zeitalter = Wikingerzeit – Resultat: Was sollen die Götter tun?
- Naturbelebung
- Jungfrau und Sohn der Natur sind TYPEN (keine Individuen)
- Psychologie der Romantik ist eine typologisierende
- Kontrasteffekte: gut – böse, oben – unten, gestern – heute, ...
- Gedicht anscheinend in 1 Nacht in einem Rausch geschrieben
AUGUST STRINDBERG: „Fräulein Julie“ (1888)
- Strindberg gehört zu modernem Durchbruch (Fritz Paul, Seite 194)
- „Fräulein Julie“ = Hauptbeispiel für Naturalismus (genauso wie „Der Vater“, 1887)
- die beiden Stücke werden oft miteinander verglichen
- in beiden Texten: Machtkampf zwischen Mann und Frau ( → typisch für Strindberg),
endet meistens zu Gunsten des Mannes = gequältes Opfer
- „Der Vater“: intrigante Frau treibt ihren Mann in den Wahnsinn, sie lässt ihn
zweifeln, ob er der Vater ihres Kindes ist
Ende: Vater kommt ins Irrenhaus  Sieg der Frau
„Fräulein Julie“
-
Kampf zwischen Mann und Frau
Offenes Ende: Jean (= Untermensch) gibt der Frau ein Rasiermesser, sie verschwindet
damit in einem Zimmer
- Selbstmord der Frau = Sieg des Mannes
- Sympathien liegen bei Fräulein Julie
- Naturalistisches Drama (weil Periode des Naturalismus/Modernen Durchbruchs)
- Vorwort des Stückes wurde erst nach dem Stück geschrieben
- Schauspiel „Fräulein Julie“ als naturalistisches Drama:
 einaktiges Drama (90 Minuten): sehr naturalistisch
 typisch für Naturalismus: Einheit der Zeit (Bühne stimmt mit Wirklichkeit überein)
 keine Szenenwechsel (erinnert an: Einheit der Zeit, der Handlung und des Ortes)
 keine Erneuerungen
 Pantomime (Sommernachtstanz, Seite 60): lockert stramme Form auf
- Inhalt: naturalistisch; wahre Geschichte (Naturalismus will Wahrheit abbilden)
- Motiv des „Darwinismus“: wir sind von unserem Erbe bestimmt; nur der Stärkste
überlebt (Jean gegen Julie)
- Konzentrierte Handlung (leicht zu verfolgen)
- Julie (zirka 25 Jahre) flirtet in einer Mittsommernacht mit Jean (= Diener des Vaters)
 Jean verführt Julie  Vorschlag, zusammen in die Schweiz zu fliehen  Julie
verzweifelt vor Scham  (sexuelle) Zuneigung gegenüber Jean  er ändert seine
Meinung über die Flucht und übt hypnotischen Einfluss auf sie aus  Selbstmord
Julies
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
-
67
Jean: Opportunist; ursprünglich Arbeitersohn, will aber ein Edelmann sein
Nicht nur negativer Charakter
Vertreter von etwas Neuem  wird Aristokratie verändern („Mann aus der Zukunft“)
- Julie kommt aus dem alten Genre (Adel)
- Jean = Sieger (im Vorwort sind die Sympathien noch auf seiner Seite, im Text
verschwinden sie)
- Der psychologische Kampf zwischen 2 Menschen steht mehr im Vordergrund als das
soziale Motiv
- Schwerpunkt: psychologischer Bereich
- Motiv des sozialen Aufstiegs und Falls ist trotzdem anwesend
- Träume: wichtiger Aspekt (z. B. Seite 55)
 Julie träumt, sie sitzt auf einer Säule und fällt runter
 Jean träumt, er liegt unter einem Baum und will nach oben
- der Fall Julies bedeutet den Verlust ihrer Noblesse  Sieg für Jean
- Kampf zwischen den beiden wächst
- Julie siegt doch als Aristokratin
- Offenes Stück, weil nicht alles schwarz-weiß ist
- Werk geht über strikten Naturalismus hinaus
- Vergleich mit Holbergs „Jeppe vom Berge“
- Vorwort von „Fräulein Julie“ = Programm, in dem die Charaktere und die Zustände
erklärt werden
- Holberg brauchte kein Vorwort, weil:
 er in einer festen Tradition schrieb
 der Epilog alles erklärt
 er die Leser zum Denken anregen wollte
 die Zensur eingegriffen hätte
- Vorwort (ein paar Stichworte):
 charakterloser Charakter
 offener Charakter
 Unbeweglichkeit der Seele
 moderner Charakter
 gute Menschen im Naturalismus = die Fortgeschrittenen
 schlechte Menschen im Naturalismus = die Konservativen
- Traumspiele (z.B. Jean tötet Vogel = Vorraussage)
- Kristin: kocht am Beginn für Julies Hund, der sich mit einem Mops eingelassen hat 
deutet auf Verhältnis zwischen Jean und Julie hin  Symbolik
- Dialog: (Seite 768) Gespräch soll wie Tonbandaufnahme sein
- Pantomime, Monolog, Ballett (Seite 769)
- Monolog: soll nur im Inneren oder im Gespräch stattfinden, ansonsten unnatürlich
(vlg. Holberg: Beginn von „Jeppe vom Berge“ = Monolog Nilles)
- Dekoration (Seite 771): soll nur angedeutet werden  Fantasie soll angeregt werden,
Dekoration ist unwichtig
- Keine erhöhte Bühne, weil dies unnatürlich wirkt (alles auf gleicher Höhe)
- Keine Rampenleuchten
- Kein Souffleur
- Keine Schminke
- Zuschauerraum soll dunkel sein
- Zuschauer müssen still sein (Ruhe in den Logen)
- Reaktionen: Inhalt konnte oft nicht akzeptiert werden, Reformen wurden angenommen
 DER MODERNE DURCHBRUCH UND DIE ZEIT BIS ZUR JAHRHUNDERTWENDE
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
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- Gustaf Fröding
- Johannes V. Jensen
- Martin Andersen Nexø (DK)
- Sigbjørn Obstfelder (NOR)
- Heute:
 Kriminalroman: Blütezeit in Skandinavien (viele Frauen, Autorinnen)
 Sozialkritik in Form des Kriminalromans (60er/70er)
- Endideologisierung der Literatur
- Themen:
 Ökologie, Umwelt
 Rolle der Frau (nicht mehr so wie in den 70ern )
 Romantik (positiv, Liebe): man darf wieder verliebt sein und (gut) darüber schreiben
 Realismus / Neorealismus
- Systemdichtung (um 1965):
 Dichtung = sprachliches System (wie Lego)
 Sinn kommt erst nach der Struktur
- Vagn STEEN: Band „Schreib selbst“ („Skriv selv“) = gebundenes Buch mit leeren
Seiten
- 10teilige Romane zum selber gestalten
- Beispiel:
Schweigen
schweigen
schweigen
Schweigen
schweigen
Schweigen
schweigen
schweigen
SIGBJØRN OBSTFELDER – „Rosen“
Titel:
- Rosen = Metapher
- Rote Rosen: Liebe, Leidenschaft, Blut, Gefühle
- Verwelkte Rosen: H.C. Andersen fungierte auch als Blumendekorateur und steckte in
einen frischen Blumenstrauß
gerne 1 verwelkte Blume  Motiv des „memento mori“ (Barock)
Form:
- reimlos (auch keine Reime in der Originalfassung)
- musikalische Hinweise (Wiederholungszeichen, piano, pianissimo, furioso, moriendo)
- wann: Winter (es schneite Rosenblätter), Mittag, Kirche
 4 Jahreszeiten: keine chronologische Anordnung
 Adjektive blond, gelb, rot, weiß (Spiel mit den Farben)
- wo: Begräbnis, Sarg, Kirche (sterben, verwelken, weinen, Herbst, Winter)
- wer: Frau und Mann
- Rosenkuss: Kuss = positiv
- Frau = Tod?  Kleid der Frau = Kleid des Todes?
- Es schneit so leicht  positiv
- Es schlägt – es schlägt (Herz)  Rosenteppich legt sich auf das Herz
- Auge: sterbende Augen  Todessymbol
- Millionen von Rosen: alle Menschen trauern
- Strahlend. Ich bin blind. Ich sehe nicht: er wurde geblendet
- Ende: DU?
 wer ist das du? – die Frau? Gott?
CLAES GILL (1910-1973) „Fliehende Jugend“ (1956)
- 1 Überschrift
Sprachwissenschaftliches Einführungsproseminar II
-
2 kurze Strophen
Bild / Thema wird in dem Titel vorgestellt
1. Strophe:
 kein ruhiges Bild – Bild besteht aus Bewegung
 Jagdbild, hetzend, bedrohlich, Tod
 Tier = Jugend
- 2. Strophe:
 Statik
 Ruhe
- künstlicher Gegensatz zwischen der ersten und der zweiten Strophe
- Jäger wartet auf das Schießen, Gleichgültigkeit, kein Mitleid
- Todesgedicht
- Kein Kirchenlied: Gott würde nicht als Jäger dargestellt werden
69
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