Ⅰ. Kleinere Beiträge zur Goetheforschung Ⅱ. Reden und Ansprachen Ⅲ. Herkunft und Lebenslauf Ⅳ. Publikationsliste Ⅴ. Weltkulturerbe Regensburg Ⅰ. Kleinere Beiträge zur Goetheforschung: Goethes Bedeutung für die japanische Bildungstradition* 1. Bildung im japanischen Verständnis Im Rahmen des japanisch-deutschen Kolloquiums zur „Bedeutung der Geisteswissenschaften“, das am 30. März 1996 in Kyoto von der Alexander von Humboldt-Stiftung veranstaltet wurde, soll im folgenden ein japanischer Aspekt des nach wie vor so aktuellen Problems von Bildung betrachtet werden. Die Frage nach Goethes Bedeutung für die japanische Bildungstradition impliziert grundsätzlich dreierlei: den japanischen Begriff der Bildung, die Vermittlungsweise dieser Bildung in Japan und Goethes Wirkung darauf im geschichtlichen Verlauf. Im Deutschen ist der Unterschied zwischen Erziehung und Bildung manchmal nicht ganz eindeutig, wie man von Schulbildung oder Bildungsanstalt spricht. Dagegen unterscheidet man im japanischen Wortgebrauch deutlich zwischen Erziehung und Bildung. Erziehung (kyoiku) meint die schulische Ausbildung einschließlich des Hochschulstudiengangs, während Bildung (kyoyo) etwas Schöngeistiges, Künstlerisches, ja Kulturelles überhaupt bedeutet, also etwas, was man über die schulische Erziehung oder berufliche Ausbildung hinaus sich geistig an- und zueignet.1 Ein Naturwissenschaftler gilt als gebildet, wenn er musizieren oder malen kann. Ein Sozialwissenschaftler ist gebildet, wenn er literarische Essays schreiben kann. Aber wie steht es mit den Geisteswissenschaftlern, die sich anscheinend mit der Bildung als solcher beschäftigen? Sind sie per se gebildet, oder müssen sie etwas anderes erstreben als ihre Fachwissenschaft, um gebildet zu sein? Wer sich allerdings mit Goethe beschäftigt, hat insofern seine Vorteile, als Goethe nicht nur Dichter, sondern auch Naturforscher, Kunsthistoriker, Literaturkritiker, Philosoph, nicht zuletzt Politiker gewesen ist. Darf er sich doch erlauben, von der Germanistik aus Grenzüberschreitungen zu verschiedenen Disziplinen zu unternehmen, so daß er eventuell als allseitig gebildet angesehen werden könnte, wenn er nicht gerade einem seichten Dilettantismus anheimgefallen ist. Aber ein Goetheforscher, der sein Leben lang nur Goethe studiert und darüber hinaus nichts weiß, kann wiederum als Fachidiot übergebildet oder sogar verbildet sein.2 Was die Vermittlung der Bildung in Japan anbelangt, so erfolgt sie speziell hinsichtlich der Weltliteratur als des wichtigsten Bildungsmittels entweder durch die Übersetzer oder Lehrer. Bei jenen besteht ihr Lesepublikum aus unbestimmten Gebildetenkreisen, die sich in manchen Fällen schwer erfassen lassen. Bei diesen ist ihr Verhältnis zu den Schülern von entscheidender Wichtigkeit und im großen und ganzen erfaßbar. Abgesehen von der bedeutsamen Rolle der Übersetzer, kommt also vor allem dieses Schüler-Lehrer-Verhältnis in der Goetheforschung für die japanische Bildungstradition in Betracht. Den geschichtlichen Verlauf der Bildungstradition, die sich seit dem Anfang der Meiji-Zeit unter der immer stärkeren Wirkung Goethes heranbildete, könnte man dabei dezennienweise gliedern, und zwar in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts die ersten Kenntnisse über die deutsche Literatur erblicken, dann in den achtziger Jahren die Studienaufenthalte der ersten Goethekenner in Amerika oder Europa, in den neuziger Jahren die begeisterte Aufnahme des Werther, im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts die allmähliche Lektüre des Faust und schließlich die Etablierung der japanischen Germanistik in den zwanziger Jahren im Anschluß an die Übersetzung von Wilhelm Meisters Lehrjahren.3 Merkwürdigerweise kam die Blütezeit der Goetheforschung in Japan erst in den dreißiger Jahren herauf.4 Diese dezennienweisen Einzelphasen kann man aber auch vor und nach dem epochemachenden Übersetzer Mori Ogai gliedern und folgendermaßen charakterisieren. Nach der eigentlichen Einführung der deutschen Literatur durch ihn hat sich die literarische Jugend in Japan zuerst für den Werther und dann für den Faust begeistert, bis die Germanisten als Fachphilologen des deutschen Bildungsromans an den Universitäten hervortraten.5 Zur Veranschaulichung dieses Prozesses sollen zunächst die drei Bilder im Anhang dienen. Im Jahre 1832 veröffentlichte der schottische Goetheverehrer Thomas Carlyle in „Frazers Magazine“ einen kleinen Aufsatz „Goethes Porträt“ und setzte wie folgt ein: „Leser! Hier siehst du das Bildnis Johann Wolfgang Goethes. So lebt und leibt jetzt in seinem 83. Jahre, weit entfernt, in dem heiteren freundlichen kleinen Kreise zu Weimar der ‚klarste, unversellste Mann seiner Zeit‘.“6 Es handelte sich bei diesem Bildnis um die Zeichnung von Daniel Maclise, die auf eine Skizze Thackerrays nach dem Leben unter Benutzung des Stieler-Kopfes zurückgeht. Des Bayerischen Hofmalers Joseph Karl Stieler Aquarell mit farbiger Kreide, besonders sein Ölgemälde von 1828 im Besitz der Neuen Pinakothek zu München ist weltbekannt. Die Zeichnung von Maclise, deren Wiedergabe in der Zeitschrift gänzlich mißlungen sein und einer unfreiwilligen Karikatur geglichen haben soll, dürfte Ihnen weniger bekannt sein. Aber noch weniger bekannt ist Ihnen sicherlich eine Goethe-Zeichnung in Kimono und Geta, die Tadashi Kogawa, Gründer des Goethe-Gedächtnismuseums in Tokyo, zum Goethe-Jahr 1982 entworfen hat. Nebenbei bemerkt, hat diese Zeichnung Manfred Osten in seinem Artikel „War Goethe ein Japaner?“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 21. Oktober 1987 veröffentlicht. Was an diesen drei Bildnissen symbolisch zutage tritt, ist ein verschlungener Wandlungsprozeß der Goethe-Rezeption von Deutschland über England und Amerika nach Japan, auf den hier nicht eingegangen werden kann, zumal er gleichzeitig die Wissenschaftsgeschichte der Germanistik selbst darstellt. Soll dieser rezeptionsgeschichtliche Vorgang trotzdem in groben Zügen angedeutet werden, so läßt sich sagen, daß zuerst der deutsche Idealismus einschließlich der Dichtung von Goethe und Schiller auf Thomas Carlyle mit dessen Heldenverehrung stark gewirkt hat und sodann aus ihm einerseits eine Rückwirkung auf den deutschen Kunsthistoriker Hermann Grimm und andererseits eine Weiterwirkung auf den amerikanischen Denker Ralph Waldo Emerson hervorgegangen ist.7 2. Bildungsidee im Zuge der Goethe-Rezeption Bekanntlich ist Hermann Grimms Goethebild, wie es in seinen Berliner Goethe-Vorlesungen von 1874/75 großartig ausgeführt ist, richtungsweisend für die weiteren Goethe-Auffassungen in Deutschland geworden. Das bedeutet, daß auch die Goethe-Rezeption in Japan indirekt mehr oder weniger unter seinem Einfluß gestanden hat, soweit sie seit Mori Ogai unmittelbar auf dem Weg der deutschen Germanistik erfolgt ist. Vor Mori Ogai, der in den Jahren 1884-88 in Deutschland als Hauptfach Medizin studierte, hatten die japanischen Literaturkritiker ihre Kenntnisse über Goethe vor allem aus den damals bekannten zwei Werken entnommen: August Friedrich Vilmar, Geschichte der Deutschen National-Litteratur (Marburg / Leipzig 1845) sowie Robert Koenig, Deutsche Literaturgeschichte 2 Bde. (Bielefeld/Leipzig 1879). Vilmars Literaturgeschichte war allerdings in erster Linie „der durchgeführte Gedanke von der Größe und Herrlichkeit der mittelalterlichen epischen Volksdichtung, mit ihrer Ehre und Treue bis in den Tod […] es ist ferner die aufrichtige schöne Gerechtigkeit, mit der die Dichter der neueren Zeit nach ihrem nationalen Gehalte gewürdigt wurden.“8 Und Robert Koenig hatte vor, „ein anschauliches, wenn auch nicht erschöpfendes Bild des Entwickelunganges unserer deutschen Dichtung im Rahmen unserer ganzen Kultur darzubieten“.9 Mori Ogai war freilich noch kein Germanist im eigentlichen Sinne. Mehr literaturkritisch als philologisch eingestellt, hatte er viele zeitgenössische Werke aus der deutschen Literatur ins Japanische übersetzt, bevor er 1913 dem japanischen Lesepublikum die erste Gesamtübersetzung von Goethes Faust zusammen mit den gesondert erschienenen Auszügen von Albert Bielschowskys Goethe-Biographie und Kuno Fischers Faust-Studien vorlegte. Obwohl die ersten japanischen Übersetzungen sowohl von dem Werther-Roman als auch von dem ersten Teil des Faust bereits 1904 erschienen waren, erwiesen sie sich sprachlich als steif und kaum genießbar. So waren denn auch die jungen Dichter und Schriftsteller der Meiji-Zeit weitgehend auf die englischen Übersetzungen angewiesen, wie z.B. The Sorrows of Werter (1892) in Cassell’s National Library, Faust. A Tragedy (1871) in der Übersetzung von Bayard Taylor oder Wilhelm Meister’s Apprenticeship (1824) in der Übersetzung von Thomas Carlyle. Carlyles englische Übersetzung von Wilhelm Meisters Wanderjahren (1827) scheint in Japan keine nennenswerte Beachtung gefunden zu haben, weil sie auf der ersten Fassung des noch nicht vollendeten Werkes beruhte. Als Vorgeschichte der japanischen Goethe-Rezeption gilt es jedoch diese literarhistorischen Zusammenhänge auf dem Weg über England und Amerika eingehender zu untersuchen. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, daß die literarisch interessierte japanische Jugend frühzeitig nicht nur vom Werther als dem befreienden romantischen Liebesroman, sondern auch vom Wilhelm Meister als dem deutschen Bildungsroman sehr angetan war. Die Germanistik als akademische Disziplin in Japan nahm ihren Anfang, als im Jahre 1893 der Lehrstuhl dafür an der Kaiserlichen Universität zu Tokyo eingerichtet wurde. Da aber die Lehrkräfte dort jahrelang vorwiegend durch deutsche Professoren wie Karl Florenz, Joseph Dahlmann SJ u.a.m. vertreten waren, würde man die institutionell etablierte japanische Germanistik erst mit Teisuke Fujishiro ansetzen, der im Jahre 1907 als der erste japanische Lehrstuhlinhaber der Germanistik an die zehn Jahre zuvor gegründete Kaiserliche Universität zu Kyoto berufen wurde. Hier eröffnete er mit seinen Kollegen und Schülern eine Übersetzungsreihe mit der Klassikern der deutschen Literatur und trug sich mit dem Gedanken, den ganzen Faust selbst ins Japanische zu übertragen, bis der frühe Tod ihn daran hinderte. In der Reihe fand übrigens die erste japanische Übersetzung von Wilhelm Meisters Lehrjahren Aufnahme, die 1920 erschienen war, deren Druckvorlage aber durch das große Erdbeben im Kanto-Gebiet vernichtet wurde. Goethes Bildungsroman, auf japanisch zunächst „kyoyoteki shosetsu“ oder „shuyo shosetsu“ genannt, wurde auf diese Weise relativ spät dem japanischen Lesepublikum zugänglich gemacht, während Mori Ogais Faust-Übersetzung durch die Aufnahme in die Iwanami-Taschenbuchreihe im Jahre 1928 unter den japanischen Gebildeten immer populärer geworden ist. Die führende Rolle Kyotos in der damaligen Germanistik zeigt sich unverkennbar darin, daß die Goethe-Gesellschaft in Japan im Jahre 1931, also ein Jahr vor der Säkularfeier Goethes, nicht in Tokyo, sondern in Kyoto gegründet wurde, wenngleich Shokichi Aoki, Professor an der Kaiserlichen Universität zu Tokyo, zum ersten Präsidenten gewählt worden war. Vizepräsident wurde natürlich Kiyoshi Naruse, Professor an der Kaiserlichen Universität zu Kyoto, der das japanische Übersetzungswort für „Sturm und Drang“ ein für allemal geprägt hat, und der junge Dozent Toshio Yukiyama in Kyoto, der später als erster das Nibelungenlied aus dem Mittelhochdeutschen ins Japanische übersetzen sollte, zum geschäftsführenden Vorstandsmitglied ernannt. Kiyoshi Naruse löste nach einigen Jahren den erkrankten Präsidenten Shokichi Aoki ab und wechselte nach dem Krieg zur Keio-Universität in Tokyo über. Es kommt daher, daß die Goethe-Gesellschaft in Japan im Jahre 1958 nicht in Kyoto, sondern in Tokyo durch Professor Morio Sagara wiederaufgebaut worden ist. Schon der 1. Band des Japanischen Goethe-Jahrbuchs zur Hundertjahrfeier 1932 stellt in Umfang und Vielfalt der Thematik einen Gipfel der bisherigen Goetheforschung in Japan dar. Versucht er doch mit dem ehrwürdigen Ölgemälde Stielers als Titelbild, „Goethes geistiges Bild im großen und ganzen“ zu demonstrieren, wie es im Nachwort des Redaktionskomitees heißt, und der Schriftleiter bewundert angesichts der Vielzahl der beigesteuerten Aufsätze den inspirierenden Genius Goethe, der „das Weltall übersteigt und es doch umfaßt“. In der Tat kommt darin das Weltbürgertum Goethes hervor, das die japanischen Gebildeten seit ihrer geistigen Begegnung mit diesem deutschen Dichter anzog. Es schreiben nämlich renommierte Autoren verschiedenster Provenienz – außer den Germanisten von Philosophen bis zu Naturwissenschaftlern – über die Themen, die sämtlich das facettenreiche Wesen des Universalisten zu beleuchten suchen. Zur Sprache gelangen da der Reihe nach Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre, Goethe als Naturwissenschaftler, sein Verhältnis zur platonischen Liebe, Botanik, Erziehung sowie Musik, Erläuterungen über seine Lyrik und sein Konzept der Weltliteratur. Ihnen folgt der durch die deutsche Übersetzung Robert Schinzingers berühmt gewordene Aufsatz von Kitaro Nishida „Der (metaphysische) Hintergrund Goethes“.10 Es befinden sich sodann Aufsätze über den West-östlichen Divan, die Freundschaft zwischen Goethe und Schiller, die zwei Seelen im Faust, Goethes Verhältnis zu Asien, Religionen, Märchen sowie Kunstgeschichte. Zum Abschluß werden noch Probleme von Goethe-Biographie, Goethes Iphigenie, sowie Goethes Beschäftigung mit Kant aufgegriffen. Außerdem sind auch deutsche Professoren bzw. Lektoren wie Erwin Jahn, Erwin Meyenburg, Anna Miura, Johannes Müller SJ jeweils mit Beiträgen über Heines Goetheporträt, Goethes Novelle Der Mann von funfzig Jahren, die Hauptdramen Goethes und die Goethische Prosaepik vertreten, so daß jeder Goethefreund sich für sein Spezialinteresse persönlich angesprochen fühlen konnte. Wenn man das alles als Aspekte der Selbstbildung bei Goethe auffaßt, so stößt man ohne weiteres auf eine Bildungsidee, die sich zugleich als Ideal für die akademische Jugend in Japan auswirken mußte. Wie daraus deutlich hervorgeht, daß ein Aufsatz über Wilhelm Meisters Lehrjahre vorangestellt wurde, war Goethe im Laufe der Taisho-Zeit vom weltschmerzlichen Dichter des Werther zum Repräsentanten des bürgerlichen Zeitalters avanciert und hat die japanische Bildungstradition wesentlich mitgestaltet. Denn der Bildungsweg von Wilhelm, den man im allgemeinen mit Faust als Goethes Doppelgänger betrachtet, ist dadurch gekennzeichnet, daß er in der Jugend Zeit genug hatte, sich in Liebe und Liebhaberei zu verirren, um dann schließlich vom bürgerlichen Kaufmannssohn zu einem Geistesadel im Wohlstand erhoben zu werden. Das entsprach ohne Zweifel der Lebens- und Denkweise vieler Oberschüler der alten Kotogakko, die bekanntlich nach dem deutschen Gymnasium ausgerichtet war, und vieler Studenten an den Universitäten der Vorkriegszeit, die als geistige Elite eine gute Aussicht und Chancen genug hatten, überall in der Gesellschaft eine Karriere zu machen. Daß man der deutschen Sprache mächtig ist, war überhaupt die Voraussetzung aller Bildung, galt ja manchmal sogar als Bildung schlechthin. Leider ist es heute nicht mehr der Fall. 3. Anglo-amerikanisches Ideal von Humanities Aber daß die Bildung als solche in Japan noch immer hochgeachtet wird, geht meiner Meinung nach ebenfalls auf die anglo-amerikanische Bildungstradition zurück, in der MeijiZeit insbesondere auf den Einluß eines Carlyle, Emerson oder Matthew Arnold, die alle Goethe zugetan waren, und in der Nachkriegszeit auf das allgemeinbildende Curriculum, das nach dem ursprünglich mittelalterlich-europäischen, heute aber faktisch amerikanischen Modell von liberal arts bzw. Humanities landesweit in die japanischen Universitäten eingeführt worden ist. Da diese Stufe der Bildung traditionsgemäß in Deutschland bereits im humanistischen Gymnasium absolviert wird, hat die deutsche Universität mit ihren hohen Ansprüchen auf Forschung und Lehre nach dem Krieg nicht so sehr als Modell für das japanische Bildungswesen dienen können. Hier liegt im übrigen ein kulturpolitisches Problem für die Bundesrepublik Deutschland, wenn deutsche Hochschulen für Ausländer, also auch für die japanischen Studenten in der Undergraduate school, attraktiver gemacht werden wollen, wie Bundesaußenminister Klaus Kinkel neulich in einer Weimarer Rede hervorgehoben hat.11 Die größte Schwierigkeit für die Anpassung an das deutsche Hochschulwesen besteht m.E. darin, daß man in Deutschland normalerweise mit neunzehn Jahren Abitur macht und grundsätzlich nur die staatlichen Universitäten zu besuchen hat, deren Studium nicht nach dem amerikanischen EinheitenSystem, sondern mit einem erfolgreichen Staatsexamen oder durch den Erwerb eines Magister- bzw. Doktorgrades abgeschlossen werden kann. Das Staatsexamen kommt jedoch für ausländische Studenten gar nicht in Frage. Außerdem ist das Hochschulstudium in Deutschland gebührenfrei, so daß ein Studentenaustausch mit den japanischen Universitäten mit hohen Studiengebühren finanztechnisch sehr schwierig ist. Es ist nun in Kunst und Wissenschaft der Lehrer, der das Wissen tradiert. So verhält es sich auch in der Bildungstradition. Die meisten Hochschullehrer in Japan sind bis vor kurzem entweder selbst in der Bildungstradition der alten Kotogakko geistig aufgewachsen oder noch von traditionsgebundenen Lehrern ausgebildet worden. In dieser wissenschaftlichen Atmosphäre war Goethe mit seiner ästhetisch-ethischen Einstellung und seiner politisch konservativen Haltung mit dem althergebrachten Konfuzianismus gut vereinbar. Worte aus Konfutses Lun Yü waren den japanischen Oberschülern und Studenten noch ebenso geläufig wie seinerzeit Bibelzitate oder Eckermanns Gespräche mit Goethe den deutschen Gebildeten. Wer von Ihnen kennt nicht den Spruch von Konfutse „Lernen und fortwährend üben: Ist das denn nicht befriedigend? Freunde haben, die aus fernen Gegenden kommen: Ist das nicht auch fröhlich?“ oder einen anderen wie „Lernen und nicht denken ist nichtig. Denken und nicht lernen ist ermüdend.“?12 Es ist wie wenn man in Goethes Maximen und Reflexionen läse oder an Kant erinnert würde, der gesagt hat: „Erfahrung ohne Begriffe ist blind, Begriffe ohne Erfahrung sind leer.“ Konfutse hatte zwar in Laotse, dem Begründer des Taoismus, seinen Gegner, und Goethe hatte in Ludwig Börne, Heinrich Heine oder Wolfgang Menzel seine Kritiker, und es war gut so. Fochte doch Goethe selbst mit Schiller in den Xenien eine literarische Fehde aus. Wer sich aber nach Herman Grimm mit Goethe beschäftigt, ist ständig mit der Gefahr konfrontiert, einem prekären Goethekult zu verfallen und somit zur Kritiklosigkeit gegen Goethe verurteilt zu werden. Einer solchen Gefahr vorzubeugen wäre eigentlich die pädagogische Aufgabe eines einsichtigen Lehrers gegenüber seinen Schülern. Schlimm ist nur, wenn der Lehrer selbst dem Goethekult verfällt und angeblich daran als einer geheiligten Bildungstradition festhalten will. In den dreißiger Jahren wirkte sich besonders die nationalistisch übersteigerte Faust-Ideologie auch in Japan verhängnisvoll aus, da man den Universalisten Goethe mehr oder weniger bewußt auf den deutschen Faust-Mythos hin interpretierte. Symptomatisch erscheint daher im nachhinein, daß im 1. Band des Japanischen GoetheJahrbuchs ein Blatt aus Goethes biographischem Schema zu Dichtung und Wahrheit in getreuer Nachbildung seiner Handschrift wiedergegeben war. Durch Umstellung der Zeilen auf Grund eines Hakens lautet der Text wie folgt: „Ausbreitung der französischen / Sprache u. Cultur / Ursachen früher / in der Dipl. An der Stelle der lateinischen / allgemeine Communicale / Aufhebung der deutschen / Dialekte / Zusammendrängen der deutschen / Expansion der letzteren.“ Die letzten zwei Zeilen, die sich ursprünglich auf die ersten zwei Zeilen bezogen, lassen sich so lesen: Zusammendrängen der deutschen Sprache u. Cultur / Expansion der letzteren, d.h. deutschen Sprache u. Cultur. Der Text deutet auf eine literaturgeschichtliche Konstellation in der Sturm- und Drang-Periode, und man kann nichts dagegen sagen, daß Herder gegen Gottscheds rationalistische Literaturtheorie auftrat und Shakespeare gegen die französische Literatur ausspielte.13 Durch Herders Anregungen begeistert, hat auch der junge Goethe das Straßburger Münster im gotischen Baustil anachronistisch als deutsche Baukunst gepriesen, wiewohl es an sich nur Ausdruck seiner neuen Kunstanschauung war. Aber bald nach der Gründung der Goethe-Gesellschaft in Japan sollte Goethes Weltbürgertum zu einem nationalistisch gefärbten Goethekult verengt werden, indem nun Faust für das Menschenbild Goethes in der Showa-Zeit bestimmend geworden und Wilhelm Meister, insbesondere Wanderjahre mit der Pädagogischen Provinz, für Goethes Gesellschaftsund Religionslehre in Anspruch genommen worden ist. Derjenige Hochschullehrer, der dazu in entscheidender Weise Vorschub geleistet hat, war Kinji Kimura, der Nachfolger von Shokichi Aoki auf dem Lehrstuhl der Germanistik an der Kaiserlichen Universität zu Tokyo. Da der Goetheforscher einen tüchtigen Schülerkreis gehabt und als der bedeutendste Multiplikator wieder eine Anzahl neue Goetheforscher ausgebildet hat, war sein geistiger Einfluß von großer Tragweite, dessen Auswirkungen heute noch zu spüren sind. 4. Die deutsche humanistische Tradition Es wäre absurd zu sagen, durch die völkische Literaturwissenschaft eines Walther Linden sei auch die japanische Germanistik gleichgeschaltet worden. Wie in Deutschland gab es unter den japanischen Goetheforschern, die im Laufe der dreißiger Jahre eine führende Rolle in der Germanistik spielten, opportunistische Mitläufer, Lehrstuhlinhaber, die nachträglich in die nationalsozialistische Kulturpolitik verwickelt wurden, und Hochschullehrer, die in eine innere Emigration gingen. Am Scheidepunkt stand in dieser Hinsicht das 1932 vom JapanischDeutschen Kultur-Institut Tokyo herausgegebene Heft „Japanisch-deutscher Geistesaustausch“ Nr. 4 mit dem Titel Goethe-Studien. Das Heft enthielt vier deutsche Beiträge: Thomas Mann, An die japanische Jugend, Fritz Strich, Goethe und unsere Zeit, Erwin Jahn, Goethe und Asien, Walter Donat, Goethes Vermächtnis in der Gegenwart. Wie im Vorwort bemerkt, war es das erstemal, daß ein deutscher Schriftsteller von dem Rufe eines Thomas Mann sich unmittelbar an die Leserwelt Japans wandte, und die Gesprächsstelle mit Eckermann, an die er sofort anknüpfen wollte, war Goethes bekannte Aussage über die Weltliteratur als Gemeingut der Menschheit: „An diese Worte des majestätischen, aus kernigstem Deutschtum in überschauende Größe emporgewachsenen Greises muß ich denken, da mir der ehrenvolle und rührende Auftrag zuteil wird, der ostasiatischen Festpublikation zu hundertstem Tage, diesem seinem Leben und Werk gewidmeten Sammelwerk hervorragender japanischer Gelehrter ein deutsches Vorwort zu schreiben, es mit einem Gruß aus dem Geburtslande des Gefeierten zu versehen. Weltliteratur!“14 Schon damals warnte Thomas Mann vor den „Provinzlern des Geistes“, die die naheliegende Gefahr der Verwechselung des Weltfähig-Weltgültigen mit dem nur Weltläufigen, einem minderen internationalen Gebrauchsgut, mit Vorliebe zur nationalen Diskreditierung allgemein anerkannter Leistungen ausnützen: „Geflissentlich nennen sie den echten und den wohlfeilen Weltruhm in einem Atem und meinen so das Mehr-als-Nationale zugleich mit dem Unter- und Zwischennationalen zu verunglimpfen.“15 Nach Thomas Mann war Goethes Kosmopolitismus „klassische Vorform dessen, was durch einen späteren Weltdeutschen, Nietzsche, den Namen des ‚guten Europäertums‘ erhalten hat.“ Wie vorhin erwähnt, legt Goethes vorwegnehmendes gutes Europäertum in seinem Verhältnis zu Carlyle und Emerson ein beredtes Zeugnis ab und erweitert sich zu einem weltumfassenden Kosmopolitismus, indem es durch ihre Vermittlung zunächst in Japan rezipiert und dann vorerst über Japan nach Korea und China getragen worden ist. Thomas Carlyles Hauptwerke, somit auch seine Briefe an Goethe und Goethe-Essays sind schon lange ins Japanische übersetzt und haben noch vor Mori Ogai den japanischen Gebildeten ein nicht auf Faust, sondern auf Wilhelm Meister beruhendes Goethebild vermittelt. Da die beiden protestantischen Denker der Meiji-Zeit, Kanzo Uchimura und Inazo Nitobe, geistig bei ihm in die Schule gingen, wurde es durch ihre erzieherische Tätigkeit in ganz Japan verbreitet und übte über den engeren Germanistenkreis hinaus einen nachhaltigen Einfluß aus. Dagegen erwies sich Goethes Roman Die Wahlverwandtschaften aus verständlichen Gründen als wenig einflußreich. Neben Carlyle war es der amerikanische Philosoph Ralph Waldo Emerson, der eine ähnliche Rolle bei der Goethe-Rezeption in Japan gespielt hat. In seinem populärsten Buch Vertreter der Menschheit widmet er sein letztes Kapitel Goethe dem Schriftsteller, das wiederum ein etwas anderes Goethebild vermittelt hat als das später durch die deutschen Goetheforscher beschworene mythische Goethebild. Ohne etwa den Genie-Gedanken geistesgeschichtlich auszumalen, schreibt Emerson z.B. schlicht essayistisch: „Goethe kam in eine überzivilisierte Zeit und in ein überzivilisiertes Land, wo ursprüngliches Talent unter der Bürde von Büchern und mechanischen Hilfsmitteln und unter der verwirrenden Mannigfaltigkeit von Be-strebungen zu Boden gedrückt wurde. Da war er es, der die Menschen lehrte mit diesem bergehohen Mischmasch fertig zu werden und ihn sich sogar dienstbar zu machen.“16 Angesichts der inzwischen uferlos gewordenen Goethe-Fachliteratur ist ein solcher Schreibstil wohl zu beherzigen, um den Dichter den heutigen Menschen in Ost und West wieder näher zu bringen. Ansonsten möchte ich noch auf eine merkwürdige Tatsache aufmerksam machen. Es scheint mir, daß Goethe in den dreißiger Jahren als Bollwerk gegen das Eindringen des Marxismus unter den japanischen Studenten mißbraucht worden ist. Wie Sie alle wissen, kam das „Abkommen über die kulturelle Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Reich und Japan“ im November 1938 zustande. Voraus ging der Abschluß des Antikominternpakts im Jahre 1936, der eindeutig politische Konsequenzen aus den schon in den zwanziger Jahren erfolgten Auseinandersetzungen mit den japanischen Marxisten bedeutete.17 Obwohl der Marxismus wie in der ehemaligen DDR nicht unbedingt mit Goethes Gedankengut unvereinbar ist, kam in jenen Jahren eine mehr oder scharfe Goethe-Kritik fast immer aus dem sozialistischen Lager, während Goethe in den konservativ-humanistischen Kreisen immer mehr zum Dichterfürsten emporstilisiert und als Dichter des Faust gefeiert wurde. Als die kommunistische Bewegung 1928 / 29 in zwei Verhaftungswellen zerschlagen wurde, hat es daher für sozialistische Intellektuelle anscheinend nur die Alternative gegeben zwischen Karl Marx oder Goethe. Ein Beispiel dafür ist Katsuichiro Kamei. Nach seinem politischen Gesinnungswechsel hat der bekannte Schriftsteller sich einer intensiven Beschäftigung mit Goethe zugewandt und seinen inneren Konflikt in dem Buch Menschenbildung, faktisch einem Sammelband seiner Goethe-Aufsätze, anschaulich geschildert. Auf der anderen Seite erinnert sich der große Goetheforscher Kinji Kimura im Vorwort seiner im Dezember 1938 erschienenen umfangreichen Aufsatz-Sammlung Goethe mit Genugtuung daran, wie er damals zu einer neuen Goethe-Auffassung kam: „Der Grund, warum mein Augenmerk in den Jahren der Säkularfeier vor allem auf die beiden Werke Faust und – vorwiegend – Wilhelm Meisters Wanderjahre gerichtet wurde, geht auf die Zeitumstände zurück. Gegen Ende der Taisho-Zeit und Anfang der Showa-Zeit war die materialistische Tendenz stark bemerkbar, und es schien, als ob in erster Linie der Marxismus das leitende Prinzip für die japanische Jugend darstellte. Wer diesem Gedanken nicht huldigen wollte, wurde als unzeitgemäß verachtet, und man dachte in weiten Kreisen, es gäbe keine anderen Gedanken, die einem eine geistige Nahrung gewähren würden, oder denen man sich hingeben könnte. In einer solchen Zeit war ich von meinem Standpunkt aus überzeugt, daß gerade Goethes Gedanken, die die religiöse Ehrfurcht zur Grundlage der Gesellschaft machen, die mächtigsten Gegenmittel gegen den Egoismus mit dessen Betonung materialistischer Ansprüche sein könnten.“ Die Goetheforschung war also bei Kinji Kimura nicht nur eine wissenschaftliche Angelegenheit, sondern auch als Protest gegen den Zeitgeist gedacht. Wörtlich schrieb er hinzu, er hätte es als eine „Pflichterfüllung“ eines mit der Jugenderziehung Beauftragten betrachtet. Wenn jemand als Hochschullehrer mit gutem Gewissen seine pädagogische Pflicht erfüllen will, muß man es subjektiv respektieren. Aber objektiv kann er irren und damit seine gut gemeinte Absicht verfehlen, auch wenn er ein noch so großer Gelehrter ist wie Kinji Kimura. Hier fällt mir allerdings ein Bibelwort ein: „Mit dem Maße, mit dem ihr meßt, wird euch auch gemessen werden.“ (Mt. 7,2) Wenn man selber Goetheforscher ist und die akademische Jugend von heute zu erziehen hat, trägt man offentsichtlich die Verantwortung dafür, an der japanischen Bildungstradition nach Kräften und kreativ mitzuwirken, damit sie sich in die rasch wandelnde Zukunft hin fruchtbar entwickelt. In dem Gedicht „Eins und Alles“ hatte doch Goethe gesagt: „Denn alles muß in Nichts zerfallen, Wenn es im Sein beharren will.“18 Und in dem Gedicht „Vermächtnis“ heißt es weiter: „Was fruchtbar ist, allein ist wahr.“19 Aus dem Kontext losgelöst, wurde der Vers gewiß in den dreißiger Jahren viel mißbraucht. Aber die Voraussetzung dafür war, daß der Verstand einen wach erhält und die Vernunft überall zugegen ist, bevor man den Sinnen traut. Dann erweist sich allein was wahr ist, als wirklich fruchtbar. Was dabei unter den japanischen Gebildeten als wahr gilt, bezieht sich nicht so sehr auf die Religion wie im christlichen Abendland, sondern vielmehr auf Kunst und Wissenschaft. Vom alten Goethe stammt ein Gedicht, das genau ihre Mentalität ausspricht: „Wer Wissenschaft und Kunst besitzt, Hat auch Religion; Wer jene beiden nicht besitzt, Der habe Religion.“20 Goethes Bedeutung für die japanische Bildungstradition wird in diesem Sinne noch lange lebendig bleiben, solange das Ideal der ganzheitlichen Menschenbildung in Wissenschaft und Kunst an den japanischen Hochschulen aufrecht erhalten wird. Anmerkungen * Eine unveränderte Fassung meines Beitrags zu: Sprache, Literatur und Kommunikation im kulturellen Wandel. Festschrift für Eijiro Iwasaki anläßlich seines 75. Geburtstags, hrsg. von Tozo Hayakawa, Takashi Sengoku, Naoji Kimura und Kozo Hirao. Dogakusha Verlag. Tokyo 1997. 1 Das japanische Wort „kyoyo“ deckt sich nur teilweise mit dem umfangreichen Bedeutungsgehalt der Bildung bei Goethe. Somit läßt sich auch der japanische Begriff von „kyoyoshugi“ nicht mit „Bildungstradition“ angemessen wiedergeben. 2 Damit hängt die ganze Problematik des Bildungsphilisters bzw. des Bildungsbürgertums zusammen, die aber hier nicht weiter erörtert werden kann. Vgl. Aleida Assmann: Arbeit am nationalen Gedächtnis. Eine kurze Geschichte der deutschen Bildungsidee. Frankfurt/Main 1993. 3 Vgl. Yoshio Koshina (Hrsg.): Deutsche Sprache und Literatur in Japan. Ein geschichtlicher Rückblick. Ausstellungskatalog zum IVG-Kongreß in Tokyo. Tokyo 1990. 4 Näheres vgl. Naoji Kimura: Rezeption ‚heroischer‘ deutscher Literatur in Japan 1933--45. In: Formierung und Fall der Achse Berlin--Tokyo. Monographien aus dem Deutschen Institut für Japanstudien der Philipp-Franz-von-Siebold-Stiftung. Bd. 8, hrsg. von Gerhard Krebs und Bernd Martin. München 1994, S. 129-151. 5 Näheres vgl. Naoji Kimura: Die japanische Germanistik im Überblick. In: Jahrbuch für internationale Germanistk. Jg.XX/Heft 1. Bern 1989, S. 138-154. 6 Goethes Briefwechsel mit Thomas Carlyle. Hrsg. von Georg Hecht, Dachau 1913, S. 133. Vgl. ferner Thomas Carlyle: Goethe. Carlyle’s Goetheportraet nachgezeichnet von Samuel Saenger. Berlin 1907. 7 Vgl. Naoji Kimura: Carlyle als Vermittler Goethes in Japan. In: Symposium „Goethe und die Weltkultur“, Veröffentlichungen des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin, Bd. 15. Berlin 1993, S. 72-82. 8 A.F.C. Vilmar: Geschichte der Deutschen National-Litteratur, 23. Vermehrte Auflage. Marburg und Leipzig 1890. Vorwort zur einundzwanzigsten Auflage von Karl Goedeke, S. VII. 9 Rob. Koenig: Deutsche Literaturgeschichte. 10., mit der 9. Auflage gleichlautende Auflage. Bielefeld und Leipzig 1880. Vorwort zur ersten Auflage. 10 Vgl. Kitaro Nishida: Der metaphysische Hintergrund Goethes. In: Viermonatsschrift der Goethe-Gesellschaft, 3. Bd., Weimar 1938, S. 135-144. 11 Vgl. den Artikel „Das Markenzeichen Kultur“ in der Thüringer Allgemeinen Zeitung vom 23.3.1996. Vgl. ferner Naoji Kimura: Goethe auf den Schild heben. Deutsche Kulturpolitik aus japanischer Perspektive. In: Joachim Sartorius (Hrsg.): In dieser Armut – welche Fülle! Wallstein Verlag. Göttingen 1996, S. 130-135. 12 Beide Zitate in der Übersetzung von Richard Wilhelm: Kungfutse / Gespräche (Lun Yü). Düsseldorf-Köln 1955, S. 37 u. S. 45. 13 Aus der ursprünglich literarischen Bewegung wurde freilich eine immer nationalistischere Bewegung. Vgl. Wilhelm Scherer: Die deutsche Literaturrevolution. In: Vorträge und Aufsätze zur Geschichte des geistigen Lebens in Deutschland und Oesterreich. Berlin 1874. 14 Heute unter dem Titel „Eine Goethe-Studie“. Vgl. Thomas Mann: Goethe’s Laufbahn als Schriftsteller. Zwölf Essays und Reden. Fischer Taschenbuch. Frankfurt/Main 1982, S. 181. 15 Ebd., S. 184. 16 Ralph Waldo Emerson: Vertreter der Menschheit. 2. Aufl. Jena 1905, S. 243. 17. Vgl. Taeko Matsushita: Rezeption der Literatur des Dritten Reichs im Rahmen der kulturspezifischen und kulturpolitischen Bedingungen Japans 1933—1945. Saarbrücken/Fort Landerdale 1989. 18 Goethes Werke. Hamburger Ausgabe, Bd. 1, S. 369. 19 Ebd., S. 370. 20 Ebd., S. 367. Das Goethebild der Japaner 1. Deutsche Klassiker unter den Japanern Als zentrales Thema des Essener Diskussionsabends „Goethe und die Deutschen - ein Blick nacn außen“, das am 12. Januar 2004 im Kulturwissenschaftlichen Institut am Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen stattfand, ist mir die Frage nach dem Deutschlandbild gestellt worden, das die heutige Rezeption der deutschen Klassiker, vor allem von Goethe, vermittelt. Da hieß es u.a.: Inwieweit gibt es in den einzelnen Kulturen überhaupt noch eine Klassikerrezeption, die Weltbilder, Bilder von Nationen und Zivilisationen beeinflußt? Als der amerikanische Germanist Wolfgang Leppmann frühzeitig sein Buch Goethe und die Deutschen. Vom Nachruhm eines Dichters (W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1962) veröffentslichte, scheint noch die Bezeichnung „Klassik“, „klassisch“ oder „Klasiker“ allgemein unumstritten gewesen zu sein, wenngleich bereits im Jahre 1929 vom „Klassikertod“ die Rede war. (Vgl. Bertolt Brecht und Herbert Jhering: Gespräch über Klassiker. In: Karl R. Mandelkow, Goethe im Urteil seiner Kritiker. Teil IV 1918-1982. Verlag C.H.Beck. München 1984. S. 9498) Vgl. ansonsten Bernd Witte: Goethe und die Deutschen (Diskussion). In: Sprache und Literatur in Wissenschaft und Literatur. 83-1999. S. 73-89. Literaturwissenschaftlich gibt es aber entsprechend der Kunstgeschichte einen nahverwandten Begriff von Klassizismus, klassizistisch oder Klassizität. Deshalb möchte ich zunächst mein Verständnis der deutschen Klassiker etwas präzisieren, wiewohl es auch banal klingen mag. Goethe selbst stellte sich wohl erstmals in seinem Aufsatz „Literarischer Sansculottismus“ die Frage nach dem klassischen Autor bzw. Werk (Goethes Werke. HA. Bd. 12, S. 24). Unter „Klassikern“ verstehe ich heuristisch im Anschluß daran mustergültige Autoren vornehmlich auf den Bereichen der Philosophie und Literatur, obwohl die Sache nicht so einfach ist. Noch voriges Jahr haben Gerhard Schulz und Sabine Doering, die ich von Regensburg her gut kenne, in der Beck’schen Reihe ein Büchlein Klassik. Geschichte und Begriff publiziert. Einige Jahre zuvor hatte Gerhard Schulz auch in seinem anderen Buch ein Kapitel “Goethe und seine Deutschen. Über die Schwierigkeiten, ein Klassiker zu sein” geschrieben (Gerhard Schulz: Exotik der Gefühle. Goethe und seine Deutschen. Verlag C.H. Beck. München 1998). Bei der Unbestimmtheit des Begriffs spricht man in der Tat von Klassikern der Philosophie, Theologie, Medizin oder sogar Meditation. Aber bei dieser Essener Diskussion beschränke ich mich grundsätzlich auf die Klassiker der deutschen Literatur, die im 18. Jahrhundert im literaturgeschichtlichen Sinne in Weimar gelebt haben, also Wieland, Herder, Goethe und Schiller. Es war Hermann Grimm, der darauf hinwies, daß man Goethe prinzipiell nach einem zwischen Objekt und Subjekt vermittelnden Bild erkennt. So sagt er in seinen berühmten Berliner Goethe-Vorlesungen (1874/75): „Was unseren Blicken an Goethe fremd zu werden anfing, war nicht er selbst, sondern nur das mit seinem Namen genanne Bild, welches die letzte Generation sich von ihm geformt hatte. Eine neue Zeit beginnt, die sich ihr eignes Bild Goethe’s von Frischem schaffen muß. Sie stürzt das alte, ihn selber aber berührt Niemand.“ (Hermann Grimm: Goethe. Vorlesungen gehalten an der Kgl. Universität zu Berlin. Achte Aufl. Stuttgart und Berlin 1903. Erster Band, S. 7). Zu den Zeiten der Reichsgründung nahm er einen anderen Standpunkt als früher ein und entwarf sein eigenes Goethebild für das deutsche Volk. Denn er meinte, die Veränderung des Standpunktes ergebe sich aus der veränderten Stellung, die man damals zu aller historischen Betrachtung überhaupt in Deutschland einnehme. Man erkennt also Goethe, wie er sich auf seinem geistigen Netzhaut je nach seinem Standpunkt widerspiegelt. Aber nach Hermann Grimm geht es beim Goethebild nicht allein um Erkenntnisse, sondern vielmehr um eine bewußte Formung eines wirkungsvollen Goethebildes. So schreibt er zum Schluß seiner Einleitung: „Eine unserer wichtigsten Aufgaben bleibt, aus dieser Masse (= Nachrichten aus seinem Leben) heraus das Bild Goethe’s zu gewinnen, das uns am meisten fördert und dem wir am meisten vertrauen.“ (S. 19) Wenn es sich mit dem Verständnis des Dichters so verhält, fragt sich folgerichtig nach einem Standpunkt der Japaner bei der Goetherezeption. Es ging dabei hauptsäclich um ihr Bildungsideal (Vgl. beispielsweise Holger Burckhart, Theodor Litt: Das Bildungsideal der deutschen Klassik und die moderne Arbeitswelt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt 2003), und ein persönliches Bekenntnis dazu lautete damals in Deutschland: „Seit ich ein verantwortliches geistiges Leben zu führen versuchte, bin ich immer mehr in die Überzeugung von der Kraft, die in dem Vermächtnis der klassischen Dichtung beschlossen liegt, hineingewachsen.“ (Reinhard Buchwald: Das Vermächtnis der deutschen Klassiker. Insel-Verlag. 1946. S. 5) Hinsichtlich dieser par excellence deutschen Klassiker spricht man aber nach der Wiedervereinigung Deutschlands auffälligerweise statt von deutscher Klassik im Gegensatz zur deutschen Romantik mehr von Weimarer Klassik. Die Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar wurden schließlich zur Stiftung Weimarer Klassik umorganisiert. Eigentlich müßte man es auch problematisieren, zumal man bald danach die deutsche Klassik sehr in Frage stellte. (Vgl. Reinhold Grimm/Jost Hermand (Hrsg.): Die Klassik-Legende. Frankfurt am Main 1971. Vorwort in: Karl R. Mandelkow, Goethe im Urteil seiner Kritiker. Teil IV 1918-1982. Verlag C.H.Beck. München 1984. S. 446-451) In Japan war das begrifflich klärende Buch von Fritz Strich Deutsche Klassik und Romantik. oder Vollendung und Unendlichkeit unter den Germanisten bekannt genug. Aber in Deutschland scheint es heutzutage nicht mehr ernst genommen zu werden. In Japan war Gundolfs großes Werk natürlich den japanischen Gebildeten für eine Bildung des deutschen Klassikerbildes sehr bedeutsam. Aber es war vor allem Hermann August Korff, der dazu am meisten beitrug mit den japanischen Übersetzungen von Humanismus und Romantik (1926 und 1942), Faustischer Glaube (1943), Geist der Goethezeit (1. Band 1944) oder auch mit dem Buch Die Lebensidee Goethes, das noch im Jahre 1946 ins Japanische übersetzt wurde. Ich habe trotzdem den Eindruck, daß Wieland trotz der Bemühungen einiger Germanisten in Japan, die die Abderiten oder Agathon relativ spät übersetzten, im literarischen Bewußtsein der japanischen Gebildeten wenig präsent ist. Herder ist zwar als Geschichtsphilosoph und Sprachdenker relativ bekannt - von seinen Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit sind zwei japanische Übersetzungen vorhanden aus der Zeit vor und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, und seine Abhandlung über den Ursprung der Sprache wird seit 1972 in meiner Übersetzung gelesen. Vor einigen Jahren ist auch sein Reisejournal vollständig übersetzt. Er bleibt aber dennoch mehr eine akademische Angelegenheit japanischer Germa-nisten. Seit etwa zehn Jahren gibt es in Japan eine sehr aktive HerderGesellschaft, die ihr eigenes Jahrbuch herausgibt. Zur traditionellen, sogenannten deutschen Klassik gehören also für das japanische Lesepublikum fast ausschließlich Goethe und Schiller. Es existiert denn auch keine Schiller-Gesellschaft in Japan. Bisher ist nur eine sechsbändige Werkausgabe von Schiller in der Kriegszeit erschienen, während es von Goethe mehr als zehn vollendete und unabgeschlossene Goetheausgaben in japanischer Sprache gibt. Die Goethe-Gesellschaft in Japan besteht seit 1931, um im darauf folgenden Jubiläumsjahr den ersten Band des japanischen Goethe-Jahrbuchs herausgeben zu können. Es erscheint nach Unterbrechung mit dem 11. Band seit 1959 bis heute in neuer Folge. Die Koreanische GoetheGesellschaft ist im Jahre 1982 gegründet worden, und sowohl die Chinesische als auch die Indische Goethe-Gesellschaft sind im Jahre 1999 ins Leben gerufen worden. Ich kenne alle koreanischen, chinesischen und indischen Präsidenten persönlich. In Korea sind zwei teilweise erschienene Goetheausgaben noch lange nicht vollendet, aber in China hat mein Kollege Yang Wuneng im Goethejahr 1999 aus bereits vorhandenen Übersetzungen eine vierzehnbändige Goetheausgabe zustande gebracht. In Indien scheint man Goethes Werke ohne weiteres in englischen Übersetzungen zu lesen. Im vergangenen Goethejahr habe ich an meiner früheren Universität Sophia in Tokyo in Kooperation mit dem Goethe-Institut Tokyo ein internationales Goethe-Symposium „Goethe - Wirkung und Gegenwart“ veranstaltet. Bei der Gelegenheit habe ich auch eine umfangreiche Goethe-Bibliographie in japanischer, koreanischer und chinesischer Sprache zusammengestellt. Sie ist zusammen mit allen dort gehaltenen und später in Deutsch publizierten Beiträgen zum Symposium im Internet abrufbar. Es handelt sich hierbei um die nachstehend genannten Vortragstexte: Wilhelm Voßkamp, Köln: Bildung als „deutsche Ideologie“? Zhang Yushu, Peking: Goethe und die chinesische Klassik Manfred Osten, Bonn: Goethes Faust – die Tragödie der modernen Übereilung Kim Tschong-Dae, Seoul: Goethe in der koreanischen Kultur Walter Hinderer, Princeton: „Hier, oder nirgends ist Amerika“ Anmerkungen zu Goethe und die neue Welt Rhie Won-Yang, Ansan: Goethes Faust auf der koreanischen Bühne. Überlegungen zur Rezeption in Korea Adolf Muschg, Zürich: Schweizer Spuren in Goethes Werk Yan Wuneng, Chengdu: Goethe-Rezeption in China. Von Werther-Fieber zu WertherÜbersetzungseifer Werner M. Bauer, Innsbruck: Goethe in Österreich Terence J. Reed, Oxford: Englische Literatur als Weltliteratur Naoji Kimura, Tokyo: Goethe und die japanische Mentalität Lothar Ehrlich, Weimar: Der fremde Goethe. Die Deutschen und ihr Dichter 2. Goethes Wirkungsgeschichte in Asien Bei der rezeptionsgeschichtlichen Fragestellung gehe ich davon aus, daß die japanische Goetherezeption im Grunde genommen eine etwa um eine Generation verspätete Nachwirkung der Goetherezeption bzw. Goetheforschung in Deutschland darstellt. Denn um überhaupt von den Japanern rezipiert werden zu können, müssen Goethes Werke zuerst ins Japanische übersetzt werden. Da diese Übersetzungen mehr oder weniger sprachlich und sachlich kommentiert werden sollen, müssen sich die Germanisten als Übersetzer mit der Stoff-, Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der betreffenden Werke intensiv beschäftigen. Dadurch ist spontan eine japanische Goetheforschung entstanden, die meist von der deutschen Goetheforschung abhängig war. Es versteht sich von selbst, daß die Leser dann von ihren Forschungsergebnissen stark beeinflußt werden. Wenn ein individueller Geist wie einzelne deutsche Klassiker allgemein-menschlich geworden ist, gehört er auf diese Weise über den Nationalgeist, zum Beispiel über den deutschen Geist hinaus in die ganze Welt, auch wenn dieser Literaturprozeß mit dem komplexen Sprachproblem der Übersetzung behaftet ist. Was an ihm unübersetzbar ist, erweist sich zwar als spezifisch national, kann aber in seiner Originalsprache einigermaßen verstanden werden. Sein Weg zu einer fremden Nation läßt sich um so leichter anbahnen, als die herausragende Wertschätzung seiner Werke von Anfang an feststeht, wie es gerade bei Goethe der Fall ist. Sein literarisches Schafften beruht offensichtlich auf dem EwigMenschlichen. Das heikle Problem, wie es z.B. in dem Buch Klassikerstadt und Nationalsozialismus. Kultur und Politik in Weimar 1933 bis 1945 (Herausgegeben von Justus H. Ulbricht im Rahmen der Weimarer Schriften. Weimar 2002) aufgegriffen wird, ist erst nach dem Krieg unter den Fachkreisen bekannt geworden, auch wenn die japanische Goetheforschung selbst damals schon im Schatten der völkischen Literaturwissenschaft gestanden hatte. Darüber habe ich auf dem IVG-Kongreß 2000 in Wien eingehend berichtet. Das war die grundlegende Situation für eine andauernde Goetherezeption in Japan. Als die japanischen Gebildeten am Ende des 19. Jahrhunderts anfingen, Goethe nicht nur zu lesen, sondern auch sich mit ihm literaturwissenschaftlich zu beschäftigen, standen ihnen bereits viele Goethe-Bücher zur Verfügung. Zuerst haben sie Goethe in englischer Übersetzung gelesen und wie z.B. Reineke Fuchs auch daraus ins Japanische übersetzt. Aber im Jahre 1904, also genau vor hundert Jahren, erschienen die ersten Übersetzungen des Werther sowie des Faust aus dem deutschen Originaltext, und seitdem kann das japanische Publikum fast alle Werke Goethes in verschiedenen Übersetzungen lesen. Nähere Einzelheiten darüber habe ich in meinem 1997 beim Peter Lang Verlag, Bern, erschienenen Sammelband germanistischer Aufsätze Jenseits von Weimar. Goethes Weg zum Fernen Osten ausführlich dargelegt. Es handelt sich dabei sowohl um Goethes literarische Werke als auch um seine naturwissenschaftlichen und literatur- bzw. kunstheoretischen Schriften. Es gibt wie gesagt bis jetzt mehrere Goethe-Ausgaben in japanischer Sprache, die alle diese Werke umfassen. Außerdem hat man im Laufe der Zeit eine Menge deutscher Fachliteratur über Goethe ins Japanische übersetzt. Selbstverständlich haben die Japaner selbst ebenfalls eine Unmenge literaturwissenschaftlicher Aufsätze oder literarischer Essays geschrieben. Da sie im großen und ganzen bibliographisch erfaßt sind, kann man die Goetherezeption in Japan schriftlich belegen und analysieren, wie Karl Robert Mandelkow für die Goetherezeption in Deutschland geleistet hat. So läßt sich eine japanische Geistesgeschichte der neueren Zeit im Spiegel der Goetherezeption beschreiben. Dabei sind hinsichtlich Goethes Wirkungen auf Japan zeitlich fünf Routen festzustellen. Es sind gleichzeitig fünf verschiedene Aspekte der Goetheforschung in Europa, die sich auf das Goethebild der Japaner ausgewirkt haben: 1) Englische Route über Thomas Carlyle und Ralph Waldo Emerson - philosophisch 2) Berliner Route über Herman Grimm und den Dichtergelehrten Mori Ogai - literarisch 3) Goethe-Philologie durch die Jubiläums-Ausgabe - philologisch 4) Russische Ideologiekritik - marxistisch 5) Französische Goetheverehrung im Goethejahr 1932 - essayistisch Die Goetheforschung in England halte ich für sehr wichtig. Sie wird leider von den japanischen Germanisten meist geringgeschätzt, zumindest nicht so hochgeschätzt wie die deutsche. Aber Hermann Grimm war nicht zuletzt von Thomas Carlyle inspiriert, als er sein für die japanische Goetherezeption folgenreiches Goethbild entwarf. Die erste lesbare Goethe-Biographie von George Henry Lewes: Life and Works of Goethe (1855) erreichte in deutscher Übersetzung immerhin bis 1903 die 18. Auflage. In der Meiji-Zeit (1868-1912) waren ebenfalls Ralph Waldo Emersons Buch Representative men (1850) mit einem Goethe- Kapitel sowie Bayard Taylors Faust-Übersetzung mit Kommentar (Boston 1871) unter den japanischen Gebildeten sehr verbreitet. Im strengen Sinne stellten sie einen amerikanischen Beitrag zur Goetherezeption in ganz Ostasien dar. Später sollte W.H. Brufords Werk Culture and Society in Classical Weimar (Cambridge 1962) nicht nur in deutscher, sondern auch in japanischer Übersetzung einen bedeutenden englischen Beitrag zur Goetheforschung seit Lewes fortsetzen. Zu dieser Tradition gehört freilich auch Nicholas Boyles auf drei Bände angelegte Goethe-Biographie der Gegenwart. 3. Geschichtliche Wandlungen des japanischen Goethebildes Die davon angeregte Goetherezeption in Japan erfuhr auf diese Weise eine sprachliche wie auch geistige Metamorphose. Die japanische Goetheforschung, die seit den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts an den germanistischen Abteilungen der Staatsuniversitäten etabliert hatte, erreichte im Verlauf der oben geschilderten Rezeptionsgeschichte seit der Meiji-Zeit ihren ersten Höhepunkt in der Säkularfeier des Jahres 1932. Die japanischen Germanisten haben damals in Berlin oder Leipzig die Goethe-Philologie studiert, die ihnen in der gediegenen Jubiläums-Ausgabe die besten Hilfsmittel zur Verfügung stellte. Die erste Weimarer Ausgabe in Japan wurde ihnen bei der Gründung der Goethe-Gesellschaft im Jahre 1931 von der deutschen Botschaft der Weimarer Republik geschenkt. Von den bekannten positivistischen Goethe-Biographien wurde diejenige von Karl Heinemann (1895) in japanischer Übersetzung in der renommierten Iwanami-Taschenbuchreihe publiziert. Die im Japanischen dreibändige Goethe-Biographie von Albert Bielschowsky (1896) konnte erst in den letzten Kriegsjahren erscheinen. Die von Walter Linden bearbeitete Neuausgabe (1928) wurde anachronistisch vor etwa zehn Jahren ins Japanische übersetzt. Frühzeitig übersetzt wurden ansonsten die geistesgeschichtlich ausgerichteten GoetheBücher wie z.B. von Georg Simmel (1913), Friedrich Gundolf (1916) oder Hermann August Korff (Geist der Goethezeit, allein 1. Band). Dadurch wurde vor allem Gundolfs Auffassung von Goethes Titanismus in Japan sehr populär, und Korffs goethischer Humanismus bzw. faustischer Glaube riefen unter den japanischen Gebildeten fast eine humanistische Religion hervor. Für sie war Vorstoß ins Metaphysische durch die geistesgeschichtliche Betrachtungsweise sehr gelegen, aber auch Goethe-Mythos war innerlich naheliegend, weil sie keine andere Religion hatten. So stellte sich Goethes Autobiographie Dichtung und Wahrheit für sie als irreführend heraus. Hieß sie doch ursprünglich „Wahrheit und Dichtung“, d.h. Tatsächlichkeit und dichterische Wahrheit, mit anderen Worten Faktizität und Fiktion oder Realität und Idealität. Damit war der Vorrang des Werkes vor dem Leben angedeutet, so daß sich Goethes geistige Welt dem japanischen Lesepublikum stets als eine ideale Welt zeigte. Daher wurde ein klassisches Humanitätsideal für immer der Wirklichkeit der jeweiligen Gegenwart gegenübergestellt. Je niedriger die Wirklichkeit ist, desto höher erscheint das Idealbild der Klassik. So ist es mit dem japanischen Goethebild weitgehend bis heute noch bestellt. Dagegen wurde Goethekritik der hauptsächlich russischen Marxisten - Goethe als bürgerlicher Bildungsphilister - immer wieder in japanischer Übersetzung herbeigeholt. Heinrich Heine wurde dabei von den japanischen Marxisten zu seinem Schaden vielfach als Vorkämpfer der sozialistischen Revolution vereinnahmt. Als aber die radikale LinkeBewegung in den zwanziger Jahren allmählich unterdrückt und brutal verfolgt wurde, wurden aus nicht wenigen Marxisten durch einen Gesinnungswechsel ästhetische Goetheaner mit nationalistischem Einschlag, die die sogenannte „Japanische Romantische Schule“ bildeten. Zu jener Zeit erschien jedoch eine japanische Übersetzung von Paul Valérys Discours en l'honneur de Goethe (1932). Hier wurde Goethes Weltbürgertum mit dessen Naturforschung und Universalismus hervorgehoben. Zwischen links und rechts stand Goethe in der Mitte wie später auch bei T.S. Eliot in seinem im Mai 1955 an der Universität Hamburg gehaltenen Vortrag Goethe as the Sage. Zum Goethejahr 1932 erschien u.a. eine stattliche Festschrift in japanischer Sprache, zu der Thomas Mann und Fritz Strich je einen Beitrag beisteuerten. Deutschland wurde gerade in der ganzen Welt als eine Nation der Dichter und Denker gefeiert. Aber Thomas Mann hatte sich bereits im Lessingjahr 1929 gegen den aufkommenden antiaufklärerischen, nationalistischen Irrationalismus ausgesprochen. Eine Warnung vor dem deutschen Nationalismus war denn auch in seinem eben erwähnten Beitrag „An die japanische Jugend“ (In: GoetheStudien. Japanisch-deutscher Geistesaustausch Heft 4. Japanisch-Deutsches Kultur-Institut. Tokyo 1932. S.1-15) enthalten. Fritz Strich war ebenfalls gegen das “chtonische Gelichter” der raunenden Beschwörer der Inhumanität im Sinne des Nationalsozialismus eingestellt und deutete es besorgnisvoll in seinem Beitrag „Goethe und unsere Zeit“ (Ebenda, S. 16-36) an. Von japanischer Seite wurde ein Goethe-Aufsatz des bedeutendsten Philosophen Japans, Nishida Kitaro veröffentlicht: Der metaphysische Hintergrund Goethes. In: Goethe. Vierteljahresschrift 3. Bd. (1938), S. 135-144. Die von ihm begründete Kyoto-Schule war von den Neukantianern Windelband sowie Rickert oder auch Kuno Fischer in Heidelberg sehr beeinflußt. In Kyoto gibt es übrigens einen Philosophenweg nach dem Heidelberger Vorbild. Man könnte wohl sagen, daß die Goetherezeption in Japan mit der Kaizosha-Goetheausgabe 36 Bände (1935/40) ihren Gipfel erreichte. Einige Jahre zuvor hatte Einstein auf Einladung des Kaizosha-Verlags Japan besucht, und der japanische Physiker Ishihara Jun übersetzte nicht nur seine Werke, besonders Relativitätstheorie, sondern auch Goethes Farbenlehre didaktischer Teil erstmals ins Japanische. Das japanische Lesepublikum erkannte daran die hohe Bedeutung der naturwissenschaftlichen Schriften Goethes. Nach dem Zweiten Weltkrieg erschien 1961 in Kyoto, wo die Japanische Goethe-Gesellschaft gegründet worden war, die Jinbunshoin-Goetheausgabe. Die Werkausgabe enthielt im 12. Band die nachstehend genannten Aufsätze und Essays in japanischer Übersetzung: Thomas Mann: Phantasie über Goethe, Hans Carossa: Wirkungen Goethes in der Gegenwart, Hermann Hesse: Dank an Goethe, Johannes Robert Becher: Der Befreier, Paul Valéry: Discours en l'honneur de Goethe, Andre Gide: Goethe, T.S.Eliot: Goethe as the Sage, Jose Ortega y Gasset: Um einen Goethe von innen bittend, Benedetto Croce: Dell'exmonaco pugliese Domenico Giovinazzi che insegne l'italiano al Goethe fanciullo (Goethes Italienischlehrer), Julius Bab: Das Leben Goethes Das von diesen Autoren vermittelte Goethebild der japanischen Gebildeten kann man in etwa folgendermaßen zusammenfassen: der große Europäer (Thomas Mann), der Humanist Goethe (Hermann Hesse), der Naturwissenschaftler Goethe (Rudolf Steiner, Paul Valéry, Albert Schweitzer, u.a.m.), schließlich Goethe der Universale (Paul Valéry). Bewundernswürdig erscheinen ihnen somit Reichtum, Breite und Weite des Weimarer Klassikers, insofern er nicht nur Dichter, sondern auch Naturforscher, Kunsthistoriker, Literaturkritiker, Philosoph, nicht zuletzt Politiker gewesen ist. Damit sind auch die Vorteile einer Goetheforschung für einen japanischen Germanisten gegeben. Darf er sich doch erlauben, von der Germanistik aus Grenzüberschreitungen zu verschiedenen Disziplinen zu unternehmen, so daß er eventuell als allseitig gebildet angesehen werden könnte, wenn er nicht gerade einem seichten Dilettantismus anheimgefallen ist. In den oben genannten Schriften war allerdings das humanistische Goethebild der im besten Sinne europäischen Goetheaner in den dreißiger Jahren nachgeholt. Um es sozusagen zu aktualisieren, bot dann die zum Goethejahr 1982 hin herausgegebene Ushio-Goetheausgabe (Paperbacks 2003) einen Sonderband mit Hans Mayer (Hrsg.): Goethe im zwanzigsten Jahrhundert. Spiegelungen und Deutungen (Insel Verlag. Frankfurt am Main 1987). Darin war das facettenreiche Goethebild der Gegenwart noch deutlicher hervorgehoben durch folgende namhaften Autoren. Thomas Mann: Goethes Werthter Ernst Bloch: Der junge Goethe, Nicht-Entsagung, Ariel Max Kommerell: Goethes große Gedichtkreise Paul Rilla: Wilhelm Meisters Theatralische Sendung (nicht übersetzt) Elizabeth M. Wilkinson: Torquato Tasso (Nicht übersetzt) Hermann Hesse: Wilhelm Meisters Lehrjahre Emil Staiger: Goethe: „Novelle“ Hugo von Hofmannsthal: Einleitung zu einem Band von Goethes Werken enthaltend die Opern und Singspiele Rudolf Alexander Schröder: Goethes „Natürliche Tochter“ Walter Benjamin: Goethes Wahlverwandtschaften Wolfgang Schadewaldt: Faust und Helena Eduard Spranger: Goethe über sich selbst Siegfried Unseld: Goethes „Tagebuch“ - ein „höchst merkwürdiges“ Gedicht Adolf Muschg: „Der Mann von funfzig Jahren“ („Wilhelm Meisters Wanderjahre“) Heinrich Wölfflin: Goethes Italienische Reise Erich Trunz: Goethes späte Lyrik Theodor W. Adorno: Zum Klassizismus von Goethes Iphigenie (statt Zum Schlußszene des Faust) (Pierre Bertaux: Die erotischen Spiele) Ernst Robert Curtius: Goethe als Kritiker (Leo Kreutzer: Inszenierung einer Abhängigkeit. Johann Peter Eckermanns Leben für Goethe) Georg Lukács: Der Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe Gottfried Benn: Goethe und die Naturwissenschaften Werner Heisenberg: Die Goethesche und die Newtonsche Farbenlehre im Lichte der modernen Physik Der Sammelband von Hans Mayer (Spiegelungen Goethes in unserer Zeit. Limes-Verlag. Wiesbaden 1949) enthielt ursprünglich Goethe-Studien von Walter Benjamin (Goethes Wahlverwandtschaften), Hugo von Hofmannsthal (Unterhaltung über den „Tasso“ von Goethe; Goethes „West-östlicher Divan“), Georg Lukács (Das Zwischenspiel des klassischen Humanismus), Karl Kerény (Das Ägäische Fest. Die Meergötterszene in Goethes Faust II), Thomas Mann (Phantasie über Goethe), Emil Staiger (Goethes Novelle), Edmond Vermeil (Revolutionäre Hintergründe in Goethes Faust) und Heinrich Wölfflin (Goethes italienische Reise). Wenn Goethe letztendlich als der große Europäer und Humanist angesehen wird, muß er sich sicherlich auch für die Idee der EU als richtungsweisend erweisen. Vgl. den zum Goethejahr 1999 von Volkmar Hansen herausgegebenen Katalog „Europa, wie Goethe es sah“ in Verbindung mit Gonthier-Louis Fink und Alberto Destro. Von entscheidender Bedeutung für die japanische Goetherezeption erscheint mir darüber hinaus die Tatsache, daß in den zwanziger Jahren die Japaner von den deutschen Philosophen die Differenzierung der Kultur von westlicher Zivilisation gelernt haben und heute noch dazu neigen, zwischen geistiger Kultur und materieller Zivilisation zu unterscheiden. Da es Goethe wunderbar gelungen, beides zu vermitteln, gilt er meiner Meinung nach als der Weise. Vor dem Krieg hatten die Japaner bekanntlich großen Respekt vor deutscher Medizin und Naturwissenschaft ebenso wie vor Philosophie und Literatur, aber nach dem Krieg haben sie sich in Naturwissenschaft und Technik ganz nach Amerika ausgerichtet und suchen im alten Europa, besondern im deutschen Sprachraum vorwiegend nach Kultur. Zivilisation im engeren Sinne bezieht sich für sie immer noch auf moderne Technik und bezeichnet erst im weitesten Sinne des Wortes Kulturkreise in größerem Umfang wie beispielsweise orientalische, indische oder chinesische Zivilisation. Von Deutschland haben die Japaner selbstverständlich ein bestimmtes Nationbild, das schon aus der Vorkriegszeit stammt und aus geschichtlichen Gründen meist preußisch ausgeprägt ist. Ein japanischer Offizier konnte ja eine preußische Armee kommandieren, weil er so ausgebildet worden war. Es ist aber genau so klischeehaft wie im Hinblick auf Japan, also Fujiyama, Geisha, Harakiri oder Kamikaze-Flieger. Heutzutage ist es harmlos erweitert worden auf Ikebana, Teezeremonie, Sushi oder Haiku bzw. Renga. Auf der anderen Seite bestand Deutschland vor der Wende für japanische Touristen nur aus drei Häusern: Beethovenhaus in Bonn, Goethehaus in Frankfurt und Hochbräuhaus in München. Jetzt besteht es für sie aus vielen Straßen: Romantische Straße, Märchenstraße, Weinstrße, Goethestrße, Klassiker-Straße usw. Buchenwald oder Dachau möchten sie nicht gern besuchen, weil diese Orte mit ihrem lange gehegten schöngeistigen Deutschlandbild nicht übereinstimmen. Eine Auseinandersetzung mit dem Problem nimmt schon viel geistig-intellektuelle Anstrengungen in Anspruch. Richard Alewyns Diktum “Zwischen uns und Weimar liegt Buchenwald” (Goethe als Alibi. 1949) dürfte nur den Fachkreisen bekannt sein. Er sagte ferner: „Was aber nicht geht, ist, sich Goethe zu rühmen und Hitler zu leugnen. Es gibt nur Goethe und Hitler, die Humanität und die Bestialität.“ Aber die meisten Japaner wären mehr daran interessiert, in ihrem Leben einmal auf den Kichelhahn bei Ilmenau zu steigen, weil das Gedicht “Wandrers Nachtlied” unter dem japanischen Lesepublikum in über 40 verschiedenen Übersetzungen verbreitet ist. Ebenso zieht doch der heilige Berg Fuji viele Europäer, besonders deutsche Touristen zum Bergsteigen an. Wenn das Geburtshaus Goethes in Frankfurt ein Wallfahrtsort für die Japaner geworden ist, so ist doch zu fragen, wieviele Japaner noch das Düsseldorfer Goethe-Museum mit ihren optischen Experimentierapparaten besuchen. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands hat man hauptsächlich den Japanern zuliebe sofort eine Goethestraße zwischen Frankfurt und Weimar oder die Klassker Straße in Thüringen eingerichtet. Es ist aber sehr fraglich, ob sie auch das Goethe-Nationalmuseum in Weimar besuchen. Durch jahrzehntelange Kulturbeziehungen zwischen Deutschland und Japan ist das Deutschlandbild außerdem unter den japanischen Gebildeten so mannigfaltig, daß es lange nicht allein von Goethe bzw. Weimar her bestimmt ist. Im allgemeinen läßt sich wohl sagen, daß sie in Deutschland gern Kulturlandschaften besuchen, also Erinnerungs- oder Gedenkstätten der aus der deutschen Kulturgeschichte bekannten Dichter, Philosophen oder Musiker in den alten Städten aufsuchen. Trotz allem gilt Deutschland ihnen immer noch als die Nation der Dichter und Denker. Daß es in den dreißiger Jahren vorübergehend eine Nation der „Richter und Henker“ (Karl Kraus) werden konnte, ist für sie, wenn nicht unvorstellbar, so doch schleierhaft und rätselhaft. Japan war damals mit Hitler-Deutschland verbündet und hat trotz der großen Bewunderung für Goethes Humanität ebenfalls viel Unheil in Ostasien angerichtet. Ein solches Deutschlandbild ist, nebenbei bemerkt, auch bei den Handelsbeziehungen ernst zu nehmen, liegt ihm doch eine Hochschätzung deutscher Kultur aus japanischer Seite zugrunde, wenngleich man im Deutschen über die geistige Kultur hinaus wohl von Weinkultur, aber nicht von Bierkultur spricht. Hier ist vielmehr Vorliebe der Japaner für deutsche Gemütlichkeit zu finden. Der alte Goethe soll jeden Abend eine Flasche Wein getrunken haben, aber ich habe noch nie gehört, daß er gern Bier getrunken hätte. Dagegen hat der große Japanforscher Philipp Franz von Siebold aus Würzburg nicht nur das erste Klavier nach Japan mitgebracht, sondern auch bayerisches Faßbier immer wieder nach Nagasaki mit dem holländischen Schiff kommen lassen. Das macht schon auf die Japaner guten Eindruck. Ansonsten wird Goethewein aus dem Brentanohaus im Rheingau seit Jahren als beliebter Geschenkartikel importiert. Ich fürchte nur, daß die japanischen Studenten nach dem Umtrunk faustisch oder mephistophelisch werden und lieber Auerbachs Keller in Leipzig besuchen als das Goethe-Nationalmuseum in Weimar. Apropos: Siebold als solcher hat mit Goethe nichts zu tun, erscheint mir aber insofern beachtenswert, als er sich noch zu Lebzeiten des Dichters, also im gleichen Jahr wie Eckermann zu Goethe, nach Japan kam und sein Förderer Nees von Esenbeck – er war Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina -- der botanische Freund Goethes war und den Begründer der Metamorphosenlehre zum Mitglied der Leopoldina ernannte. Zudem gehörten seine beiden Onkel Barthel und Elias zum Schülerkreis des Jenaer Medizinprofessors Justus Christian Loder und trafen in Hörsälen ab und zu mit Goethe zusammen. Dadurch muß der Name des Weimarer Dichters dem noch jugendlichen Siebold sehr vertraut gewesen sein. Leider kann ich noch nicht ermitteln, ob er seinen japanischen Schülern gegenüber den Namen Goethes erwähnt hat. 4. Goethe und das japanische Bildungsbürgertum Seit spätestens 1932 galt und gilt Goethe immerhin weltweit als einer der Repräsentanten der Menschheit. Aber er wird zu Anfang des 21. Jahrhunderts in Deutschland nicht mehr als der größte Deutsche angesehen. Daß die Deutschen Schwierigkeiten im Umgang mit Goethe haben, hat eine lange Vorgeschichte. In der deutschen Goetherezeption traten mehrmals Brüche ein, so in den Jahren 1848, 1933 oder 1968. Wenn die japanische Goetherezeption ihr langsam nachfolgt, kommt das Jahr 1968 ironischerweise in einem dialektischen Verhältnis in Frage. Als Goethe nämlich in jenen Jahren der Studentenrevolte aus der deutschen Germanistik gleichsam vertrieben zu werden drohte und in der Öffentlichkeit von Goetheferne oder Klassikerfeindlichkeit gesprochen wurde, verwies man auf die Japaner, die sich immer noch mit Goethe beschäftigten. So schrieb Kurt Reumann einen zeitkritischen Leitartikel „Unser Goethe“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Nr. 13 vom 16. Jan. 1979. Darin hieß es u.a.: „Schülern, die ihren Lehrer bitten, auch mal einen Klassiker durchzunehmen, kann es freilich immer noch, wie an einer Schule in Frankfurt, passieren, daß der brüsk ablehnt: auf die Nostalgie des verdammten Bildungsbürgertums lasse er sich nicht ein.“ Darauf nahm ein Artikel im Feuilleton der F.A.Z. am folgenden Tag Bezug und sprach von einer „verkehrten Welt“ und bemerkte angesichts gebildeter Japaner, die auf der Europa abgekehrten Seite des Globus leben und Goethe „nicht nur kennen, sondern auch lesen“: „So wundert es überhaupt nicht, daß jetzt die Meldung eintrifft, zwei Drittel der Besucher des Goethehauses zu Frankfurt am Main seien Japaner... So ist es nur folgerichtig, daß die Aufschriften im Frankfurter Goethehaus neben deutsch und englisch japanisch abgefaßt sind. Kein Französisch, kein Italienisch. Europa adieu! Doch vielleicht hätte er, der den Geist der Weltliteratur predigte, gar nichts dagegen gehabt.“ In Wirklichkeit waren es zum großen Teil japanische Touristen, die, mehr von Neugier als vom Bildungsbedürfnis getrieben, reiseplanmäßig von einer Sehenswürdigkeit zur anderen gegängelt wurden. Aber trotz allem könnten sie zum japanischen Bildungsbürgertum im weitesten Sinne des Wortes gezählt werden. Geschichtlich hat es in Deutschland vor dem Bildungsbürgertum ein Besitzbürgertum gegeben, das ganz schematisch gesagt ohne Bildung sich ein Vermögen erworben hatte. Diese Vatergeneration ermöglichte ihren begabten Söhnen, sich am Gymnasium und in den Universitäten eine schöngeistige Bildung zu erwerben. So entstand das Bildungsbürgertum in Deutschland. Daraus ergab sich auch ein Vater-Sohn-Konflikt, wie es im Wien der Jahrundertwende besonders der Fall war. Heute verfügt das Bürgertum sowohl über Besitz als auch über Bildung. Das öffentliche Bewußtsein liegt neuerdings nicht mehr beim Bildungsbürgertum, sondern bei der sogenannten Bewußtseinsindustrie oder bei den Medien. Das japanische Bildungsbürgertum im 20. Jahrhundert ist gewiß in Analogie zum deutschen Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert zu betrachten. Vor dem Zweiten Weltkrieg war das japanische Schulwesen eindeutig nach deutschem Muster ausgerichtet. So wurde auf der Kotogakko genannten Oberschule Deutsch anstelle Lateins als Hauptfremdsprache gelehrt und gelernt. Als Lehrstoff dazu hat man fast auschließlich die Texte der deutschen Klassiker auf dem Gebiet der Philosophie und Literatur verwendet, so daß die Studenten auf der Universität sich ohne weiteres anhand der deutschen Sprachkenntnisse mit allen Disziplinen der Geistes- und Sozialwissenschaften beschäftigen konnten. Es versteht sich von selbst, daß sie nicht nur die deutsche Klassik, sondern auch die deutsche Romantik mit Vorliebe gelesen haben. Aber der Schwerpunkt lag jahrzehntelang im deutschen 18. Jahrhundert, und die japaische Germanistik ist denn auch im Zuge der Goetheforschung begründet und entwickelt worden. Auf diese Weise ging eine nachhaltige Wirkung von der Goetheforschung auf die japanischen Gebildetenkreise hervor, die mit Anglisten oder Romanisten ein Bildungsbürgertum bildeten und als Germanophilen häufig einem Goethe-Kult huldigten. Erst nach dem Krieg haben sie allmählich andere Schriftsteller der deutschen Literatur im 19. Jahrhundert und nach der Jahrhundertwende kennen. Sie wurden dann Goethe gegenüber ernüchtert oder, wenn nicht ganz von ihm abgewandt, zumindest kritisch eingestellt. Seit der Goethe-Rede von Karl Jaspers “Unsere Zukunft und Goethe” (Zürich 1948), die bald ins Japanische übersetzt wurde, ist der traditionelle Goethe-Kult wohl auch in Japan endgültig zu Ende gegangen, und es war auch gut so. Die japanische Goetherezeption beruhte im Grunde auf einem humanistischen Goethebild, das wiederum verschiedene Aspekte zeigt. Das in Japan verbreitete Goethebild kann nach der Gliederung von Karl Vietor (Goethe. Dichtung Wissenschaft - Weltbild. Bern 1949) gut analysiert werden: Der Dichter - Natur - Jugend und Sturm und Drang. Der Naturforscher - Geist - Hochklassik. Der Denker - Weisheit - Alter. In japanischer Übersetzung erschien aber nach dem Krieg nicht dieses aufschlußreiche Goethebuch, sondern etwas anachronistisch Friedrich Gundolfs Monumentalerwerk in drei Bänden: Der junge Goethe, Der klassische Goethe und der alte Goethe. Vor dem Krieg war nur der 1. Band erschienen. Bei der japanischen Goetherezeption ist allerdings in hohem Maße zu berücksichtigen, daß die Japaner Goethes Werke meist nicht im deutschen Originaltext, sondern in verschiedenen japanischen Übersetzungen lesen. Der sprachlich verwandelte Goethe ist gewissermaßen japanisiert und bietet ihnen ein anderes Bild des Dichters als bei den Deutschen. Wenn sie darüber hinaus Goethes Sekundärliteratur wieder in japanischer Sprache heranziehen, wird die Auswirkung der sprachlichen Metamorphose noch größer. Umgekehrt dürften die deutschen Goetheforscher von der 1938 durch Robert Schinzinger vorzüglichen ins Deutsche übersetzten Anhandlung des japanischen Philosophen Nishida Kitaro über den dichterischen Denker Goethe einen völlig anderen, positiven Eindruck gehabt haben als vom japanischen Original. Wenn man ferner Goethes geistesgeschichtliche Stellung zwischen Christentum nach der Aufklärung sowie Nihilismus seit Schopenhauer und Nietzsche, die Probleme von Theismus und Atheismus in der deutschen Geistesgeschichte als Hintergrund seines literarischen Schaffens überhaupt bedenkt, kann man über die Sprachbarriere nicht leicht hinwegkommen. Im Zeitalter der neuen elektronischen Medien kommt dazu noch die Frage, ob nicht das Medium Film längst die Literatur abgelöst hat, wenn es um die Tradierung von Welt- und Naionenbildern geht. Die Frage nach der Zukunft des Buches ist freilich nicht neu. Der Freiburger Literaturwissenschaftler Gerhard Kaiser beginnt sein Buch Wozu noch Literatur? Über Dichtung und Leben (Beck’sche Reihe. München 1996) wie folgt: “Immer mehr Bücher finden immer weniger Leser. Die Weite der Weltliteratur und dieTiefe der Literaturgeschichte sind erschlossen wie nie, aber für wen?” (S.9) Es sind hier vor allem Bücher der Literatur gemeint, auch wenn sie nicht unmittelbar dem Medium Film gegenübergestellt werden. Kinooder Fernsehfilme gehören nach den anschließenden Ausführungen vielmehr zur Literatur im weiteren Sinne, insofern sie wie literarische Werke den Lebensgehalt des Menschen durch eine künstlerische Transformation den Mitmenschen vermitteln. Bei der aufgeworfenen Frage geht es speziell um die Tradierung von Welt- und Nationenbil-dern. Aber Weimarer Klassik richtet ihr Augenmerk auf das Menschliche überhaupt und ver-mittelt in erster Linie eine Anschauung vom Menschen und in zweiter Linie eine Weltanschauung. Das deutsche Weltbild im 18. Jahrhundert, das vom Pietismusbis zum Idealismus wesentlich auf die gnostisch-, neuplatonisch-, kabbalistische Tradition zurückgeht, kann nur durch Literatur und Philosophie vermittelt werden. In diesem Fall wird also Literatur prinzipiell nicht vom Medium Film abgelöst. Wenn man die Geisteshaltung der Weimarer Klassik als typisch deutsch auffaßt und daraus ein Bild der deutschen Nation bildet, kann man wohl noch von einem Nationbild sprechen. Da dies viel realistischer ist als ein Weltbild, kann es effektvoll durch das Medium Film zur Darstellung gebracht werden. Zwischen Literatur und Film spielt das Theater in Deutschland traditionsgemäß eine vermittelnde Rolle. Ein gutes Beispiel dafür ist Goethes Tragödie Faust. Über die Textlektüre hinaus habe ich bisher viele Theateraufführungen des Faust gesehen. Peymanns Stuttgarter epochale Inszenierung habe ich leider nicht erlebt. Aber Dieter Dorns Faust-Inszenierung habe ich sowohl auf der Bühne als auch im Fernsehen erlebt. Gründgens Hamburger Inszenierung habe ich freilich nur in der Fassung des Kinofilms und im Video gesehen. Murnaus “Faust” habe ich im alten Stummfilm und in der Neufassung des ZDF mit Begleitmusik gesehen. Ich persönlich werde hinsichtlich des Faust zwischen Text und Bild nicht antithetisch einander gegenüberstellen, sondern beidem sein Recht widerfahren lassen. Aber ich bin nicht sicher, welchem das deutsche Publikum von heute den Vorzug gibt, der Textlektüre oder der Theateraufführung. Vermutlich erzielt ein Peter Stein mit seiner textgetreuen und doch modernen Inszenierung den größten Erfolg. Aber Goethes Faust ist ausnahmsweise ein Glücksfall, was nicht ohne weiteres auf die Inszenierung von Iphigenie oder Tasso zutrifft. Literarische Verfilmungen von Werther oder Die Wahlverwandtschaften dürften beim deutschen Publikum viel weniger ankommen. Immerhin erscheint mir die kulturelle Bedeutung der Filmproduktion hier in Deutschland vielgrößer als in Japan. Seit langem beklagen sich zwar manche über minderwertige Unter-haltungsfilme im Fernsehen, aber es gibt doch viele aufschlußreiche Dokumentarfilme sowohl kulturgeschichtlicher als auch zeitgeschichtlicher Themen, die alle verschiedene Nationen-bilder in der ganzen Welt vermitteln. Wie Gerhard Kaiser im Anschluß an das obige Zitat sagt, scheint das „Literarische Quartett“ im Fernsehen ein Massenpublikum und einen hohen Unterhaltungswert zu haben. Im Bildunsprogramm des Bayerischen Rundfunks oder des 3sat wird ebenfalls literaturwissenschaftliche oder allgemein philolosophische Gespräche mit bekannten Schriftstellern oder Kritikern oft gesendet, was zur weiteren Lektüre der besprochenen Werke anregen könnte. Gewohnheitsleser, die sich in ihr Zimmer zurückziehen und in der Stille sich der Lektüre hingeben, sind immer schon eine Minderheit gewesen. Ich werde also hier keine Alternative von Literatur und Film erblicken wollen. Zum Schluß soll noch eine Grundsatzfrage erörtert werden: das Verhältnis unserer Gegenwart zur Vergangenheit, um einen Ausblick auf die Zukunft zu gewinnen, oder anders gesagt, Wertschätzung Goethes als des Kulturerbes. Soll man aus dessen Zinsen wie Rentner weiter leben oder es als ein Kapital anlegen, um es zu vermehren, oder sogar aus Goethe Kapital zu schlagen? Wer die sogenannten Klassiker, vor allem Goethe, für das Kriterium zur Beurteilung der Gegenwart heranzieht, steht also vor der Frage nach dem weiterwirkenden Kulturerbe wie Ortega y Gasset: “Man sollte die Klassiker vor ein Tribunal von Schiffbrüchigen stellen und sie gewisse Urfragen des echten Lebens beantworten lassen. Wie würdeGoethe vor diesem Gerichtshof bestehen? Es steht zu vermuten, daß er der Fragwürdigste aller Klassiker wäre, weil er ein Klassiker zweiter Ordnung ist, ein Klassiker, der seinerseits von den Klassikern gelebt hat, der Prototyp des geistigen Erben - von welchem Umstand er er selbst sich so klare Rechenschaft gab -, kurz, ein Patrizier unter den Klassikern.” (Zitiert bei Heinz Kindermann: Das Goethebild des 20. Jahrhunderts. Zweite, verbesserte und ergänzte Ausgabe. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt 1966, S. 427) Hier wird Goethe von der Vergangenheit vor die Aufgaben der Gegenwart herausgefordert. Dagegen sieht Emil Staiger die Gegenwart vor die geistigen Ansprüche der Vergangenheit gestellt: “Gleichwohl darf schon jetzt dieses Werk (der 1. Band seines ‘Goethe’) als wichtiges Dokument der neuen Goethe-Erkenntnis des Andersseins betrachtet werden, die nicht ausgeht, Elemente der eigenen Zeit in Goethe hineinzutragen, sondern die bei ihrem höchst verantwortungsbewußten Ausbreiten des ‘großen Erbes’ immer wieder die ehrfürchtige Frage vor Augen hat: ‘Wie bestehen wir heute vor ihm?’“ (Kindermann, a.a.O.,S.659) Diese scheinbar bescheidene Haltung Staigers, die die eigene Gegenart aus der Goethezeit beurteilten will, ist allerdings von Hans Mayer einmal heftig kritisiert worden. Zum GoetheJahr 1932 erschien Walther Linden: Goethe und die deutsche Gegenwart, Deutsches Verlagshaus Bong & Co. Berlin 1932. Er argumentierte zum Schluß etwas anders: „Zwiespältig ist unsere Zeit; zwiespältig ist immer der deutsche Geist gewesen. Goethe ist deutsch, indem er den aus der deutschen Innerlichkeit fließenden Zwiespalt des Inneren und Äußeren, des Ichs und der Welt, im Tiefsten und mit kämpferischer Mühe nacherlebt; er ist überdeutsch, d.h. nicht international oder kosmopolitisch, sondern reinste Blüte deutschen Wesens, indem er den Zwiespalt im Ringen überwindet.“ (S. 70) Im Goethejahr 1999, am 250. Geburtstag Goethes, wurde dagegen bewußt Goethes Weltbürgertum in den Vordergrund gestellt: Humanitätsideal - Menschlichkeit - Überwindung des Chaos durch den Kosmos, eben Kern der bürgerlichen Humanität. Friedrich Ebert wollte seinerzeit Goethe oder den Geist von Weimar zum Prinzip der Weimarer Republik machen. Die Frage nach dem Scheitern der Weimarer Republik wird schließlich gestellt. (Rohmanuskript am 27.1.2004) Ⅱ. Reden und Ansprachen: Ein Freund kommt mich aus weiter Ferne besuchen. Ist das nicht auch erfreulich? Dankesworte beim 1. Symposium der koreanischen und der japanischen Germanisten, das vom 29. April bis 1. Mai 1989 in Seoul stattgefunden hat. Herr Präsident, Professor Bak! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist für mich eine große Freude, zum Abschluß dieses so erfolgreich verlaufenen, koreanischjapanischen Symposiums ein paar Worte sagen zu dürfen. Zunächst möchte ich Ihnen im Namen aller japanischen Teilnehmer unseren tief empfundenen Dank dafür aussprechen, daß dieses Symposium in Seoul durch Ihre Bemühungen und Gastfreundschaft zum erstenmal zustande kommen konnte. Danken möchte ich persönlich vor allem Herrn Professor Kyu-Hwa Chung, der von Anfang an, d. h. seit April vorigen Jahres, mein Anliegen für ein gemeinsames Symposium zwischen den koreanischen und japanischen Germanisten mit Rat und Tat unterstützt hat. Mein Dank gilt dann Herrn Professor Huan-Dok Bak für die freundliche Bereitschaft, das geplante Symposium mit einem von Herrn Professor Won-Yang Rhie geleiteten Vorbereitungskomitee durchzuführen. Als Herr Professor Myung-Yul Chi im vergangenen Februar in Tokyo war, bediente er sich eines sehr anschaulichen Gleichnisses, um das Verhältnis der koreanischen und japanischen Germanisten zueinander zu verdeutlichen. Nach der Ansicht von Herrn Professor Chi teilen wir schon lange eine gemeinsame Liebe zur deutschen Sprache und Literatur, wir haben uns aber bisher wie durch einen künstlichen Satelliten über den weiten Umweg der deutschen Germanistik, indem wir uns zufällig in Deutschland kennenlernten, einigermaßen verständigt. Jetzt haben wir glücklicherweise den Weg gefunden, uns unmittelbar kennenzulernen und wissenschaftlich zusammenzuarbeiten. Da die deutsche Sprache uns dabei als unser gemeinsames Verständigungsmittel dient, wollen wir trotz allem der Germanistik dankbar bleiben. Dank vieler Anregungen, die wir während dieses zweitägigen Symposiums gegenseitig erhalten haben, werden wir uns mit erneuertem Interesse unserer germanistischen Forschung und Lehre zuwenden können. Ich möchte Ihnen, meine lieben koreanischen Kolleginnen und Kollegen, versichern, daß wir japanische Teilnehmer geistig in hohem Maße bereichert nach Hause zurückkehren. Auch wenn der Aufenthalt in Seoul diesmal sehr kurz war, werden wir die schönen Tage mit Ihnen lange in Erinnerung behalten und uns tüchtig mit den wissenschaftlichen Ergebnissen des Symposiums beschäftigen. Zur Zeit sind wir in Japan mit den Vorbereitungen für den IVG-Kongreß Tokyo völlig in Anspruch genommen. Wir werden uns aber gerne bemühen, unsere einmal angeknüpften freundschaftlichen Beziehungen aufrecht und lebendig zu erhalten und unser akademisches Gespräch fortzuführen. Wir würden uns also sehr freuen, Sie spätestens nächstes Jahr im August in Tokyo wieder begrüßen zu dürfen. Ich danke Ihnen noch einmal sehr herzlich und freue mich auf ein baldiges Wiedersehen entweder hier in Korea oder in Japan. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Abschluβ des 1. chinesisch-japanischen Germanistiksymposiums in Peking möchte ich Ihnen zunächst im Namen aller japanischen Teilnehmer unseren aufrichtigen Dank dafür aussprechen, daβ es so erfolgreich verlaufen ist. Es geht auf eine freundliche Einladung von Herrn Professor Zhu Yan zurück, die Herr Professor Zhang Yushu mir bereits im Februar 1988 vermittelte und in den letzten Monaten von Herrn Professor Huang Guozhen intensiv vorbereitet worden ist, und ich freue mich mit Herrn Professor Iwasaki sehr darüber, daβ unser Germanistentreffen noch vor dem IVG-Kongreβ Tokyo 1990 zustande kommen konnte. Vor dem akademischen Austausch muβ ja menschlicher Kontakt hergestellt sein, damit eine gute Zusammenarbeit gewährleistet ist. Über die jahrhundertealten Kulturbeziehungen zwischen China und Japan brauche ich allerdings kein Wort zu verlieren. Ich hatte immer schon groβen Respekt vor dem chinesischen Mönch Ganzin, der nach fünfmaligem Schiffbruch und durch Mühsale auf Reisen erblindet endlich im Jahre 753 nach Japan gekommen war, um der japanischen Jugend die buddhistische Lehre beizubringen. Sie können sich also gut vorstellen, wie glücklich ich war, als seine Holzstatue vor etwa zehn Jahren einmal in seine chinesische Heimat zurückkehren konnte. War es doch ein symbolisches Zeichen dafür, daβ die lange Tradition wiederhergestellt worden ist. Bis dahin war China für manche Japaner ein nahes und doch sehr fernes Land. Für mich persönlich bedeutete China von Jugend auf die Antike, wie sie Goethe vor Augen hatte. So kam mir das Land gar nicht fremd vor, als ich im März 1988 zum erstenmal hierher kam und durch die Stadt geführt wurde. Alles war mir natürlich unbekannt, aber ich hatte das Gefühl, irgendwie in meine kulturelle Heimat zurückgekehrt zu sein. Es gibt wirklich eine Wiederbegegnung mit dem Unbekannten, wie es bei Goethe auf seiner italienischen Reise der Fall war. So habe ich denn auch erst richtig schätzengelernt, was mit seinem Zweizeiler gemeint war: „Was ich nicht erlernt hab / Das hab ich erwandert.“ Goethe wanderte viel, um etwas, was nie von den Büchern zu erlernen ist, selbst zu erleben. So habe ich seitdem bewuβt angefangen, im Sinne Goethes zu wandern, und ich hoffe, daβ es auch meinen japanischen Kollegen ähnlich ergeht wie mir. Heutzutage macht man keine Wallfahrt mehr, sondern man fährt von einem wissenschaftlichen Kongreβ zum anderen. Das ist sozusagen die moderne Form der Wanderschaft geworden. Was wir in den letzten Tagen auf unserer Tagung voneinander gelernt haben, dürfte im einzelnen individuell verschieden sein. Eines steht aber fest, daβ wir nämlich als sogenannte Auslandsgermanisten viele gemeinsame Probleme haben sowohl in der germanistischen Forschung als auch in der Sprachpädagogik. Auβerdem konnten wir die deutsche Sprache als gemeinsames Verständigungsmittel entdecken. Wir sind zueinander keine fremden Leute mehr, wenn wir uns auf deutsch unterhalten. Das ist doch ein so beglückendes, wunderbares Erlebnis gewesen, daβ wir dafür immer dankbar bleiben wollen. Wenn wir uns auf diese Weise weiterhin mit der deutschen Sprache und Literatur beschäftigen, könnten wir besonders in der Rezeptionsgeschichte, Übersetzungswissenschaft oder Komparatistik gemeinsam zur internationalen Germanistik beitragen. Nach Beendigung der Tagung muβ nun ein Teil der japanischen Delegation gleich nach Hause zurückfahren. Die übrigen Teilnehmer dürfen dank vieler Bemühungen von Herrn Professor Huang eine Studienreise nach Xian antreten. Die traditionsreiche alte Stadt Chang’an und die heutige Universitätsstadt hätte ich schon deshalb sehr gern besucht, weil Ganzin in seiner Jugend dort studierte. Leider muβ ich wegen verschiedener Verpflichtungen am Ende des japanischen Geschäftsjahres -- dies läuft eben am 31. März ab -- darauf verzichten. Aber meine Chinareise ist diesmal bestimmt nicht die letzte. Beim nächsten Mal hoffe ich nicht nur nach Xian, sondern auch nach Shanghai oder Guangzhou fahren zu dürfen. Ganz am Anfang der konfuzianischen Spruchsammlung Lun-Yü heiβt es: „Ich habe einen Freund in weiter Ferne, und er kommt mich besuchen. Ist es denn nicht auch sehr erfreulich?“ Wir fühlen uns hier in diesen Tagen mit diesem altvertrauten Geist freundlichst aufgenommen und möchten Ihnen, meine lieben chinesischen Kolleginnen und Kollegen, noch einmal für Ihre Gastfreundschaft recht herzlich danken. Wir freuen uns unsererseits sehr darauf, Sie beim kommenden IVG-Kongreβ bald wieder begrüβen und betreuen zu können. Also auf Wiedersehen in Tokyo! (Peking, den 28. März 1990) Zum Schluß des ersten ostasiatischen Germanistik-Symposiums: Berlin, den 30. August 1991 Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen aus China, Korea und Japan! Wenn zwei Nichteuropäer sich im Ausland auf englisch unterhalten, wundert man sich nicht darüber. Bei internationalen Tagungen ist es auch üblich, Englisch als Tagungssprache zu verwenden. Sogar auf einer internationalen Japanologentagung, die jüngst in Berlin stattfand, mußten die japanischen Teilnehmer ihre Referate auf englisch halten und diskutieren, um sich weltweit zu verständigen. Als aber im August 1985, eine Woche vor dem IVG-Kongreβ Göttingen, das 2. Internationale Germanistentreffen des DAAD in Berlin stattfand, war es anders. Deutsche Germanistikprofessoren und Germanisten aus der ganzen Welt tauschten ihre Erfahrungen und Meinungen in deutscher Sprache aus, unterhielten sich miteinander auf deutsch und fühlten sich wie zu Hause. Warum denn also nicht auch auf deutsch, wenn ostasiatische Germanisten einmal unter sich zusammentreffen sollten? Der Gedanke lag sehr nahe, weil bald darauf Professor Eijiro Iwasaki zum neuen Präsidenten der IVG gewählt und dadurch Tokyo faktisch als der nächsteTagungsort festgesetzt wurde. Der IVG-Kongreβ sollte zum erstenmal in einem nichtwestlichen Land tagen. Das bedeutete für die japanischen Organisatoren, daß er ein Ort der Begegnung nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch unter den ostasiatischen Nachbarländern werden sollte.War es doch von Anfang an klar, daß auch aus Korea und China viele Kollegen daran teilnehmen würden. Der Kontakt mit ihnen war allerdings bislang kaum vorhanden. So wurden als Vorkontakt vor dem IVG-Kongreß Tokyo 1990 zwei bilaterale Treffen veranstaltet, und diese akademischen Bemühungen haben erfreulicherweise die Bereitschaft zur weiteren freundschaftlichen Zusammenarbeit hervorgebracht. Der offizielle Beschluß, ein ostasiatisches Germanistentreffen in Deutschland zu veranstalten, ist während des IVG-Kongresses Tokyo auf einer von der Japanischen Gesell-schaft für Ger- manistik angeregten gemeinsamen Vorstandssitzung gefaßt worden, an dem u.a. Herr Professor Zhu Yan als Präsidentdes Chinesischen Germanistenverbandes und Herr Professor Synn Ilhi, der Amtsvorgänger von Herrn Professor Song Dong-Zun, als Präsident der Koreanischen Gesellschaft für Germanistik teilnahmen. Daraufhin hat sich Herr Mishima offiziell an den DAAD und die Humboldt-Stiftung mit der Bitte um finanzielle Unterstützung gewandt. Unsere Bemühungen haben ihren ersten Gipfelpunkt erreicht in dem „Symposium der ostasiatischen Germanisten in Deutschland - aus China, Korea und Japan“, das vom 26. bis 30. August 1991 im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin mit finanzieller Unterstützung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und der Alexander von Humboldt-Stiftung stattfand. Generalsekretär Dr. Thilo Graf Brockdorff vom JDZB, ohne dessen tatkräftige Hilfe das Symposium nicht zustande gekommen wäre, nannte es bei der Eröffnung der Tagung mit Recht „eine Premiere besonderer Art“. Denn zum erstenmal haben die Germanisten aus China, Korea und Japan mit den deutschen Kollegen zusammen gemeinsam über das Thema „Deutsche Literatur und Sprache aus ostasiatischen Perspektiven“ diskutiert. An dem Symposium, das am 27. August vom Senatsempfang beehrt und am darauf folgenden Geburtstag Goethes mit einem Ausflug nach Potsdam begleitet wurde, haben ca. 60 Germanisten aus vier Ländern teilgenommen, und es wurden außer den Plenarvorträgen Sektionen für Sprach- und Literaturwissenschaft sowie Sprach- und Kulturvermittlung im Deutschunterricht eingerichtet. Alle Referate sollten in einem Dokumentationsband des JDZB veröffentlicht werden. Am Ende unseres erfolgreich verlaufenen Berliner Symposiums bin ich Ihnen also für Ihre Freundliche Zusammenarbeit zu großem Dank verpflichtet. Ich bin natürlich auch für die soeben ausgesprochenen, sehr warmen Worte der beiden Präsidenten von Korea und China zutiefst dankbar. Wir wollen uns aber doch zuerst gemeinsam bei den deutschen Institutionen und Kollegen für ihre Unterstützung aufrichtig bedanken. Ohne die großzügige Unterstützung von seiten des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin, des DAAD sowie der Alexander von Humboldt-Stiftung wäre unser ostasiatisches Germanistentreffen in Deutschland nicht zustande gekommen. Graf Brockdorff, Herr Dr. Hellmann sowie Herr Dr. Pfeiffer sind unserem Vorhaben von Anfang an mit großem Verständnis und Wohlwollen entgegengekommen. Persönlich möchte ich allerdings auch Frau Dr. Schwede vom Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin, den Leitern der jeweiligen Vorbereitungskomitees und nicht zuletzt Herrn Professor Horst Denkler an der Freien Universität Berlin für ihre Hilfe bei der Vorbereitung des Symposiums recht herzlich danken. Frau Dr. Schwede war früher Lektorin in Tokyo, deshalb konnten Herr Mishima und ich ohne weiteres mit ihr gut zusammenarbeiten, ja sie oft ungeniert bemühen. Mit Herrn Professor Rhie Won-Yang der Koreanischen Gesellschaft für Germanistik und Herrn Professor Huang Guozhen des Chinesischen Germanistenverbandes sind wir gut bekannt seit dem koreanisch-japanischen Germanistiksymposium Seoul im April 1989 und seit dem chinesisch-japanischen Germanistiksymposium Peking im März 1990. Herr Professor Horst Denkler ist unser Berater und mein Ver-trauensmann gewesen, zumal er sich in den germanistischen Verhältnissen in China und Korea auskennt. Im Vor- und Nachfeld des IVG-Kongresses Tokyo fanden voriges Jahr mehrere Veranstaltungen statt. Unser Berliner Symposium schließt sich an das internationale Faust-Symposium an, das im vergangenen Oktober in Kooperation mit dem Goethe-Institut Tokyo von der Sophia-Universität veranstaltet wurde, und an dem Goethe-Kenner aus Deutschland, Korea, China und Japan beteiligt waren. Es war von mir aus durchaus als eine Vorstufe unseres Drei-Länder-Treffens in Deutschland gedacht. Auf dem 2. Internationale Germanistentreffen des DAAD, das im August 1985 eine Woche vor dem IVG-Kongreß Göttingen stattfand, habe ich Herrn Professor Oh Han-sin kennengelernt und Herrn Professor Zhang Yushu nach dessen geistreichem Vortrag kurz angesprochen. Mit Herrn Oh hat sich bald eine gute Freundschaft entwickelt, nachdem wir uns gegenseitig in Tokyo und Seoul besuchten. Die nähere Bekanntschaft mit Herrn Zhang hat mir dankenswerterweise Herr Dr. Pfeiffer im Herbst 1987 verschafft, alser in Begleitung von Herrn Dr. Papenfuß in Peking war. So habe ich Herrn Zhang bereits im März 1988 in Peking aufgesucht und bei der Gelegenheit den ersten Kontakt mitdem Vorstand des Chinesischen Germanistenverbandes aufgenommen. Offen gestanden wurde die allererste Idee zum koreanisch-japanischen Germanistiksymposium sozusagen auf der Poststraße von Bonn gefaßt, als ich dort im Juli 1987 Herrn Oh zufällig traf. Er kam vom Münsterplatz daher, und ich gerade vom Bahnhof. Wir haben uns dann stundenlang im Café am Bahnhof über eine solche Möglichkeit als Vorkontakt vor dem IVG-Kongreß Tokyo unterhalten. Das war also ein „glückliches Ereignis“. Mit Herrn Zhang habe ich die Möglichkeit eines chinesisch-japanischenGermanistiksymposiums zunächst brieflich besprochen. Über die Bedeutung unseres Berliner Treffens brauche ich wohl nicht eigens zu sprechen, weil Graf Brockdorff in seiner Begrüßungsansprache eindringlich genug darauf hingewiesen hat. Da es von japanischer Seite initiiert wurde, hat der Präsident der Japanischen Gesellschaft für Germanistik, Professor Kozo Hirao, in seiner Eröffnungsrede die historische Bedeutung des Berliner Treffens hervorgehoben. Der Generalsekretär des JDZB hatte denn auch auf das Beispiel der deutsch-französischen Freundschaft und auf den Beginn der deutschpolnischen Zusammenarbeit hingewiesen. Die deutsche Aussöhnung mit den Nachbarn zum Muster zu nehmen, lag in der Tat den japanischen Initiatoren an, wie es im Konzept von Professor Kenichi Mishima heißt: “Wir hoffen, daß dieses Symposium nicht nur den kulturellen Austausch zwischen Ost und West intensiviert, sondern auch die wissenschaftliche Kommunikation und die menschliche Zusammenarbeit zwischen den chinesischen, koreanischen, japanischen und deutschen Germanisten auf eine neue Basis stellt, auf der später zum Wohl aller viele interessante und anregende Erkenntnisse gedeihen werden. In diesem Sinne möchten wir auch am Ende ausdrücklich hervorheben, daß es besonders wichtig und symbolträchtig ist, daß dieses Symposium in einem neu geeinigten Deutschland, und zwar in einer Stadt mit ihrer leidvollen, endlich überwundenen Geschichte der Spaltung stattfindet.“ Wie Sie alle, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, habe ich mich lange mit der deutschen Sprache und Literatur beschäftigt und habe gesehen, daß das Geschehene in der Geschichte nicht wieder rückgängig zu machen ist. Ich habe aber auch gelernt, daß es soweit wie möglich mit gutem Willen wiedergutgemacht werden kann. Ich bewundere dabei die Fähigkeit der deutschen Kollegen, Selbstkritik zu üben, und möchte sie nach Kräften zum Modell für die Gestaltung einer besseren menschlicheren Zukunft nehmen. Denn es genügt nicht, bloß mea culpa zu sagen. In diesem Sinne kommt es mir wirklich wie eine Fügung vor, daß unser Symposium im wiedervereinigten Deutschland und zwar in Berlin, das wieder Hauptstadt geworden ist, stattfinden konnte. Ich darf wohl sagen: Es gehört zu unserem seltenen Glück, daß wir die deutsche Sprache als gemeinsames Kommunikationsmittel in ganz Ostasien entdeckt haben. Wir konnten dadurch Freunde werden. Das sind gewiß jene anderen Töne, die Beethoven im Chor seiner Neunten Symphonie angestimmt wissen wollte. So wollen wir uns nun von ganzem Herzen freuen und vor allem der deutschen Sprache für ihre völkerverbindende und -versöhnende Rolle dankbar bleiben. Zum deutsch-japanischen Symposium „Goethe und die Weltkultur“: Berlin, 19.12.1991 Meine Damen und Herren! Zum Schluß unseres deutsch-japanischen Goethe-Symposiums erlauben Sie mir bitte, noch ein paar Worte zu sagen. Ich freue mich mit Ihnen allen aufrichtig, daβ es trotz der ungünstigen Zeit kurz vor Weihnachten relativ viele Teilnehmer gefunden hat und unter Anwesenheit des Herrn Gesandten Araki erfolgreich verlaufen ist. Für die freundliche Mitwirkung bin ich als Organisator allen Kolleginnen und Kollegen sehr verbunden, möchte aber besonders Frau Dr. Reini Schwede, die ja fast ein ganzes Jahr das Goethe-Symposium mit allen seinen Pannen infolge des Golfkrieges vorbereitet hat, recht herzlich danken. Wie dieses Symposium überhaupt zustande kommen konnte, darüber hat Graf Brockdorff gestern bei der Eröffnung ausführlich berichtet. Deshalb brauche ich Ihnen nicht mehr viel zu sagen. Eigentlich habe ich dieses Projetkt im Auftrag meines geschätzten Kollegen Prof. Takeo Ashizu, Kyoto, ausgeführt. Unterstreichen möchte ich aber, daß die erste Anregung von Herrn Koji Toyoda gekommen ist, der hier in Berlin als Professor an der Musikhochschule tätig ist und dem Stiftungsrat des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin angehört. Er hat mich bereits im Oktober 1989 in meinem Büro in der Sophia-Universität, Tokyo, aufgesucht und hat mir u.a. mitgeteilt, daß Herr Keizo Kimura, der japanische Botschafter in Bonn, an seinem Projekt sehr interessiert sei. Daraufhin habe ich mich gern zur Zusammenarbeit bereiterklärt, zumal ich den Botschafter vor dreißig Jahren während meiner Münchner Studentenzeit kennengelernt habe und wissenschaftlich seinem Vater Kinji Kimura, dem bedeutendsten Goetheforscher Japans, sehr viel verdanke. Unser Goethe-Symposium konnte freilich wie fast immer bei solchen Projekten erst nach einigen Pannen realisiert werden. Vor allen Dingen wurde es durch den Golfkrieg im vergangenen Februar stark betroffen. Nur wenige wissen darum Bescheid, daß wir auch Kriegsopfer sind, obwohl wir nicht gerade in Deutschland und Japan bombardiert worden sind. Wurde doch das Symposium deswegen vom Februar auf Dezember kurz vor der Weihnachtszeit verschoben, und wir Japaner müssen wiederum den Vorwurf hinnehmen, daß wir zuviel arbeiteten, ohne Urlaub zu nehmen. Nein, wir sind diesmal nicht schuld daran. Ich bedaure vielmehr, daß ein paar vorgesehene Referenten aus terminlichen oder gesundheitlichen Gründen nicht mehr nach Berlin kommen konnten. Um so herzlicher danke ich den Kollegen, die kurzfristig sich entschlossen haben, mit einem Referat an diesem Symposium teilzunehmen. Als ich voriges Jahr kurz vor dem IVG-Kongreß Tokyo mein erstes Konzept entwarf und an die deutschen und japanischen Referenten mit der Bitte um die Mitwirkung herantrat, stand die offizielle Wiedervereinigung Deutschlands noch bevor. So habe ich zunächst an die zahlreichen Äußerungen Goethes über die Deutschen und sein Verhältnis zu Deutschland gedacht. Ich war besonders überrascht zu finden, daβ ein einheitliches Deutschland in der jahrhundertelangen deutschen Geschichte nur während der Jahre 1871-1945 existiert hat, und daß die vier Jahre bis zur Teilung Deutschlands im Jahre 1949 keine festen Umrisse mehr zu haben schienen, obwohl man doch bald vom Wirtschaftswunder in Deutschland sprach. Als ich im Sommer 1959 zum Studium nach München fuhr, hatte sich die Germanistik schon lange wieder etabliert, und das Grimmsche Wörterbuch wurde etwa nach einem Jahr zu meinem Erstaunen in hundertjähriger philologischer Arbeit endlich vollendet. So sah ich mich veranlaβt, beim ersten Konzept primär an die deutsche Einheit zu denken. Eines der berühmtesten Xenien von Goethe und Schiller trägt ja den Titel „Das deutsche Reich“ und wirft andeutungs- und ahnungsvoll die Frage auf: „Deutschland? aber wo liegt es? Ich weiß das Land nicht zu finden, / wo das gelehrte beginnt, hört das politische auf.“ Vorher heißt es noch im Hinblick auf die Revolutionen: „Was das Luthertum war, ist jetzt das Franztum in diesen /Letzten Tagen, es drängt ruhige Bildung zurück“ und nachher in Bezug auf den deutschen Nationalcharakter: „Zur Nation euch zu bilden, ihr hoffet es, Deutsche, vergebes; / Bildet, ihr könnt es, dafür freier zu Menschen euch aus!“ In diesen drei Xenien kommt in erster Linie Goethes konservative politische Haltung zutage. Seine Ablehnung der französischen Revolution beruhte aber im Grunde genommen auf seinem klassischen Bildungsideal, das in der ästhetisch-ethischen Bildung des Menschen die Voraussetzung aller politischen Bildung sah. Ein Jahr nach der verwirklichten Einheit Deutschlands würde ich allerdings viel mehr Goethes Bedeutung für die Gegenwart im Spannungsverhältnis zwischen deutscher Kultur und umfassender Weltkultur bzw. zwischen Deutschtum und Weltbürgertum ins Auge fassen. Nach Heinrich Luden lag dem Dichter natürlich auch das politische Deutschland warm am Herzen. So soll er sich in der Unterredung mit jenem am 13. Dezember 1813 geäußert haben, er habe oft einen bittern Schmerz empfunden bei dem Gedanken an das deutsche Volk, das so achtbar im einzelnen und so miserabel im ganzen sei. Das gelehrte Deutschland setzte sich für ihn wohl nur aus einzelnen Gebildeten zusammen. Das bedeutet jedoch nicht, daβ die deutsche Kultur vorwiegend im engeren nationalen Rahmen gepflegt werden sollte. Daβ Goethe selbst den Begriff der Weltliteratur geprägt hat und seit eh und je in der ganzen Welt gelesen wird, ist der beste Beweis dafür. Die deutsche Einheit gibt also den Goetheforschern einen guten Anlaβ, sich wieder einmal mit Goethes Weltbürgertum zu beschäftigen, da es doch gar nicht im Widerspruch zum echten Deutschtum steht. Das wissenschaftliche Ziel, das auf diese Weise unter dem Rahmenthema „Goethe und die Weltkultur“ aufgestellt worden ist, dürfte durch aufschlußreiche Referate und lebhafte Diskussionen zur Genüge erreicht worden sein. Wurde es doch aus rezeptionsgeschichtlichen, übersetzungswissenschaftlichen, komparatistischen, ideologiekritischen und nicht zuletzt aus deutsch-deutschen Perspektiven aufgegriffen, und es sind im Laufe des zweitägigen deutsch-japanischen Goethe-Symposiums immerhin die Länder Frankreich, Persien, England, Amerika, Indien, China und Italien angesprochen worden. Wir hätten selbstverständlich auch die hispanische und slawische Welt ohne weiteres einbeziehen können. Goethe erweist sich somit als ein globaler Dichter, der nicht nur Deutschland, sondern der ganzen Menschheit gehört. Bekanntlich verlangte Herman Grimm in seinen nach der Reichsgründung gehaltenen Berliner Goethe-Vorlesungen ausdrücklich ein neues Goethebild. Es scheint mir, daß man im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands wieder ein neues Goethebild braucht, damit ein vom Goethekult befreiter Umgang mit diesem energiegeladenen Dichter ermöglicht wird. Daß Goethe dabei nicht mehr als Repräsentant der bürgerlichen Kultur in Deutschland, sondern als Symbolfigur für die deutsche Kultur überhaupt gilt, dafür sind schon einige Anzeichen zu beobachten. Wie dieses zukünftige Goethebild im vereinigten Deutschland aussieht, ist insofern sehr aktell, als es sich früher oder später auf das japanische Goethebild auswirken wird. Ich hoffe, daß wir in einigen Jahren wieder im Japanisch-Deutschen Zentrum zusammenkommen können, um unsere Erfahrungen mit dem neuen west-östlichen Goethebild auszutauschen. Bei der Ordensverleihung Exzellenz! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die hohe Ehrung und Ihre überaus wohlwollende Laudatio möchte ich Ihnen von ganzem Herzen danken. Genau vor zehn Jahren hatte ich das Glück, hier in diesem Saal von Botschafter Dr. Blech den Philipp-Franz-von-Siebold-Preis zu empfangen. Dabei sprach ich meinen tief empfundenen Dank mit den Worten aus: „Ich möchte den Preis nicht als Auszeichnung für das Geleistete, sondern als Verpflichtung für das noch zu Leistende dankbar in Empfang nehmen“. Seitdem habe ich mich zwar redlich bemüht, Wort zu halten, und an verschiedenen Projekten des deutsch-japanischen Kulturaustausches mitgewirkt. Aber ich hätte nicht daran gedacht, so frühzeitig von meiner Verpflichtung dispensiert und sogar mit diesem Orden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet zu werden. Ich fürchte daher, diese Ehre unverdient erhalten zu haben, und werde mich nach Kräften bemühen, sie durch weitere Verpflichtungen wirklich zu verdienen. Wie damals bin ich mir freilich wohl bewuβt, daβ mir sehr viele deutsche und japanische Bekannte und Freunde zu diesem glücklichen Ereignis verholfen haben. Es war vor allem Herr Professor Eijiro Iwasaki, der mir eine gute Gelegenheit, meine Schuldigkeit zu tun, gegeben hat. Berief er doch als Präsident der IVG mich zu einer engeren Zusammenarbeit, und ihm verdanke ich, daβ ich im Verlauf dieser Zusammenarbeit mit so vielen Germanisten in der ganzen Welt Kontakt aufnehmen konnte. Auch Herrn Dr. Manfred Osten, dem Kulturattaché der Botschaft, bin ich zu groβem Dank verpflichtet, weil er mit seinen zahlreichen Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln in Deutschland meinem Vorhaben zu einer Vergangenheitsbewältigung beigestanden hat. Auf diese Weise konnten die beiden Symposien in Seoul und Peking und schlieβlich das ostasiatische Germanistentreffen in Berlin zustandekommen. Es versteht sich von selbst, daβ ich den deutschen Institutionen, namentlich dem Goethe-Institut, dem DAAD sowie der Alexander von Humboldt-Stiftung, für ihre finanzielle Unterstützung sehr dankbar bin. Mein Dank gilt aber nicht zuletzt der deutschen Sprache. Denn durch diese Sprache konnten viele japanische Germanisten mit koreanischen und chinesischen Kollegen Freundschaft schlieβen. Im Laufe der Vorbereitungen für den IVG-Kongreβ Tokyo erwies sich Deutsch tatsächlich als eine lebendige Weltsprache, in der wir ohne weiteres korrespondiert und auf den Symposien wissenschaftlich diskutiert haben. Früher waren die koreanischen, chinesischen und japanischen Germanisten aus der Ferne durch ihre gemeinsame Neigung zur deutschen Sprache und Literatur wie mittels eines Nachrichtensatelliten miteinander verbunden. Jetzt haben wir glücklicherweise Deutsch als gemeinsames Kommunikationsmittel in Ostasien entdeckt und unterhalten uns direkt miteinander freundschaftlich. Zum Beispiel bin ich schon fünfmal in Korea und dreimal in China gewesen und fühle mich sowohl in Seoul als auch in Peking zu Hause, obwohl ich weder Koreanisch noch Chinesisch sprechen kann. Inzwischen habe ich sogar einen koreanischen und einen chinesischen Duzfreund, die sich ihrerseits lange vor den wiederhergestellten diplomatischen Beziehungen geduzt haben. Das verdanke ich der deutschen Sprache. Dazu kommt, daβ ich nun durch die Wiedervereinigung Deutschlands leichteren Zugang zum Kulturerbe in den fünf neuen Bundesländern habe. Dadurch habe ich ein neues Verhältnis zur deutschen Literatur im 18. Jahrhundert gewonnen, die sich hauptsächlich in den Städten Weimar, Jena, Leipzig oder Dresden entwickelt hat. Voriges Jahr habe ich denn auch zum erstenmal auf den Spuren Goethes die böhmischen Badeorte Karlsbad und Marienbad besucht, die Statue des heiligen Johanna von Nepomuk auf der Karlsbrücke in Prag bewundert und auf der Rückfahrt den seit langem erträumten Berg Kickelhahn endlich gesehen. Unterwegs hatte ich natürlich keine Sprachschwierigkeiten. Als ich dann in Frankfurt an der Oder das Kleist-Museum besichtigte, wäre ich gerne zu einem polnischen Germanisten in Warschau weitergefahren, wenn ich nur Zeit gehabt hätte. Gerade an der deutsch-polnischenGrenze ist mir wieder zum Bewuβtsein gekommen, wie groβzügig und hilfsbereit die Bundesrepublik Deutschland die akademische Jugend der Welt fördert, und zur hören, die gleichen Zeit habe ich mich erneut gefreut, ebenfalls zu denen zu ge- in ihrer Jugend in Deutschland studieren durften. Zum Schluβ danke ich Ihnen, Herr Botschafter, noch einmal sehr herzlich. (Tokyo, den 22. Oktober 1992) Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung: Budapest, den 25. April 1998 Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die mir zuteil gewordene Ehre, mich in Ihrem literarisch-gelehrten Kreis vorstellen zu dürfen, kann ich Ihnen nicht genug danken. Abgesehen davon, daß ich im Laufe der langjährigen Lehrtätigkeit als Auslandsgermanist mehrere von Ihnen persönlich in Japan oder Deutschland kennengelernt habe, kann ich mich an drei Ereignisse erinnern, die direkt oder indirekt mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung zu tun hatten. Gibt es doch ein deutsches Sprichwort: “Aller guten Dinge sind drei…” Einmal hatte ich vor Jahren Gelegenheit, beim deutschen Gesandten in Tokyo eine Delegation der Akademie unter der Präsidentenschaft von Herrn Karl Krolow zu begrüßen. Dann besuchte ich vor einigen Jahren in Peking den chinesischen Dichtergelehrten Feng Chih, der im Jahre 1988 den Friedrich-Gundolf-Preis erhalten hatte. Zuletzt schrieb ich 1996 als einer der Humboldtianer in einer Festschrift des Goethe-Instituts München: “Die durch die Humboldt-Stiftung geförderten Wissenschaftler verschiedenster Provenienz haben das freudige Lebensgefühl, gleichsam einer internationalen Akademie der Wissenschaften anzugehören.” Damals ahnte ich freilich nicht, daß mir jemals die Auszeichnung zuerkannt würde, zum korrespondierenden Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung gewählt zu werden. Offen gestanden, komme ich mir in dem Kreis derer, die sich um die deutsche Sprache und Dichtung in hervorragender Weise verdient gemacht haben, ein wenig fremd vor. Denn sowohl in der deutschen Sprache als auch in der deutschen Dichtung habe ich eigentlich nichts geleistet. Wenngleich ich eine Anzahl Aufsätze in deutscher Sprache veröffentlicht habe, kann ich doch nicht wie ein Deutscher Deutsch schreiben. Mein Deutsch muß vor der Drucklegung immer von einem deutschen Kollegen korrigiert werden. Im Japanischen würde ich mich aber schämen, meine Aufsätze oder Bücher sprachlich verbessern zu lassen. Die Kriterien für die Beurteilung bzw. Wertschätzung eines japanischen Germanisten müssen also woanders liegen. Ich persönlich sehe meine Aufgabe darin, das Interesse der japanischen Jugend an deutscher Sprache und Dichtung durch literaturwissenschaftliche Arbeit wachzuhalten. Dabei gilt mir vor allem Goethe als Sinnbild deutscher Kultur und Humanität. Darüber hinaus hat die deutsche Sprache mir dazu verholfen, gute Freunde in Korea und China zu gewinnen. Das gehört zu meinem Lebensglück, und ich bin ihr dafür sehr dankbar. In diesem Sinne möchte ich mich weiterhin nach Kräften um eine kulturelle Brücke zwischen Deutschland und Ostasien bemühen. Zu meiner Freude hat sich die deutsche Sprache für mich auch hier in Ungarn nicht nur als gemeinsames Verständigungsmittel, sondern auch als die Sprache der Freundschaft erwiesen. Ich danke Ihnen herzlich dafür. Schlußwort zum Schweiz-Symposium am 24. Oktober 1998, Tokyo Herr Botschafter Manz! Verehrte Gäste sowie meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zum Abschluß des erfolgreich verlaufenen Schweizer-Symposiums freue ich mich, als Insti-tutsleiter ein paar Worte sagen zu dürfen. Zunächst danke ich aufrichtig sowohl den Referenten, die mit ihren Vorträgen zum besseren Verständnis der Schweiz beigetragen haben, als auch meinen Kollegen, die das Symposium rechtzeitig angeregt haben. Denn ich hatte es nur zum glücklichen Abschluß zu führen, ohne es selbst genügend vorbereitet zu haben. Ich möchte dann nicht verabsäumen, Herrn Professor Thomas Immoos zum achtzig- sten Geburtstag noch einmal herzlich zu gratulieren. Es ist selten, daß einem Wissenschaftler zu Ehren ein Symposium veranstaltet wird. Die Festschrift „Das Gold im Wachs“ hat er schon im Jahre 1988 erhalten, und im gleichen Jahr hat ihm auch die Zeitschrift „Beiträge zur deutschen Literatur“ der Sophia-Universität eine Sondernum mer gewidmet. Ich persönlich kenne Pater Immoos seit meiner Studentenzeit, d. h. er ist vor vielen Jahren einmal mein Lehrer gewesen, und später habe ich in der deutschen Literaturabteilung über zwanzig Jahre einer seiner Kollegen sein dürfen. Vor einer Woche war ich an einer Akademietagung in Darmstadt beteiligt und habe bei der Gelegenheit Herrn Professor Peter von Matt wiedergesehen. Er hat mir erzählt, wie Sie, Pater Immoos, Anfang der 60er Jahre zu seinem Erstaunen -- Herr von Matt war damals noch ein junger Student -- mit einer Doktorarbeit bei Emil Staiger in Zürichanfingen. Darauf hin habe ich ihm meinerseits mitgeteilt, daß Sie in den letzten Jahrzehnten zwei Operationen überstanden und auch nach der Emeritierung an der Universität Wien als Gastprofessor für Religionsgeschichte und Theaterwissenschaft weiterhin gelehrt haben. Vielleicht erinnern Sie sich daran, daß ich als junger Dozent an der japanischen Ausgabe des Heftes „Nippon-Helvetia 1864 – 1964“ aus Anlaß des 100jährigen Bestehens der Staatsbeziehungen zwischen der Schweiz und Japan mitgearbeitet habe. Ich habe dafür den Artitel „Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und Japan“ und Ihren Aufsatz „Kulturelle Beziehungen im Barockzeitalter. Der erste Japandruck in der Schweiz. Japani-sche Themen im Schweizer Barocktheater“ ins Japanische über setzt. Sehr verehrer, lieber Pater Immoos, so freue ich mich, daß unsere Bekanntschaft sich über dreißig Jahre aufrecht erhalten hat und meine vielfachen Beziehungen zur Schweiz bei dieser Gelegenheit wunderbar erneuert worden sind. Ich wünsche Ihnen alles Gute, vor allem viel Gesundheit, und hoffe, daß ein Stück von „Hoher Himmel Enges Tal“, wie die Ausstellung „Buchkunst Schweiz“ auf der Frankfurter Buchmesse 1998 geheißen hat, in Ihnen lange verkörpert bleiben wird. Zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. multi. Wolfgang Frühwald Sehr verehrter, lieber Herr Frühwald, im Konfuzianismus, der die jahrhundertealte ethische Tradition in ganz Ostasien gebildet hat, stellt das 70. Lebensjahr etwas Besonderes dar, heißt es doch im Lun Yü, den Gesprächen des Konfuzius’ mit seinen Jüngern: „Der Meister sprach: Ich war fünfzehn, und mein Wille stand aufs Lernen, mit dreißig stand ich fest, mit vierzig hatte ich keine Zweifel mehr, mit fünfzig war mir das Gesetz des Himmels kund, mit sechzig war mein Ohr aufgetan, mit siebzig konnte ich meines Herzens Wünschen folgen, ohne das Maß zu übertreten.“ (Buch 2, Nr. 4 in der Übersetzung von Richard Wilhelm) Im Leben eines deutschen Akademikers werden diese Stufen der Entwicklung ungefähr dem Abitur, der Promotion, der Habilitation, der Lehrtätigkeit als Professor, dem Dekanat einer Universität und schließlich einem ehrwürdigen Amt als Präsident einer wissenschaftlichen Institution entsprechen. Herr Frühwald, Sie gelten in Deutschland sicher als guter Christ, ich hoffe es, Sie erweisen sich aber auf diese Weise auch in Ostasien als vorbildlicher Konfuzianer. Ich freue mich sehr darüber, weil Sie deshalb in der Lage sind, die weltweite Bedeutung der Alexander von Humboldt-Stiftung wohl nicht naturwissenschaftlich wie Ihre Vorgänger, aber geisteswissenschaftlich so glänzend in Ost und West zu repräsentieren. Als Germanist bin ich Ihnen durch eine glückliche Fügung wie kaum ein anderer zu großem Dank verpflichtet. Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir zu erwähnen, daß Sie sich schon vor vierzig Jahren als Oberassistent meines Münchner Doktorvaters Hermann Kunisch um mich gekümmert haben. Damals war ich ein DAAD-Stipendiat. Als mir im Goethejahr 1982 das Glück zuteil wurde, faktisch von der Humboldt-Stiftung einen Philipp-Franz-vonSiebold-Preis zu erhalten, haben Sie mich dann als Ordinarius der Germanistik in München freundlich betreut. Ich ahnte freilich nicht, daß ich später in meinem wissenschaftlichen Betreuer einen Präsidenten der Humboldt-Stiftung finden würde. Im Laufe der Jahre habe ich von Ihnen nicht nur aus zahlreichen Sonderdrucken, sondern auch durch persönliche Gespräche sehr viel gelernt und es sogar manchmal zitiert ohne Quellenangabe. Da ich darüber als Philologe etwas schlechtes Gewissen habe, möchte ich Ihnen heute ein Beispiel nennen. Sollten Sie sich nicht mehr daran erinnern, so würde ich mich von der philologischen Pflicht dispensiert fühlen. Es handelt sich dabei um Flugblätter der „Weißen Rose“, in denen neben der Bibel (Der Prediger Salomo) Augustinus, Goethe, Schiller, Novalis, Aristoteles und Laotse zitiert waren. Ich wunderte mich, daß ausgerechnet Laotse statt Konfuzius genannt wurde. Da wies mich Herr Frühwald darauf hin, daß Theodor Haecker in seinem seinerzeit bekannten Buch Was ist der Mensch? (1933) einmal bemerkt hatte: „Ich kann mir sehr wohl denken, daß einer ein kleines Buch schriebe: Laotse, Vater des Morgenlands.“ Das war bewußt im Hinblick auf sein antifaustisches Buch Vergil, Vater des Abendlandes (1931) gesagt. Als man die Geschwister Scholl wegen Austeilung der Flugblätter in der Universität München verhaftete, wäre man dahinter gekommen, wer sie zu den merkwürigen LaotseZitaten angeregt hatte, wenn man nur um diesen Zusammenhang gewußt hätte. Das hätte dann zur dritten Verhaftung Theodor Haeckers und zu schlimmen Folgen geführt. In seinen Tag- und Nachtbüchern 1939-1945, deren Manuskript bei der Hausdurchsuchung beinahe entdeckt worden wäre, notierte er in der Tat am 9. Juni 1944: „Manche gute Menschen, Helfer, Tröster durch ihr Sein und ihr Tun! Scholl!“ In meinem nach vielen Jahren entstandenen Aufsatz über „Konfuzius’ Lun Yü in deutscher Übersetzung“ habe ich diese Umstände andeutungsweise erwähnt, um jene Zitate aus Laotses Tao Te King zum Vergleich heranzuziehen, habe aber keine Anmerkung gemacht, diese Erkenntnis gehe auf einen mündlichen Hinweis von Wolfgang Frühwald zurück. Ich weiß allerdings selber nicht, wann und wo das aufschlußreiche Gespräch mit Ihnen geführt wurde. Als ich vor einigen Jahren eine Textsammlung der deutschen Mystik in japanischer Übersetzung herausgab, habe ich aber Ihren Aufsatz über Albertus Magnus mit Quellenangabe zitiert, da er gedruckt vorliegt. Auch Ihren Weimarer Festvortrag 1999 über die „Erfahrung, sich selbst historisch zu werden“ wollte ich für mein demnächst erscheinendes Goethebuch in deutscher Sprache anführen. Leider war Ihr Buch Goethe. Annäherungen in der Insel-Bücherei schon vergriffen. Große Gelehrte in Deutschland geben nach der Emeritierung ihre bedeutenden Aufsätze manchmal unter dem Buchtitel „Kleine Schriften“ heraus. Auch von Ihnen möchte ich gern so ein Buch besitzen. Wenn ich in dieser Weise zurückdenke, kann ich mich noch an verschiedene Begegenungen mit Ihnen erinnern. In den Jahren Ihrer ersten Lehrtätigkeit arbeiteten Sie streng philologisch und so vorbildlich für mich an den Editionen von Stifter, Eichendorff oder Brentano. Aber auch literaturkritische Artikel von Ihnen etwa über Reinhold Schneider in dem von Hermann Kunisch herausgegebenen Handbuch der deutschen Gegenwartsliteratur habe ich mit Nutzen gelesen. Als eine besonders hohe Ehre habe ich es empfunden, daß Sie mich, der ich noch ein junger Dozent in Tokyo war, im Jahre 1971 zu einem Beitrag zur Festschrift Sprache und Bekenntnis Hermann Kunisch zum 70. Geburtstag einluden. In den siebziger Jahren hatte ich mich von den deutschen Universitäten distanziert und war kaum in Deutschland gewesen. Aber als Sie Präsident der Eichendorff-Gesellschaft waren, habe ich schon oft an deren Jahrestagung teilgenommen. Als Sie dann die Zeitschrift für Rezensionen zur germanistischen Literaturwissenschaft Arbitrium ins Leben riefen, wollten Sie mich freundlicherweise zu einem korrespondierenden Referenten berufen. Ich war aber bereits im Jahrbuch für Internationale Germanistik beschäftigt, habe deshalb meinen älteren Kollegen und Humboldtianer Yoshio Koshina vorgeschlagen. Es war sicherlich gut so, zumal er bald Präsident der Japanischen Gesellschaft für Germanistik wurde. Zu jener Zeit war ich einmal bei Ihnen zu Hause in Augsburg eingeladen. Da nahm ich meinen chinesischen Kollegen Zhang Yushu einfach mit. Als wir uns in der Stadt verliefen, sind Sie mit dem Fahrrad gekommen, um uns abzuholen. Zu Gast bei Ihnen war zufällig auch der kanadische Germanist Hans Eichner. Nach Japan sind Sie erstmals als Präsident der Forschungsgemeinschaft gekommen. Da war ich überrascht, als einer der wenigen Gäste zu einem Festessen bei der JSPS eingeladen zu werden, weil Sie mich sehen wollten. Ansonsten haben Sie für mich eine Gastprofessur in Regensburg befürwortet, als ich dort im Jahre 1997 ein Forschungssemester verbringen wollte. Es kommt schließlich daher, daß ich mich nach der Emeritierung schon fünf Jahre wieder in Regensburg aufhalte und weiterhin unterrichten kann. Im Oktober 1999 waren Sie übrigens zu einem Festvortrag bei dem von mir geplanten internationalen Goethe-Symposium in Tokyo vorgesehen. Aber ohne Gründe zu nennen, haben Sie unerwartet abgesagt, und ich war tief unglücklich darüber, obwohl Herr Voßkamp sofort bereit war, einzuspringen. Ich wußte ja nicht, daß Sie gerade zum Präsidenten der Humboldt-Stiftung gewählt worden waren. Für viele Germanisten in Japan, Korea und China sind Sie, Herr Frühwald, also in erster Linie Präsident der Humboldt-Stiftung. Meine ostasiatischen Kollegen haben bisher kaum Gelegenheit gehabt, Sie als Germanist zu erleben, was nicht nur für meine Freunde persönlich, sondern auch für die ostasiatische Germanistik selbst sehr bedauerlich ist. Im vergangenen September war ich in Seoul, Tokyo und Peking und habe mit befreundeten Humboldtianern darüber gesprochen - Herr Dr. Pfeiffer ist Zeuge davon - und möchte Ihnen zum Schluß deren heißesten Wunsch mitteilen. Wir möchten nämlich 2007 zum erstenmal ein ostasiatisches Humboldt-Kolleg in Shanghai veranstalten und wünschen uns als Gastdozent wie auf dem bekannten Tateshina-Kulturseminar einzig den Germanisten Wolfgang Frühwald. Wenn Sie ohne Wenn und Aber damit einverstanden sind, kann ich mich danach beruhigt von aller öffentlichen Tätigkeit zurückziehen. Um mich dafür vorzubereiten, habe ich schon lange in meinem Landhaus in den Bergen ein umfangreiches Goethe-Archiv aufgebaut. Der unmittelbare Anlaß dazu war, daß Herr Dr. Osten mir vor Jahren als Kulturattaché an der Deutschen Botschaft Tokyo ein großformatiges Goetheportrait seines Malerfreundes zum Geschenk gemacht hatte. Nach der chinesischen Tradition ist das Lebensideal eines Gelehrten bzw. Literaten in dem Motto seiko udoku ausgesprochen, d.h. „Beim schönen Wetter den Acker zu bebauen und beim Regenwetter Bücher zu lesen“. Ich freue mich seit langem darauf, sowohl beim schlechten als auch beim guten Wetter mich der Schriftstellerei hinzugeben. Vielleicht gelingt es mir auch einmal, wenn nicht Gedichte oder Romane, aber doch Essays in japanischer Sprache ohne Anmerkungen zu schreiben. Aber ich möchte Sie, verehrter, lieber Herr Frühwald, bitten, nicht nur Ihre philologische Arbeit für die deutsche Germanistik fortzusetzen, sondern auch als Präsident der Alexenader von Humboldt-Stiftung sich für die ostasiatische Germanistik einzusetzen. Sie ist gerade im Entstehen und braucht Ihre tatkräftige Unterstützung. Ich danke Ihnen im voraus aufrichtig dafür und wünsche Ihnen vor allem viel Gesundheit. Bei einer Germanistentagung in Seoul (Stand: 5.10.2005) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Ich freue mich über die Gelegenheit, nach der Asiatischen Germanistentagung in Seoul 1997 eine kurze Ansprache zu halten. Es ist wahr, daβ die Idee eines ostasiatischen Germanistentreffens im April 1988 auf der Rückreise von Pusan nach Seoul im Flugzeug entstanden ist. Wenn ich die reundliche Erinnerung von Herrn Professor Kyu-Hwa Chung mit einer Vor- und Nachgeschichte ergänzen darf, so ist aller Anfang doch auf die verständnisvolle Bereitschaft des damaligen Präsidenten der KGG zurückzuführen, mich zu einem Vortrag auf der koreanischen Germanistentagung nach Pusan einzuladen. Damals war ich im Auftrag von Herrn Iwasaki darum bemüht, für die Vorbereitung des IVG-Kongresses in Tokyo Kontakt mit den koreanischen und chinesischen Kollegen aufzunehmen. Glücklicherweise kam zuerst das koreanisch-japanische Germanistiksymposium in Seoul und dann das chinesisch-japanische Germanistiksymposium in Beijing noch vor dem IVG-Kongreβ zustande, so daβ ein schönes Wiedersehen in Tokyo möglich wurde. Bei der Gelegenheit fand die erste gemeinsame Vorstandssitzung der KGG, des Chinesischen Germanistenverbandes und der JGG statt. Auf diese Weise konnte 1991 zunächst einmal das Vier-Länder-Germanistentreffen einschlieβlich deutscher Kollegen mit finanzieller Unterstützung des DAAD sowie der Humboldt-Stiftung im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin veranstaltet werden. Den unmittelbaren Anlaβ zu dieser erfolgreichen Asiatischen Germanistentagung in Seoul gab 1994 die Regionaltagung des IDV in Beijing, an der auch zahlreiche Kollegen aus Korea teilgenommen haben. Seit zehn Jahren sprechen wir ostasiatischen Germanisten also freundschaftlich miteinander auf deutsch. Ich schätze mich glücklich, Augenzeuge davon gewesen zu sein und inzwischen eine tüchtige jüngere Generation nachwachsen zu sehen. Ich freue mich sehr auf die weitere Entwicklung unserer Zusammenarbeit und möchte diesmal den koreanischen Kollegen für ihre Gastfreundschaft aufrichtig danken. Tischrede bei der Asiatischen Germanistentagung im August 2006 in Seoul: Leider kann ich auf deutsch nicht so eloquent sprechen wie mein chinesischer Freund Zhang Yushu und auch nicht so temperamentvoll sprechen wie Herr Ahn Sam-huan, aber ich habe mich gern zu einer Tischrede bereit erklärt, weil sie mir gute Gelegenheit gibt, mich für so viele Freundschaften in Korea erneut zu bedanken. Wollte ich es ordentlich machen, so müßte ich allerdings eine ganze Reihe Namen nennen. Deshalb erlaube ich mir, mich auf ein paar Namen zu beschränken. Zuerst habe ich Herrn Byong-Ock Kim und Herrn Oh Hansin kennengelernt. Wir hatten in Professor Grenzmann, Bonn, einen gemeinsamen Lehrer, war er doch ein Semester Gast- professor an meiner Heimatuniversität in Tokyo. Dann verdanke ich Herrn Professor Myungyul Chi und Herrn Professor Kwack Boknok sehr viel. Denn offen gestanden durfte ich mit den beiden Senioren von Anfang an auf japanisch sprechen. Das war für mich eine große innere und geistige Erleichterung. Herrn Ahn Mun-Yeong habe ich eigentlich schon im Jahre 1982 getroffen, als sein Lehrer Beda Allemann mich am „Dies academicus“ der Universität Bonn zu einem Vortrag einlud. Aber wir haben miteinander noch nichts gesprochen, sondern uns erst in den späteren Jahren näher kennengelernt. Als Goethe nun davon sprach, sich selbst historisch zu werden, war er 80 Jahre alt. Ich bin zwar noch nicht so alt, befinde mich aber als Hochschullehrer schon lange im Ruhestand, obwohl ich immer noch durch die Welt herumreise. Ich wohne sogar seit sechs Jahren in Regensburg. Zuerst habe ich sieben Semester Japanischunterricht gegeben, dann halte ich als Gastprofessor der Germanistik ein Hauptseminar über die Wirkungsgeschichte Goethes in Ostasien und korrigiere auch Seminararbeiten deutscher Studenten. Denn durch die Rechtschreibreform ist die Interpunktion bei ihnen in Durcheinander geraten, und ich beherrsche zumindest die deutsche Interpunktion besser als sie. Von Regensburg aus fliege ich oft nach Peking, Seoul oder Tokyo. In Seoul und Peking bin ich bis jetzt sicherlich jeweils zwanzigmal oder noch mehr gewesen. Innerhalb Europas kann ich natürlich überall hin, bis nach Paris oder Wien, bequem mit der Bahn fahren. Ich denke aber allmählich daran, mich endgültig von meiner Lehrtätigkeit in Deutschland zurückzuziehen. In den japanischen Gebildetenkreisen gilt doch das alte chinesische Einsiedlerprinzip von „Seiko Udoku“, d.h. beim schönen Wetter den Acker zu bebauen und beim Regenwetter Bücher zu lesen, heute noch als Lebensideal im Alter. Ich hatte das Glück, die ganze Entwicklung einer ostasiatischen Germanistik in den letzten zwanzig Jahren mitzumachen, und freue mich sehr darüber, daß inzwischen eine tüchtige jüngere Generation nachgewachsen ist, so daß ich mich fast aufs Faulbett legen könnte wie Faust. Alles hat seinen Anfang genommen in dem internationalen Germanistentreffen, das 1985, eine Woche vor dem Göttinger IVG-Kongreß, vom DAAD in Berlin, damals noch in West-Berlin, veranstaltet wurde. Dort haben wir uns zum erstenmal näher kennengelernt, persönliche Freundschaften geschlossen und im Laufe der Jahre asiatisches Germanistentreffen in Berlin, Peking, Seoul und Fukuoka zustande gebracht. Wir haben uns dann auf den IVG-Kongressen in Tokyo, Vancouver, Wien und Paris wiedergesehen. In fünf Jahren werden wir uns in Warschau wiedersehen. Es versteht sich von selbst, daß deutsche, deutschsprachige Kollegen uns dabei immer freundlich zur Seite gestanden haben. Wir ostasiatische Germanisten sind ihnen dafür zu großem Dank verpflichtet. Ich weiß oft nicht mehr, was wann und wo stattgefunden hat. Aber hier in Seoul findet die Asiatische Germanistentagung zum zweitenmal statt. Von der ersten Tagung liegt ein von Herrn Professor Koh Young-Suck an der Yonsei herausgegebener Dokumentationsband in zwei Bänden vor. Als die darauffolgende Tagung in Peking stattfand, hat die CGG, die sich entsprechend der KGG und der JGG aus dem Chinesischen Germanistenverband umbenannt hatte, ebenfalls einen stattlichen Dokumentationsband herausgebracht. Daran ist ein großer Aufschwung in der ostasiatischen Germanistik festzustellen. Der Computer hat gewiß manche technische Vorteile mit sich gebracht, aber ich glaube, was schwarz auf weiß gedruckt ist, erweist sich immer noch als die gesicherten Forschungsergebnisse für die Wissenschaft. Zum Schluß möchte ich im Namen aller japanischen Teilnehmer dem koreanischen Vorbereitungskomitee für seine großen Bemühungen aufrichtig danken. Vor allem möchte ich Frau Professor Lee, Hae-Wook, Busan, herzlich dafür danken, daß sie uns durch ihre ausführlichen Rundschreiben bis heute auf dem laufenden gehalten hat. Ich habe diese in Regensburg per E-Mail erhalten und wußte genau, was ich machen sollte. (Stand: 28. Aug. 2006) Lieber Herr Kim Byong-Ock, meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Jubiläum Deines Instituts für Übersetzungsforschung zur deutschen und koreanischen Literatur gratuliere ich Dir, Deinen Mitstreitern und nicht zuletzt Deiner Frau von ganzem Herzen. Ich möchte diese drei Namen gleich am Anfang nennen, weil ich mich ihnen allen zu großem Dank verpflichtet fühle. Ich weiß genau, wie energisch und umsichtig Du in den letzten 15 Jahren für Dein Institut engagiert gewesen bist. Als der älteste von den drei ostasiatischen Brüdern bist Du zwar relativ oft kränklich gewesen, also gesundheitlich anscheinend schwächer als Herr Zhang und ich. Aber sobald es um die wissenschaftliche Angelegenheit Deines Instituts ging, warst Du merkwürdigerweise plötzlich wiederhergestellt und konnte alle damit zusammenhängende Arbeit ohne weiteres bewältigen, gleichsam wie die Eltern sich selbstlos um ihr Kind kümmern. Ich habe wirklich bewundert, wie Du so oft internationale Symposien in Seoul organisiert, ausländische Gäste eingeladen und Deine Zeitschrift regelmäßig bis zum 10. Band herausgebracht hast. Sicher verdankst Du es zu einem guten Teil Deinen Sponsoren, die Dich finanziell unterstützen. Aber das gehört eben zu Deinem „Jintoku“, mit chinesischen Schriftzeichen wörtlich zu Deiner menschlichen Tugend, daß sie bereit sind, Deinem Unternehmen zur Seite zu stehen, ganz zu schweigen von Deinen zahlreichen Kollegen, die jahrelang mit Dir zusammengearbeitet haben. Wie es wohl zu einem Jubiläum geziemt, erinnere ich mich gern daran, wie Dein Institut vor 15 Jahren gegründet worden ist. Im Vorfeld hat es seinen Anfang genommen auf einem Humboldt-Symposium über Übersetzungsprobleme, das im Oktober 1991 in Sonthofen/Oberbayern stattfand. Am 9. Oktober hast Du nach dem Abendessen einen nächtlichen Spaziergang mit Herren Zhang Yushu, Koh Wee-Kong, Song Dong-Zun und mir gemacht. Danach hast Du Herrn Zhang und mich noch zu einem Gespräch im Hotel eingeladen und uns vertraulich Deinen Lebensplan nach der Emeritierung unterbreitet. Da wir leider Gottes sogenannte Auslandsgermanisten sind, sind wir alle notgedrungen mit verschiedenen Übersetzungsfragen konfrontiert. Außerdem haben wir damals gerade die deutsche Sprache als lingua franca in Ostasien entdeckt, wir Germanisten konnten uns sowohl mit deutschen Kollegen, als auch miteinander auf deutsch verständigen. Das war ein wunderbares Erlebnis, das seine Folgen gehabt hat. Aber weißt Du, Herr Kim, wir haben in dieser unserer Zusammenarbeit für eine ostasiatische Germanistik einen unsichtbaren Schutzengel gehabt, der heute sichtbar unter uns anwesend ist. Um es zu erläutern, muß ich etwas weit ausholen. Ich habe Dich und Herrn Zhang etwa vor zwanzig Jahren einzeln in Deutschland kennengelernt. Beim IVG-Kongreß 1990 in Tokyo hat die erste gemeinsame Vorstandssitzung der JGG, der KGG und des CGV stattgefunden, wobei Du und Herr Zhang als alte Freunde im Gästehaus der Universität Bonn nebeneinander Platz genommen haben. Auf der Sitzung wurde dann das erste ostasiatische Germanisten-Treffen vereinbart. Die finanzielle Unterstützung von seiten der HumboldtStiftung und des DAAD war kein Problem, aber wo und wie sollte das internationale Germanistik-Symposium verwirklicht werden, da Südkorea damals noch keine diplomatischen Beziehungen zur Volksrepublik China hatte? Glücklicherweise konnte es in dem darauf folgenden Jahr in dem alten japanischen Botschaftsgebäude im Bezirk Tiergarten des gerade wiedervereinigten Berlin stattfinden. Da war die Humboldt-Stiftung wie heute durch Frau Dr. Gisela Janetzke vertreten! Die Philologen brauchen freilich einen Beleg, ein schriftliches Zeugnis dafür. Dann soll auf ihre Begrüßungsrede am Ende der Veröffentlichungen des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin, Band 12 (1992), Symposium „Deutsche Literatur und Sprache aus ostasiatischer Perspektive“ verwiesen werden. Der damalige Generalsekretär des JDZB, Dr. Thilo Graf Brockdorff, bezeichnete die Veranstaltung in seiner Abschlußrede als „Premiere besonderer Art„. Als vor zwei Jahren die Deutsch-Japanische Gesellschaft in Regensburg gegründet wurde, ist er trotz seiner Altersschwäche zur Eröffnungsfeier nach Regensburg gekommen, um eine Festrede zu halten. Leider ist er bald nach der Rückkehr in Berlin verstorben. Ich denke an ihn als den allerersten Wohltäter von uns dankbar zurück. Wir haben also von Anfang an von einer Auslandsgermanistik aus ostasiatischer Perspektive gesprochen. Über Entstehung und Werdegang dieser ost-westlichen Germanistk wurde im Programmheft chronologisch berichtet, als die Asiatische Germanistentagung 2006 in Seoul erfolgreich durchgeführt wurde. Das Generalthema des heutigen Symposiums lautet denn auch „Deutsche Koreanistik – koreanische Germanistik. Interdisziplinarität und Kultur“. Da wir im Grunde gemeinsame Probleme haben, können wir im Rahmen der Interdisziplinarität und Kultur ebenso gut ins Auge fassen: Deutsche Sinologie bzw. Japanologie – chinesische bzw. japanische Germanistik. Denn wenn heutzutage allgemein von den Kulturwissenschaften in der Germanistik die Rede ist, müßten deutsche Germanisten enger mit den deutschen Koreanisten, Sinologen und Japanologen, die ihrerseits für die wissenschaftliche Kulturver-mittlung Hervorragendes geleistet haben, zusammenarbeiten, um überhaupt von der Kultur in Ost und West sprechen zu können. Vor einigen Wochen ist übrigens ein Konfuzius-Institut als erstes Kuturinstitut Chinas in Frankfurt am Main eröffnet worden. Ich hoffe, daß Konfuzius nicht nur für China, sondern auch für ganz Ostasien als Symbolfigur angesehen wird. Darauf wird aber in der Diskussionsrunde von den besser vorbereiteten Referenten näher eingegangen werden. Zum Schluß danke ich Dir, lieber Herr Kim Byong-Ock, herzlich dafür, daß Du mich freundlicherweise auf weitem Weg hierher eingeladen hast. Ich komme gern immer wieder nach Korea. (Stand: 6. Okt. 2007) Ⅲ. Herkunft und Lebenslauf: Es kommt jetzt darauf an, was einer auf der Waage der Menschheit wiegt; alles übrige ist eitel. (Aus Goethes Gespräch mit Eckermann) Meine Heimatstadt Sapporo Ich freue mich, in meiner Wahlheimat München wieder einmal über meine Heimatstadt Sapporo sprechen zu dürfen, habe ich doch in den Jahren 1959-62 sieben Semester lang an der Universität München Germanistik studiert und hatte bereits im Goethejahr 1982 die Gelegenheit, auf Einladung der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Bayern einen Vortrag zum zehnjährigen Bestehen der Städtepartnerschaft zwischen München und Sapporo zu halten. Damals habe ich mir erlaubt, zuerst über meine Jugend in Sapporo und dann über Sapporo als eine lebensfrohe Bierstadt zu sprechen, zumal der erste Deutsche, der nach Sapporo kam, ein Münchner Braumeister gewesen sein soll. Der einheimische Ingenieur, der zur Gründung der ersten japanischen Brauerei berufen wurde, hatte allerdings an der Bierfirma Tivoli in Berlin seine Ausbildung erfahren. Im kommenden Juni findet das erste Vorrundenspiel der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2002 in Sapporo statt. Aber ich verstehe nicht viel davon. Heute möchte ich Ihnen vielmehr geschichtlich etwas über das alte Sapporo als eine christliche Kulturstadt vortragen, weil dieser Aspekt in der überaus rapiden Entwicklung der Stadt verschüttet zu werden droht. Das neue Sapporo mit dem modernsten Fußball-Stadion ist freilich zu groß, um christlich genannt werden zu können. Symbolisch genug ist das im Mai 2001 fertig gestellte Stadion als “Sapporo-Dome” bezeichnet worden. Heutzutage ist die Stadt als eine „bezaubernde Stadt der vier Jahreszeiten“, insbesondere des Schneefestes international bekannt und hat eine Bevölkerung von 1,800,000, indem sie nach dem Zweiten Weltkrieg zusehends umliegende Gebiete und Dörfer eingemeindet hat. Vor dem Krieg bestand sie lediglich aus den jetzigen drei Bezirken in der Mitte sowie im Norden und Osten, und ihre Einwohnerzahl betrug 200,000 bis höchstens 300,000. Außerdem verlor das japanische Christentum in den Kriegsjahren wegen der nationalistisch gerichteten politischen Unterdrückung viel an Bedeutung. Aber seit der Gründung im Jahre 1869 ist Sapporo vergleichsweise stark christlich geprägt gewesen, wie die Tatsache dafür spricht, daß es heute noch in der Stadt 38 protestantische Kirchen verschiedener Konfessionen, 9 katholische Kirchen sowie 8 Klöster und darüber hinaus eine russisch-orthodoxe Haristos-Kirche gibt. Das kommt daher, weil Sapporo bei der Modernisierung Japans aus geschichtlichen Gründen einen Sonderweg gegangen ist. Im Jahre 1869, also schon ein Jahr nach der Meiji-Restauration gab die japanische Regierung das Startzeichen, die hauptsächlich von den Ainu bewohnte nördlichste Insel Ezo zu erschließen, und hat die althergebrachte Bezeichnung Ezo (蝦夷) zu Hokkaido umbenannt. Die zwei Schriftzeichen „Ezo“ lauteten nämlich in chinesischer Lesart „kai“ und wurden mit dem Schriftzeichen für das Meer „umi“ bzw. “kai” ersetzt. Dann setzte man das Schriftzeichen für den Norden „kita“ bzw. “hoku”, das durch eine Assimilation “hokku” ausgesprochen wird, voran und fügte das Schriftzeichen für den Weg „michi“ bzw. “do” wie die alte Landstraße „Tokaido“ auf der Hauptinsel Honshu hinzu. Daraus ergab sich die Bezeichnung „Hokkaido“ für die Insel im Norden, als deren Regierungssitz Sapporo von Anfang an bestimmt war. Außerdem war Sapporo ursprünglich in der Ainu-Sprache der Name des Flusses, der heute „Toyohiragawa“ heißt, und wurde mit verschiedenen Schriftzeichen geschrieben, bis die jetzige Schreibweise sich durchgesetzt hat. Wenn ein älterer Bürger von Sapporo z.B. den Ortsnamen mit den Schriftzeichen „Tsukisamu“„Tsukissappu“ ausspricht, kennt er noch die Etymologie des Ortsnamens aus der Ainu-Sprache. Zur Erschließung Hokkaidos wurden wie überhaupt in ganz Japan Berater und Fachleute aus dem Ausland, besonders aus Amerika berufen. Dafür arbeitete vor allem der zuständige Gouverneur Kuroda Kiyotaka mit Hores Kepron eng zusammen, wovon ihre 1967 zur Säkularfeier Hokkaidos errichteten Bronzestatuen im Odori-Park lebendiges Zeugnis ablegen. Im Zuge davon wurde denn auch 1876 die Landwirtschaftshochschule Sapporo gegründet, die zunächst noch zur Kaiserlichen Universität Tohoku in Sendai gehörte. Der Uhrenturm Tokeidai, der schon lange als Wahrzeichen von Sapporo gilt, wurde 1878 als Exerzierhaus dieser Hochschule in amerikanischem Stil aus Holz gebaut. Sie war Vorläufer der HokkaidoUniversität und sollte nicht nur für den Ausbau einer modernen Industrie, sondern auch kulturell für die Entwicklung der Hauptstadt Hokkaidos eine entscheidende Rolle spielen. Bekanntlich war der erste amerikanische Lehrer William Smith Clark (1826-86) aus dem Amherst College, Massachusetts USA, ein Laienmissionar. Obwohl er sich nur neun Monate in Sapporo aufhielt, haben sämtliche 16 Schüler des ersten Jahrgangs sowie 15 des zweiten Jahrgangs an der Landwirtschaftshochschule unter seinem geistigen Einfluß beim Abschied von ihm ein sogenanntes “Covenant of Believers in Jesus” unterschrieben. Getauft wurden sie danach zum Teil von dem amerikanischen Methodistenmissionar Merriman Colbert Harris (1846-1921). Unter ihnen befanden sich u.a. Uchimura Kanzo, Nitobe Inazo und Miyabe Kingo, die für die Verbreitung des Protestantismus in Japan von großer Bedeutung geworden sind. Auch der spätere Rektor der Hokkaido-Universität, Sato Shosuke, war ihr christlicher Studienfreund. Aus ihnen und ihrem Schülerkreis ging ein so andauernder Einfluß hervor, daß man kirchengeschichtlich neben den zwei christlichen Banden in Yokohama und Kumamoto vom Sapporo-Band im japanischen Christentum gesprochen hat. In der Aula des Amherst Colleges hängt übrigens ein Porträtgemälde von Niijima Jo, dem Gründer der Doshisha-Universität in Kyoto, und das Porträtgemälde von Uchimura Kanzo befindet sich an der Eingangshalle zur Bibliothek. Ich konnte die beiden Bilder vor einigen Jahren durch freundliche Vermittlung der dortigen Germanistin Frau Prof. Ute Brandes besichtigen. Der bekannte Literaturkritiker Kamei Katsuichiro, der selbst aus Hakodate in dem relativ frühzeitig erschlossenen Gebiet Hokkaidos stammt, charakterisierte in seinem Essay „Genealogie der Hokkaido-Literatur“ (1954) das literarische Schaffen von Hokkaido mit drei Stichworten: Puritanismus in Sapporo, Realismus in Otaru und Romantizismus in Hakodate. Nach seiner Meinung stellen sie zugleich drei Formen des Frontiergeistes in Hokkaido dar, wobei die Landwirtschaftshochschule Sapporo als Urquelle der Verknüpfung von Puritanismus und Konfuzianismus in Japan angesehen wird. In der Tat kann man an den Fotos von damals feststellen, daß das Stadtbild Sapporos vor dem Krieg durch mehrere westlichmoderne Kirchengebäude um den heutigen Odori-Park herum stark geprägt war. Leider sind sie im Laufe der Zeit gänzlich umgebaut oder anderswohin verlegt worden. Der breite Grüngürtel, der in der Mitte der Stadt von Ost nach West verläuft, wurde 1870 eigentlich als Brandschutz angelegt und spielte auch für das kulturelle Leben der Stadt immer schon eine zentrale Rolle. Da die christlichen Kirchen, die vorwiegend von den aufgeschlossenen Professoren der Landwirtschaftshochschule Sapporo geleitet wurden, eine sogenannte Sonntagsschule für die Allgemeinbildung sowie einen Kindergarten eingerichtet hatten, wurden diese pädagogischen Anstalten auch von den nichtchristlichen, aber bildungsfreudigen Jugendlichen der meist wohlhabenden Bürger gut besucht. Das trug selbstverständlich dazu bei, daß Sapporo innerlich immer christlicher und äußerlich immer westlicher ausgestaltet wurde. In diesem Sinne könnte man die neue protestantische Stadt Sapporo im Norden der alten katholischen Stadt Nagasaki im Süden auf der Insel Kyushu gegenüberstellen. Akutagawa Ryunosuke, Autor der bekannten Erzählung „Rashomon“, schwärmte wie der Dichtergelehrte Kinoshita Mokutaro mehr von Nagasaki. Die christliche Mission in Hokkaido begann nach der Meiji-Restauration in der für westliche Mächte eröffneten Hafenstadt Hakodate, nachdem 1873 das Christenverbot in Japan faktisch aufgehoben worden war. Aber schon im Jahre 1847 hatte der römische Papst die Pariser Missionsgesellschaft damit beauftragt, die katholische Kirche aus der Xirishitan-Zeit im 16. Jahrhundert wieder aufzubauen. Zunächst waren es deshalb ein paar katholische Priester, die in dem französischen und russischen Konsulat ihre Landsleute betreuten. Dann kamen auch anglikanische Pfarrer. So erbaute man in Hakodate relativ früh protestantische, katholische und russisch-orthodoxe Kirchen, und von dort her kamen die ersten Missionare nach Sapporo. Aber während Hakodate schon seit der Edo-Zeit durch den Matsumae-Clan eine engere Beziehung zur Hauptinsel Honshu und somit zur alten Tradition Japans hatte, gab es in der reinen Kolonialstadt Sapporo keine althergebrachte Kulturtradition mit ihren buddhistischen Tempeln und shintoistischen Schreinen oder auch mit konfuzianischen Clan-Schulen. Für Kult und Kultur des Ainu-Volkes hatten die japanischen Einwanderer kaum interessiert, auch wenn seine Sprache tiefgreifende Spuren auf viele Ortsnamen hinterlassen hat. Immerhin hat der japanische Japanologe Kindaichi Kyosuku das mündlich überlieferte Volksepos der Ainu „Yukara“ mit großer Mühe aufgezeichnet und durch seine Übersetzung für die Nachwelt gerettet. Diese Traditionslosigkeit, die sich gewissermaßen heute noch auswirkt, war ohne Zweifel ein Grund dafür, warum das Christentum in Sapporo sogar auf der Basis einer staatlichen Hochschule so fest Wurzel schlagen konnte. Dazu kam, daß die Söhne der getauften oder christlich beeinflußten Bürger sich mit dem Studium der Landwirtschaft befleißigten und vielfach zum Weiterstudium nach Amerika fuhren. Nach der Rückkehr waren sie in Landwirtschaft, Industrie und Handel meist führend tätig und verhalfen der Stadt sowohl zum Wohlstand als auch zur kulturellen Entwicklung. Aus den Kindern dieser reichen und gebildeten Familien sind denn auch wieder eine Reihe namhafte Schriftsteller, Künstler und Musiker von Sapporo hervorgegangen, ganz zu schweigen von den Wissenschaftlern, die akademische Lehrer an der Hokkaido-Universität geworden sind. Die protestantischen Missionare wurden unmittelbar von dem sogenannten American Board aus Yokohama oder Tokyo nach Sapporo entsandt. Es war jedoch der englische Missionar Archdeacon John Batchelor (1854-1944), der 1877 zuerst nach Hakodate entsandt wurde und nach mehrjährigen sprachlich-praktischen Vorbereitungen sich in Sapporo besonders für die Ainu einsetzte. Er war noch als Student Missionary von der sogenannten Church Missionary Society (S.M.S) der anglikanischen Kirche beauftragt, seinem Vorgänger Pfarrer Walter Dening zur Seite zu stehen. In den Jahren 1892-1940 betreute er die Ainu in einem von den japanischen Ärzten für sie eingerichteten Krankenhaus, bildete ein paar japanische Mis-sionare für das Ainu-Volk aus und gründete zuletzt 1924 mit finnanzieller Unterstützung von Fürst Tokugawa aufgrund einer Sondergenehmigung der Verwaltungsbehörde von Hokkaido eine eigene Fortbildungsschule für die Jugendlichen des AinuVolkes. Er hatte auch ein Wörterbuch der Ainu-Sprache verfaßt und bemühte sich um dessen verbesserte Auflage, bis er 1940 als Engländer das antiwestlich gewordene Japan verlassen mußte. Es dürfte auf seine missionarische Tätigkeit zurückzuführen sein, daß die Engländerin Isabella Bird 1878 eine Fahrt in die entlegenen Wohngebiete der Ainu unternahm und einen historisch wertvollen Reisebericht, wie er soeben von Frau Alexandra Schmidt vorgestellt worden ist, hinterließ. Der katholische Missionar, der erstmals im Jahre 1880 kurz nach Sapporo kam, war der Franzose Alfred Pettier aus Hakodate. Bald darauf begann 1881 Jean Urbain Faurie (18471915) als einer der elf Missionare der Pariser Missionsgesellschaft mit seiner Missionsarbeit in Sapporo, und zwei Jahre danach wurden 5 Japaner und Japanerinnen von ihm getauft. Es war im Jahre 1898, daß die erste katholische Kirche in Sapporo, die heute noch existierende Kitaichijyo-kyokai aus Holz, mit einem steinernen Pfarrhaus zusammen erbaut wurde. Missionarisch tätig waren sonst Patres Henri Lafon und Jacues Ernest Billiet. Der französische Bischof Alexandre Berlioz fuhr damals nach Europa, um noch mehr Ordensleute zur Missionarsarbeit in Sapporo zu werben, und gewann Franziskaner und Franziskanerinnen. Die Franziskaner, unter ihnen der spätere deutsche Bischof Wenzeslaus Kinold, kamen also im Jahre 1907 nach Sapporo und gründeten im nördlichen Teil der Stadt ein Kloster als Stützpunkt für eine schulische Tätigkeit, und die franziskanische Äbtissin Guadeloupe mit ihren 6 Ordensschwestern hat im Jahre 1911 ein Krankenhaus namens Tenshi-in (= Engelshaus) mit 30 Betten gegründet. Pater Faurie war übrigens ein botanisierender Missionar. Während Philipp Franz von Siebold aus Würzburg hauptsächlich im Südwesten Japans die bis dahin unbekannte Pflanzenwelt erforschte, hat der französische Missionar in Hokkaido 700 neue Arten der japanischen Flora entdeckt. Nach ihm benannte Pflanzen zählen etwa 70 wie Fauria oder Fauriella, und seine umfangreiche Kollektion ist im botanischen Institut der Kyoto-Universität aufbewahrt. Bischof Kinold war 1871 in Giershagen, Westfalen, geboren und wurde 1891 im Frauenberg-Kloster bei Fulda Franziskaner. Zum Priester geweiht wurde er im Jahre 1897. Auf Anregung von Bischof Berlioz hin, der den Franziskanergeneral in Rom eigens gebeten hatte, ein paar Missionare nach Hokkaido zu entsenden, kam Kinold, wie gesagt 1907, mit Maurice Bertin nach Sapporo. Als er zunächst im Jahre 1915 Generalvikar der Diozöse Sapporo wurde, gab es eine einzige oben genannte Kirche Kitaichijyo-kyokai mit 586 Gläubigen. Er gründete aber 1925 die Fuji-Mädchenschule, daneben ein theologisches Seminar zur Ausbildung japanischer Priester sowie die Kosei-Jünglingsschule, ein Krankenhaus, eine Druckerei und dazu noch einen Kindergarten. Bis er 1941 mit 70 Jahren von einem japanischen Bischof abgelöst wurde, errichtete er schließlich 13 Kirchen in Hokkaido, davon 4 in Sapporo in allen vier Him-melsrichtungen. Er ist 1952 mit 81 Jahren in dem Krankenhaus Tenshi-in gestorben. Zu erwähnen ist noch, daß ein deutscher Pater Gerhard Huber 1937 Generalvikar des Franzis-kanerordens in Sapporo geworden ist. Aber nähere Einzelheiten über seine Tätigkeit entziehen sich leider meiner Kenntnis. Bei der Gründung der Mädchenschule standen dem Bischof Kinold drei deutsche Ordens-schwestern zur Seite. Die eine Franziskanerin Xavera Rehme (1889-1982) aus Osterkappeln bei Osnabrück wurde Schuldirektorin, und bei ihr hat offen gestanden meine Mutter studiert. Die anderen zwei Schwestern hießen Reineria und Liboria, und sie kümmerten sich um mich in einem katholischen Kindergarten. Damals habe ich noch den deutschen Pater Hilarius Schmelz mit dem naturalisierten Namen Hirayo Shumei gekannt. Er war einer der ersten Missionare, die sich in Sapporo für Sozialwerke engagiert haben. Ansonsten erinnere ich mich flüchtig an Pater Euseibius Breitung, der ein sehr nützliches Deutsch-Japanisches Wörterbuch in chinesischen Schriftzeichen und Umschreibung in Romaji zusammenstellte. Es erschien zu Ostern 1936 und wurde bis 1993 wiederholt nachgedruckt. Im Nachwort des Verfassers zu der 2. verbesserten und wesentlich vermehrten Auflage von 1947 heißt es: „Das Wort ist indifferent zum Guten wie zum Bösen. Der eine gebraucht es, um das Gute, das in seinem Herzen ruht, andern mitzuteilen und ihnen zu helfen, besser zu werden; der andere, um mit dem Bösen, das dort nistet, andere zu vergiften und schlechter zu machen.“ Ich habe diese Worte während meiner langen Lehrtätigkeit immer beherzigt. In meiner Studentenzeit an der von den deutschen Jesuiten gegründeten Sophia-Universität in Tokyo habe ich dann den gelehrten Franziskaner Titus Ziegler aus Sapporo als den nach dem Tod von Johannes Kraus SJ beauftragten Herausgeber der mehrbändigen katholischen Enzyklopädie in japanischer Sprache kennengelernt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hat es in Sapporo auf diese Weise eine katholische Kirche, eine russisch-orthodoxe Kirche und fünf protestantische Kirchen bzw. Konfessionen gebeben. Die früheste protestantische Kirche war die anglikanische, die sich mit der Ankunft von John Batchelor in Sapporo etablierte. Aber im Vergleich mit den anderen amerikanisch beein-flußten protestantischen Kirchen wie der congregational-, presbiterian- oder methodistchurch war ihr Wirkungskreis sehr beschränkt, zumal Batchelor besonders an der AinuMission interessiert war. Im Jahre 1901 erregte eine ältere dieser Kirchen mit der Umbenennung „Unabhängige Kirche“ ein großes Aufsehen in der japanischen Christenheit, da sie den Verzicht auf Taufakt und Abendmahl, also eine Kirche ohne alle Liturgie erklärte. Fast zu gleicher Zeit begann Uchimura Kanzo in Tokyo, ein sogenanntes kirchenfreies Christentum „Mukyokai-ha“ zu begründen. Es war der Anfang eines undogmatischen Kulturchristentums in Japan, das nicht geringzuschätzen ist, weil es sich meiner Meinung nach ohne weiteres mit der humanistischen Tradition seit der deutschen Klassik und Romantik verbinden läßt. Es ist doch allgemein bekannt, wie sehr sich japanische Germanisten mit der deutschen Literatur und Philosophie dieser Ausrichtung beschäftigt und durch ihre fleißige Übersetzungsarbeit die japanischen Gebildeten damit vertraut gemacht haben. Nietzsche ist zwar immer noch einer der beliebtesten deutschen Philosophen in Japan, aber er ist im Grunde genommen ein Goethe-Verehrer gewesen. In der Städtepartnerschaft zwischen München und Sapporo werden sich künftig weder Bierfreundschaft noch christliche Gemeinsamkeit als effizient erweisen. Auch eine gewisse Begeisterung bei dem Vorrundenspiel dürfte vorübergehend sein, obwohl es in dem neuesten Heft des Japan-Magazins heißt: „Die Affinität japanischer Fußball-Fans zu Deutschland ist groß, trugen doch Stars wie Pierre Littbarski, Uwe Bein, Michael Rummenigge oder Guido Buchwald bei der Einführung der professionellen ‘J-League‘ Anfang der 90er Jahre in hohem Maße zur Popularisierung des japanischen Fußballs bei.“ (Simone Mennemeier) Das Schneefestival wurde sicherlich seit den Olympischen Winterspielen 1972, in denen die Partnerschaft der beiden Städte geschlossen wurde, international berühmt. Aber das Festival der Kunst aus Schnee und Eis dauert nur ganze sechs Tage, und das Winterwunderland auf dem Odori-Park ist dann wieder verschwunden. Eine Städtepartnerschaft muß selbstverständlich auf dauerhafterer Basis fundiert werden. Glücklicherweise ist die Universität München nicht zuletzt durch die Namen Geschwister Scholl in ganz Japan bekannt. Für den Kulturaustausch verfügt sie seit Jahren über ein eigenes Japan-Zentrum, und speziell für die Städtepartnerschaft gibt es auch ein gut funkionierendes Austauschprogramm zwischen den beiden Universitäten von München und Sapporo. In der Hinsicht mache ich mir keine Sorgen. Was ich mir persönlich für meine Heimatstadt wünschte, wäre eine Moralunterstützung von seiten der traditionsreichen Stadt München. Es ist mir bange zuzusehen, wie schnell sich Sapporo im Namen des angeblichen Frontiergeistes entwickelt, ohne die alte geistige Tradition genügend zu beachten. Beunruhigend war es schon, daß Anfang der 90er Jahre die bedeutendste ortsansässige Bank zur Förderung von Handel und Industrie Hokkaidos Konkurs machte. Sie existiert nicht mehr. In den letzten zwei Jahren ist dann das größte Molkereiunternehmen von Hokkaido, dessen Gründer doch ein ehrlicher Christ war, wegen Kundenbetrügereien in Verruf geraten. Der echte Frontiergeist vom einstigen Sapporo scheint im Verschwinden zu sein. Er wird ja desto mehr verdünnt, je größer die Stadt wird. So finde ich wirklich immer weniger von dem alten Stadtbild, das ich von Jugend auf kannte, jedesmal wenn ich nach Sapporo komme. Dagegen hat sich München in den letzten 40 Jahren nicht wesentlich geändert und ist doch lebendig geblieben. Ich hoffe also aufrichtig, daß München sich Sapporo gegenüber ungeniert wie eine ältere Schwester benimmt und die jüngere nicht immer verwöhnt. Curriculum vitae 11.9.1934: geboren in Sapporo/Hokkaido, Japan 1955-1959: Studium der Germanistik an der Sophia-Universität, Tokyo 1959-1963: Studium an der Universität München mit einem DAAD-Stipendium sowie mit einem bayerischen Staatsstipendium Feb. 1963: Promotion zum Dr. phil. in München Apr. 1963: Dozent an der Sophia-Universität, Tokyo Apr. 1975: Ordentlicher Professor der Germanistik an der Sophia-Universität Mai 1977: Goethepreis der Goethe-Gesellschaft in Japan Apr. 1981: Mitherausgeber des Jahrbuchs für Internationale Germanistik Apr. 1982: Philipp-Franz-von-Siebold-Preis der Bundesrepublik Deutschland (Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung) Mai 1989: Präsident der Japanischen Gesellschaft für Germanistik (bis Mai 1991) Mai 1989: Vizepräsident der Goethe-Gesellschaft in Japan (bis Mai 2005) Okt. 1992: Verdienstkreuz I. Klasse der Bundesrepublik Deutschland Aug. 1995: Ausschußmitglied der IVG (bis Sept. 2005) März 1996: Goethe-Medaille des Goethe-Instituts, München Apr. 1997: Gastprofessor der Germanistik an der Universität Regensburg (SS) Nov. 1997: Korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung März 2000:Emeritierung. Ehrenprofessor der Sophia-Universität, Tokyo Apr. 2001:Lektorat für Japanisch an der Universität Regensburg (bis Juli 2004) 1. Juni 2003: Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preis des DAAD 12. Juni 2003: Goldene Goethe-Medaille der Goethe-Gesellschaft in Weimar Ab WS 2004/2005 bis SS 2006 Gastprofessor der Germanistik an der Universität Regensburg Dez. 2004: Vizepräsident des INST, Wien Feb. 2005: Vizepräsident der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Regensburg e.V. (bis Februar 2009) Ab WS 2004/2005 bis WS 2007/2008: Gastprofessor der Japanologie an der Universität Frankfurt. Das Leben eines japanischen Germanisten 1. Meine philologischen Lehrjahre Als Goethe davon sprach, sich selbst historisch zu werden, war er 80 Jahre alt. Ich bin zwar noch nicht so alt, aber schon lange von meiner Heimatuniversität in Tokyo emeritiert und als Hochschullehrer nicht mehr aktiv, d.h. im Ruhestand, obwohl ich immer noch zwischen Japan und Europa pendle. Ein paar Jahre nach der Emeritierung sah ich noch etwas jugendlich aus und habe bis Ende November 2008 sogar acht Jahre in Regensburg an der Donau gewohnt. Inzwischen bin ich dem Alter gemäß ein alter Mann geworden. Meine akademische Laufbahn ist also schon beendet. In einer Erfolgsgesellschaft wie Europa oder Amerika würde man vielleicht von sich aus davon sprechen, besonders wenn man in seinem Leben eine Karriere gemacht hat. Aber es ist in Japan nicht üblich, daß man von eigener Karriere spricht. Ich bin im Jahre 1934 in Sapporo auf der Insel Hokkaido im Norden Japans geboren. Die Stadt ist vor allem durch die Winterolympiade 1972 einigermaßen weltbekannt geworden. Aber nach dem japanischen Geschichtsmythos Kojiki haben die Götter wohl acht Hauptinseln geschaffen, zu denen jedoch Hokkaido nicht gehörte. Dorthin wurden vielmehr die Ureinwohner Ainu wie die Kelten in Britannien vom japanischen Volk im Besitz von Eisen verdrängt. In dem bekannten Animationsfilm „Die Prinzessin Mononoke“ von Hayao Miyazaki ist diese politische Geschichte sachte angedeutet. Es gibt deshalb in Hokkaido keine alte Kulturtradition, und ich bin zu meinem Glück oder Unglück damit auch nicht belastet. Ist doch Sapporo erst nach der Meiji-Restauration im Jahre 1868 vornehmlich durch die Amerikaner kultiviert worden. Hier findet man wirklich eine neue Welt im alten Japan, aus der protestantische Denker wie Uchimura Kanzo oder Nitobe Inazo hervorgegangen sind. Ich gehöre dennoch eindeutig zur älteren Generation, die noch von der traditionellen, d.h. alt-chinesischen konfuzianischen Bildungstradition mehr oder weniger geprägt ist, wenn ich gleich katholisch geboren bin. Ich ging als Schulkind regelmäßig in eine Missionskirche in meiner Heimatstadt, wo die Franziskaner und Nonnen aus Norddeutschland tätig waren. Ich erinnere mich gern, daß ich im Kindergarten oft Butterbrot und Hühnersuppe gegessen habe, was in Japan nicht üblich war. Bei einem Zeitungsinterview mit Berliner Morgenpost hatte ich vor Jahren ausdrücklich negiert, daß ich damals schon Deutsch gesprochen hätte. Trotzdem hieß es am folgenden Tag in einer Schlagzeile „Bei Nonnen gelernt“. Ich weiß, daß ein paar Nonnen aus einem Frauenkloster in der Nähe von Osnabrück stammten. Um den Wurzeln meiner geistigen Existenz auf die Spur zu kommen, müßte ich eigentlich dort den Franziskanerorden ausfindig machen. Aber seit Jahren bin ich vielmehr dem Donaukulturraum im Süddeutschland verhaftet. Als mir im Jahre 2003 ein Jacob und Wilhelm Grimm-Preis des DAAD zuteil wurde, habe ich in meiner Dankrede darauf hingewiesen, daß ich als Germanist meine ganze Ausbildung der Bundesrepublik Deutschland verdanke. Das hat schon damit angefangen, daß ich in den Jahren 1955-59 an der Sophia-Universität in Tokyo studiengebührenfrei studieren durfte. Sie wurde 1913 von den deutschen Jesuiten gegründet, und zwar auf dem Grundstück, wo ehemals die Österreichische Botschaft gestanden haben soll. Japanisch-österreichische Kulturbeziehungen müßten geschichtlich noch nachgeforscht werden. Nebenbei bemerkt, bot mir in meiner Studentenzeit an der Sophia ein österreichisch-ungarischer Jesuit ein Stipendium an, in Wien zu studieren. Aber weil das Angebot mit der missionarischen Bedingung verbunden war, von der Germanistik zur Religionssoziologie zu wechseln, mußte ich es dankend absagen. Bald danach erhielt ich bei einem Redewettbewerb für deutsche Sprache einen Preis von der Österreichischen Botschaft. Das damit bedachte Buch war die 1957 von Ernst Marboe in Wien herausgegebene, schön illustrierte Ausgabe Das Österreichbuch. Ich betrachte es heute noch gern. Nach dem Studienabschluß konnte ich sogleich mit einem sogenannten Erhard-Stipendium des DAAD in München weiter studieren. Ich habe also vom deutschen Wirtschaftswunder viel profitiert. Nachdem ich in München deutsche Sprache und Literatur studiert hatte, wurden natürlich meine Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland immer stärker. Aber als Germanistikprofessor und Mitarbeiter am Institut für die Kultur der deutschsprachigen Länder an der Sophia-Universität habe ich später Wert darauf gelegt, auch mit Österreich, der Schweiz sowie der DDR guten Kontakt aufrecht zu erhalten. Im Jahre 1963 konnte ich glücklicherweise bei dem Stifter- und Hofmannsthalkenner Prof. Dr. Hermann Kunisch in München mit einer Dissertation über Goethes Dichtungstheorie promovieren, obwohl sie erst nach zwei Jahren mit finanzieller Unterstützung des DAAD in Buchform gedruckt wurde. Nach der Rückkehr nach Japan habe ich meine akademische Laufbahn an meiner Alma mater eingeschlagen und bis zur Emeritierung im März 2000 fast vierzig Jahre lang deutsche Sprache und Literatur unterrichtet. Mein Fachgebiet blieb Goethe und Goethezeit, ich habe es aber im Laufe der Zeit zu den deutsch-japanischen Kulturbeziehungen erweitert, zumal mir zum Goethejahr 1982 ein Philipp Franz von Siebold-Preis von der Alexander von Humboldt-Stiftung zuerkannt wurde. Zum zweiten Studienaufenthalt habe ich freilich wieder München gewählt. Damals habe ich mich besonders mit der Rezeptionsgeschichte Goethes in Japan sowie mit der deutschen Medizingeschichte beschäftigt. Das Goethebild verändert sich in Deutschland selbst, wie viel mehr dann in Japan, wie eine von Tadashi Kogawa entworfene Karrikatur „Goethe im Kimono“ es andeutet. Ich bemühe mich seit Jahren bewußt um ein humanistisches Goethebild und habe zahlreiche Aufsätze sowohl in japanischer als auch in deutscher Sprache geschrieben. Es gehört zur Allgemeinbildung aller japanischen Studenten, daß sie in der Jugend die wichtigsten Werke der Weltliteratur gelesen haben müssen, zu denen selbstverständlich Goethes Faust gerechnet wird. Die Leiden des jungen Werther oder Liebesgedichte Goethes werden viele von ihnen lesen, ohne dazu aufgefordert zu werden. Kritisch wird die Kenntnis der akademischen Jugend im Hinblick auf Goethes andere Werke, vor allem bei seinen eigentlich für sie so wichtigen beiden Bildungsromanen und seinen klassischen Dramen. Aber ich bedaure diese japanische „Jugend ohne Goethe“ (Max Kommerell) nicht zu sehr, finde es vielmehr richtig, daß sie sich mehr für moderne Autoren interessiert, weil sie heute mit anderen Problemen konfrontiert ist als mit denen der Goethezeit. Bedenklich ist nur, daß sie mit den deutschen Schriftstellern der unmittelbaren Gegenwart, selbst mit Böll, Grass oder Martin Walser fast nichts anzufangen weiß. Deshalb habe ich es immer schon als meine germanistische Aufgabe betrachtet, die zukunftsträchtige Bedeutung Goethes auf dem Weg zum 21. Jahrhundert zu entdecken und deren Glaubwürdigkeit meinen Studenten begreiflich zu machen. 2. Meine kulturwissenschaftlichen Wanderjahre In Japan versteht man unter „deutscher Kultur“ immer „deutschsprachige Kultur“, und als Germanisten werden im allgemeinen Fachleute oder engagierte Liebhaber deutscher Sprache, Literatur, Kunst und Musik usw. bezeichnet. So habe ich während meiner langen Lehrtätigkeit nicht nur mit dem Goethe-Institut Tokyo, sondern auch mit der Österreichischen sowie mit der Schweizerischen Botschaft eng zusammengearbeitet, um internationale Symposien zu veranstalten. In meinem inzwischen zum Europäischen Institut umbenannten Institut für die Kultur der deutschsprachigen Länder waren je eine Österreichische und eine Schweizerische Sektion eingerichtet. Im Jahre 1990 habe ich z.B. mit meinen japanischen Kollegen ein Symposium „Wien um die Jahrhundertwende“ veranstaltet, dessen Dokumentationsband heute noch gut verkauft wird. Ein Schweizer Kollege von mir, Pater Thomas Immoos, pflegte als Kenner des japanischen Nô-Theaters gute Beziehungen zu dem theaterwissenschaftlichen Institut der Universität Wien und unterrichtete dort auch als Gastprofessor die japanische Religionsgeschichte. Im Dezember 1998 veranstaltete ich dann unter der EU-Präsidentschaft Österreichs ein Symposium „Die EU und die deutsprachigen Länder“. Da vorher ein Symposium über die Einheit und Vielfalt der Schweiz „Die Schweiz – Kontinuität und Wandel“ stattgefunden hatte, habe ich die Vortragstexte des letzteren in die Vorträge des ersteren integriert und einen gemeinsamen Dokumentationsband zusammengestellt. Zum Goethe-Jahr 1999 habe ich noch vor meiner Emeritierung in Kooperation mit dem Goethe-Institut Tokyo ein großes internationales Goethe-Symposium veranstaltet. Meiner Einladung gefolgt sind Goetheforscher aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Amerika, England, China und Korea. Ihre vorgetragenen Goethe-Aufsätze sind in dem Organ des Institut für die Kultur der deutschsprachigen Länder im deutschen Original dokumentiert. Dagegen ist das EU-Buch in japanischer Übersetzung erschienen. Für solche Aktivitäten hatte mir das Goethe-Institut München eine Goethe-Medaille 1997 verliehen. Lange vor der Zusammenarbeit mit dem Wiener kulturwissenschaftlichen Institut INST bin ich also oft in Wien gewesen und habe fleissig das Burgtheater besucht. Ich bin auch frühzeitig Mitglied des Wiener Goethe-Vereins geworden und habe mit Germanisten in Graz, Salzburg und Innsbruck Bekanntschaft gemacht. Als Peter Wiesinger 1995 in Vancouver zum Präsidenten der IVG gewählt wurde, habe ich als Ausschußmitglied jedes Jahr an einer Vorstands-Sitzung an der Universität Wien teilgenommen. Mit dem verstorbenen Prof. Schmidt-Dengler habe ich sogar bis zum Jahr 2005 zusammengearbeitet, um den Pariser IVGWeltkongreß bei Prof. Jean-Marie Valentin mit vorzubereiten. Apropos: der bekannte Japanforscher Philipp Franz von Siebold (1796-1866) aus Würzburg brachte bei seinem zweiten Japanbesuch im Jahre 1859 seinen dreizehnjährigen Sohn Alexander mit und der zweite Sohn Heinrich (1852-1908) kam zehn Jahre später 1869 mit dessen Bruder zusammen nach Japan. Während der ältere Bruder zuerst bei der Englischen Gesandtschaft als Dolmetscher beschäftigt war, ging der jüngere bei der Österreichisch-Ungarischen Gesandtschaft in den diplomatischen Dienst. Bei der Weltausstellung 1873 in Wien unterstützte er das japanische Vorbereitungsteam mit Rat und Tat, so daß später viele japanische Gegenstände ins Wiener Volkskunde-Museum kamen. Schließlich bin ich philosophisch von dem Wiener Kulturkritiker Friedrich Heer am meisten beeinflußt wie religiös von dem Münchner Denker Theodor Haecker, der zum Brenner Kreis um Ludwig von Ficker in Innsbruck gehörte. Auch der von mir verehrte Hermann Broch veröffentlichte seine ersten Werke in der dortigen Kulturzeitschrift. Eine große Vorliebe für die Wiener Musik teile ich mit vielen Japanern und habe größeres Interesse an der Jahrhundertwende in Wien als am Expressionismus in Berlin. In meinem vorerwähnten Sammelband Wien um die Jahrhundertwende habe ich von einer GoetheRenaissance in Wien gesprochen, und meine zwei Aufsätze „Die Anfänge der GoethePhilologie in Wien“ sowie „Goethe und die Wiener Moderne“ im Sammelband Der ostwestliche Goethe gehen auf meine Gastvorträge in Graz und Wien zurück. Dabei wurde ich von Hermann Bahr sehr angeregt. Symbolisch erscheint mir, daß der in Linz geborene Literaturkritiker in Berlin und Wien gewirkt hatte und zuletzt in München verstarb. Auch liegt der Dreisesselberg zwischen Böhmen, Bayern und Österreich, wie es der sogenannte „kleine Goethe“ Adalbert Stifter erklärt. „Goethe in Böhmen“ nimmt letztendlich mein ganzes kulturwissenschaftliches Interesse in Anspruch. Der Begründer des Prager Nationalmuseums, Kaspar Graf von Sternberg, war in der Jugend Domherr in Regensburg und in späteren Jahren mit Goethe bestens befreundet. Als Germanist habe ich mich über die Goetheforschung hinaus um eine gute Zusammenarbeit unter den ostasiatischen Germanisten bemüht. So bin ich seit etwa zwanzig Jahren fast jedes Jahr entweder in China oder Korea gewesen. Dabei habe ich mich nicht nur mit deutschsprachigen Germanisten, sondern auch mit koreanischen oder chinesischen Kollegen immer auf Deutsch unterhalten. Man wundert sich sicher darüber. Deshalb möchte ich an dieser Stelle kurz mitteilen, wie es mit dem akademischen Austausch auf dem Gebiet der Germanistik so weit gekommen ist, zumal ich im Jahre 1985 die Initiative dazu ergriffen habe. Der unmittelbare Anlaß dazu war, daß der Weltkongreß der Internationalen Germanistenvereinigung (IVG) 1990 zum erstenmal in einem nicht europäischen Land, nämlich in Tokyo stattfinden sollte. Da sah ich mich vor die Aufgabe gestellt, mich zuerst als damaliger Präsident der Japanischen Gesellschaft für Germanistik (JGG), dann als Ausschußmitglied der IVG in den Jahren 1995-2005 für die Förderung einer ostasiatischen Germanistik einzusetzen. Ich hatte in der Tat das Glück, die ganze Entwicklung einer ostasiatischen Germanistik in den letzten zwanzig Jahren mitzumachen, und freue mich sehr darüber, daß inzwischen eine tüchtige jüngere Generation nachgewachsen ist. Alles hat seinen Anfang genommen, als der angesehene japanische Germanist Prof. Eijiro Iwasaki beim Göttinger IVG-Kongreß 1985 zum nächsten Präsidenten der IVG gewählt wurde. In einem internationalen Germanistentreffen, das eine Woche vorher, vom DAAD in Berlin, damals noch in WestBerlin, veranstaltet wurde, haben wir Auslandsgermanisten aus China, Korea und Japan einander zum erstenmal näher kennengelernt, persönliche Freundschaften geschlossen und im Laufe der Jahre ostasiatisches Germanistentreffen einmal in Berlin, zweimal in Peking, zweimal in Seoul und zweimal in Japan (Fukuoka und Kanazawa) zustande gebracht. Wir haben uns dann auf den IVG-Kongressen in Tokyo, Vancouver, Wien und Paris wiedergesehen. Im Jahre 2010 werden wir uns in Warschau wiedersehen. Es versteht sich von selbst, daß deutsche, genauer deutschsprachige Kollegen uns dabei immer freundlich zur Seite gestanden haben. Wir ostasiatische Germanisten sind ihnen dafür zu großem Dank verpflichtet. In den letzten Jahren bin ich denn auch oft von Regensburg aus direkt nach Peking oder Seoul geflogen. Vor ein paar Jahren flog ich auch nach Montreal, weil mein chinesischer Freund Adrian Hsia dort Germanistikprofessor ist und in Zusammenarbeit mit der GoetheGesellschaft in Weimar ein internationales „Zur Symposium Faustrezeption in nichtchristlichen Kulturen“ veranstaltete. Innerhalb Europas kann ich natürlich überall hin, bis nach Paris oder Wien, bequem mit der Bahn fahren. Aber allmählich wurde ich europamüde und dachte daran, mich endgültig von meiner Lehrtätigkeit in Deutschland zurückzuziehen. In den japanischen Gebildetenkreisen gilt doch das taoistische Einsiedlerprinzip des alten Chinas von „Seiko Udoku“, d.h. beim schönen Wetter den Acker zu bebauen und beim Regenwetter Bücher zu lesen, heute noch als Lebensideal im Alter. So lebe ich nun zurückgezogen auf meinem Landhaus am Fuß der Japanischen Nordalpen, wo die Winterolympiade Nagano stattgefunden hat. Es ist immerhin lange her, seit eine ostasiatische Germanistik im chinesischen, koreanischen und japanischen Hochschulbereich etabliert worden ist. Ich weiß oft nicht mehr, was wann und wo stattgefunden hat. Um das möglichst im Gedächtnis festzuhalten, habe ich versucht, in meiner Sektion „Wissensvermittlung in Asien mittels der deutschen Sprache„ auf der KCTOS-Tagung des INST im Dezember 2007 einen Bericht über die Entstehungsgeschichte der deutschsprachigen Germanistik in Ostasien zu erstatten. Von dem ersten Symposium in Seoul 1997 liegt zum Beispiel eine zweibändige Dokumentation Literatur im multimedialen Zeitalter – Neue Perspektiven der Germanistik in Asien vor. Als das darauffolgende Symposium in Peking im August 2002 zum zweitenmal stattfand, hat die CGG, die sich entsprechend der KGG und der JGG aus dem Chinesischen Germanistenverband umbenannt hatte, ebenfalls einen stattlichen Dokumentations-band Neues Jahrhundert, neue Herausforderungen – Germanistik im Zeitalter der Globalisierung herausgebracht. Daran ist ein großer Aufschwung in der ostasiatischen Germanistik festzustellen. Der Computer hat gewiß manche technische Vorteile mit sich gebracht, aber ich glaube, was schwarz auf weiß gedruckt ist, erweist sich immer noch als die gesicherten Forschungsergebnisse für das Fach. Als gutes Beispiel dafür soll noch ein in deutscher Sprache erscheinendes Jahrbuch in China hervorgehoben werden, das Prof. Zhang Yushu, Peking, herausgibt. Er hat im Jahre 2000 ein Chinesisch-deutsches Jahrbuch für Sprache, Literatur und Kultur Literaturstraße ins Leben gerufen und voriges Jahr schon auf den Band 9 gebracht. Im Jahr 2007 hat er daneben auch den ersten Band des neuen Jahrbuches Deutsche Literatur und Literaurritik herausgegeben. Um einen Band zusammenstellen zu können, veranstaltet er unter einem bestimmten Generalthema ein Symposium in Peking oder Shanghai, zu dem ich als Beiratsmitglied immer wieder eingeladen werde. Es findet ab und zu auch in Deutschland statt. Zum Beispiel lautete das Generalthema des Weimarer Symposiums 2006 „Vorbild, Norm und Nachahmung in chinesisch-deutscher Perspektive“ und das von Tübingen 2008 „Natur und Mensch in chinesisch-deutscher Perspektive“. Für die Shanghaier Tagung im kommenden April wurde das Thema „Klassik und China“ angekündigt. Ich nehme an, daß darunter vorwiegend deutsche Klassik verstanden wird. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um die Bedeutung der Weimarer Klassik für die chinesische Literatur. Hat doch Herr Zhang im Schillerjahr 2005 eine fünfbändige, ins Chinesische übersetzte Schiller-Werkausgabe herausgebracht. Bezeichnenderweise heißt das erste chinesische Kulturinstitut, das im Oktober 2007 in Deutschland gegründet wurde, nach dem bedeutendsten chinesischen Klassiker „Konfuzius-Institut“. Als Ende August 2006 eine für alle drei Jahre in China, Korea und Japan vorgesehene Asiatische Germanistentagung in Seoul stattfand, lautete das Generalthema: Kulturwissenschaftliche Ger-manistik in Asien. Als einer der Vizepräsidenten des INST plädiere ich aus dem Standpunkt eines Auslandsgermanisten ein für allemal für eine solche Fragestellung und hoffe, daß dieses Anliegen wissenschaftlich gleichfalls von den öffentlichen Stellen deutschsprachiger Länder befürwortet und finanziell unterstützt wird. Dankenswerterweise wurde auch mein Buch Der „Ferne Westen“ Japan in der Reihe „Österreichische und internationale Literaturprozesse“ mit Förderung des Bundes-ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Wien) gedruckt. 3. Als Gastprofessor in Regensburg Im Jahr 1997 bekam ich ein Sabbatical Year und hatte Gelegenheit, im Wintersemester als Gastprofessor an der Universität Regensburg ein germanistisches Hauptseminar über die Ästhetik des späten Goethe abzuhalten. Während dieser Lehrtätigkeit wurde ich auch von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt, als korrespondierendes Mitglied berufen. Daher kommt es, daß ich ab SS 2001 wieder eine Gastprofessur an der Universität Regensburg wahrnehmen konnte. Zuerst habe ich fünf Semester Japanischunterricht gegeben, dann habe ich als Gastprofessor der Germanistik mehrere Semester ein Hauptseminar über die Wirkungsgeschichte Goethes in Ostasien gehalten. Fast parallel dazu habe ich auch noch ein japanologisches Übersetzungsseminar an der Universität Frankfurt/Main gehalten. Aus Anlaß der Ernennung Regensburgs zum Welt-kulturerbe der UNESCO habe ich dann ein japanisches Buch über die alte Donaustadt Regensburg geschrieben und dem Oberbürgermeister Hans Schaidinger ein Belegexemplar überreicht. Zwischen Regensburg und Wien gab es bekanntlich schon im Mittelalter regen Schiffsverkehr, und ich bin in den letzten Jahren sehr oft mit dem ICE ganz bequem direkt nach Wien gefahren. In der Germanistik verstehe ich mich seit meiner Münchner Doktorarbeit über „Goethes Wortgebrauch zur Dichtungstheorie im Briefwechsel mit Schiller und in den Gesprächen mit Eckermann“ methodisch als Goethe-Philologe. Dabei gehe ich von meiner Goethe- Auffassung aus, daß seine geistige Welt stufenweise aus den Kategorien Kosmogonie, Natur, Kunst und Literatur aufgebaut ist. Morphologie im naturwissenschaftlichen Sinne bezeichnet dabei die Gestaltung und Umgestaltung im Reich der Natur, also der Pflanzen, der Tiere und der Gesteine, und Kulturmorphologie ist eine Anwendung dieses naturwissenschaftlichen Begriffs auf den Kultur-bereich. Zuerst gab es eine morphologische Literaturwissenschaft bei Günther Müller. Ebenso soll es nach dem Vorbild von Johann Gottfried Herder eine kulturwissenschaftliche Morphologie geben, weil die Kultur sich im Verlauf der Geschichte ständig verwandelt hat und weiterhin in Ost und West verwandelt. Oswald Spengler mit seiner Geschichtsphilosophie, wie sie im Untergang des Abendlandes dargestellt ist, war ein Vorgänger dieser morphologischen Betrachtungsweise der Kulturen. Nach meiner Emeritierung im März 2000 von der Sophia-Universität, Tokyo, habe ich mich, wie gesagt, in Deutschland als Gastprofessor an der Universität Regensburg acht Jahre lang aufgehalten. In diesen Jahren bin ich nicht nur Goetheforscher, sondern auch einigermaßen Japanologe gewesen. Als wissenschaftliche Ergebnisse dieser doppelten Lehrtätigkeit habe ich fünf Bücher veröffentlicht: 1. Taschenbuchausgabe meiner vor Jahren erschienenen Übersetzung von Goethes Farbenlehre, didaktischer Teil (Chikumashobo-Verlag, Tokyo 2001), 2. Der „Ferne Westen“ Japan. Zehn Kapitel über Mythos und Geschichte Japans (Röhrig Universitätsverlag, St. Ingbert 2003, 3. Ursprung des deutschen Humanismus. Der geistesgeschichtliche Hintergrund der EU (Nansosha-Verlag, Tokyo 2004), 4. Der ost-westliche Goethe. Deutsche Sprachkultur in Japan (Peter Lang Verlag, Bern 2006), 5. Regensburg, eine alte Stadt an der Donau (NTT-Verlag, Tokyo 2007). In meinem Regensburg-Buch ging ich davon aus, die zwei japanischen Bezeichnungen für Europa im Wortgebrauch voneinander zu unterscheiden, eben Europa vom Abendland. Diesem Verfahren liegt mein Geschichtsverständnis zugrunde, daß die westliche Geschichte aus zwei Traditionen besteht, nämlich einerseits Europa aus der griechisch-römischen Antike, andererseits dem Abendland aus dem christlichen Mittelalter, das im großen und ganzen nach Ablauf der germanischen Vorgeschichte von Kaiser Karl dem Großen in Aachen begann und über die Kaiserkrönungen in Frankfurt am Main bis zur Auflösung des „Immerwährenden Reichstags“ 1806 in Regensburg dauerte. Da hier an der Donau die römische Castra Regina gebaut worden, die erste bayerische Herzogsfamilie aus Böhmen gekommen, Karl der Große öfter in Regensburg gewesen war und dann sein Enkel, der spätere Kaiser Ludwig der Deutsche, residiert hatte, kam mir die einstige Reichsstadt Regensburg wie ein verkleinertes Bild der deutschen Geschichte schlechthin vor. Deutschland in diesem Sinne war selbstverständlich das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, das ohne Österreich, also ohne Kaiserfamilie Habsburg und die bedeutendste Reichsstadt Wien undenkbar wäre. Goethe wurde denn auch durch Kaiser Joseph II. geadelt. Für meine Begriffe besteht also der Westen aus diesem nichtchristlichen Europa von der Antike bis zur Französischen Revolution und dem christlichen Abendland im Mittelalter mit ihren Vorzügen und Nachteilen. Zum letzteren muß man natürlich nicht nur das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, sondern auch das französische und das englische Königsreich einbeziehen, und zum ersteren die ganze islamische Welt am Mittelmeer bis Spanien berücksichtigen. Die entscheidende Wende im Westen wurde meiner Meinung nach nicht durch die italienische Renaissance, sondern durch die Französische Revolution herbeigeführt. Denn hier wurde der christliche Machtgedanke ein für allemal gebrochen, und die Demokratie der Antike wieder eingeführt. Erst in dieser Phase der Menschheitsentwicklung treten die USA in den Vordergrund der Weltgeschichte. Für mich stellt dieses abendländische Europa einschließlich Amerikas den neuzeitlichen Westen dar, der in der Goethezeit vorübergehend die beiden Vorzüge der Antike und des christlichen Mittelalters miteinander in Einklang gebracht zu haben schien. Im Laufe des 19. Jahrhunderts trat jedoch der Nationalismus in westlichen Nationen immer stärker hervor, bis sie sich in beiden Weltkriegen selbstmörderich zerstörten. Angesichts dieser westlichen Tragödie vertrat der Österreicher Graf Coudenhove-Kalergie, dessen Mutter eine Japanerin war, in Wien seine Idee des Pan-Europas. Die Idee, die schließlich zur Gründung der EU führen sollte, gipfelte in seinem politischen Ideal, die Vereinigten Staaten von Europa ins Leben zu rufen. Deswegen wurde er im Jahre 1950 mit Recht mit dem ersten Karlspreis der Stadt Aachen ausgezeichnet. Graf Coudenhove-Kalergie war als Österreicher geboren, wurde nach 1918 ein Tscheche, mußte aber im Nationalsozialismus eine französische Staatsangehörigkeit erwerben und lebte während des Zweiten Weltkrieges im Exil in New York als Geschichtsprofessor. Ich verstehe seine schwierige Lage, nicht von Japan sprechen zu können, und schätze ihn auch menschlich um so mehr. Mir schwebt jedoch ein anderes kulturelles Ideal, das er bewußt außer acht lassen mußte: zumindest den geistigen Blick nach dem Osten zu richten. Es gab schon in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt Missionare, die den Weg nach dem Osten angebahnt haben. Aber weil die ersten Christen, die nach China gingen, verketzerte Nestorianer waren, verschwand ihr Gedächtnis aus der europäischen Kirchengeschichte, wenngleich ein Leibniz sich für die lateinisch verfaßten Nachrichten der späteren christlichen Missionare lebhaft interessierte. Diese kulturelle Seidenstraße erwies sich notwendigerweise immer als im geistigen Blick vom Westen aus nach dem Osten gerichtet und mehr oder weniger vom christ-lichen Standpunkt beurteilt, um nicht zu sagen verurteilt. Forschungsergebnisse europäischer Sinologen, Koreanisten und Japanologen über die östliche Kultur sind gewiß immens und können nicht hoch genug eingeschätzt werden, wie umgekehrt die ostasia-tischen Wissenschaftler über die europäische Kultur unermüdlich gearbeitet haben. Nur durch überaus große Sprachbarrieren gehindert, fehlt ihnen anscheinend noch weit-gehend der Blick vom Osten nach dem Westen. Wenn sie es auch mehr als früher unter-nehmen, darüber in einer europopäischen Sprache zu schreiben, sind sie wohl nicht nati-onalistisch einseitigübertrieben, aber manchmal patriotisch nicht immer ganz unparteiisch. Dagegen bin ich weder buddhistisch noch shintoistisch, also durch die japanische Tradition relativ wenig belastet. Ich bin vielmehr von klein auf mit dem Christentum vertraut und habe in München katholische Theologie als Nebenfach studiert. Außerdem kenne ich durch langjähriges Studium Goethe und seine Zeit gründlich. Ich bin also ziemlich in der Lage, den Japanern ein Europabild vom christlichen Standpunkt aus zu vermitteln und den Europäern Japan bzw. etwas von China oder Korea vom relativ unparteiischen religiösen Standpunkt aus bekannt zu machen. Mein Beitrag zu den Beziehungen Japan und Europa dürfte nur darin zu finden sein. Das Übergewicht ist allerdings bei meinen Bemühungen um Kulturaustausch in entgegengestzter Richtung unverhältnismäßig verteilt. Durch meine eigene Forschung kenne ich Goethe ziemlich gut und bediene mich meiner Muttersprache, wenn ich seine Schriften ins Japanische übersetze oder über seine Werke Aufsätze schreibe. Aber wenn ich über die japanische oder über die östliche Kulturtradition etwas schreiben will, wie z.B. einen Aufsatz über „Goethe und die östliche Philosophie“, muß ich sie nur mühsam anhand fremder Forschungsergebnisse gründlich studieren. Außerdem muß ich alles als Nicht-Muttersprachler auf deutsch und mit kritzelnder Feder schreiben, um mich allenfalls verständlich zu machen. Ich bitte alle meine Hörer bzw. Leser höflich um Verständnis dafür. Auch meinen Kollegen in China, Korea oder Japan wird es ähnlich ergehen, solange sie nicht von Hause aus Sinologen, Koreanisten oder Japanologen sind. Im Jahre 2004 hatte ich deswegen mit Walter Gebhard, Bayreuth, eine Buchreihe „Deutsch-ostasiatische Studien zur interkulturellen Literaturwissenschaft“ ins Leben gerufen und in deutscher Sprache habe ich auch noch zwei Bücher herausgegeben: „Wenn Freunde aus der Ferne kommen“ Eine west-östliche Freundschaftsgabe für Zhang Yushu zum 70. Geburtstag (mit Horst Thomé. Peter Lang Verlag, Bern 2005); Universalitätsanspruch und partikulare Wirklichkeiten. Natur- und Geisteswissenschaften im Dialog (mit Karin Moser v. Filseck. Königshausen & Neumann, Würzburg 2007). Es handelte sich dabei um eine Dokumentation eines internationalen Symposiums, das ich zum Deutschlandjahr 2005 in Japan an meiner Heimatuniversität als Dialog zwischen den Geistes- und Naturwissenschaften veranstaltet hatte. Auf dem Umschlag sind zwar die Brüder Humboldt abgebildet, aber während der jüngere, der die Naturwissenschaften verkörpert, im Vordergrund steht, tritt der ältere etwas schablonenhaft zurück. Nach meiner Rückkehr nach Japan im Dezember 2008 sind bald zwei Bände Taschenbuchausgabe meiner in Regensburg fertiggestellten Übersetzung von Goethes Morphologischen Schriften in Tokyo erschienen. Ich arbeitete auch daran, Goethes geologische und meteorologische Schriften zusammenzustellen und ins Japanische zu übersetzen, die inzwischen in zwei Bänden erschienen sind. Auf diese Weise bin ich sozusagen zu meiner eigentlichen Goetheforschung zurückgekehrt. Nach Veröffentlichung der Münchner Dissertation hatte ich drei Bände Goethe-Studien in japanischer Sprache und noch zwei Bücher zum geistesgeschichtlichen Kontext der Goetheforschung sowie zum geistesgeschichtlichen Hintergrund der EU publiziert, und der erste Sammelband meiner Aufsätze in deutscher Sprache Jenseits von Weimar. Goethes Weg zum Fernen Osten war 1997 in Bern erschienen. Wohl deshalb bin ich im Jahre 2003 mit einer Goldenen Goethe-Medaille der Goethe-Gesellschaft in Weimar ausgezeichnet worden. Seitdem fühle ich mich nicht wenig zur Goetheforschung verpflichtet. Nach der Verleihung des Jacob und Wilhelm Grimm-Preises des DAAD zur gleichen Zeit habe ich den zweiten Sammelband Der ost-westliche Goethe. Deutsche Sprachkultur in Japan herausgegeben und bereite für 2010 einen dritten Sammelband meiner neueren Aufsätze in deutscher Sprache vor, und zwar voraussichtlich unter dem Titel: Spiegelbild der Kulturen. Japanische Kultur im Spiegel der deutschen Sprache. Was mich von Jugend an bei Goethe anzieht, sind seine Universalität und sein Kosmopolitismus. Das Weimarer Gruppenbild mit Goethe und Schiller sowie den Brüdern Humboldt ist so repräsentativ für die „übrige“ Welt im deutschen 18. Jahrhundert! Der verhängnisvolle Nationalismus in europäischen Staaten ist erst danach im 19. Jahrhundert heraufgekommen und die humanistische Bildungstradition des bürgerlichen Zeitalters immer mehr gefährdet. Aber sie ist bis vor kurzem in ganz Ostasien, vor allem in Japan aufrecht erhalten geblieben. So fällt mir in der Tat nicht schwer, von der Wirkung Goethes in der Vergangenheit zu sprechen, wie es eine Vielzahl der Goethe betreffenden Primär- und Sekundärliteratur in japanischer, koreanischer und chinesischer Sprache bezeugt. Aber seine Wirkung in der Gegenwart erscheint insofern problematisch, als sie immer begrenzter wird. Im Grunde sind es relativ wenige Gebildete der älteren Generation, die sich in Japan für Goethe engagieren. Es gibt selbst unter den japanischen Germanisten nicht sehr viele, die sich wie früher speziell mit Goethe und mit der Goethezeit überhaupt beschäftigen. 4. Mein letztes Forschungsthema: Kulturmorphologie der Berge Die Kulturmorphologie im Sinne des Gestaltwandels von Kulturen impliziert meines Erachtens bei dem Gegenstand Berge grundsätzlich drei Aspekte: nämlich kulturelle Bedeutung, Erschließung sowie Umwandlung der Berge für den Menschen. So hatten die Alpen ursprünglich für die Europäer sowohl eine positive als auch eine negative Bedeutung. Erst nachdem sie für die Einwohner und dann für die Wanderer sowie Touristen erschlossen worden sind, hat sich ein Alpinismus bis nach Japan entwickelt. Im folgenden sollen meine bisherigen Ausführungen zur Forschung der Berge ergänzend zusammengefaßt werden, da sie mein kulturwissenschaftliches Anliegen im Zusammenhang mit der Goetheforschung widerspiegeln. Die Berge gehören wie die Meere, Feursbrunst, Erdbeben oder Stürme zum Urerlebnis der Menschheit, stellen sie doch eines der vier Elemente dar. Es gibt in verschiedenen Erdteilen eine Menge Berge, die meist Gebirgsketten bilden, und sie sind seit alters für viele Menschen die Natur schlechthin. In Eurasien allein sind es Pyrenäen, die Alpen, der Pamir, der Kaukasus, der Ural und etwas abseits die japanischen Alpen. Darunter sind einige weltweit als sogenannte heilige Berge oder Gebirge bekannt wie z. B. Adam’s Peak auf Ceylon, der Berg Fuji in Japan, der Meru der Inder, der Elburs der Perser, der Libanon der Phöniker, der Olymp der Griechen, das Kapitol der Römer, der Sinai des Alten Testaments. Daher kommt es wohl, daß die Berge zunächst Forschungsgegenstand der Mythologie bzw. Religionswissenschaft geworden sind. Diesen Wissenschaftsdisziplinen galten sie mit ihren Felsen, Bäumen, Tieren und Grotten als Sitze von Geistern, Dämonen und Gottheiten, wobei freilich zwischen dem Heiligen im sakralen Sinne und dem Numinosen im mythischen Sinne genau unterschieden werden muß. Aber darüber hinaus bestehen in der philosophischen und empirischen Betrachtung der Berge andere Aspekte. Man kann sie außer unter dem mythologischen oder religiösen auch unter einem künstlerischen, literarischen, geographischen, geowissenschaftlich-industriellen, oder sogar touri-stisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkt ins Auge fassen, weil sie eben die gesamte Natur verkörpern. Dann erweisen sie sich eher als Gegenstand der Kulturwissenschaften. Ein gutes Beispiel dafür ist Goethes Roman Wilhelm Meisters Wanderjahre. Jarno in der Turmgesellschaft tritt in der „Pädagogischen Provinz“ als Montan auf und erklärt Wilhelm beim Bergfest im 9. Kapitel des Zweiten Buches über Erschaffung und Entstehung der Welt, was an Goethes schönen Essay „Über den Granit“ erinnert. Es handelt sich dabei im einzelnen um geologische Probleme von Neptunismus, Vulkanismus, Meteorit-Theorie und der Eiszeit. Dabei sagt er, die Gebirge seien stumme Meister und machten schweigsame Schüler. In „Makariens Archiv“ oder Maximen und Reflexionen wird der Spruch etwas anders formuliert: „Steine sind stumme Lehrer, sie machen den Beobachter stumm, und das Beste, was man von ihnen lernt, ist nicht mitzuteilen.“ Aber später wird vom Romanschreiber vertraulich mitgeteilt, daß Jarno-Montan die ihm einst von Lothario entführte Lydie heiratet und sich mit ihr dem nach Amerika auswandernden Bund Lenardos anschließt. Aus dem scheinbar besinnlichen Theoretiker ist also ein Praktiker geworden. Das würde bedeuten, daß ein Berg-Thema sich zumindest von der Naturmystik über die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zum praktischen Leben der Migration übergehen kann. Bei solcher Tragweite der allein schon literaturwissenschaftlichen Fragestellung bezüglich der Berge ist es selbstverständlich angebracht, daß sich ein Auslandsgermanist aus sprachlichen und sachlichen Gründen auf deutschsprachige und japanische Kultur in Geschichte und Gegenwart beschränkt. In der europäischen Kultur, besonders in der deutschen Literatur gibt es Ansätze genug, um eine Untersuchung in dem oben angedeuteten Sinne durchzuführen, weil hier ein geistes-geschichtlicher Überblick über die verschiedene Einstellung einzelner Autoren gegenüber den Bergen relativ leicht möglich ist. Auch wenn sie als solche nicht im Vordergrund eines literarischen Werkes stehen, können sie eine tief symbolische Rolle für die Handlung spielen wie z.B. Der Tod des Empedokles von Hölderlin, Der Nachsommer von Adalbert Stifter, Der Zauberberg von Thomas Mann oder Das Glasperlenspiel von Hermann Hesse. Der Nachlaßroman Der Versucher, deren drei Fassungen Hermann Broch in einem Bauernhaus in Tirol verfaßte, wird geradezu als „Bergroman“ bezeichnet. Was die Entdeckung der Berge in Europa anbelangt, so steht am Anfang das Neue Testament. Durch die Seligpreisungen Jesu Christi erscheinen die Berge im ersten Anblick sehr positiv. Aber Christus mußte vorher auf einer Bergspitze vom Teufel versucht verden, indem dieser ihm die Herrlichkeit dieser Welt zeigte (Mt. 4,1-11). Hier erschien der Berg irgendwie negativ, da er doch in die Nähe des Teufels gerückt worden war. Im christlichen Mittelalter gab es zwar einen Heiligen wie Franz von Assisi, der in seinem Sonnengesang „unsere Schwester, die mütterliche Erde“ lobpries. Aber ein Albertus Magnus wurde der Häresie verdächtigt, weil er sich eingehend mit der Natur beschäftigt hatte. So wurde ebenfalls die Pansophie im ausgehenden Mittelalter und im Barock ohne Unterschied der weißen oder schwarzen Magie verteufelt, wie es besonders bei Paracelsus und Doktor Faustus der Fall war. Der Schweizer Dichter und Göttinger Physiologe Albrecht von Haller war einer der ersten Europäer in der Neuzeit, der in seinem Lehrgedicht Die Alpen (1729) die Berge überhaupt im positiven Sinne entdeckte. Haller öffnete seinen Zeitgenossen „die Augen für die Schönheit des Schweizer Hochgebirges, das man bis dahin als abstoßend wild ansah, und stellt, Rousseau vorwegnehmend, das einfache Leben der Gebirgsbewohner über das bequeme naturferne Leben in den Städten.“ ( Kurt Rothmann) Aber es war Goethe, der eine Hinwendung von der ästhetischen Betrachtungsweise zur kulturwissenschaftlichen Betrachtung der Berge herbeigeführt hat. Denn seine Beschäftigung mit der Natur reicht von Naturlyrik über Landschaftsmalerei zur naturwissenschaftlichen Forschung. Seine tiefen Erlebnisse der Berge insbesondere beschrieb er in seinen autobiographischen Schriften wie Schweizer Reisen und hat in literarischen Werken wie Wilhelm Meisters Wanderjahre oder Faust ausführlich zum Ausdruck gebracht. Daß sein Naturerlebnis im Gebirge nicht nur literarisch oder wissenschaftlich, sondern auch religiös war, zeigt sich symbolisch besonders in dem bekannten Gedicht „Harzreise im Winter“. Der Dichter schätzte dieses „abstruse“ Jugendgedicht selbst so sehr, daß er 1821 einen eigenen Kommentar darüber veröffentlichte. Die hier erwähnte herrliche Erscheinung farbiger Schatten bei untergehender Sonne ist im Didaktischen Teil § 75 seiner Farbenlehre beschrieben. Damals erlebte er gleichsam eine Apotheose des Menschen in der Natur, was freilich von der christlichen Erfahrung einer unio mystica streng zu unterscheiden ist. Aber über Goethe kommt man zu besserem Verständnis der Bergerlebnisse bei den Japanern. In Japan gibt es bekanntlich viele Berge. Das im Vergleich mit China winzige Land der aufgehenden Sonne besteht eigentlich zum großen Teil aus einer durchgehenden Bergkette, und dazwischen befinden sich relativ kleine bewohnbare und ackerbare Bodenflächen. Es ist nicht übertrieben zu sagen, daß man nirgends in Japan ohne Ausblick auf eine nahe oder ferne Berglandschaft wohnen kann. Die Japaner sehen auch die Berge sehr gern an. Das basiert im Grund genommen auf ihrem hergebrachten, mit dem Ahnenkult gemischten Animismus, in dem man die ganze Natur, somit auch die Berge mit all ihren Felsen, Bäumen und Tieren als beseelt empfindet und sie mit den Seelen der Toten ehrfürchtig für göttlich hält. In der volkstümlichen Bergfrömmigkeit der Japaner, die sich im Unterschied zu dem von der Oberschicht geförderten Stadt-Buddhismus bzw. Shintoismus entwickelt hat, sind zwei entgegengesetzte Richtungen bemerkbar. Für die volkstümliche Berggläubigkeit in Japan ist es wie bei der Fuji-Verehrung charakteristisch, daß die urwüchsige Naturreligion des Volkes bis zur Unkenntlichkeit mit dem Buddhismus oder Shintoismus verwachsen ist. Es handelt sich dabei einerseits um eine naive Frömmigkeit der Bauern, die vom Feld aus auf einen bestimmten Berg in der umliegenden Landschaft verehrend hinblicken. Der Berg hat meist eine schöne Form, muß aber nicht unbedingt so hoch sein wie der Berg Fuji oder seine Brüder in ganz Japan. Deshalb befindet sich ihre geweihte Grotte grundsätzlich am Bergfuß. Andererseits ziehen sich mythisch veranlagte Männer oft in die tiefen Berge zurück und suchen ihre Religiosität mit körperlichen Anstrengungen, Gebeten unter dem Wasserfall und nächtlichem Feuerbrennen zu befriedigen. Wenn sie dann auf der hohen Bergspitze den herrlichen Sonnenaufgang erleben, verehren sie die Sonne als Heraufkunft der Gottheit und bauen dort aus Gestein eine Grotte oder stellen ein symbolisches Tor aus Holz auf. In dieser „Shugendo“ genannten Spiritual-Übung war der Zutritt der Frauen in die Berge der asketischen Übungen jahrhundertelang verboten, obwohl zwei anliegende Berge im Gebirge manchmal als männlich und weiblich bezeichnet und zwei Gipfel eines Berges als männliche und weibliche Gottheit verehrt wurden. Es ist außerdem darauf hinzuweisen, daß die Jäger in Japan nie eine Bergfrömmigkeit entfaltet haben, während die Bauern durch ihre Feldarbeit vielfach dem Fruchtbarkeitskult verhaftet geblieben waren. Die sportliche Freude am Bergsteigen ist gewiß relativ neueren Datums, scheint aber offensichtlich beim Anblick der aufgehenden Sonne oder beim Sonnenuntergang bei manchen Japanern heute noch ein urtümliches religiöses Gefühl zu erwecken, was etwa an die „Anmutige Gegend“ in Goethes Faust II erinnert. Dabei spielt der traditionell in Dichtung und Kunst gefeierte Berg Fuji eben als heiliger Berg eine herausragende Rolle. Es war der große Forschungsreisende Engelbert Kaempfer aus Lemgo, Westfalen, der als erster Europäer in Japan über den Berg Fuji geographisch und landschaftlich eingehend berichtete. Auch der Würzburger Japanforscher Philipp Franz von Siebold machte im Jahre 1826 eine Hofreise nach Edo mit und stellte unterwegs wissenschaftliche Beobachtungen über die japanischen Vulkane an. Später stellte er sie Alexander von Humboldt, der nur an die russisch-chinesische Grenze kam, zur Verfügung. Humboldt erwähnte es denn auch in einer Fußnote in seinem Hauptwerk Kosmos ausdrücklich. Es waren dann anglo-ame-rikanische Missionare, die schon vor dem Zweiten Weltkrieg die sogenannten Japanischen Alpen schätzengelehrt und bei den japanischen Bergsteigern ein für allemal den Alpinismus erweckt haben. Dieser hat heutzutage weltweit einen Kulturtourismus hervorgebracht. Die Berge erscheinen dabei für viele Menschen als Kreuzpunkt von Natur und Kultur im Alltagsleben. Aus der Sicht, die Entdeckung der Berge in Europa und die Bergfrömmigkeit in Japan gegenüberzustellen, erweist sich ein komparatistischer Kulturvergleich als natürlich und notwendig. In der kulturellen Komparatistik kommt es aber m.E. darauf an, nicht nur als Europäer von dem Westen, sondern als Asiate von dem Osten auszugehen und so eine kulturwissenschaftliche Seidenstraße aus entgegengesetzter Richtung anzubahnen. Die Christen haben meist nur ein Auge. Die europaischen Christen sehen die Welt mit einem westlichen Auge, die asiatischen Christen nur mit einem östlichen Auge. Ich bemühe mich, die Religionen in Ost und West mit den beiden Augen zu sehen. Denn die Christen könnten religiös recht haben, sind aber deshalb nicht unbedingt ethisch besser als die Buddhisten. Angeregt wurde ich allerdings zu dieser relativistischen Haltung durch Herders Abhandlung über den Ursprung der Sprache, die ich 1972 ins Japanische übersetzt habe. Da ich jedoch in den letzten Jahren mehr oder weniger intensiv im Kulturbereich gearbeitet habe, liegt nun mein Schwerpunkt in der Naturforschung Goethes, zumal er seinem dezidiert christlichen Jugendfreund Friedrich Heinrich Jacobi aus Ilmenau schrieb: „Hier bin ich auf und unter Bergen, suche das göttliche in herbis et lapidibus.“ Meine Methode besteht in erster Linie darin, Goethes naturwissenschaftliche Schriften gründlich zu studieren, bevor ich Goethes derartige Religiosität herausarbeite und mit der japanischen vergleiche. Deswegen habe ich bereits den didaktischen Teil seiner Farbenlehre sowie seine morphologischen Schriften ins Japanische übersetzt und bemühe mich weiterhin, seine geologischen Schriften als die Anfänge einer humanistischen Naturwissenschaft zu studieren. Mit diesem meinem wissenschaftlichen Vorhaben verbindet sich mein langjähriges Engagement für das Bergprojekt des INST, zu dessen Internet-Zeitschrift ich u.a. zwei diesbeügliche Aufsätze beigetragen habe: „Die Namen japanischer Berge“; „Der Berg Fuji in der japanischen Kunst“. Man könnte in der Tat durch eine gute Zusammenarbeit mit den Fachleuten der ganzen Welt eine nationale und internationale Kulturgeschichte der Berge schreiben, und zwar unter dem Gesichtspunkt, wie die Menschheit im Laufe der Jahrhunderte sowohl im Westen als auch im Osten die Berge für Literatur sowie Kunst entdeckt, naturwissenschaftlich erforscht, wirtschaftlich verwertet und schließlich touristisch erschlossen hat. Das würde zweifellos dazu führen, eine neue interdisziplinäre globale Kulturwissenschaft ins Leben zu rufen und eine weltweite Verbreitung durchs Internet sowie CD-ROM recht zweckmäßig erscheinen zu lassen. Das Wiener Institut versucht nach seinem wissenschaftlichen Direktor Herbert Arlt seit 1994, „Sprachen, Literaturen, Künste, Wissenschaften, Forschungen, Wissensproduktionen in neuer Weise gesellschaftlich wirksam zu machen mit der Zielsetzung, mit wissenschaftlichen und künstlerischen Mitteln zum Aufbau von Wissensgesellschaften beizutragen“. Unter Wissensgesellschaft habe ich für meine Person vor allem eine mit dem Internet weltweit vernetzte Welt verstanden und über ihre Vor- und Nachteile nachgedacht. Erst vor etwa zehn Jahren habe ich eigentlich gelernt, wie man technisch mit dem Computer und Internet umgehen soll. Bei dem mir naheliegenden Stichwort „Goethe“ habe ich beispielsweise eine Unmenge Wissen vorgefunden, die sich als teils genau-informativ, teils fehlerhaftunzuverlässig, oder als bald aufschlußreich, bald oberflächlich erwiesen. Dadurch habe ich leicht feststellen können, daß man mit den einzelnen Informationen im Internet sehr aufmerksam, sorgfältig, und kritisch-selekiv umgehen muß. Auf jeden Fall mußte ich ein synthetisches Urteil, also die Weisheit, Einzelwssen miteinander zu einem Ganzen zu verbinden, selber heranbilden. Aber mit dem Ziel des INST, mit allen Mitteln eine Globalisierung mit dem humanen Gesicht zu gestalten, war ich grundsätzlich einverstanden und wollte gern mitarbeiten. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich Herbert Arlt im Jahre 1997 bei dem HeineSymposium von Herrn Zhang Yushu in Peking erstmals kennengelernt. Bald darauf hat er freundlicherweise eine engere Zusammenarbeit mit mir eingeletet, indem er mir Gelegenheit gegeben hat, ein paar kleinere Artikel von mir auf der Webseite des INST zu veröffentlichen. Damals hatte ich noch wenig Erfahrung mit dem Computer und habe einfach Freude daran gehabt, fremde Webseiten, insbesondre aber meine Sachen im Internet abzurufen und auszudrucken. Daraus ergab sich zum Beispiel mein Artikel „Goethe im Internet“. Dem Internet gegenüber war ich noch etwas skeptisch eingestellt, als ich 1993 eine gekürzte elektrische Fassung meines Referates „Goethes Bedeutung Bildungstradition“ auf einem Humboldt-Kolleg in Kyoto freigab. für die japanische Im Laufe der Jahre habe ich immer enger mit dem INST zusammenarbeiten dürfen. So habe ich bereits 1991 an seiner Pariser UNESCO-Konferenz teilgenommen und mich etwas kritisch über die „Kulturwissenschaften in der Klemme“ geäußert. Aber für sein Weltprojekt der Berge habe ich mich sehr interessiert und in Ramsau am Dachstein ein Referat über die „Namen japanischer Berge“ gehalten. Später habe ich auch noch einen Beitrag „Der Berg Fuji in der japanischen Kunst“ beigesteuert. Zu der Konferenz „Das Verbindende der Kulturen“ habe ich ein Referat „Die chinesischen Schriftzeichen als das kulturelle Band in Ostasien„ beigetragen. Für die Wiener Konferenzen des INST in den Jahren 2003, 2005 und 2007 habe ich dann je eine Sektion über „Transnationale Bestrebungen und Widersprüche in Asien und Afrika“, „Erneuerung der literarischen Tradition durch neue Medien“ sowie über die vorerwähnte Sektion „Wissens-vermittlung in Asien mittels der deutschen Sprache“ eingerichtet und jeweils über Japans Imperialismus, ein BunrakuPuppentheaterstück und bibliographisch über die deutschsprachige Germanistik in Ostasien referiert. Mir fehlte bis dahin vor allem eine Vernetzung von wissenschaftlichen Informationen per Internet, die die Forschungs- und Medienarbeit des INST vorzüglich kennzeichnet und eine weltweite Kommunikation in Ost und West erst ermöglicht. Dadurch konnte ich ohne weiteres Kontakt auch mit den Kollegen aus Osteuropa, Rußland und nicht zuletzt aus Afrika aufnehmen. Zu gegebener Zeit könnte man im Rahmen des Weltprojekts der Berge auch ein Symposium mit dem Schwerpunkt „Berge in Japan“ veranstalten. Dabei soll einmal einschließlich der französischen, schweizerischen, bayerischen, italienischen und österreichischen Alpen die ganze Berglandschaft Europas präsentiert werden, da sie als beliebte Themen innerhalb der deutschen, schweizerischen und österreichischen Literautr den japanischen Germanisten bekannt genug sind. Das Österreichische ist aber offen gestanden für sie weniger interessant, wie aus meinem Beitrag „Österreichischer Wortschatz in einem deutsch-japanischen Wörterbuch“ in der Internet-Zeitschrift TRANS hervorgeht. Um das Fazit aus meinen Erfahrungen zu ziehen, so hat m. E. das INST nicht nur medientechnisch, sondern auch in wissenschaftlicher Hinsicht mit seiner kultur- wissenschaftlichen Zielsetzung die Zeit vorweggenommen. Denn im Zeitalter der Globalisierung stellt sich heraus, daß die traditionelle Germanistik als Philologie und Literaturgeschichte für die sogenannten Auslandsgermanisten nicht mehr tragbar ist, wiewohl sie als solche im Fachbereich der Geisteswissenschaften sehr wichtig ist. Stattdessen gewinnen die Kulturwissenschaften weltweit immer mehr an Bedeutung, weil sie angesichts der rapiden Entwicklung der Medientechnik einer anderen Begründung und empirischen Forschung bedürfen als Kulturphilosophie in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Damals konnte man sich noch damit begnügen, theoretisch vorwiegend innerhalb Europas über die neuen Kulturphänomene nachzudenken. Jetzt geht es aber nicht mehr, ohne nichtchristliche Religionen wie Judentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus, Konfuzianismus oder Shintoismus ernst zu nehmen, haben sie doch alle im Laufe der Jahrhunderte gewichtige Kulturen außerhalb Europas hervorgebracht. Was heute wissenschaftlich dringend nottut, ist meiner Meinung nach über eine westlich orientierte Kulturwissenschaft hinaus eine im weitesten Sinne des Wortes östlich ausgerichtete Kulturwissenschaft hervorzurufen und so eine wirklich allgemeine Kuturtheorie der Menschheit zu begründen. Mein Beitrag „Der gespaltene Kontinent Eurasien“ ging aus meiner langjährigen Besorgnis um einen Eurozentrismus hervor. Nicht zufällig befindet sich dabei Österreich als ehemalige Ostmark des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Schnittpunkt von West und Ost. Insofern erweist sich das INST als einmaliges multikulurelles Forschungsinstitut im deutsch-sprachigen Raum. Ich habe schon dreimal an der Wiener Konferenz des INST teilgenommen und habe noch nie erlebt, daß so viele verschienene Nationalitäten anderswo vertreten sind. Hier werden ja außer Deutsch auch Englisch und Französisch gelten gelassen, während sogar auf dem Pariser IVG-Kongreß 2005 grundsätzlich nur Deutsch als Konferenzsprache verwendet wurde. Mein Referat „Entdeckung des Torsos. Komplementarität in der Kunst“, das im buddhistischen Kulturhaus „Eko“, Düsseldorf, im September 2010 gehalten wird, läßt sich deshalb ohne weiteres auf den Kultur-vergleich von Ost und West anwenden. In dem 2002 erschienenen Band Erinnern und Vergessen als Denkprinzipien der INSTReihe ist übrigens ein Vortragstext von mir „Die japanische Geschichte im Gedächtnis der Götter“ enthalten. Auch in der internationalen Zeitschrift für Kulturwissenschaften Jura Soyfer, Jahrgang 2002, befinden sich zwei Beiträge von mir: „Die virtuelle Geschichte in der japanischen Mythologie“; „Kontinentalität und Transkontinentalität am Beispiel Eurasiens“. Der erstere wurde im Rahmen des 2. Memminger Gesprächs über Kunst und Kultur vorgetragen und bald darauf durch das Bayerische Fernsehen gesendet. Im Mai 2005 hatte ich auch einmal Gelegenheit, an dem Symposium des INST „Mythen und Berge“ in Georgien teilzunehmen, und erlebte hier diesseits vom wilden Kaukasus den eigentlichen Schnittpunkt von Europa und Asien. Konnte ich doch in einem Minibus eine Wegstrecke der eindrucksvollen alten Seidenstraße fahren. Aus physischen Gründen traue ich mir zwar nicht mehr zu, die für Juli 2009 vorgesehene Konferenz „Frieden im Kaukasus durch Kulturtourismus“ mitzumachen, aber für die Wiener Konferenz 2010 mit dem in Aussicht gestellten Generalthema „Städte, Kulturen, Wissensgesellschaften“ würde ich mich wieder nach Kräften einsetzen. (Stand: 14. August 2010) Ⅳ. Publikationsliste: Bibliographie meiner Buchpublikationen Goethes Wortgebrauch zur Dichtungstheorie im Briefwechsel mit Schiller und in den Gesprächen mit Eckermann. Max Hueber Verlag, München 1965. Herders Abhandlung über den Ursprung der Sprache, übersetzt, kommentiert und eingeleitet von Naoji Kimura, Taishukan-Verlag, Tokyo 1972. Goethe-Lesebuch, zusammengestellt und erläutert von Naoji Kimura. Daisan-ShoboVerlag, Tokyo 1974. Goethes naturwissenschaftliche Schriften (14. Band der Ushio-Goetheausgabe), zusammengestellt, teilweise übersetzt (wissenschaftstheoretische Aufsätze und der Farbenlehre didaktischer Teil) und eingeleitet von Naoji Kimura. UshioVerlag, Tokyo 1980. Goethe I (Goethe-Kenkyu. Goethes vielseitiges Menschenbild) Nansosha-Verlag, Tokyo 1976. Goethe II (Zoku Goethe-Kenkyu. Eine geistesgeschichtliche Perspektive der deutschen Klassik) Nansosha-Verlag, Tokyo 1983. Goethe III (Goethe-Kenkyu Yoteki. Deutsche Literatur und die Tradition des christlichen Abendlandes) Nansosha-Verlag, Tokyo 1985. Doitsu-Seishin-no-Tankyu (Deutsche Geistesgeschichte. Goethe im geistesgeschichtlichen Kontext) Nansosha-Verlag, Tokyo 1993. Jenseits von Weimar. Goethes Weg zum Fernen Osten. Peter Lang Verlag, Bern 1997. Goethes Farbenlehre. Didaktischer Teil. Taschenbuchausgabe in japanischer Übersetzung. Chikuma-Verlag. Tokyo 2001. Der "Ferne Westen" Japan. Zehn Kapitel über Mythos und Geschichte Japans. Röhrig Universitätsverlag. St. Ingbert 2003. Doitsu-humanism-no-Genten (Ursprung des deutschen Humanismus. Geistesgeschichtlicher Hintergrund der EU) Nansosha-Verlag, Tokyo 2005. Der ost-westliche Goethe. Deutsche Sprachkultur in Japan. Peter Lang Verlag. Bern 2006. Regensburg, eine alte Stadt an der Donau. NTT-Verlag. Tokyo 2007. Goethes morphologische Schriften (Botanik, Physiologie, Zoologie), übersetzt ins Japanische, kommentiert und mit Anmerkungen versehen von Naoji Kimura. 2 Bände. Chikumashobo-Verlag. Tokyo 2009. Goethes geologische Schriften (Mineralogie, Geologie, Meteorologie, Astronomie), übersetzt ins Japanische, kommentiert und mit Anmerkungen versehen von Naoji Kimura. 2 Bände. Chikumashobo-Verlag. Tokyo 2010. Naoji Kimura (Hrsg.): Wien um die Jahrhundertwende. Tokyo 1990. Naoji Kimura (Hrsg.): Faust in Ost und West. Deutsch-, japanisch-, chinesisch-, koreanisches Symposium. Mit Beiträgen von Karl Robert Mandelkow, Christoph Perels et al. Tokyo 1993. Naoji Kimura (Hrsg.): Die Zukunftsstadt Berlin. Berlin Vision 2000. Mit Beiträgen von Wolf Lepenies, Götz Friedrich, Manfred Fricke et al. Tokyo 1995. Naoji Kimura (Hrsg.): Das Auge der Sophia. Symposion in Geschichte und Kultur. Tokyo 1993. Naoji Kimura (Hrsg.): Die Geschichte des Menschen. Symposion in Wissenschaft und Geschichte. Tokyo 1994. Naoji Kimura (Hrsg.): Die Aktualität der ethnischen Probleme. Tokyo 1996. MEISTER Deutsch-japanisches Wörterbuch, Taishukan-Verlag, Tokyo 1992. Mitverfasser. Taschen-Meister, Kleines deutsch-japanisches Wörterbuch, Taishukan-Verlag, Tokyo 1997. Mitverfasser. Naoji Kimura (Hrsg.): Texte der deutschen Mystik im Mittelalter. Heibonsha-Verlag.Tokyo 2001. Naoji Kimura & Horst Thomé (Hrsg.): “Wenn Freunde aus der Ferne kommen” Eine westöstliche Freundschaftsgabe für Zhang Yushu zum 70. Geburtstag. Peter Lang Verlag. Bern 2005. Naoji Kimura / Karin Moser v. Filseck (Hg.): Universalitätsanspruch und partikulare Wirklichkeiten. Natur- und Geisteswissenschaften im Dialog. Königshausen & Neumann. Würzburg 2007. (Stand: 1. August 2010) Inhaltsverzeichnisse meiner Bücher in japanischer Sprache Goethe-Studien Bd. 1 Goethes vielseitiges Menschenbild (Nansosha-Verlag, Tokyo 1976) Vorwort I. Kapitel: Wandlungen des Goethebildes – Ein Querschnitt durch die Goetheforschung 1. Das entstellte Goethebild 2. Vorgänger der Goethe-Renaissance 3. Entstehung des olympischen Goethebildes 4. Generationsbruch um Goethe 5. Idealismus-Streit 6. Hinwendung zum späten Goethe 7. Marxistische Goetheforschung 8. Das künftige Goethebild II. Kapitel: Das Weltbild des jungen Goethe 1. Forschungslage 2. Kosmogonischer Mythos 3. Unzeitgemäße Betrachtungsweise III. Kapitel: Religiöse Anschauungen Goethes in der Jugendzeit 1. Ansätze des religiösen Liberalismus 2. Stationen der religiösen Entwicklung 3. Quellenmäßige Bibelstudien 4. Ablehnung des geschichtlichen Kirchenbegriffs 5. Religiöse Probleme als literarische Themen IV. Kapitel: „Werther“ und seine Zeit 1. Probleme der Wirkungsgeschichte 2. Religiöse Problematik im „Werther“ a) Das weltanschauliche Grundproblem b) Das ambivalente Naturerlebnis c) Religiöse Rechtfertigung des Selbstmordes 3. Auseinandersetzungen zwischen Goethe und Nicolai a) Wirkung von „Werther“ b) Nicolais Parodie c) Goethes Stellungnahme V. Kapitel: Goethes Liebes- und Naturmystik 1. „Harzreise im Winter“ als Gelegenheitsgedicht 2. Liebesmystik 3. Naturmystik VI. Kapitel: Die Metamorphose des Menschen 1. Grundelemente der Bildung 2. Bildungstrieb der Monade 3. Bildungserlebnisse in Italien 4. Grenzen der Bildung als Metamorphose des Menschen VII. Kapitel: Heidentum des klassischen Goethe 1. Vorbemerkung 2. Begegnung mit dem deutschen Katholizismus 3. Begegnung mit dem italienischen Katholizismus 4. Kritik am römischen Katholizismus 5. Kunst als eine höhere Religion 6. Nachklänge des Antikatholizismus VIII. Kapitel: Goethes Romantikkritik 1. Das Hervorkommen des neuen Kunstgeschmacks 2. Theoretische Förderung durch die Literaten 3. Praxis durch die Künstler 4. Ambivalente Wertschätzung der Romantik IX. Kapitel: Metaphysik der Natur bei Goethe 1. Naturwissenschaftliche Bedeutung von Goethes Kosmogonie a) Mystischer Ursprung der Natur b) Die Grundeigenschaft der Natur c) Die Korrelation von Natur und Geist 2. Goethes naturphilosophische Wissenschaftstheorie a) Naturgemäße Methodologie b) Wechselwirkung von Analyse und Synthese c) Einfluß der Kantischen Philosophie X. Kapitel: Faust und die geistige Welt Goethes 1. Faust und die Natur a) Naturphilosophische Voraussetzungen b) Die magische Natur c) Die ideelle Natur d) Die erotische Natur 2. Tragische Deutung von „Faust“ a) Faust als der Bruder Werthers b) Fausts tragischer Charakter c) Prästabilierte Erlösung d) Versuch einer Erlösung in der Natur Sach-, Personen- und Werkregister Goethe-Studien Bd. 2 Eine geistesgeschichtliche Perspektive der deutschen Klassik (Nansosha-Verlag, Tokyo 1983) Vorwort I. Kapitel: Erziehungsidee des Rittertums und Goethe 1. Die Weltbejahung der höfischen Ritterdichtung 2. Die Problematik der höfischen Ritterdichtung 3. Das „Tugendsystem“ des Rittertums und sein Ende II. Kapitel: Die Kunsttheorie des jungen Goethe – Von deutscher Baukunst (1772) 1. Die natürliche Bildungskraft des Menschen 2. Künstler als der zweite Schöpfer 3. Die Gotik als eine ursprüngliche Kunst III. Kapitel: Herder und Goethe 1. Umkreis von Herders „Abhandlung über den Ursprung der Sprache“ a) Die Sprachbetrachtung des jungen Herder b) Problemkreis vom Ursprung der Sprache c) Theorien über den Sprachursprung nach Herder 2. Die frühe Sprachthorie Herders – Literatur und Sprache a) Drei Gesichtspunkte bei der Sprachbetrachtung b) Entwicklungsstufen der Sprache c) Gedanke und Ausdruck in der Sprache 3. Herders Abhandlung über den Sprachursprung als eine Sprachphilosophie a) Aktuelle Bedeutung b) Eine vielseitige Betrachtung des Sprachursprungs c) Vieldeutigkeit der Terminologie 4. Die philosophische Bedeutung von Herders Abhandlung über den Sprachursprung a) Die Anfänge der Sprachphilosophie b) Anthropologische Fragestellung c) Geschichtsphilosophischer Aspekt IV. Kapitel: Goethe und Wilhelm von Humboldt 1. Goethe als Naturforscher a) Stufen des Naturforschers b) Ideelle Grundlage der Naturforschung c) Naturwissenschaftliche Aufsätze als ein Teil der Autobiographie d) Stellung in der Geschichte der Naturwissenschaft 2. Grundsatz des Vergleichs in Natur und Sprache a) Goethes Entwurf zur vergleichenden Anatomie b) Humbolts Entwurf zur vergleichenden Anthropologie c) Anthropologischer Horizont des Sprachvergleichs 3. Die Morphologie der Sprache bei Humboldt a) Die Sprache als Organismus b) Zweiseitigkeit der Sprachbetrachtung c) Innere und äußere Form der Sprache V. Kapitel: Goethe und das Übersetzungsproblem 1. Grundlegende Probleme einer Übersetzungstheorie a) Sprachphilosophische Voraussetzungen der Übersetzung b) Möglichkeit und Grenze der Übersetzung c) Methode und Bedeutung der Übersetzung 2. Probleme der japanischen „Faust“-Übersetzung a) Geschichte der „Faust“-Übersetzungen in Japan b) Wandel des Faustbildes VI. Kapitel: Probleme der Goethe-Rezeption in Japan 1. Goethe in der ersten Epoche der Einführung der deutschen Literatur a) Die früheste Goethe-Literatur b) Die Goethe-Auffassung von Ishibashi Ningetsu c) Die Anfänge einer literarischen Rezeption von Goethe d) Goethes Bekanntwerden als Naturforscher in der Meiji-Zeit 2. Eine idealistische Rezeption Goethes a) Das typisch japanische Goethebild b) „Werther“ als Liebesroman c) „Faust“ als eine weltliche Bibel VII. Kapitel: Die „Faust“-Rezeption in der Meiji-Zeit 1. Überblick über den Faust-Idealismus in Deutschland 2. Mannigfaltigkeit der „Faust“-Rezeption in den 90er Jahren 3. Die kritische Faust-Auffassung von Kanzo Uchimura 4. Die idealistische Beeinflussung durch Kuno Fischer 5. Vorläufer einer Faust-Ideologie in Japan VIII. Kapitel: Faust und das Christentum 1. Faust in der Faustsage 2. Goethes „Faust“ a) Der enttäuschte Christ Faust b) Verzweiflung an der Erkenntnis c) Erkenntnis und Tat d) Die Weltfrömmigkeit Fausts e) Das Reich der Mütter 3. Der vom dichterischen Werk losgelöste Faust IX. Kapitel: Stand der Forschung über Goethes Romane 1. Goethes Romantheorie 2. „Die Leiden des jungen Werther“ 3. „Die Wahlverwandtschaften“ 4. „Wilhelm-Meister“-Romane X. Kapitel: Versuch über „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ 1. Bildungsroman und die Tradition des Schelmenromans 2. Bildung und Roman im Bildungsroman a) Bildungsroman als ein Formbegriff b) Die Romanstruktur des Werkes c) Strukturelle Entfaltung des Hauptthemas d) Der Geist der Ironie 3. Die Religiosität der „Bekenntnisse einer schönen Seele“ a) Täuschungen einer religiösen Liebe b) Auseinandergehen von Ich und Welt c) Grenzen der pietistischen Religiosität 4. Tod und Verwandlung im Bildungsroman a) Der Zwiespalt zwischen Natur und Geist b) Der Harfner als Archetypus des Dichters c) Mignon als Verkörperung der Poesie Sach-, Personen- und Werkregister Goethe-Studien Bd. 3 Spicilegium (Nansosha-Verlag, Tokyo 1985) Vorwort Erster Teil: Die deutsche Literatur und die Tradition des christlichen Abendlandes I. Kapitel: Die christliche Bedeutung der Kultur 1. Der religiöse Charakter der Kultur 2. Zivilisation und Humanität 3. Der Konflikt zwischen dem Christentum und dem modernen Geist 4. Das neue Verhältnis zwischen Christentum und Kultur 5. Die Kultur als Ausdruck der menschlichen Natur 6. Der ganzheitliche Mensch als Träger der Kultur 7. Die Universalität der Kultur und die Aufgabe der Erziehung 8. Die Kultur als Identität der Völker II. Kapitel: Novalis und Eichendorff – „Die Christenheit oder Europa“ 1. Geist und Buchstabe 2. Geschichtserkenntnis durch den religiösen Sinn 3. Die Wiedergeburt des christlichen Europas 4. Eichendorffs Kritik an Novalis III. Kapitel: Hermann Kunisch „Die Ordnung des Seins bei Adalbert Stifter“ 1. Das Mißverständnis 2. Wandel der Sprache 3. Gegenständlichkeit 4. Das Rechte und das Gute 5. Das einfache Leben 6. Das Vertrauen IV. Kapitel: Die katholische Literaturbewegung in Deutschland und Gertrud von le Fort 1.Theologische Voraussetzungen 2. „Hochland“-Bewegung 3. Probleme der Konvertiten-Literatur V. Kapitel: „Die Hymnen an die Kirche“ von le Fort 1. „Die Hymnen an die Kirche“ als ein lyrisches Tagebuch 2. Die innere Begegnung mit der universalen Kirche VI. Kapitel: Carl Muth und die christliche Dichtung 1. Die Bedeutung der Herausgabe von „Hochland“ 2. Die geistesgeschichtliche Situation der Jahrhundertwende 3. Der Idealismus Carl Muths 4. Die Goethe-Auffassung von Carl Muth 5. Die Begegnung le Forts mit „Hochland“ VII. Kapitel: Die Zeitkritik Theodor Haeckers 1. Der Weg zum Schriftsteller 2. Das christliche Abendland als Grundidee 3. Die Verurteilung der „Staatskirche“ VIII. Kapitel: „Das unauslöschliche Siegel“ von Elisabeth Langgässer 1. Die Heilsgeschichte als „Welttheater“ 2. Der geschichtsphilosophische Rahmen 3. Das Fehlschlagen des Rationalismus 4. Die Natur der Natur 5. Das Gebet des Mystikers 6. Die neue Sintflut Zweiter Teil: Kleine Goethe-Studien. Eine Nachlese I. Kapitel: Die Goetheforschung in der Bundesrepublik Deutschland der 60er Jahre 1. Fachzeitschriften für die Goetheforschung 2. Goethe-Aufsätze in den wichtigen Fachzeitschriften 3. Übrige Goethe-Aufsätze II. Kapitel: Die deutsche Literaturwissenschaft der 70er Jahre 1. Die werkimmanente Interpretation nach dem Zweiten Weltkrieg 2. Studentenunruhen und die Krise der Germanistik 3. Hintergrund und Bedeutung der Methodendebatten 4. Die Klassik als Musterbeispiel für die Germanistik-Kritik III. Kapitel: Die Klassik-Debatte im geteilten Deutschland 1. Die Überprüfung des Klassik-Begriffs 2. Die Ideologiekritik in der Bundesrepublik Deutschland 3. Die Kulturerbe-Theorie in der DDR 4. Goethe als ein Klassiker 5. Nachwirkungen der Goethefeier IV. Kapitel: Philipp Franz von Siebold und Goethe 1. Siebolds Vorliebe für Schiller 2. Die Familie Siebold 3. Döllinger als Embryologieforscher 4. Die Bekanntschaft mit dem Präsidenten der Leopoldina 5. Sömmerring und Oken 6. Die Freundschaft mit Alexander von Humboldt 7. Kurt Sprengels „Anleitung zur Kenntniß der Gewächse“ V. Kapitel: Goethe und Udagawa Yoan 1. Kurt Sprengel als Botaniker 2. Goethe und Sprengels „Geschichte der Botanik“ 3. Sprengel und Udagawa Yoans „Grundriß der Botanik“ VI. Kapitel: Die Romanstruktur von „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ 1. Eingefügte Novellen und die Rahmenerzählung 2. Die Rolle des Herausgebers 3. „Aus Makariens Archiv“ VII. Kapitel: Das Motiv des Wundarztes in den „Wilhelm Meister“-Romanen 1. Goethes anatomische Studien 2. Der Wundarzt Wilhelm 3. Die plastische Anatomie VIII. Kapitel: Aspekte der Goetheforschung 1. Eine marxistische Goethe-Auffassung 2. Naturgeschichte und Geschichte der Natur 3. Goethe und die Kinderliteratur 4. Wilhelm Busch und Goethe 5. Die Hauptversammlung der Goethe-Gesellschaft in Weimar 6. Eindrücke von Weimar 7. Der Frühling in Wien 8. Der Wiederbesuch Weimars Sach-, Personen- und Werkregister Deutsche Geistesgeschichte Bd. 1 Auf der Suche nach dem deutschen Geist. Goethe im geistesgeschichtlichen Kontext (Nansosha-Verlag, Tokyo 1993) Vorwort 1. Kapitel: Wiederentdeckung des deutschen Mittelalters 1. Probleme der Mediävistik a) Erweiterte Forschungsbereiche b) Idealität des literarischen Ritterbildes c) Erneute Einschätzung der deutschen Mystik 2. Der Gralskönig Parzival – Das Idealbild in der Krise a) Licht- und Schattenseite des Ritterbildes b) Verkehrte Umwertung c) Projektionen des Helden d) Heilsgeschichtliche Menschenbildung 2. Kapitel: Entstehung und Verfall des Faust-Mythos 1. Der fundamentale Charakter des Faust-Volksbuches a) Das mittelalterlich-katholische Weltbild b) Der neuzeitlich-protestantische Moralismus c) Züge des Schelmenromans 2. Faust-Ideologie als Mythos a) Faustsage und Goethes „Faust“ b) Der mythologisierte Faust von Goethe c) Ideologisierung des Faust-Mythos 3. Der entmythologisierte Faust – Das moderne Fausdrama a) Aufführbarkeit eines übersetzten Theaterstückes b) Handlung des ersten Teils der Tragödie c) Probleme der Entmythologisierung d) „Die Walpurgisnacht“ als Satansmesse 3. Kapitel: Entfaltung des deutschen Barockgeistes 1. Naturgeschichtliche Forschungsreise Engelbert Kaempfers a) Das konfessionelle Zeitalter b) Reisewege vor der Ankunft in Japan c) Probleme der Kaempfer-Forschung d) Goethes Japankenntnisse und Kaempfer 2. Die zweite Entdeckung des neuen Kontinents durch Alexander von Humbodt a) Der auf Südamerika gerichtete Erkenntnisdrang b) Naturerkenntnis als wissenschaftliches Gemälde c) Politische Auswirkungen seiner lateinamerikanischen Reise 4. Kapitel: Anthropologische Sprachauffassungen der Goethezeit 1. Sprache und Erkenntnis bei Herder a) Symbolcharakter der Sprache b) Wort als eine Erkenntnis c) Möglichkeit der Erkenntnis durch die Sprache 2. Frühe Sprachtheorie Wilhelm von Humboldts a) Klassische Sprachanschauung b) Geistiger Ursprung der Sprache c) Systematische Beschreibung der Sprache 3. Jacob Grimm und die Germanistik a) Stand der japanischen Germanistik b) Neue Trends in der Grimm-Forschung c) Jacob Grimm als Germanist 5. Kapitel: Grundprobleme der Goetheschen Dichtung 1. Goethes Idee der Wanderschaft a) Shimazaki Toson und Goethe b) Pilgerschaft und Wanderschaft c) Werthers Wanderschaft d) Tosons Goetheauffassung 2. Die Überwindung der Natur in den „Wahlverwandtschaften“ a) Neuzeitliches Thema in der Feudalgesellschaft b) Problematik der natürlichen Ethik c) Die säkularisierte Heiligenlegende d) Überwindung des Schicksals durch die Heiligung 3. Das Thema der Leidenschaft in „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ a) Die Leidenschaft als Voraussetzung der Entsagung b) Die symbolische Bedeutung des Kästchens c) Liebeskonflikt zwischen Vater und Sohn 6. Kapitel: Das Problem des Bürgertums bei Goethe 1. Der geadelte Bürger 2. Das dem Adel dienende Bürgertum 3. Der sich zum Geistesadel entwickelnde Bürger 4. Der zugrundegehende Landadel 5. Wirtschaftliche Tätigkeit des verbürgerlichten Adels 6. Die Französische Revolution und Goethe 7. Goethe und das deutsche Bildungsbürgertum 7. Kapitel: Goethe-Renaissance um die Jahrhundertwende in Wien 1. Goethe und Wien 2. Die älteste Goethe-Gesellschaft der Welt 3. Die Vorläufer in Wien 4. Wiederentdeckung Goethes als des Naturforschers 8. Kapitel: Geistesgeschichtliches Syndrom des Nationalsozialismus 1. Die Weltanschauung des Nationalsozialismus a) Der Traum des Dritten Reiches b) Der Mythus des 20. Jahrhunderts c) Der verfälschte faustische Glaube 2. Unzeitgemäße Betrachtungen Theodor Haeckers a) Zeugnisse der Zeitgenossen b) Kierkegaards geistiger Einfluß c) Der Begriff des Auserwählten d) Überwindung der Tragik 9. Kapitel: Das entstellte Menschenbild der dreißiger Jahre – Theodor Haeckers Zeitkritik 1. Schweigender Widerstand 2. Hauptursache der Krise 3. Aspekte der Verwirrungen 4. Auflehnung der Mittel 10. Kapitel: Der antinationalsozialistische Denker Theodor Haecker 1. Die geistige Grundlage der „Weißen Rose“ a) Der vergessene Denker b) Der geistige Mentor der Geschwister Scholl c) Die christliche Innovation d) Indirekte Kritik am Nationalsozialismus e) Metaphysischer Hintergrund der „Weiße-Rose“-Widerstandsbewegung 2. Der Nationalsozialismus als Apostasie a) Auflehnung gegen das Christentum b) Der germanische Götzendienst c) Untergang des Preußen-Deutschlands Personen-, Sach- und Werkregister Deutsche Geistesgeschichte Bd. 2 Ursprung des deutschen Humanismus Geistesgeschichtlicher Hintergrund der EU (Nansosha-Verlag, Tokyo 2005) Vorwort 1. Kapitel: Die EU und das deutsche Mittelalter 1. Europa als geistige Gemeinschaft 2. Offenes Europa in der Bütezeit des Mittelalters 3. Geschlossenes Europa im ausgehenden Mittelalter 4. Spaltung des Abendlandes durch die Reformation 5. Die zur politschen Bewegung gewordene Reformation 6. Neuzeitlicher Nationalismus und die Paneuropa-Idee 7. Einheit durch den Geist des römischen Rechts 8. Wiederentdeckung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation 9. Mittelalterliche Geschichte von Bayern aus gesehen 10. Gegenwärtige Situation der EU 2. Kapitel: Geistesgeschichtliche Entfaltung der deutschen Mystik 1. Mystik und die Gegenwart 2. Mannigfaltigkeit der mystischen Ideen in Deutschland 3. Albertus Magnus – Vater der mittelalterlichen Mystik 4. Mittelalterliche Züge der deutschen Mystik 5. Religiosität der Mystikerinnen 6. Devotio moderna und Pietismus 3. Kapitel: Goethe als Literarhistoriker 1. Ambivalenz der deutschen Literatur in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts 2. Die Anfänge einer deutschen Nationalliteratur 3. Literatur als Konfession beim jungen Goethe 4. Literarische Situation in der Übergangszeit 5. Neue Literaturauffassung Herders 6. Kritik an der französischen Literatur 7. Lobpreisung auf Shakespeare 8. Entstehung der Sturm und Drang-Literatur 4. Kapitel: Französische Revolution und die deutsche Literatur 1. Aufgeklärter Absolutismus in Deutschland 2. Deutsches Jakobinertum 3. Goethes und Schillers Reaktion gegen die Revolution 4. Dilemma der Frühromantik 5. Jean Pauls Auffassung im Geiste Herders 5. Kapitel: Literarische Strömungen im deutschen 18. Jahrhundert 1. Literatur der Goethezeit 2. Goethe und die Romantiker 3. Wandel des Goethebildes 4. Goethe und die Japaner 6. Kapitel: Winckelmann und sein Jahrhundert 1. Vieldeutigkeit des Humanismus 2. Gräkomanie im deutschen 18. Jahrhundert 3. Der Grieche im nördlichen Europa 4. Die Natur als schöpferisches Prinzip 5. Urquell des deutschen Humanismus 6. Deutsche Klassik als Hellenismus 7. Kapitel: Der Humanismus bei Hufeland 1. Hufeland als Autor der „Verhältnisse des Arztes“ 2. Medizinische Ethik im Geiste Hippokrates’ 3. Der goethische Humanist Hufeland 4. Motive der Medizin im “Faust” 8. Kapitel: Iberoamerikanische Forschung Alexander von Humboldts 1. Iberoamerikanische Reise von 1799 bis 1804 2. Geistiger Einfluß auf Bolivar 3. Nachfolger in der iberoamerikanischen Forschung 4. Wissenschaftlicher Einfluß auf Siebold 9. Kapitel: Die Goethe-Rezeption bei Thomas Carlyle 1. Goethes Bedeutung für Carlyle 2. Geistige Begegnung durch Übersetzung 3. Nationalliteratur und Weltliteratur 4. Tätigkeit als Lebensprinzip 5. Reaktion auf die deutsche Literatur 6. Das Goethebild von Carlyle 7. Goethe-Studien auf dem Weg über England und Amerika 10. Kapitel: Überwindung einer Faust-Ideologie 1. Vor- und Nachteile einer Ideologiekritik 2. Probleme im Entstehungsprozeß des Faustbildes 3. Zurückführung des „Faust I“ auf die Volkssage 4. Die geschichtliche Welt im „Faust II“ 5. „Faust“-Inszenierungen als Werkinterpretation 11. Kapitel: Goethes politische Bedeutung für das geeinte Deutschland 1. Goethes sozialistische Sendung 2. Die Säkularisierung Weimars 3. Kulturelles Symbol für die Einheit Deutschlands 4. Goethe im Internet 12. Kapitel: Der deutsche Nationalismus und das vereinigte Europa 1. Ethnische Probleme heute 2. Neonazi und der deutsche Nationalismus 3. Entstehung eines kulturellen Nationalismus 4. Übergang zu einem politischen Nationalismus 5. Heraufkunft eines rassischen Nationalismus 6. Bundesrepublik Deutschland und die EU Personen-, Sach- und Werkregister Regensburg, eine alte Stadt an der Donau Auf der Suche nach einem gemeinsamen Band der europäischen Einheit Von Naoji Kimura (NTT-Verlag, Tokyo 2007) Vorwort 1. Kapitel: Die Auferstehung des europäischen Mittelalters 1. Europa und Abendland. Verschiedenheit in Ursprung und Tradition 2. Die EU als Römisches Erbe 3. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation im Rampenlicht 4. Pan-Europa-Bewegung von Graf Coudenhove-Kalergi 2. Kapitel: Die Kulturlandschaft an der Donau 1. Vom Schwarzwald zum Schwarzen Meer 2. Städtekultur an der Donau 3. Alte Universitätsstädte Bayerns 3. Kapitel: Die Entstehung der Stadt Regensburg 1. Spuren der Ureinwohner Kelten 2. Gründung des „Castra Regina“ 3. Ein Fremdvolk aus Böhmen 4. Kapitel: Die Stadt der Kaiser und Könige 1. Wohnsitz der bayerischen Herzöge 2. Residenz der Kaiser und Könige 3. Freie Reichsstadt 5. Kapitel: Die christliche Kultur im Mittelalter 1. Entstehung des Klosters St. Emmeram 2. Erbauung des gotischen Doms 3. Wallfahrt zur „Schönen Maria“ 6. Kapitel: Politisches Vakuum nach dem Tode des Kaisers Maximilian I. 1. Das „Alte Rathaus“ als Symbol der bürgerlichen Tradition 2. Die Judenverfolgung als Sündenbock 3. „Immerwährender Reichstag“ 7. Kapitel: Goethe in Regensburg 1. Eine Postkutsche am frühen Morgen 2. Ein inkognito Reisender im Gasthof „Zum Weißen Lamm“ 3. Eine verheimlichte naturwissenschaftliche Absicht 8. Kapitel: Stadterneuerung durch den Fürstbischof Carl von Dalberg 1. Säkularisation des Kirchenguts 2. Ein kurzlebiges Fürstentum 3. Kulturerbe des Carl von Dalberg 9. Kapitel: Das Postgeschäft des Hauses von Fürst Thurn und Taxis 1. Die Anfänge des Postgeschäfts als Familienunternehmen 2. Entstehung und Entwicklung der Familie Thurn und Taxis 3. Übergang des Postgeschäfts zu Preußen Anstelle eines Schlußwortes Anhang: Benutzte Literatur Zeittafel über die Stadtgeschichte Regensburgs Kaiser und Könige im deutschen Mittelalter Ⅴ. Weltkulturerbe Regensburg: Regensburg liegt gar schön. Die Gegend mußte eine Stadt herlocken; auch haben sich die geistlichen Herren wohl bedacht. Alles Feld um die Stadt gehört ihnen, in der Stadt steht Kirche gegen Kirche und Stift gegen Stift. Die Donau erinnert mich an den alten Main. Bei Frankfurt haben Fluß und Brücke ein besseres Ansehn, hier aber nimmt sich das gegenüberliegende Stadt am Hof recht artig aus. Goethe: Italienische Reise 1786 Widerschein vom Licht Goethes Und doch wären Bild und Gefühl nicht so vollständig, wie sie in Regensburg zu sein vermögen, gewahrte man nicht schließlich noch den Beitrag einer menschlich gestimmten Klassizistik, den die Zeitwende um 1800 zum Antlitz der Stadt hinzufügte. Da ist der milde Bau des Theaters; auch sonst begegnet hin und wieder eine freundliche Spur jener im Politischen so tief beunruhigten, im Künstlerischen so ruhigen und klaren Zeit – bis hinein in den stillen Domwinkel, in dem der sanfte Fürstprimas Karl von Darberg, durch Napoleon Landesherr von Regensburg, hinter einem Grabstein im Stil Canovas bestattet ist. Das klassische Regens burg trägt einen Widerschein vom Licht Goethes. (Wilhelm Hausenstein 1935) Göttliche Tafelmusik In Regensburg speisten wir prächtig zu Mittag, hatten eine göttliche Tafelmusik, eine englische Bewirtung und einen herrlichen Mosler Wein. (Wolfgang Amadeus Mozart 1790) Der Präsident der DJG-Regensburg Herbert Eichele dankt dem Redner. Übergabe meines Regensburg-Buches an OB Hans Schaidinger (Foto: Werner Sowa) Sonderbriefmarken_GE-JP Die deutschen Sonderbriefmarken mit Kulturerbe-Motiven wurden am 4. Februar 2011 der Öffentlichkeit vorgestellt.