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Lieber Puccini als bratender Speck
Pforzheim Die jüngste Komposition von Nigel Treherne ist im Sommer fertig geworden.
Uraufgeführt wird sie in Arizona. Von Gabriele Müller
Starker Beifall erzwang Zugabe
Die Kompositionen von Nigel Treherne sind heiß begehrt. Schon vor zwei Jahren hat der
1951 in London geborene Solooboisten des Orchesters vom Theater Pforzheim ein
Auftragswerk für den renommierten Solofagottisten des Philharmonia Orchestra London,
Meyrick Alexander, geschrieben. Nun hörte ein anderer Kollege Trehernes - der Solo-Oboist
des Philharmonia Orchesters - das Konzert vergangenes Jahr in Birmingham und war davon
so angetan, dass er ebenfalls ein Stück für zwei Oboen haben wollte. Die Partitur, die keinen
eigenen Namen trägt, hat Treherne seinem Kollegen in den Sommerferien überreicht. Die
Vorbereitungen für die Uraufführung am 31. Mai in Phoenix in Arizona/USA können
beginnen.
In der Goldstadt ist der Solooboist der Badischen Philharmonie Pforzheim gut bekannt:
Bereits seit 33 Jahren gehört er zum Orchester. Im Jahr 1997 wurde in Pforzheim sein
Musical Maria im Congresscentrum uraufgeführt. Die Titelheldin ist Maria Ludovica, die in
der Zeit des Wiener Kongresses die Gemahlin von Kaiser Franz I. war. Und kurz vor der
vergangenen Sommerpause hatte das Theater Pforzheim Treherne in der Reihe "Late Modern"
einen Abend gewidmet, bei dem seine Komposition für Violine und Klavier uraufgeführt
wurde: mit seiner Frau, der Dirigentin Gwendolyn Phear am Klavier und der Violinistin
Maria Semjonovs. "Ich mag moderne Klänge", sagt Treherne, der zu jenen besonderen
Menschen gehört, in deren Augen immer ein Lächeln zu finden ist. "Und ich liebe eine
schöne Melodie."
Beide Vorlieben fließen mit ein, wenn er komponiert. Zugleich liebt er die Musik des
klassischen Repertoires. Eine besondere Schwäche hat er für Giacomo Puccini. "Das ist
sinnliche, farbenprächtige Musik, und es ist sehr befriedigend, sie zu spielen. Ich kriege auch
jetzt noch jedes Mal Gänsehaut bei ,La Bohème", selbst, wenn ich sie schon dreißig Mal
gespielt habe. Puccini orchestriert so fantastisch. Da ist jeder Ton wichtig. Ich mag es nicht,
im Orchester zu sitzen und das Gefühl zu haben, man könnte meine Stimme auch weglassen."
Schon als er Anfang der siebziger Jahre in London studiert hat, hatte er dieses ästhetische
Empfinden. Allerdings galten damals in der zeitgenössische Musik ganz andere Ideale. "Mein
Professor hätte es sicher gerne gehabt, dass ich ein Stück komponiere für Kaffeemaschine und
quietschende Fahrradbremsen", frotzelt er. "Einer meiner Kommilitonen hat ein Stück für
Oboe komponiert, das live über Lautsprecher inspiriert werden sollte vom Geräusch
bratenden Specks in der Pfanne." Das gefiel dem Kompositionsprofessor, war aber nicht
Trehernes Welt.
Er hatte das Studium der Komposition zusammen mit dem der Instrumente Oboe und Cello
damals begonnen, weil ihn das Komponieren schon als Kind interessiert hatte. Seine Eltern
hatten Ballettfestivals organisiert, er lebte immer mit Musik. Am Klavier hatte er Zuhause als
Kind viel ausprobiert. "Ich studiere das", war für ihn die folgerichtige Entscheidung. "Aber",
so sein Fazit heute, "das hat nicht so viel gebracht. Das beste Kompositionsstudium ist es, im
Orchester zu spielen."
Als Musiker hat er in England, Spanien, Holland und in der Schweiz gearbeitet - und natürlich
in Deutschland. Ein Stipendium des DAAD hatte ihn 1974 nach Deutschland gebracht, wo er
in Freiburg bei Heinz Holliger studierte. "Ich war sofort von der Stadt begeistert", strahlt er.
"Und es war ein tolles Gefühl, als Inseleuropäer plötzlich mitten in Europa zu sein. Von
England aus muss man immer zuerst einmal übers Wasser kommen." Die Bindung zu seinem
Heimatland ist dennoch lebendig und intensiv. Drei bis vier Mal reist er jedes Jahr nach
London.
Nach Vollendung seines Musicals, das mit seinen glatten Harmonien noch den
Hörgewohnheiten von Musicalfans entsprach, arbeitet Treherne inzwischen viel mit
"Mehrklängen und Vierteltönen". Die Sinnlichkeit und die Freude am schönen, lebendigen
Klang ist seinen Kompositionen jedoch auch dann noch eigen, wenn er die traditionelle
Dreiklangsharmonik verlässt. Für den Pforzheimer Oboisten war sein Musical-Erstling
"Maria" auf gewisse Weise ein Akt der Befreiung von den wenig fruchtbaren Erfahrungen
seiner Studienzeit. Viel Anerkennung hat er dafür bekommen, für den Song "Der
Marionettenspieler" sogar einen Preis.
Seine Klangsprache hat sich in den letzten 13 Jahren geändert. Die Ästhetik nicht. 25
Kompositionen umfasst sein Werkverzeichnis. Das soeben vollendete Oeuvre gehört dazu.
"Das möchte ich im Sommer fertig kriegen", hatte Treherne sich vorgenommen. Wenn er es
nicht geschafft hätte, hätte er bei Saisonbeginn Vertretungen für die Orchesterarbeit
organisiert. Denn auch Musiker ist der Pforzheimer Komponist mit den englischen Wurzeln
nach wie vor mit Leib und Seele.
Stuttgarter Zeitung, 18.9.2010
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