Zusatzthema zu Modul 2 Organe der EU Veränderungen bei den EU-Organen durch den Lissabon-Vertrag Die institutionelle Struktur der Union ist durch den Vertrag von Lissabon nicht grundlegend geändert worden – sie gründet sich weiterhin auf das „institutionelle Dreieck“ Parlament, Rat und Kommission. Die Union hat aber nun sieben Organe: Der Europäische Rat und die Europäische Zentralbank wurden in den Kreis der Organe aufgenommen. Welche Veränderungen haben sich für einzelne Organe aus dem Vertrag von Lissabon ergeben? Das Europäische Parlament Der Vertrag von Lissabon stärkt die Befugnisse des Parlaments in den Bereichen Rechtsetzung, Haushalt und Genehmigung internationaler Vereinbarungen. Außerdem wird die Zusammensetzung des Parlaments geändert: Die Zahl der Abgeordneten darf 751 (750 und der Präsident) nicht übersteigen. Das gilt jedoch erst ab Beginn der nächsten Legislaturperiode im Jahr 2014. Die Aufteilung der Sitze zwischen den Mitgliedstaaten erfolgt weiterhin nach dem Grundsatz der „degressiven Proportionalität“: Größere Länder stellen zwar mehr Abgeordnete als kleinere.Abgeordnete der großen Mitgliedstaaten wie Deutschland vertreten aber mehr Bürgerinnen und Bürger ihres Landes als Abgeordnete aus kleinen Ländern wie Malta oder Luxemburg. Für jeden Mitgliedstaat ist eine Mindestzahl von 6 und eine Höchstzahl von 96 Abgeordneten vorgesehen. Bis zur nächsten Wahl 2014 bleibt die Anzahl der Abgeordneten für Deutschland jedoch bei 99. Der Europäische Rat Der Europäische Rat (ER) hat nun den Status eines Organs der Union, er erhält aber keine neuen Aufgabengebiete. Die Außenminister der Mitgliedstaaten nehmen nicht mehr automatisch (wie noch in Art. 4 EUV Nizza festgelegt) an den Treffen des ER teil, sondern nur noch, wenn es die Tagesordnung erfordert (Art. 15 Abs.3 EUV). Ein neuer Akteur ist der Präsident des Europäischen Rates, der vom Europäischen Rat für die Hälfte der Legislaturperiode, also für zweieinhalb Jahre gewählt wird. Seine Hauptaufgabe ist es, die Arbeiten des Europäischen Rates vorzubereiten und ihre Kontinuität zwischen den Treffen der Staats- und Regierungschefs zu gewährleisten. Bei den Gipfeltreffen wird er die Staatsund Regierungschefs dabei unterstützen, einen Konsens zu finden. Er vertritt die Union nach außen in allen Angelegenheiten, die nicht mit der GASP zusammenhängen. Der Präsident des Europäischen Rates darf kein anderes nationales Mandat innehaben. Der Rat Der Rat teilt seine Aufgaben in den Bereichen Rechtsetzung und Haushalt nun fast uneingeschränkt mit dem Europäischen Parlament. Der Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ ist weiterhin der Hauptakteur in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), der Rat Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) spielt bei der Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten eine zentrale Rolle. Das durch den Maastrichter Vertrag eingeführte Mitentscheidungsverfahren (Kodezision) ist nun als „ordentliches Gesetzgebungsverfahren“ (Art. 294 AEUV) die Regel. Der Rat entscheidet jetzt generell mit qualifizierter Mehrheit und nur noch in wenigen Fällen einstimmig. Die Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit wurde mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon auf zahlreiche Bereiche (wie Zuwanderung oder Kultur) ausgeweitet. Im Jahr 2014 wird dann für Rats-Beschlüsse die doppelte Mehrheit von 55 % der Mitgliedstaaten und 65 % der Gesamtbevölkerung der Union eingeführt. Dieses neue Berechnungsverfahren wird allerdings mindestens bis 2017 durch einen dem „Kompromiss von Ioannina“ vergleichbaren Mechanismus ergänzt: Wenn eine Gruppe von Mitgliedstaaten, die zusammen fast eine Sperrminorität erreichen, ihre ablehnende Haltung gegenüber einem Beschluss bekunden, muss der Rat alles daran setzen, in einem angemessenen Zeitraum eine für beide Parteien zufriedenstellende Lösung zu finden. Europäische Kommission Durch den Vertrag von Lissabon ändert sich die Zusammensetzung der Kommission. Ab 2014 wird sich das Kollegium aus einer Anzahl von Mitgliedern zusammensetzen, die zwei Dritteln der Zahl der Mitgliedstaaten entspricht, (d. h. 18 bei einer Union von derzeit 27 Staaten, 19 nach dem Beitritt Kroatiens Mitte 2013). Sie werden nach einem System der gleichberechtigten Rotation der Mitgliedstaaten ausgewählt. Die Zahl der Kommissionsmitglieder kann vom Europäischen Rat einstimmig geändert werden. Der Kandidat für das Amt des Kommissionspräsidenten muss ab 2014 der Parteirichtung angehören, die bei den Wahlen zum Parlament die meisten Sitze errungen hat. Nach der Nominierung durch den Europäischen Rat wird er offiziell vom Europäischen Parlament gewählt – oder abgelehnt, so dass ein neuer Kandidat nominiert werden muss. Außerdem wird die Rolle des Kommissionspräsidenten gestärkt: Er kann einzelne Mitglieder des Kollegiums ihres Amtes entheben und den Mitgliedern ihre Aufgabenbereiche zuweisen. Der Hohe Vertreter der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik Eine der wichtigsten institutionellen Neuerungen des Vertrags von Lissabon ist die Einrichtung des Amtes des „Hohen Vertreters der Union für Außen und Sicherheitspolitik“. Dies erhöht die Übereinstimmung der außenpolitischen Maßnahmen der Union und der Mitgliedstaaten. Als Beauftragter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik hat er den Vorsitz im Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ inne, den Treffen der Außenminister der Mitgliedstaaten. Außerdem vertritt er die Union und die GASP auf internationaler Bühne. Dabei wird er vom Europäischen Auswärtigen Dienst unterstützt, der sich aus Beamten des Rates und der Kommission sowie Diplomaten der Mitgliedstaaten zusammensetzt. Der Hohe Vertreter hat ein weiteres Amt inne („Doppelhut“), er ist auch Vizepräsident der Kommission für Außenbeziehungen. In dieser Funktion muss er sich, wie alle Kommissionsmitglieder, vom Europäischen Parlament nach eingehender Befragung bestätigen lassen. Seit Dezember 2009 ist Catherine Ashton erste Hohe Vertreterin Union für Außen und Sicherheitspolitik. Die übrigen Institutionen Die bisher geltenden Bestimmungen für die Europäische Zentralbank (EZB) und den Rechnungshof wurden ohne wesentliche Änderungen beibehalten. Das Tätigkeitsfeld des Europäischen Gerichtshofs wird durch den Vertrag von Lissabon allerdings erweitert (insbesondere bei der strafrechtlichen und polizeilichen Zusammenarbeit). Ferner werden einige verfahrenstechnische Änderungen eingeführt. Nach wie vor ist der Gerichtshof nicht für den Bereich der GASP zuständig. Die nationalen Parlamente Der Vertrag von Lissabon stärkt die Rolle der nationalen Parlamente. Sie erhalten ein Einspruchsrecht gegen Gesetzentwürfe der Union, wenn nach Ansicht der Parlamentarier die Prinzipien der Subsidiarität oder der Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Quelle: nach Europ. Kommission (geändert und aktualisiert); http://europa.eu/lisbon_treaty/glance/institutions/index_de.htm