Newsletter zur aktuellen Online-Ausgabe der “Weltkirche“ Nr. 4(2005) www.weltkirche-online.de Liebe Freunde von weltkirche-online, ganz herzlich begrüßen wir Sie zur vierten Online-Ausgabe der „Weltkirche“. Im Vorfeld des G-8-Gipfeltreffens in Gleneagles ist ein beachtenswerter Hirtenbrief der kenianischen Bischofskonferenz erschienen. Er befasst sich mit den Hintergründen und Folgen der internationalen Verschuldung und definiert die Rolle der Kirche als die des barmherzigen Samariters, der sich sowohl um die Armen als auch um die Reichen kümmert. Den Reichen droht der Verlust der menschlichen Identität, wenn sie die Armen ignorieren. Das Motiv des barmherzigen Samariters spielt auch im Abschlussdokument der AMECEA-Vollversammlung eine wichtige Rolle. Im Umgang mit Aids-Kranken wollen die Bischöfe vor allem die drohende Stigmatisierung und Marginalisierung der Betroffenen vermeiden und rufen zur Achtung ihrer menschlichen Würde auf. Die Rechte und die Würde von Menschen, die aus den Slums der großen Städte in Simbabwe vertrieben worden sind, thematisiert das Dokument der Bischofskonferenz unter dem Titel „Der Schrei der Armen“. Aber es gibt noch andere Formen des Versagens von Regierungen. Häufig ist das die Unfähigkeit, den inneren Frieden zu sichern. Mit diesem Mangel befassen sich die Dokumente aus Kongo-Zaire und aus Kolumbien. Wir bedanken uns für Ihr Interesse an weltkirche-online. Bitte, empfehlen Sie uns weiter! Die Redaktion Inhaltsverzeichnis: Über die Last der internationalen Verschuldung Ein Hirtenbrief der katholischen Bischöfe von Kenia 17.05.2005 Seite 4-16 Antwort auf die Herausforderung von HIV/Aids in AMECEA-Ländern Botschaft der 15. AMECEA-Vollversammlung 11.06.2005 Seite 17-24 2 Der Schrei der Armen Hirtenbrief der Katholischen Bischofskonferenz von Simbabwe 13.07.2005 Seite 25-29 "Warum habt ihr solche Angst?" (Mk 4,40) Die Zukunft des Kongo hängt von seinem Volk ab Botschaft der Bischöfe aus Anlass des 45. Jahrestages der Unabhängigkeit der Demokratischen Republik Kongo 22.06.2005 Seite 30-36 Offener Brief der Bischöfe von Quibdó und Istmina-Tadó an den Präsidenten der Republik zur Legitimitätskrise des Staates in der Atrato-Region, Kolumbien Paramilitär und Armee in Kolumbien 27.04.2005 Seite 37-40 Infografiken: AMECEA-Länder: Zahl der Katholiken nach Ländern Auslandsverschuldung Afrikas 1970-2002: Schuldendienst übersteigt das Kreditvolumen HIV-Infizierte Personen: Verteilung nach Weltregionen (Verhältniszahlen) HIV-Infizierte Personen: Verteilung nach Weltregionen (absolute Zahlen) UNO-Millenniumsziele 1990-2015: Halbierung der Armut UNO-Millenniumsziele 1990-2015: Halbierung der Armut (3D-Darstellung) Landkarten: AMECEA-Länder Kenia Simbabwe Kongo (Zaire) Kolumbien mit Atrato-Fluss 3 Eigennutz unter dem Mantel der Hilfe. Bischöfe von Kenia klagen an Angesichts der entsetzlichen Ereignisse der letzten Tage in Kenia muss sich heute jeder die Frage stellen, warum sich die kenianischen Bischöfe nicht mit dem Problem der eskalierenden ethnischen Konflikte in ihrem Land, sondern mit einem außenpolitischen Thema wie Verschuldung befassen? Nach dem Massaker im Norden Kenias und der Ermordung von Bischof Luigi Locati von Isiolo ist Kenia in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr das Land mit dem gravierenden Schuldenproblem geblieben, sondern zum Land mit brutal ausgetragenen ethnischen Konflikten geworden. Wahrscheinlich sind diese Konflikte noch schwerer zu regeln als die Probleme, die durch manipulierte Kapitalflüsse verursacht werden. Obwohl innenpolitisch sehr angeschlagen, steht Kenia außenpolitisch als potentieller Kandidat für den Sitz im UN-Sicherheitsrat und als eine der wenigen Demokratien in Afrika gut da. Aufgrund ihrer gut organisierten Strukturen genießt die Katholische Kirche in Kenia hohes Ansehen. Die Bischöfe veröffentlichen anlässlich besonderer Ereignisse (Soziale Spannungen, bevorstehende Wahlen, etc.) gemeinsame Hirtenbriefe, die im ganzen Land und auch von den Führungskräften des Landes sehr geschätzt werden; die von Missionsinstituten getragenen Schulen und Gesundheitseinrichtungen sind auf dem neuesten Stand und deshalb sehr beliebt. Es gibt zahlreiche engagierte katholische Laien, die zum Teil auch auf Regierungsebene tätig sind. Im Vorfeld des G 8-Gipfels haben die Bischöfe von Kenia einen Hirtenbrief über das Problem der Verschuldung verfasst, der als Musterbeispiel für eine kompetente Beteiligung der Kirche an der politischen Willensbildung gelten kann. Eigentlich müsste er zur Pflichtlektüre aller Regierungschefs und der Entscheidungsträger bei Weltbank und Weltwährungsfonds werden. Hoffentlich bleibt der Brief nicht nur ein „Ruf in der Wüste“, sondern bekommt eine gebührende Resonanz. Die Bischöfe Kenias haben eine Anklageschrift verfasst, in der theologische und pastorale Argumente ganz in den Hintergrund getreten sind, wirtschaftliche, geschichtliche und soziale Aspekte dagegen eine tonangebende Rolle spielen. Sie führen eine massive Klage, gerichtet sowohl gegen die Regierungen und Institutionen wohlhabender Länder, als auch gegen die Regierung Kenias. Dabei meinen sie nicht nur die gegenwärtige Regierung von Mwai Kibaki, sondern auch die ein Vierteljahrhundert anhaltende despotische Regierungsherrschaft von Daniel arap Moi und andere Regierungen der 4 Vergangenheit. Alle Beteiligten haben bei der Schuldenregelung ein obskures Spiel gespielt, dessen oberste Regel gewesen sei, den Eigennutz zu optimieren und die Kosten den Schwächsten aufzubürden. Durch die Vergabe von Krediten haben wohlhabende Länder die unzureichende Nachfrage nach ihren Produkten stimuliert und die Krisenerscheinungen (Rezession und Arbeitslosigkeit) ihrer Volkswirtschaften aufzufangen versucht. Bei Kreditgewährung geht es nicht um Hilfsbereitschaft und Verpflichtung dem Gemeinwohl gegenüber, sondern um Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des eigenen Lebensstandards. So tragen die armen Länder als Kreditnehmer zur Stabilisierung des Wohlstands in den reichen Ländern bei. Kreditwirtschaft betreibt Eigennutz unter den Mantel der Hilfe. So wird der Reichtum auf legale aber moralisch verwerfliche Weise aufrechterhalten. Das ist nur ein Vorbehalt, den die Bischöfe aufstellen. Der zweiter ist nicht weniger gewichtig: Reichtum ohne soziale Verantwortung raubt sowohl den einzelnen Menschen als ganzen Nationen ihre Identität. Die Aussagen der Bischöfe werden immer radikaler und ihre Kritik härter. Der Schuldendienst stelle ein wesentliches Hindernis für die Entwicklung und den Schutz von Menschenrechten dar. Eine Sozialisierung der Lasten bei gleichzeitiger Elitarisierung der Gewinne und Vorteile bilde eine Bedrohung für den sozialen Frieden. Daher sei die Forderung nach einem Schuldenerlass gerechtfertigt und als Chance für eine gerechte Gesellschaft zu verstehen. *** Über die Last der internationalen Verschuldung Ein Hirtenbrief der katholischen Bischöfe von Kenia 17. Mai 2005 „Nimm von ihm keinen Zins und Wucher! Fürchte deinen Gott, und dein Bruder soll neben dir leben können“ (Lev 25,36) Einleitung Wir, die katholischen Bischöfe von Kenia, möchten unsere Sorge mit den Christen und allen Menschen guten Willens in unserem Land teilen. In den nächsten Monaten werden in der ganzen Welt viele internationale Ereignisse auf dem Programm stehen. Diese Treffen werden sich mit wichtigen Angelegenheiten befassen, die unser Land, unseren Kontinent Afrika und alle Entwicklungsländer in der Welt betreffen. Im Juli werden sich die mächtigsten Länder, die so genannten G 8, in Edinburgh, Großbritannien, treffen, und sie werden über den Stand der internationalen Verschuldung und über Programme zur Reduzierung der Armut im Süden der Welt diskutieren (1). Im September werden die Vereinten Nationen (UNO) die MillenniumsVersammlung organisieren, um über die Durchführung von Programmen zu sprechen, die es der Menschheit ermöglichen werden, die Millenniumsziele zu erreichen, darunter die Reduzierung der Armut und die Entwicklung einer gerechten Welt (2). Im nächsten Dezember wird die Welthandelsorganisation in Hongkong zu einer neuen Gesprächsrunde zusammenkommen, um 5 über eine wichtige Regelung im Hinblick auf den internationalen Handel zu entscheiden. Wir dürfen nicht vergessen, dass zu Anfang dieses Jahres sich das Weltsozialforum in Brasilien und Handelsminister aus der ganzen Welt sich hier in Kenia, in Mombasa, im vergangenen März getroffen haben, um das Treffen der Welthandelsorganisation im kommenden Dezember vorzubereiten. Somit ist unser Land nicht nur an diesen Ereignissen interessiert, sondern Kenia ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Prozesses, der zu einer besseren Welt führen könnte. Wir möchten mit euch gerne einige Gedanken austauschen über die Rolle, die jeder übernehmen kann, um die Armut zu lindern und eine gerechte Gesellschaft aufzubauen. Der Ursprung der internationalen Verschuldung Ehe wir unsere derzeitige Situation betrachten, müssen wir zeitlich zurückgehen und zu verstehen versuchen, warum und auf welche Weise Kenia, wie viele andere afrikanische Länder auch, bei den reichen Ländern in der Welt so große Schulden hat (3). Am Ende des Zweiten Weltkrieges arbeiteten die Vereinigten Staaten den Marshall-Plan aus. Dieser Plan sah Spenden und langfristige Darlehen an europäische Länder vor, um ihren Wiederaufbau zu finanzieren und es ihnen zu ermöglichen, ihre Industrie zu modernisieren. Die Europäer wussten diese Anreize gut zu nutzen und wurden schon bald zu den bevorzugten Handelspartnern der Vereinigten Staaten. Letztere, die fürchteten, dass die so geschaffenen Überflussgelder zu einer Inflation führen könnten, unterstützten Investitionen in amerikanischen Firmen im Ausland. In den frühen 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden europäische Banken von amerikanischen Dollars überschwemmt. Zur selben Zeit erlangten die meisten afrikanischen Länder ihre Unabhängigkeit und sie benötigten Geldmittel, um ihre Volkswirtschaften wachsen zu lassen und die Infrastruktur zu verbessern. Internationale Banken begannen, ihr Geld zu sehr niedrigen Zinsen zu verleihen. Später, bald nach der Energiekrise von 1973 beschlossen Regierungen nördlicher Länder, die zu Hause mit Rezession und Massenarbeitslosigkeit konfrontiert waren, Staaten im Süden mit Kreditkraft auszustatten, die durch bilaterale Verträge geregelt waren. Mit anderen Worten, ein Land im reichen Norden ermöglichte es einem Land im Süden, Waren und Dienste aus seiner Industrie zu kaufen und später zu bezahlen. Auf diese Weise erhielten Beschäftigung und Produktion neuen Aufschwung gegen spätere Bezahlung aus Drittländern. Darlehen, die von der Weltbank bereitgestellt wurden, um Entwicklungsprojekte zu finanzieren, sind eine dritte 6 Schuldenquelle. Die meisten dieser Darlehen wurden in den 1960ern unterschrieben; sie lasten immer noch schwer auf den Volkswirtschaften im Süden der Welt. Afrika: ein verschuldeter Kontinent Heute haben alle Entwicklungsländer, darunter Kenia, gewaltige Schulden zurückzuzahlen (4). Sie schulden Privatfirmen, gewöhnlich internationalen Banken, Regierungen und internationalen Institutionen wie der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds Geld. Ende 2004 belief sich die Auslandsverschuldung der Länder südlich der Sahara auf 231 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig betrug das Bruttoinlandsprodukt dieser Länder gerade einmal 350 Milliarden USDollar. Mit anderen Worten, afrikanische Länder können nicht gleichzeitig ihre Schulden zurückzahlen und die Entwicklung in Gang halten. Die meisten Länder müssen mehr als 20 Prozent ihrer Einkünfte für den Schuldendienst ausgeben, d.h. sie müssen jährliche Schuldenkontingente und die bisher aufgelaufenen Zinsen bezahlen. Die Schulden haben zur Erholung und zum Wachstum reicher Länder beigetragen, aber die Entwicklung armer Länder behindert. Diese Situation geht einher mit anderen Ursachen für Stagnation und Armut. Die G 8Länder (Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Russland, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika) fordern den Süden weiterhin auf, sich für den freien Handel zu öffnen. Sie tun das, obwohl sie im eigenen Land ihre Industrie- und Agrarsektoren massiv subventionieren. Wie können afrikanische Bauern mit reichen Bauern im Norden konkurrieren, die von der Regierung unterstützt werden und so in der Lage sind, ihre Erzeugnisse unter Preis zu verkaufen? Es gibt aber auch lokale Ursachen für das wachsende Ungleichgewicht in Weltentwicklung und -armut. In der Vergangenheit wurden Gelder, die durch Hilfe und Darlehen zur Verfügung gestellt wurden, oft durch korrupte Beamte abgeschöpft, für Fehlinvestitionen missbraucht oder anderen Zwecken zugeführt, nicht aber denen, für die sie vorgesehen waren. Korruption bei unseren Regierungsbeamten und der Mangel an guter Regierungsführung sind ebenso verantwortlich für die heutige Armut wie externe Ursachen. Wir dürfen nicht das Übel der Auslandsverschuldung anprangern, ohne unsere Verantwortung für die wachsende Armut bei uns zu übernehmen. Gott spricht zu uns 7 Bei unserem Versuch, das Problem des Schuldenerlasses zu verstehen und in seinem rechten Licht darzustellen, müssen wir uns dem Wort Gottes zuwenden. Wir möchten die Aufmerksamkeit aller auf das Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus richten, das man im Lukas-Evangelium (16,19-31) findet. Den reichen Mann kann man leicht als stellvertretend für den Norden ansehen, den armen Lazarus für den unterentwickelten Süden. Der reiche Mann ignoriert dessen Elend. Weil er sich so verhielt, wurde sein Name nicht übermittelt, während alle den Namen des armen Mannes kennen: Lazarus. Die Situation anderer Menschen zu ignorieren, oder schlimmer noch, sich nicht darum zu kümmern, was unser Handeln möglicherweise im Leben anderer Menschen verursacht, führt zu einem Verlust echter menschlicher Identität: An unsere Namen wird man sich nicht erinnern. Die Anstrengungen um einen Erlass der Schulden, die man bis jetzt unternommen hat, könnten mit den Essensresten vergleichen werden, die sich Lazarus vom Tisch des reichen Mannes erhoffte: Es sind trügerische Versprechungen ohne echte Substanz. Lazarus starb trotzdem an Hunger und Krankheit! Außerdem entspricht das Essen von Speiseresten, die von einem Tisch fallen, nicht der Würde der Menschen: Es mag für Tiere angebracht sein! Wenn man anderen irgendwelche Reste gibt und nicht das, was ihnen zusteht, bedeutet das im Grunde, sie unmenschlich, nicht als Menschen zu behandeln! Das Wort Gottes spricht häufig von Schulden und von Schuldenerlass. Im Buch Levitikus fordert Gott die Menschen auf, alle fünfzig Jahre alle Schulden zu erlassen. Es ist das Jubeljahr des Herrn (vgl. Lev 25,1-22; Dt 15,1-2). Selbst wenn man eine zusätzliche Sicherheit verlangt, darf man die Armen nicht unterdrücken. „Man darf nicht die Handmühle oder den oberen Mühlstein als Pfand nehmen; denn dann nimmt man das Leben selbst als Pfand“ (Dt 24,6). Als Verantwortliche für die Lehraufgabe in der Kirche haben wir die Pflicht, allen zum Bewusstsein zu bringen, dass die Zeit, 8 um an Gerechtigkeits- und Gleichheitsfragen zu arbeiten, gerade jetzt ist, in diesem Leben. In der Fülle des Reiches Gottes werden die Rollen der Macht vertauscht sein: Die Unterdrückten werden sich freuen und die Unterdrücker werden leiden. Weit davon entfernt, eine Aufforderung zu passiver Hinnahme des Status’ quo zu sein, erinnern diese Bemerkungen daran, dass es zu spät sein wird, wenn man alle Wiedergutmachung auf die Zukunft verschiebt. Jetzt ist die richtige Zeit. Die Heilige Schrift und die christliche Lebensweise sind so klar, dass alle Gläubigen in der Lage sein sollten, sich daran zu halten. Jene, die sich anders entscheiden, sind von der Gemeinschaft und der Freude aller Kinder Gottes ausgeschlossen: auch nicht etwas Außergewöhnliches würde sie zur Vernunft bringen Wie einige andere Gleichnisse, ist das vom reichen Mann und von Lazarus nicht zu Ende: Was am Ende geschehen wird, welchen Standpunkt man vertreten wird, hängt vom Einzelnen ab. Die Augen aufzumachen für die Not des Armen ist allen Generationen möglich und das gilt auch für die heutige. Die Aufforderung, die wir an alle richten, ist klar: Wir wollen lernen zuzuhören und hinzuschauen! In dieser Situation würden wir gern die Worte des Heiligen Vaters in seinem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Ecclesia in Africa wiedergeben. Die Rolle der Kirche bei diesem besonderen Problem ist die des barmherzigen Samariters, nicht nur für die Völker und Nationen Afrikas (Ecclesia in Africa), sondern auch für jene, die zum wohlhabenden Norden gehören. Gewarnt zu sein im Hinblick auf die Weigerung, ungerechte Schulden zu erlassen, bedeutet, eine Chance zu erhalten, nicht wie der reiche Mann aus dem Gleichnis zu enden, der seine Augen zu spät öffnete. Gleichzeitig sind wir davon überzeugt und möchten es noch einmal sagen, dass Gottes Barmherzigkeit allen gilt, da er unsere Namen in seine Handflächen geschrieben hat (vgl. Jes 49,15-16; Ecclesia in Africa, Nr. 143). Als Kinder Gottes sind wir alle miteinander aufgefordert, die Probleme dieser Erde zu lösen, ohne einen Unterschied zu machen zwischen Arm und Reich, sondern uns zu vergewissern, dass alle miteinander in dieselbe Richtung gehen. Kenia: Ringen um einen Wandel Es ist unsere Verantwortung als Oberhirten, uns klarzumachen, dass die Auslandsverschuldung schlecht ist, und unserer Herde zu helfen, das zu verstehen. Wie auch immer die kenianische Verschuldung vertraglich festgelegt wurde, heute ist sie die Ursache von Unterdrückung, von Armut, ja wir wagen es, von neo-moderner Sklaverei zu sprechen. Kenia erhielt eine 9 Gesamtsumme von 17 Milliarden US-Dollar an Darlehen und Hilfe; das sind 1,275 Milliarden Schillinge oder durchschnittlich 40.000 Kenia-Schillinge pro Staatsbürger. Trotz dieser gigantischen Geldmenge hat Kenia einen fortschreitenden Verfall seiner Wirtschaft erlebt. Heute lebt die große Mehrheit von Kenianern unter der Armutsgrenze, während eine kleine Minderheit einen Lebensstil genießt, der höher ist als der in entwickelten Ländern (5). Der Schuldendienst behindert unseren Kampf um Entwicklung und soziale Gerechtigkeit. Wir sollten uns daran erinnern, dass die offizielle Armutsgrenze bei einem täglichen Verdienst von weniger als 1 USDollar pro Person angesetzt ist (6). Wir alle wissen, dass dieses Limit an sich eine Farce ist. Man kann nicht erwarten, dass jemand mit weniger als 80 (Kenia-)Schillingen pro Tag auskommt, besonders in unseren städtischen Gebieten, wo die Lebenshaltungskosten nicht niedriger sind als die so vieler europäischer Länder. Die Menschen nach den Lohnstrukturen zu bezahlen, die für die meisten unserer Arbeiter gelten, kommt einer Ausbeutung ihrer Arbeit unter dem Schutz der Legalität gleich. Wir sollten auch hervorheben, dass ein großer Teil der Hilfe, die wir von Geberländern erhalten, keine Spende für die Entwicklung ist. Häufig ist sie ein Darlehen, das zurückgezahlt werden muss und noch zu dem bereits riesigen Schuldenberg hinzukommt, den unser Land gegenüber den reichen Nationen des Nordens angehäuft hat. In seiner Botschaft zum Weltfriedenstag 2005 sagte uns Seine Heiligkeit Johannes Paul II.: „Das Drama der Armut erscheint noch immer eng verknüpft mit dem Problem der Auslandsverschuldung der armen Länder. … Die armen Länder bleiben in einem Teufelskreis gefangen: Die niedrigen Einkünfte und das langsame Wachstum schränken die Vermögensbildung ein, ihrerseits sind wiederum die schwachen Investitionen und die unwirksame Verwendung des Ersparten dem Wachstum nicht förderlich“ (Weltfriedenstag 2005, Nr. 8). „Das wird besonders offenkundig, wenn man an die vielen und heiklen Probleme herangeht, die der Entwicklung des afrikanischen Kontinents im Wege stehen: Man denke an die unzähligen bewaffneten Konflikte, an die pandemischen Krankheiten, deren Gefährlichkeit durch die elenden Lebensverhältnisse noch erhöht wird, an die politische Instabilität, die mit der weit verbreiteten sozialen Unsicherheit einhergeht. Das sind dramatische Wirklichkeiten, die auf einen radikal neuen Weg für Afrika hindrängen: Es müssen neue Formen der Solidarität auf bilateraler und multilateraler Ebene entstehen durch einen entschlosseneren Einsatz aller und im vollen Bewusstsein, dass das Wohl der afrikanischen Völker eine unverzichtbare Voraussetzung für die Erreichung des universalen Gemeinwohls darstellt“ (Weltfriedenstag 2005, Nr. 10). 10 Ist es gerechtfertigt, einen Schuldenerlass zu fordern? Schulden werden zu einem ethischen Problem, wenn sie ein Haupthindernis für den vollen Genuss der Menschenrechte darstellen. Insofern als der Schuldendienst die Menschen zur Armut degradiert, während ihre Gläubiger Kenias politisches, wirtschaftliches und soziales Schicksal bestimmen, ist die Verschuldung im Wesentlichen ein Menschenrechtsproblem und für einen Christen ein moralisches Anliegen. Wir müssen uns fragen: Warum sollten die Armen in unserem Land, die sich nicht äußern können zu einer Ansammlung von Schulden und wenig oder gar keinen Nutzen daraus gezogen haben, die Hauptlast ihrer Bezahlung zu tragen haben? Kenias riesiger Schuldenberg ist nach unserer Ansicht nicht vertretbar, insofern als das Land nicht genügend Mittel hat, um seinen Menschenrechtsverpflichtungen nachzukommen, besonders in Zusammenhang mit den Millenniumszielen für die Entwicklung. Wir weisen das engstirnige Kriterium zurück, das in der Analyse des Internationalen Währungsfonds zur Schuldentragfähigkeit gebraucht wird. Dieser Ansatz vergleicht nur die Auslandsschulden mit dem Export und scheint keine Inlandsschulden als Teil des finanziellen Dilemmas eines Landes einzuschließen. Doch Kenias Inlandsverschuldung ist beträchtlich. Sie macht 45 Prozent der gesamten noch ausstehenden Schulden des Landes aus und ist mit den Auslandsschulden verknüpft: Wir interpretieren das als den Versuch unserer Regierung, das Defizit in ihrer Zahlungsbilanz zu verbergen, das vom Auslandsschuldendienst verursacht wird (7). Eine schlechte Verwaltung der Ressourcen und besonders jener, die mit der Staatsverschuldung zusammenhängen, ging einher mit einer chronischen Korruption in unserem Land (8). 1999 analysierten wir, was wir dann „das Paradox unseres nicht erfüllten wirtschaftlichen Potentials“ nannten (Hirtenbrief der Bischöfe „Die wirtschaftliche Situation Kenias“ vom 8. Juni 1999) (9). Wir fordern unsere Regierungen weiterhin beharrlich auf, demokratische Strukturen und gerechte politische Grundsätze zu schaffen, um sich mit Hunger, Löhnen, Arbeitsbedingungen, Ausbeutung, Konflikten und Unsicherheit auseinander zu setzen. Wir erinnern unsere politischen Führer insbesondere daran, dass die Verweigerung einer neuen Verfassung für die Kenianer indirekt darauf hinausläuft, ihren Mitbürgern ihr Recht auf Leben vorzuenthalten. Soweit Kenias Verschuldung betroffen ist, könnten schätzungsweise 90 Prozent aller Posten, die in den Absicherungsbeständen der Staatsverschuldung illegitim, verabscheuungswürdig und betrügerisch 11 sein (Obonyo, R.O., 2005, The Cripping Debt Burden, Research on Kenya’s Current Debt Situation, Paper von Prof. Obonyo, Universität Nairobi, an das Kenianische SchuldenhilfeNetzwerk KENDREN, unveröffentlicht. Wenn sie verabscheuungswürdig sind, dann ist ein Land nach internationalem Recht nicht verpflichtet, die Schulden zu bezahlen). Wenn das zutrifft, dann ist Kenia nach internationalem Recht nicht verpflichtet, diese Art von Schulden zu bezahlen. Gleichzeitig weisen wir die Meinung zurück, dass die schlechte Wirtschaft einzig und allein das Ergebnis einer schlechten Regierungsführung und des „rent-seeking“ (10 ) ist. Auch wenn alle Kenianer fleißige Menschen wären und friedlich zusammenleben und von rechtschaffenen Führern regiert würden, wären sie immer noch arm aufgrund der Zahlungen für den Schuldendienst. Wir glauben Herrn David Mwiraria, dem Finanzminister, als er in seiner Haushaltsrede 2003/2004 erklärte, dass der Schuldendienst weiterhin wesentliche Ausgaben aus dem Budget herausquetschte. Der Schuldendienst war Kenias einziger und größter Posten im Haushalt 2003/2004, der sich auf 32 Prozent des Gesamthaushalts belief - mehr als das Land für Bildung und Gesundheit zusammen ausgibt (11). Diese Art von Verschuldung ist eine Sache austeilender oder ausgleichender Gerechtigkeit (12): Ein rechtlich durchsetzbarer Vertrag ist nicht unbedingt ein moralisch gerechtfertigter. Um gerechtfertigt zu sein, muss eine Vereinbarung auch sozialen Zusammenhalt, eine friedliche Koexistenz zwischen Nationen und ihre allgemeine Entwicklung sicherstellen (vgl. Päpstlicher Rat „Cor Unum“, 1999, Welthunger, eine Herausforderung an alle: Entwicklung und Solidarität, Nr. 26). Während Sparmaßnahmen, die auf den Schuldendienst ausgerichtet sind, unseren Armen die schwersten menschlichen Kosten aufbürdeten, und es nicht schafften, Kenia in ein Paradies zu verwandeln, haben Banken in Hochlohnländern ihre ausstehenden Darlehen für die Dritte Welt einbrechen sehen. Der Internationale Währungsfonds leistete ihnen gute Dienste. Diese Banken haben zudem ausreichende Maßnahmen ergriffen, um Verluste aufzufangen, die vielleicht von der Säumigkeit eines einzelnen Großschuldners herrühren. Hier sagen wir, dass die Last der Schuldenkrise von allen geteilt werden muss. Handelsbanken, obwohl sie nicht Kenias Hauptgläubiger sind, darf man nicht länger erlauben, ihre Verluste auf die Steuerzahler in Kenia abzuwälzen. Es ist bereits sichtbarer Schaden angerichtet worden. Zusammen mit allen Bischöfen Afrikas und Madagaskars sehen wir einen klaren Zusammenhang zwischen der Pandemie HIV/Aids und der Armut (Symposium der Bischofskonferenz von Afrika und Madagaskar/SECAM, 2003, Die 12 Kirche in Afrika angesichts der Pandemie HIV/Aids. „Unser Gebet ist stets voller Hoffnung“, Botschaft des SECAM, 7. Oktober 2003, Dakar) (13). Es ist auch kein Zufall, wenn der Heilige Vater am Weltfriedenstag über die Verschuldung Afrikas spricht. Selbstverständlich muss dieser Teufelskreis von Verschuldung, Armut, Krankheit und Konflikten in Afrika durchbrochen werden. Wir begrüßen die Bereitschaft der Internationalen Finanzinstitutionen und einiger G 8Länder, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Afrika die Schulden, die das internationale Gemeinwohl untergraben, zu erlassen. Andererseits erkennen wir, dass ein Schuldenerlass an sich nicht die historischen/faktoriellen/strukturellen Ungleichheiten zwischen den Nationen der Welt verändern wird. Das Ergebnis eines sportlichen Wettkampfs zwischen einem Weltmeister und einem Anfänger ist vorhersagbar, auch wenn die Spielregeln fair sind und gleichermaßen eingehalten werden. Der Misserfolg, eine internationale soziale Gerechtigkeit zuwege zu bringen, ist nicht nur ein technischer oder politischer Fehler, es ist ein Versagen der Solidarität (vgl. Johannes Paul II., Sollicitudo Rei Socialis, Washington, D.C.: Katholische Konferenz der Vereinigten Staaten, 1986, Nr. 23). Darüber hinaus sollten Mechanismen geschaffen werden, um die Ausgaben unserer Führung zu kontrollieren und Verantwortlichkeit und Transparenz zu fördern. Wir werden uns auch um eine klare Vorstellung von der Entwicklung in unserem Land bemühen müssen. Was wir uns wünschen Wir erwarten, dass die Regierungen der Gläubigerländer den völligen Erlass von Kenias Schulden durchführen, eine restriktive Geldpolitik lockern und Importe aus den Entwicklungsländern fördern; bei der Verfolgung makroökonomischer Strategien sollten sie daran denken, dass die Fähigkeit, Schulden zurückzuzahlen und privates Investitionskapital anzulocken, vom Niveau globaler und inländischer Zinssätze mitbestimmt wird. Wir erinnern die Industrieländer an ihr Versprechen, 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts für die offizielle Entwicklungshilfe auszugeben. Wir erwarten, dass die internationalen Finanzinstitutionen für eine ausreichende Liquidität und für politische Flexibilität sorgen, damit Kenia die notwendigen Anpassungen durchführen kann, ohne weiterhin Wachstum und Gerechtigkeit zu opfern. 13 Wir erwarten, dass die Handelsbanken in den Hochlohnländern nach Prinzipien handeln, die die fundamentalen Menschenrechte in den am geringsten entwickelten Ländern schützen. Wir erwarten, dass nationale und internationale Banken die Armen begünstigen und bei ihren Geschäftsabschlüssen für die Entwicklung eintreten und nicht nur gewinnorientiert arbeiten. Wir ermutigen die Regierung von Kenia, mit interessierten Gruppen gemeinsam auf den Erlass ihrer Auslandsschulden hinzuarbeiten. Wir erwarten von der Regierung eine gute Führung und dass sie sich darum bemüht, dem Ansehen unserer Nation in der Welt Transparenz, Verantwortlichkeit und echte Sorge für die Armen zugrunde zu legen; ein „Mangel an Leistungsfähigkeit“ darf keine Ausrede für die Regierung sein, andere das Schicksal unserer Nation bestimmen zu lassen. Wir bitten die Regierung zu tun, was immer möglich ist, um die Inlandsverschuldung drastisch zu senken. Wir fordern das Volk von Kenia auf, für eine ordentliche Kontrolle zu sorgen und eine transparente Verwendung von Entwicklungsgeldern zu erleichtern. Wir fordern, dass all jene Menschen, vor allem die Bürger von Kenia, die einige Regierungsgelder abgezogen haben und sie nun auf privaten Konten im Ausland versteckt halten, diese zurückzahlen und sich bei der Nation entschuldigen. Wir bitten alle Menschen guten Willens, mitzuhelfen bei der Neuordnung des gesamten internationalen Handels- und Finanzsystems. Wir bitten sie vor allem, bei der Schaffung eines fairen und transparenten Rahmens für Schlichtungsverfahren mitzuhelfen. Wenn wir alles Menschenmögliche getan haben, müssen wir uns vertrauensvoll an unseren Herrn und Erlöser wenden und ihn bitten, dass er Kenia und seine Menschen segne. Unterzeichnet von allen katholischen Bischöfen Kenias 14 Cornelius Arap Korir Bischof von Eldoret, Vorsitzender der Kenianischen Bischofskonferenz Peter Kairo Bischof von Nakuru, Zweiter Vorsitzender der Kenianischen Bischofskonferenz R.S Ndingi Mwana’a Nzeki Erzbischof von Nairobi John Njenga Erzbischof von Mombasa Zacchaes Okoth Erzbischof von Kisumu Nicodemus Kirima Erzbischof von Nyeri John Njue Erzbischofs-Koadjutor von Nyeri Philip Sulumeti Bischof von Kakamega Ambrose Ravasi Bischof von Marsabit Paul Darmanin Bischof von Garissa Joseph Mairura Okemw Bischof von Kisii Boniface Lele Bischof von Kitui Philip Anyolo Bischof von Homa Bay Luigi Locati (14) Bischof des Vikariats Isiolo Alfred Rotich Militärbischof Maurice Crowley Bischof von Kitale 15 Norman King'oo Wambua Bischof von Bungoma Peter Kihara Kariuki IMC Bischof von Murang'a David Kamau Ng'ang'a Weihbischof von Nairobi Anthony Mukobo IMC Weihbischof von Nairobi Patrick Harrington Bischof von Lodwar Francis Baldacchin Bischof von Malindi Virgilio Pante IMC Bischof von Maralal Salesius Mugambi Bischof von Meru Cornelius Schilder Bischof von Ngong Luigi Paiaro Bischof von Nyahururu Emmanuel Okombo Bischof von Kericho Martin Kivuva Musonde Bischof von Machakos Anthony Muheria Bischof von Embu 17. Mai 2005 Quelle: CISA Nr.429 vom 17.05.05 Übersetzung aus dem Englischen Anmerkungen der Redaktion: 16 (1) Die Staats- und Regierungschefs des G-8-Gipfels trafen sich von 06. bis 08.07.2005 im Golfhotel Gleneagles 70 Kilometer von der schottischen Hauptstadt Edinburgh entfernt. (2) 14.-16.06.2005; UNO-Konferenz zur Weiterverfolgung der Ergebnisse des MillenniumsGipfels (06.-08.09.2000). (3) Die Auslandsverschuldung Kenias beträgt 6,03 Milliarden US-Dolllar (Stand 2002). Das entspricht der Hälfte des Bruttoinlandsprodukts (BDI), das bei 12,3 Milliarden US-Dollar liegt. Um das Gesamtbild der Schuldenlast zu haben, müssen auch inländische Bankenkredite berücksichtigt werden, die 43,2 Prozent des BDI betragen. Dieser Anteil entspricht etwa dem Betrag von 5,3 Milliarden US-Dollar. Zusammengerechnet liegt die Gesamtverschuldung Kenias bei 93 Prozent des Bruttoinlandprodukts. (4) Der Schuldendienst Kenias beansprucht 3,7 Prozent des BIP. (5) Die reichsten 30 Prozent der Bevölkerung verbrauchen 87 Prozent der Konsumgüter, während der Anteil am Konsumgüterverbrauch der ärmsten 30 Prozent der Bevölkerung bei 7 Prozent liegt. (6) Nach Angaben der Weltbank leben in Kenia 23 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze von 1 US-Dollar pro Tag. 58,6 Prozent der Bevölkerung müssen mit weniger als 2 U-Dollar pro Tag auskommen. (7) s. (3) (8) Kenia gehört zu den Ländern mit den höchsten Staatsausgaben, die bei 19 Prozent des BIP liegen und zum großen Teil durch den verbürokratisierten und korrupten Staatsapparat verursacht werden. (9) S. WELTKIRCHE Nr. 6 (1999), S.173-181. (10) In der Volkswirtschaftslehre wird nach Adam Smith unter „rent-seeking“ das Erkämpfen von Monopolstellungen unter Verwendung von Ressourcen, welche dazu aus gesellschaftlicher Sicht verschwendet werden, verstanden (Quelle: wikipedia). Es handelt sich dabei um ein individuelle ökonomische Vorteile versprechendes Handeln, dessen Kosten aber die Allgemeinheit trägt. (11) Für den Bildungs- und Gesundheitssektor gibt die Regierung entsprechend 6,2 bzw. 1,7 Prozent des BIP aus. (12) Aristotelische Unterscheidung zwischen distributiver Gerechtigkeit und kommutativer Gerechtigkeit. Distributive Gerechtigkeit (Austeilende Gerechtigkeit): Gerechtigkeit nach dem Prinzip „Jedem das Seine“: Sie bedeutet verhältnismäßige Gleichheit in der Behandlung mehrerer Personen bei der Zuteilung sozialer Vorteile und Ehren. In der Antike implizierte das eine stark naturalisierende Sichtweise, die soziale Stellung und individuelle Eigenschaften als naturgegeben deutete (z.B. Sklaven müssen von der Natur aus dienen, sie dienen, weil sie nicht herrschen können, weil ihre intellektuellen Fähigkeiten beschränkt sind, während reiche Bürger, gerade weil sie nicht arbeiten müssen, herrschen können und die vollen menschlichen Fähigkeiten ausbilden 17 können usw.). In der Moderne wird distributive Gerechtigkeit meist umgekehrt gedeutet, als redistributive Gerechtigkeit, als Auftrag zur Umverteilung. Progressive, prozentuale Beitragssysteme (Steuer gleichermaßen wie Sozialversicherungsbeiträge) können unter diesem Licht gesehen werden: Jede(r) gibt, was er/sie geben kann und prozentual berechnete Beiträge sind gerechter als fixe Beitragsätze, die für alle gleich sind. Kommutative Gerechtigkeit (Iustititia directiva): Sie ist die Gerechtigkeit unter von Natur Ungleichen, aber vordemGesetz Gleichen. Sie bezieht sich auf rechtliche Ansprüche, z.B. innerhalb eines Vertragsverhältnisses oder dem Gesetz nach und drückt sich als Strafe, Wiedergutmachung, Entschädigung usw. aus. (13) s. WELTKIRCHE Nr. 9 (2003), S.207-210 (14) Bischof Luigi Locati ist am 14.07.2005 in Folge eines Mordanschlags gestorben. Afrika wird durch Aids nicht untergehen Im Anschluss an die Vollversammlung der Vereinigung Ostafrikanischer Bischofskonferenzen AMECEA, die sich mit der bedrohlichen Ausbreitung von Aids befasste, veröffentlichten die Bischöfe eine optimistische Botschaft über die Antwort der Kirche auf die Herausforderungen der Pandemie. Darin rufen sie kirchliche und staatliche Einrichtungen zur Intensivierung, Differenzierung und Vernetzung ihrer Anstrengungen auf. Basierend auf dem Prinzip der Barmherzigkeit sind kirchliche Einrichtungen und Initiativen in der Lage, beide Wege der Bekämpfung von Aids-Pandemie erfolgreich zu beschreiten: den Weg der Fürsorge und den der Vorsorge. Im Bewusstsein der Kontroverse, die die Benutzung von Kondomen als Methode der Prophylaxe ausgelöst hat, lehnen die Bischöfe „eine weltliche Mentalität, die gern alle Arten von Problemen lösen möchte“ ab. Eine einfache Lösung für eine so komplexe Erkrankung gibt es nicht. Den besten Schutz für nicht infizierte Menschen bieten immer noch sexuelle Abstinenz und Treue. In den acht ostafrikanischen Ländern, Mitgliedern von AMECEA, leben 38,1 Millionen Katholiken. Das ist etwas mehr als ein Viertel (26,5 Prozent) aller Katholiken Afrikas. Die Zahl der Einwohner, die bei 223,5 Millionen liegt, macht 26,3 Prozent der Einwohner Afrikas aus. Die Zahl der in der Region lebenden Aids-Infizierten wird auf 7,11 Millionen geschätzt und liegt damit bei 28 Prozent der Menschen mit Aids in Afrika südlich der Sahara. * * * 18 Aufgerufen, ein barmherziger Samariter zu sein (vgl. Lk 10,30-37) Antwort auf die Herausforderung von HIV/Aids in AMECEA-Ländern Botschaft der 15. AMECEA-Vollversammlung (Mukono, Lugazi, 01.-11.06.05) 1. Einleitung „An alle, die von Gott geliebt sind“ in den AMECEA-Ländern (Eritrea, Äthiopien, Malawi, Kenia, Tansania, Sudan, Uganda, Sambia und die angeschlossenen Mitglieder Somalia und Dschibuti), „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Röm 1,7-8). Wir, die katholischen Bischöfe der AMECEA, haben im Hinblick auf die pastoralen Herausforderungen von HIV und Aids in unserer Region zugehört, Neues erfahren, nachgedacht und gebetet und teilen nun durch diese Botschaft unsere Sorgen und Gedanken mit euch. Wir fordern die Priester, die Ordensleute, die gläubigen Laien, Regierungen und Nichtregierungsorganisationen in Afrika und darüber hinaus sowie alle Menschen guten Willens auf, sich zusammenzutun und sich Seite an Seite mit uns darum zu bemühen, die Seuche zu stoppen, die die Völker unserer Regionen verheert. Wir bitten jeden Christen und jeden Menschen guten Willens, sich an diesem Kampf zu beteiligen und der Aufforderung Christi zu folgen, für jeden, der in Not ist, leidet oder Kummer hat, ein barmherziger Samariter zu sein, besonders für jene, die mit HIV/Aids leben. 2. Würdigung Nach unseren Besuchen bei vielen Institutionen und Gemeinschaften, die sich in Uganda und in unseren jeweiligen Ländern mit HIV/Aids beschäftigen, und nachdem wir uns mit ihnen ausgetauscht haben, würdigen wir die beeindruckenden Bemühungen von Bischofskonferenzen, Diözesen, Pfarreien, Orden und Gläubigen, die großzügig, oft unter schwierigen Umständen, auf die Herausforderung von HIV/Aids reagiert haben. Mit den Worten des verstorbenen Papstes Johannes Pauls II. erinnern wir „voll Bewunderung an die vielen im Gesundheitswesen tätigen Personen, die Ordensleute und die freiwilligen Helfer, die als gute Samariter das Leben an der Seite der Opfer von Aids verbringen und sich um deren Angehörige kümmern. Wertvoll ist in diesem Zusammenhang der Dienst, den Tausende katholischer Gesundheitseinrichtungen leisten, wenn sie in Afrika den Menschen zu helfen versuchen, die von allen möglichen Krankheiten, besonders von Aids, Malaria und Tuberkulose, befallen sind. (Botschaft von Johannes Paul II. zum 13. Welttag der Kranken, 2005, Nr. 4). • Wir würdigen auch die großen Anstrengungen von Regierungen und anderen Institutionen, die sowohl zu Abstinenz und Treue als auch zur Betreuung von Menschen anregen, die mit HIV/Aids leben, und dabei ermutigende Ergebnisse aufzuweisen haben. • Ganz besonders würdigen wir die vielen Familien und Gemeinschaften, die eine ganzheitliche Versorgung ihrer kranken Mitglieder leisten und die das noch mit so viel Liebe und unter großen Opfern tun. Wir danken auch den Familien, die sich um Waisen, verwitwete Frauen 19 und Männer kümmern, und zwar auf eine von Herzen kommende und wahrhaft christliche Weise. Wir ermutigen alle Familien und Gemeinschaften, diesen guten Beispielen nachzueifern. „Ich war krank, und ihr habt mich besucht“ (Mt 25,36). • Wir loben die Bemühungen aller ärztlichen Mitarbeiter in der Region, die Menschen mit HIV/Aids behandeln und pflegen, und aller Berater, die den Kranken Hoffnung geben ebenso wie jener, die sowohl in der modernen als auch in der traditionellen Medizin forschen, die bei der Suche nach einem Heilmittel ihr Bestes geben. • Wir würdigen die Mitarbeit vieler pflichtbewusster Eltern, Lehrer und religiöser Führer, denen es ein Anliegen ist, Kinder, Jugendliche und Gemeinschaften zu gutem moralischen Verhalten anzuhalten, das in hohem Maße dazu beiträgt, der Ausbreitung von HIV/Aids vorzubeugen. 3. Realität und Sorgen Wir sind höchst beunruhigt über das Ausmaß der Pandemie HIV/Aids, deren Ursprung, Ursachen, Ausbreitung und Konsequenzen. Wir sind uns klar geworden über die vielen Faktoren, die die Ausbreitung von HIV/Aids in ganz Afrika verstärkt haben. Zu diesen gehören: bittere Armut, Habgier und Korruption, Ignoranz und Analphabetismus, hohe Arbeitslosigkeit, Krieg, Flüchtlinge und landesintern Vertriebene, geschlechtsspezifisches Ungleichgewicht, Unmoral, Missachtung der Rechte von Kindern und negative traditionelle, kulturelle Gewohnheiten. Alle diese Faktoren haben die Ausbreitung von HIV/Aids verstärkt und damit zu Vorurteil, Diskriminierung und Stigmatisierung geführt. Die Konsequenzen sind weit reichend und sichtbar in städtischen Gebieten und auf dem Land; man sieht das an unsäglichem Leid, sich verstärkendem Elend, vielen Todesfällen, die zu zahllosen Waisen, verwitweten Frauen und Männern geführt haben. Wir fordern das Volk Gottes auf, den Auftrag Christi zu übernehmen, das Leben umfassend zu schützen. „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). 4. Ganzheitliche Betreuung Die Kirche in ihrer Evangelisierungsaufgabe ist aufgerufen worden, den Forderungen des Evangeliums zu folgen und den Menschen, die mit HIV/Aids leben, pastorale Fürsorge anzubieten. Doch wir sehen, wie notwendig im Kontext des ungeheuren Leidens unserer Menschen eine ganzheitliche Betreuung ist. Eine ganzheitliche Betreuung bezeichnet eine vollständige und integrierte Antwort auf die Bedürfnisse eines Menschen, die spiritueller, physischer, psychischer, sozialer und materieller Art sind. Diese Betreuung muss man sowohl den Kranken in unseren Gemeinschaften als auch denen in Krankenhäusern angedeihen lassen, einschließlich der Mitarbeiter in der Pastoral, die mit HIV/Aids leben. 5. Solidarität mit Menschen, die mit HIV/Aids leben Wir bitten alle Christen und Menschen guten Willens, die volle Würde und gleichen Rechte für alle Menschen, die mit HIV/Aids leben, zu respektieren. Wir fordern die Regierungen beim Umgang mit Menschen, die von HIV/Aids betroffen sind, dazu auf, auch eine AkzeptanzKampagne durchzuführen und Strategien zur Stärkung und Befähigung zu finden. Wir bitten die 20 katholischen Gläubigen, im Hinblick auf die Achtung der Menschenrechte von Menschen, die mit HIV/Aids leben, als nachahmenswerte Vorbilder zu dienen und ihnen eine besondere Fürsorge angedeihen zu lassen. Wie Christus selbst sich mit den Leidenden identifizierte, sind nun wir Christen aufgerufen, angesichts dieser großen Bedrohung von HIV/Aids uns mit den Schwachen und Leidenden zu identifizieren. Liebevolle und fürsorgliche Solidarität wird alle Formen der Stigmatisierung beseitigen (vgl. Lk 17,11-19). In Anbetracht der Tatsache, dass ein Mensch nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen wurde (vgl. Gen 1,27), haben alle Menschen eine Würde, die durch Leiden oder Krankheit nicht geschmälert wird. Deshalb müssen alle Aspekte der Gerechtigkeit soziale, kulturelle, politische, gesetzliche oder wirtschaftliche ohne Diskriminierung auch für all jene Menschen gelten, die von HIV/Aids betroffen oder damit infiziert sind. 6. Die Medien Wir erkennen und anerkennen, dass staatliche und private Medienunternehmen wichtige Partner im Kampf gegen HIV/Aids sind. Die Kirche, die Regierung und private Medien sollten wohl überlegte Schritte unternehmen, um die Medien in diesem Kampf kreativ einzusetzen. Wir rufen katholische Rundfunkanstalten und Medienunternehmen auf, innovative Wege zu suchen, um die Menschen im Hinblick auf HIV/Aids zu informieren und zu sensibilisieren, um Beratung und gute Familienwerte zu fördern und um ein positives Verständnis für menschliche Sexualität und Keuschheit zu verstärken. 7. Nahrungsmittel und Früchte Gott, der Schöpfer, hat unserer AMECEA-Region reichlich gesunde und natürliche Nahrungsmittel und Früchte geschenkt. Wir rufen unsere Regierungen in der Region auf, eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern, um einheimisches Saatgut, den Boden und die Umwelt zu entwickeln, zu schützen und zu erhalten. Als eine Region, die stark von HIV/Aids betroffen und heimgesucht ist, wiederholen wir unsere Verpflichtung, die Versorgung mit gesunden und natürlichen Nahrungsmitteln und Früchten zu einer Priorität für alle unsere Menschen zu machen, besonders für jene, die mit HIV/Aids leben. Wir verurteilen die Förderung genetisch veränderter Nahrungsmittel und fordern unsere Regierungen auf, eine Politik zu verfolgen, die unsere natürlichen Nahrungsmittel und die Umwelt schützt. 21 8. Ehepaare mit besonderen Problemen Als Oberhirten der katholischen Kirche in der AMECEA-Region haben wir den Rufen unserer Menschen, die mit HIV/Aids leben, aufmerksam zugehört, und sie haben viele Fragen. Aber wir wollen ehrlich sein, es gibt keine einfachen Antworten und nicht, weil wir sie nicht geben wollen, sondern weil sie einfach nicht da sind. Wir wollen nicht in die Falle tappen, uns schuldig oder herabgesetzt oder herausgefordert zu fühlen von einer weltlichen Mentalität, die gern alle Arten von Problemen lösen möchte. Wenn wir mit einer Situation wie dieser konfrontiert sind, dann wollen wir uns an Christus wenden und ihn nachahmen, indem wir Menschen helfen, einen Sinn für ihr Leiden zu finden. Die Menschen selbst werden dann lernen, aufzustehen und uns alle zu lehren, was es bedeutet, „geheilt zu werden“. Wir versprechen, unsere Anstrengungen in der Eheberatung zu verdoppeln. Wir bitten alle Mitarbeiter in der Pastoral, den Ehepaaren, die besondere Probleme haben, nahe zu sein. „Einer trage des anderen Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“ (Gal 6,2). 9. Integrierte Sexualität Die Sexualität ist ein kostbares Geschenk von Gott, unserem Schöpfer, an jeden Mann und jede Frau. Wir sind deshalb aufgerufen, sie entsprechend dem Gebot Gottes und der Lehre der Kirche zu ehren, zu achten und zu leben. • Wir appellieren an Eltern, Lehrer und Mitarbeiter in der Pastoral, alles in ihrer Macht und Fähigkeit Stehende zu tun, um Kinder, Jugendliche und Personen, die sich auf die Ehe vorbereiten, über ihre menschliche Sexualität zu unterrichten, damit sie gesunde Werte und Tugenden erwerben, um die Keuschheit hochzuhalten und jeglichen vorehelichen Geschlechtsverkehr zu meiden. • Wir fordern alle Pastoralarbeiter auf, Ehepaare zu begleiten, damit sie gläubig ihre eheliche Berufung leben können. • Wir verurteilen alle negativen und unmoralischen sexuellen Gepflogenheiten in unserer Region. 10. Anwaltschaft Als Kirchenführer sind wir verpflichtet, noch vor unseren Regierungen, allen Gesellschaftsbereichen und der internationalen Gemeinschaft eine wirksame Kampagne der Anwaltschaft für infizierte und von HIV/Aids betroffene Personen durchzuführen, damit Strategien für eine Akzeptanz (affirmative action) aufgestellt und stärkere finanzielle Hilfe und Unterstützung gewährt werden. 11. Nachhaltigkeit von HIV/Aids-Programmen Angesichts der Herausforderungen der Pandemie HIV/Aids, besonders wegen der Bedürfnisse unserer Menschen, die mit dieser schrecklichen Krankheit leben und jener, die von ihren Auswirkungen betroffen sind, anerkennen und würdigen wir, was die örtlichen Gemeinschaften geleistet haben, indem sie bei der Begleitung der Kranken und bei der Betreuung der verwitweten Frauen und Männer und der Waisen in ihrer Mitte (vgl. Mt 25,31-46) für materielle Ressourcen 22 und für ein christliches Zeugnis gesorgt haben. Wir sind davon überzeugt, dass dies der Weg ist zu einer langfristigen und nachhaltigen Antwort auf die Pandemie HIV/Aids. So werden wir zu barmherzigen Samaritern werden (vgl. Lk 10,30-37). Wir sind uns aber dessen bewusst, dass die Kirche in der AMECEA-Region zusätzliche menschliche und finanzielle Ressourcen braucht, um eine umfassende, koordinierte und effektive Antwort auf die Pandemie HIV/Aids unterstützen zu können. Wir drängen die angegliederten Bischofskonferenzen, die strategische Zusammenarbeit mit Regierungen und internationalen Finanzierungsorganisationen zu intensivieren. AMECEA ihrerseits wird Bemühungen durch Lobbyarbeit und Anwaltschaft unterstützen. 12. Ökumenischer und interreligiöser Ansatz Wir sind uns darüber klar, dass wir für eine Auseinandersetzung mit den vielen Aspekten von HIV/Aids uns mit unseren ökumenischen Partnern und den interreligiösen Organisationen und Gemeinschaften, die ähnliche Ziele und Programme zu HIV/Aids haben, zu einem Netzwerk zusammenschließen müssen. Unsere Programme sollten gemeinsam durchgeführt werden, um jenen, die mit HIV/Aids leben, effektiver helfen zu können. Diese Netzwerkarbeit wird uns helfen, eine unnütze Doppelung von Bemühungen zu vermeiden und die erforderlichen menschlichen Ressourcen intensiver zu mobilisieren, um eine wirksamere Antwort auf die HIV/Aids-Pandemie geben zu können. 13. Neue Grundsätze in unserer Kirche Wir verpflichten uns, in unserer Evangelisierung neue Grundsätze zu formulieren, damit die Herausforderung, die HIV/Aids darstellt, bei allen Aktivitäten in den Mittelpunkt gestellt wird und die größte Aufmerksamkeit erhält, um so den ganzheitlichen Ansatz zu stärken. • Wir bitten deshalb alle unsere höheren Schulen, Bildungshäuser und Seminare der AMECEA, das Problem HIV/Aids in ihren Studienprogrammen gründlich zu behandeln. Einige von ihnen sollten als Beratungsstellen für die bewusstseinsbildenden Programme zu HIV/Aids in unserer Region ausgerüstet werden. • Wir beauftragen alle unsere Abteilung und Kommissionen auf der Ebene der Bischofskonferenz, die Herausforderung von HIV/Aids in ihre Programme und in ihre Arbeit zu integrieren. • Wir verpflichten uns, von der Diözesanebene bis hinunter zu den Kleinen Christlichen Gemeinschaften, dasselbe zu tun. • Wir übernehmen vollständig den Aktionsplan des Symposiums der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar (SECAM) für unsere AMECEA-Region bei der Antwort auf die HIV/Aids-Herausforderung (vgl. SECAM, Die Kirche in Afrika angesichts der Aids-Pandemie, 2003, Nr. IV) (1). 14. Globalisierung 23 Wenngleich wir zugeben, dass die Globalisierung positive Elemente aufweist wie z.B. die Ermöglichung leichter und schnellerer Kommunikation, die zu stärkerer Solidarität zwischen Völkern und Nationen führen kann, sind wir doch außerordentlich besorgt über ihre negativen Auswirkungen. • Wir sind besonders entsetzt über die Verheerung, die ein ungebremster Kapitalismus anrichtet, der den Aufbau von wirtschaftlichen Initiativen auf lokaler Ebene erstickt, und so zu einer gefährlichen Kluft zwischen den wenigen Reichen und der armen Mehrheit führt. • Wir sind tief erschrocken über die Förderung von Pornographie in allen Formen und durch alle Arten von Medien, was Kinder und Jugendliche verdirbt und zur weiteren Verbreitung von HIV/Aids beiträgt. • Wir bedauern außerdem die Liberalisierung und Kommerzialisierung von „Sex für alle“, was im Widerspruch steht zu menschlichen und religiösen Werten im Hinblick auf Sex und Sexualität und beiträgt zur Förderung unchristlicher sexueller Neigungen und zur Zerstörung der Institution Familie, wie wir sie seit Urzeiten kennen. 15. Schuldenerlass und effektive Entwicklungshilfe Um eine globale und menschliche Solidarität zu fördern, appellieren wir an die reichen Nationen der Welt, den ärmsten Ländern unverzüglich die Schulden zu erlassen. Das wird die so sehr benötigten Ressourcen für ganzheitliche menschliche Entwicklung freisetzen und wird langfristig den Kampf gegen HIV/Aids stärken. Wir würdigen die Bemühungen der Tony Blair-Kommission für Afrika und hoffen aufrichtig, dass ihren guten Absichten gute Taten entsprechen werden. 16. Weitere wichtige Herausforderungen a. Friede im Südsudan. Wir danken Gott dafür, dass die 21 Jahre Krieg im Sudan durch ein umfassendes Friedensabkommen (2) endlich vorüber sind. Wir danken all denen, die dazu beigetragen haben, besonders der Zwischenstaatlichen Entwicklungsbehörde (IGAD), den Führern und dem Volk von Kenia und vielen anderen Menschen, die in diesem langen Friedensprozess eine wesentliche Rolle gespielt haben. Der neue Sudan ist nun herausgefordert, den auf dem Papier niedergeschriebenen Frieden in einen konkreten Frieden, in Versöhnung und in einen Frieden von Herz und Tat zu verwandeln. Wir rufen die Afrikanische Union, alle Führer und Völker Afrikas und alle Länder der Welt auf, zu den dringenden Bedürfnissen, zur Rehabilitation und zur umfassenden Entwicklung des Südsudan einen großzügigen Beitrag zu leisten. Wir verpflichten uns, eine aktive Rolle der Anwaltschaft und Hilfe beim Aufbau des Friedens im neuen Sudan zu übernehmen. b. Der Konflikt in Darfur. Wir sind betrübt über den fortdauernden Konflikt in Darfur (Sudan). In den über zwei Kriegsjahren sind mehr als 300 000 Menschen umgekommen. Mehr als 200 000 Menschen sind in den Tschad geflüchtet und viele andere sind aus ihren Häusern vertrieben worden. Wir bedauern das Leid der Menschen in dieser Region. Wir treten nachdrücklich ein für eine friedliche Lösung dieses Konflikts durch die aktive Beteiligung der Afrikanischen Union, der Vereinten Nationen und anderer internationaler Gremien. Wir drängen auch darauf, dass der Weg zu einer Lösung in Darfur getrennt von dem Friedensabkommen für 24 den Südsudan behandelt wird, und vor allem sollte dies die Notwendigkeit humanitärer Hilfe und Entwicklung für den Südsudan weder überschatten noch blockieren. c. Norduganda. Noch einmal fordern wir die Regierung und das Volk von Uganda auf, den bewaffneten Konflikt in Norduganda mit friedlichen Mitteln beizulegen, damit die leidenden Menschen in den Vertriebenenlagern in ihre Heimatsorte zurückkehren können. Wir fordern die Rebellen der Lord’s Resistance Army (LRA) auf, den Schrei ihres Volkes zu beachten, und einen Dialog mit der Regierung und ihrem Friedensteam zu akzeptieren, um diesen lang anhaltenden Konflikt zu beenden. d. Eritrea/Äthiopien. Wir fordern die Regierungen von Eritrea und Äthiopien auf, den Grenzkonflikt dringend auf friedliche Weise zu lösen. Wir appellieren nachdrücklich an die internationale Gemeinschaft zu tun, was immer möglich ist, damit die beiden Länder ihre gutnachbarlichen, grenzüberschreitenden Beziehungen wieder aufnehmen. 17. Afrika wird überleben! Als AMECEA-Bischöfe sind wir sehr optimistisch, dass Afrika überleben wird. Wir teilen unseren Optimismus mit allen unseren Mitbürgen in der AMECEA-Region, dass Afrika überleben wird. Wir werden leben und die künftigen Generationen werden ebenfalls leben. Die Pandemie HIV/Aids wird bekämpft werden. Dieser starke Optimismus kommt aus unserem christlichen Glauben (vgl. Röm 8,35). Gott liebt Afrika und seine Menschen. Die Menschen in Afrika haben reiche innere Kräfte und edle Werte, Mut und Entschlossenheit, um die Pandemie zu bekämpfen. • Wir fordern alle Völker Afrikas auf, einen mutigen Kampf gegen HIV/Aids zu führen. • Wir fordern alle Führer und Völker Afrikas und die Führer und Völker anderer Kontinente auf, Afrika zu respektieren und unbedingt damit aufzuhören, durch die Medien ein negatives Image von Afrika entstehen zu lassen. Afrika braucht kein Mitleid, sondern echte Liebe und Solidarität. Christus ist unser Leben, unsere Hoffnung und unser Erlöser. • Wir weisen deshalb alle negativen Vorhersagen über die Zukunft Afrikas und jede Ausgrenzung Afrikas als Kontinent zurück und verurteilen das nachdrücklich. 18. Schluss Zum Abschluss unserer 15. AMECEA-Vollversammlung bieten wir unsere Liebe und unsere Gebete allen Menschen in unserer Region an, die mit HIV/Aids leben und denen, die davon betroffen sind. Wir versprechen, euch zur Seite zu stehen, und wir ermutigen alle unsere Mitarbeiter in der Pastoral, euch ganzheitlich zu dienen und zu betreuen. Als voll berechtigte Mitglieder unserer Kirche und Gesellschaft fordern wir euch auf, am Leben der Kirche teilzunehmen, euch an uns zu wenden, und offen eure Meinung zu äußern, damit wir uns weiterhin eurer annehmen können gemäß der Aufgabe, die wir von Christus, dem Herrn und guten Hirten erhalten haben - erleuchtet und vereint im erlösenden Wert des Leidens Christi. Der Gott der Liebe schütze euch und schenke euch mehr Glauben und Hoffnung, damit ihr positiv leben und liebevoll auf seinen Ruf antworten könnt. 25 Das heldenhafte Beispiel der ugandischen Martyrer sei uns ein Leitbild für ein moralisches Sexualverhalten im Kampf gegen die HIV/Aids-Pandemie. Unterzeichnet: Paul Bakyenga Erzbischof von Mbarara, Uganda, und Vorsitzender der AMECEA Gegeben in der katholischen Kathedrale der Diözese Lugazi, Uganda, am 11. Juni 2005, dem Fest des heiligen Barnabas Anmerkungen der Redaktion: (1) Die Kirche in Afrika angesichts der Aids-Pandemie. Erklärung des SECAM in: WELTKIRCHE Nr. 9 (2003), S.207-210. (2) Das Friedensabkommen wurde am 09.01.2005 in Nairobi unterzeichnet. Die Armen sind kostbar Die Regierung von Simbabwe hat während der letzten Monate in mehreren Städten des Landes massive Zwangsräumungen vorgenommen. Es wird geschätzt, dass durch diese so genannte „Operation zur Wiederherstellung der Ordnung“ mehr als 200.000 Menschen ihr Obdach verloren haben und bis zu 30.000 Straßenhändler und Arbeiter des informellen Sektors verhaftet wurden. Unter anderem sind auch ein Krankenhaus und ein Kindergarten deutscher Dominikanerinnen zerstört worden. Die katholischen Bischöfe von Simbabwe haben am 16. Juni einen Hirtenbrief „Der Schrei der Armen“ veröffentlicht, in dem sie die Vertreibungsaktion scharf verurteilt haben, durch die die ärmsten Bevölkerungsschichten mitten im simbabwischen Winter von jeder Grundversorgung abgeschnitten worden sind. Nach Meinung von Kommentatoren ist die drastische Maßnahme als der Versuch zu werten, die Wählerschichten der oppositionellen Bewegung für demokratischen Wandel (MDC) zu bestrafen. In einem heimlich gedrehten Videoclip wird Bischof Pius Ncube mit den Worten zitiert: „Die Regierung zwingt die Menschen in ländliche Regionen zu ziehen, wo 26 sie sie dem Hunger ausliefert. Ich bin dermaßen verärgert über diese Regierung, dass ich bereit bin, mich vor dem Gewehrlauf zu stellen und mich erschießen zu lassen“. Der Hirtenbrief der Bischöfe erfreut sich einer großen internationalen Resonanz. * * * Der Schrei der Armen Hirtenbrief der Katholischen Bischofskonferenz von Simbabwe 16.06.2005 Wir, die Mitglieder der Katholischen Bischofskonferenz von Simbabwe, veröffentlichten am 2. Juni 2005 eine Presseerklärung in Bezug auf die „Säuberungs“-Operation, die offiziell „Operation zur Wiederherstellung der Ordnung“ genannt wurde (1). In dieser Presseerklärung äußerten wir unsere Bestürzung über das Leid und das Elend, das die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft in einigen Gebieten unserer Nation durchmachten. Nun, fast vier Wochen nach dem Vorfall schlafen zahllose Männer, Frauen mit Säuglingen, Schulkinder, Alte und Kranke weiterhin im Freien und das bei winterlichen Temperaturen, die nahezu den Gefrierpunkt erreichen. Diese Menschen brauchen dringend Unterkunft, Nahrung, Kleidung, Medikamente etc. Ein Versuch, diese Operation im Hinblick auf ein gewünschtes friedliches Ende zu rechtfertigen, entbehrt jeder Grundlage, wenn man die grausamen und unmenschlichen Mittel bedenkt, die angewandt wurden. Die Menschen haben ein Recht auf Unterkunft und gerade diese wurde bei dieser Operation ohne Vorwarnung vorsätzlich zerstört. Wenngleich wir alle eine friedliche Ordnung ersehnen, hätte man für eine andere Unterbringung sorgen und andere Einkommensquellen finden müssen, und zwar vor den Zerstörungen und der Einstellung des informellen Handels. Wir verurteilen das schreiende Unrecht, das den Armen zugefügt wurde. Als eine Fortsetzung unserer Presseerklärung möchten wir eine pastorale Betrachtung dieser Vorfälle anbieten, die auf der Heiligen Schrift und auf der Soziallehre der Kirche basiert. Die Heilige Schrift Im Evangelium vom Sonntag, den 5. Juni, also während dieser Vorfälle, sagt uns Jesus: „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“ (Mt 9,13). Seine Worte spiegeln jene der alttestamentlichen Propheten wider, die unaufhörlich erklären, dass Gebete und Opfer wertlos sind, wenn man sich nicht um die Armen und Bedürftigen sorgt (vgl. Am 5,1-5). Es war bei dieser Operation keinerlei Sorge um die Armen und Notleidenden festzustellen, und die Gebete und Opfergaben derer, die dafür verantwortlich sind, finden bei Gott kein Wohlwollen. Der Prophet Jesaja erinnert uns daran, an die Hungrigen unser Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen, wenn wir einen Nackten sehen, ihn zu bekleiden (vgl. Jes 58,5-7). Das ganze Wirken Jesu ist gekennzeichnet von Sorge für die Schwachen und Verwundbaren. Jesus sagt uns, dass wir am Ende der Zeit danach beurteilt werden, ob wir diese Sorge geteilt haben, und er sagt schreckliche Worte zu denen, die ihn hungrig, durstig, fremd oder nackt oder krank (oder obdachlos …) sahen und es versäumt haben, ihm zu helfen (vgl. Mt 25,42-46). 27 Als Christen müssen wir den Schrei der Armen und Obdachlosen in unseren Townships (2) und Dörfern hören und sie in ihren Bemühungen unterstützen, allmählich ihr Leben neu aufzubauen. Bei dieser Aufgabe sollten wir von der Soziallehre der Kirche motiviert und begleitet werden. Die Soziallehre der Kirche Die Soziallehre der Kirche wirft das Licht des Evangeliums auf Probleme, die unser Leben in der Gesellschaft betreffen, und bietet die Weisheit, Kenntnis und Erfahrung der Kirche an, um sich mit ihnen auseinander zu setzen. Diese Lehre, basierend auf der Heiligen Schrift, hat sich in mehr als hundert Jahren entwickelt und ist in der Hauptsache in päpstlichen Schreiben und Dokumenten zu finden, die von Synoden und Bischofskonferenzen stammen. Sie enthält eine Anzahl von Grundsätzen, die zurzeit relevant sind: Die Würde der menschlichen Person Geschaffen nach dem Bild und Gleichnis Gottes (vgl. Gen 1,26-27), hat jede Person eine angeborene menschliche Würde, die wir nicht von weltlichen Autoritäten, sondern vom Schöpfer erhalten haben. Diese Würde ist schwer verletzt worden durch die Rücksichtslosigkeit, mit der die „Operation Wiederherstellung der Ordnung“ in den Townships und anderen Gebieten durchgeführt wurde. „Darum schreit jede Verletzung der Menschenwürde vor dem Angesicht Gottes nach Rache und ist eine Beleidigung des Schöpfers des Menschen“ (Papst Johannes Paul II, Christifideles Laici, Nr. 37). Die Grundrechte der menschlichen Person Die menschlichen Grundrechte entspringen unserer gottgegebenen Würde. Jeder Mensch Mann, Frau und Kind - hat das Recht auf Leben, Wohnung, Kleidung, Nahrung, Bildung, Gesundheitsfürsorge, Beschäftigung etc. Diese Grundrechte wurden und werden verletzt. Es sollte keiner weltlichen Autorität, keiner Gruppe und keiner Einzelperson erlaubt sein, solche Rechte zu verletzen. Als christliche Führer müssen wir die Autoritäten unaufhörlich hinweisen sowohl auf ihre Pflicht, die Menschenrechte zu achten und zu schützen als auch auf die ernsten Konsequenzen, wenn sie gegen solche Rechte verstoßen. Darüber hinaus ist es unsere Pflicht als eine lehrende Kirche, Christen in Rechten, Werten und Grundsätzen heranzubilden und zu erziehen - eine Aufgabe, die wir weiterhin erfüllen werden. Die Förderung des Gemeinwohls Staatliche Autoritäten sollten das Gemeinwohl aller Mitglieder der Gesellschaft, nicht das Wohl einer elitären Gruppe fördern und dabei ein Umfeld schaffen, in dem das wirtschaftliche, soziale, kulturelle und politische Leben blühen kann. In einer solchen Umgebung können alle Bürger - einschließlich derjenigen, die ihre Häuser und ihren Lebensunterhalt verloren haben - Zugang haben zu den Gütern der Erde, die nach Gottes Willen gerecht geteilt werden sollen. Die Förderung des Gemeinwohls, nicht die Förderung parteipolitischer Ziele, sollte die erste Priorität der staatlichen Politik sein. 28 „Gewiss kommt es der Autorität zu, im Namen des Gemeinwohls zwischen den verschiedenen Sonderinteressen als Schiedsrichterin zu walten. Sie muss aber einem jeden das zugänglich machen, was für ein wirklich menschliches Leben notwendig ist, wie Nahrung, Kleidung, Wohnung, Gesundheit, Arbeit, Erziehung und Bildung, richtige Information und Recht auf Familiengründung.“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1908). Es liegt in der Natur der Dinge - die Menschen kommen immer zuerst und dürfen eigentlich nicht in einer Wirtschaft, einer politischen Agenda oder einer Ideologie unterworfen werden. Die Option für die Armen Wenn man das Prinzip des Gemeinwohls anwendet, bleiben einige Menschen arm und ausgegrenzt. Die Kirche muss besondere Sorge für sie zeigen. Die Art, wie eine Gesellschaft ihre schwächsten Mitglieder behandelt, ist ein moralischer Maßstab für diese Gesellschaft. Als Christen müssen wir weiterhin die politischen Entscheidungen im Hinblick auf die Armen überprüfen, einschließlich der politischen Linien, die mit Wohnungsbeschaffung, Gesundheitsfürsorge und Nahrungssicherheit zusammenhängen, und wir müssen uns schämen wegen der landesweiten Operation, die Armut und Elend in allen Regionen beträchtlich hat anwachsen lassen. Die Einschränkung des informellen Handels, der den formellen Handel stützt, kann unseren wirtschaftlichen Niedergang nur beschleunigen. Einen wesentlichen Teil der Sorge der Gesellschaft um das Gemeinwohl aller ihrer Mitglieder, auch der armen informellen Händler, stellt die Option für die Armen dar. Für die Kirche sind die Armen kostbar (Der heilige Laurentius, in: Butler, Lives of the Saints, 10. August). Subsidiarität Das Subsidiaritätsprinzip bezieht sich auf die Weitergabe von Befugnissen von ganz oben bis hinunter an die Basis, oder so nahe an die Basis wie möglich. Das Prinzip impliziert, dass man den lokalen vor zentralen Entscheidungen den Vorzug geben sollte. Die zentrale Autorität sollte Bemühungen einer lokalen Autorität unterstützen und nur solche Aufgaben übernehmen, die örtliche Gremien nicht leisten können. Wenn auf unseren Straßen eine „Säuberung“ erforderlich ist oder wenn es in den Townships ein Problem mit der Kriminalität gibt, ist das im Wesentlichen die Aufgabe lokaler Behörden, darunter Bürger/Einwohnervereinigungen und kirchliche Organe, die von der Polizei und den Gerichten beauftragt werden, sich mit diesen Problemen auseinander zu setzen. Das sollte über einen gewissen Zeitraum in einem geregelten Verfahren geschehen und zwar in einer Weise, die die Menschenrechte und das Gemeinwohl fördert und schützt. Solidarität Als Söhne und Töchter unseres liebenden Vaters sind wir alle Schwestern und Brüder, die von Gott aufgefordert werden, eine Gesellschaft zu errichten, in der wir miteinander in Solidarität leben können. Solidarität bedeutet, bereit zu sein, die andere Person als anderes „Ich“ zu sehen und Ungerechtigkeit gegen andere als Ungerechtigkeit gegen sich selbst zu betrachten. Solidarität ist nicht ein vorübergehendes Gefühl der Sorge wegen des Leides anderer. 29 Sie ist vielmehr eine Verpflichtung, Seite an Seite mit denen zu stehen, die obdachlos sind und keine Mittel für den Lebensunterhalt haben; zu tun, was einem möglich ist, um eine Situation schweren Unrechts zu beseitigen und das Gemeinwohl zu fördern. Das Solidaritätsprinzip spiegelt die Theologie des heiligen Paulus in Bezug auf den Leib Christi wider: Wo eine Person leidet, leidet jede Person, und der ganze Leib wird geschwächt (vgl. 1 Kor 12,12-30). Eine Betrachtung der oben angeführten sechs Prinzipien sollte alle Mitglieder der Gesellschaft angehen, denn eine ganze Nation hat gelitten wegen der Aktionen die kürzlich durchgeführt wurden und noch andauern. Speziell als Christen dürfen wir nicht die Prinzipien herauspicken und auswählen, denen wir folgen wollen; sie sind alle bindend. Sie im täglichen Leben in die Praxis umzusetzen, ist ebenso wichtig, wie an Sonntagen in die Kirche zu gehen. Zum Schluss wiederholen wir, was wir bei einem anderen Anlass sagten: „…Wir fordern alle jene (besonders Christen) auf, die in der Gesellschaft besondere Verantwortung tragen, sei es die Regierung, die Geschäftswelt oder andere einflussreiche Kreise, entsprechend der Soziallehre der Kirche eure Pflichten zu erfüllen … Wir können also kein Doppelleben führen, eines für Sonntagsgottesdienste in der Kirche und ein anderes für unsere öffentlichen Aufgaben, seien sie nun politischer, wirtschaftlicher, sozialer oder anderer Art. Wir sind stets aufgerufen, uns von unserem Gewissen leiten zu lassen und unseren christlichen Glauben zu leben als einen wesentlichen Bestandteil unseres Lebens. (Katholische Bischofskonferenz von Simbabwe, Fastenhirtenbrief, März 2003, Kap 7.3). Wie immer lautet unser Gebet: Der Friede sei mit euch! Robert C. Ndlovu Harare Pius Alec M. Ncube Bulawayo Michael D. Bhasera Masvingo, Präsident der Bischofskonferenz Alexio Churu Muchabaiwa Mutare Angel Floro Gokwe Patrick M. Mutume Weihbischof von Mutare P. Alphonse Mapfumo Administrator von Gweru P. Matthew Jonga Administrator von Chinhoyi 30 P. Albert Serrano SMI Administrator von Hwange Quelle : CISA Nr.438b vom 17.06.05 Übersetzung aus dem Englischen Anmerkungen der Redaktion: (1) Die örtlichen Behörden haben mit der Operation am 19. Mai begonnen. (2) Townships ist die Bezeichnung für die während der Apartheid in Südafrika eingerichteten Wohngegenden für die schwarze, die farbige oder die indische Bevölkerung. Sie haben auch heute noch die Ausmaße von ganzen Städten. Ein typisches Beispiel ist Soweto (South Western Township), ein Stadtteil von Johannesburg in der Provinz Gauteng. In den Vereinigten Staaten von Amerika bezeichnet der Begriff T. eine Einheit der Lokalverwaltung. Häufig wird beim Begriff T. an massenhafte Behausungen aus Wellblechhütten, Pappkartons und eine extrem hohe Bevölkerungsdichte gedacht. Eine verängstigte Gesellschaft ist nicht frei Angesichts der leidvollen Fehlentwicklung in der Demokratischen Republik Kongo und der umstrittenen Verlängerung der zweijährigen Übergangsperiode, verlangen die Bischöfe in ihrer Botschaft unter dem programmatischen Titel „Warum Angst haben? Die Zukunft des Kongo hängt von seinem Volk ab“ entscheidende politische Schritte der Übergangsregierung, um einem verhängnisvollen Vertrauensverlust und einer weiteren Destabilisierung des Landes entgegenzuwirken. Freie Wahlen können nur dann stattfinden, wenn die Menschen ohne Angst leben können. Die Kirche im Kongo sprach sich schon früher gegen eine Verschiebung der ersten freien Wahlen im Land aus. In einem sehr temperamentvoll geschriebenen Dokument fordern die Bischöfe die Regierung dazu auf, die Verantwortlichen für die Verzögerungstaktik zur Rechenschaft zu ziehen und klare Rahmenbedingungen für freie Wahlen herzustellen, die voraussichtlich zwischen März und Mai 2006 stattfinden werden. * * * "Warum habt ihr soviel Angst?" (Mk 4,40) Die Zukunft des Kongo hängt von seinem Volk ab Botschaft der Bischöfe an die katholischen Gläubigen und alle Menschen guten Willens aus Anlass des 45. Jahrestages der Unabhängigkeit der Demokratischen Republik Kongo 31 22.06.2005 Präambel 1. Wir, die Erzbischöfe, Bischöfe und Diözesenadministratoren, Mitglieder der nationalen Bischofskonferenz des Kongo (CENCO), sind vom 20. bis 22. Juni 2005 zu einer außerordentlichen Vollversammlung zusammengekommen und richten an Euch diese Botschaft über die aktuelle Situation, die gekennzeichnet ist durch die Angst unseres Volkes in dieser entscheidenden Phase des politischen Übergangs unseres Landes. Als Hirten und Bürger drängt uns unser Gewissen dazu, die Würde der menschlichen Person, geschaffen nach dem Bilde Gottes, zu verteidigen. Unsere Mitbürger sind in der Tat mit der Ungewissheit über den morgigen Tag, mit wachsender Unsicherheit und mit unerträglichem Elend konfrontiert (1). 45 Jahre nach der Erlangung der internationalen Souveränität unseres Landes sind wir der Meinung, dass unser Volk es nicht verdient, weiterhin diese schwere Last zu tragen. Für eine schonungslose Evaluierung des Übergangs 2. In unserer Botschaft vom 14. Februar 2004 (2) hatten wir bereits die Langsamkeit und die offensichtliche Absicht, bei der Errichtung der Institutionen der Republik den Übergang in die Länge zu ziehen, beklagt. Wir möchten dennoch einige markante Punkte hervorheben, die das politische Leben der letzten Monate bestimmt haben. Es handelt sich um die Veröffentlichung der Übergangsverfassung (3), den Eid des Staatschefs auf die Verfassung, den Eid und die Amtseinführung der Vizepräsidenten, die Bildung der Übergangsregierung (4), des Parlaments und der die Demokratie unterstützenden Kommissionen, die Einsetzung der Gouverneure und Vizegouverneure in den Provinzen, dem Beginn des Integrationsprozesses und die Umstrukturierung von Armee und Polizei, die Durchführung einiger Sozial- und Wirtschaftsprogramme mit Unterstützung aus dem Ausland, die Verabschiedung einiger Gesetze durch das Parlament, die Inangriffnahme der Verfassung für die 3. Republik, die Beschleunigung, ja sogar Überstürzung der Wahlvorbereitungen durch die unabhängige Wahlkommission ... Ein langer Weg ist noch zurückzulegen, aber die genannten Fortschritte zeigen, dass es möglich ist, die DR Kongo zur Demokratie zu führen. Hingegen lassen das Amnestiegesetz, das das sozialpolitische Klima entschärfen könnte, sowie die feierliche Erklärung des Kriegsendes, auf sich warten. 3. Angesichts der aktuellen Herausforderung bedarf das Volk der Ermutigung. Es fordert eine schonungslose Evaluierung der Institutionen vor dem Hintergrund der fünf Ziele der Übergangsperiode. In diesem Sinne sind die wahren Gründe zu nennen für die ständigen, aufeinander folgenden Krisen, die unser Land, den Kongo, in einem Teufelskreis gefangen halten. Dem Volk müsste auch erklärt werden, warum die Wahlen nicht in dem zunächst von der Verfassung vorgegebenen Zeitrahmen (Art. 196, § 1) durchgeführt worden sind. Die Verantwortlichen für die Verzögerung des Prozesses müssen benannt und mit angemessenen Strafmaßnahmen belegt werden. Diese schonungslose Evaluierung ist dringend geboten. Sie wird bei den Bürgern Vertrauen aufbauen in dieser Verlängerung des Übergangs, die das Parlament auf 32 Anfrage der unabhängigen Wahlkommission gewährt hat. Diese Evaluierung könnte dem Übergang neuen Schwung verleihen. 4. Für uns wird der nationale Zusammenhalt durch das Schema „1+4“ (5), das wir von Anfang an für konfliktträchtig gehalten haben, durch seine Zusammensetzung und seine Institutionen, den Mangel an politischem Willen, den Hunger der Mächtigen nach Einfluss sowie durch die Missachtung der Gesetze gelähmt. Das Funktionieren der Institutionen der Übergangsphase wird dadurch beeinträchtigt, denn sie sind zu Einkommensquellen der Politikerfamilien und zum Sprungbrett für den Wahlkampf geworden. Aus unserer Sicht kann die in unserem Land existierende Legitimitätskrise nur durch die Errichtung eines Rechtsstaates und eine aus den Wahlen hervorgehende Neuordnung der Institutionen überwunden werden. 5. Der Prozess der Integration von Armee und nationaler Polizei erzielt keine nennenswerten Erfolge. Neben dem Mangel an logistischen Mitteln wird er durch die Schwerfälligkeit der Zuordnungen und Gruppenzugehörigkeit beeinträchtigt. Die vertikale und horizontale Teilung der Verantwortung bleibt in diesem Bereich eine große Herausforderung. Die ehemaligen Kriegsparteien machen weiterhin ein Geheimnis aus der Frage, wer früher unter ihrem Kommando stand. Es scheint sogar, dass Einzelne ihren Vorrat an Waffen und Munition dank der Vorteile, die ihnen die relativ ruhige Phase des Übergangs bietet, aufgestockt haben. Dadurch wird die Umsetzung des nationalen Programms zur Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung (DDR) (6) beeinträchtigt. Ergebnisse des Programms vor Ort fallen durch die bürokratische Vorgehensweise nur minimal aus oder werden ganz zunichte gemacht. Im übrigen gibt es nach wie vor einige Spannungsherde, die von unsichtbarer Hand und aus nicht geklärten Motiven gesteuert werden, insbesondere im Osten des Landes, wo nicht nur die Soldaten und Angestellten der MONUC (7), sondern vor allem die Zivilbevölkerung Opfer der Waffengewalt werden. Vor diesem Hintergrund bedarf die Bevölkerung am 45. Jahrestag der nationalen Unabhängigkeit dringend der Ermutigung. Die Psychose des 30. Juni 2005 6. Wir beklagen die Tatsache, dass die Wahlen nicht bis zum 30. Juni 2005 stattfinden werden. Kurz vor diesem historischen Datum entzündet sich innerhalb der politischen Klasse ein Streit über die Dauer der Übergangsperiode zwischen den Unterzeichnern des Pretoria-Vertrags (8) auf der einen Seite, und denen, die bei dieser Vereinbarung nicht vertreten waren, auf der anderen. Man scheint sich über den Buchstaben und den Geist von Artikel 196 der Übergangsverfassung nicht mehr einig zu sein. 7. Deshalb zeichnet sich heute, vor dem 30. Juni 2005, das Bild einer tiefen Krise im Kongo ab. Unserer Meinung nach wird diese Krise durch das Zusammenprallen zweier unnachgiebiger Haltungen hervorgerufen: diejenigen, die eine Verlängerung der Übergangsphase ohne Rechenschaft und ohne einschneidende Maßnahmen für selbstverständlich halten, stehen jenen gegenüber, die das Ende der Übergangsphase für den 30. Juni 2005 unter Androhung von Gewalt und Chaos fordern. Gründe, Angst zu haben 8. Angesichts dieser Zuspitzung hat sich die kongolesische Bevölkerung häufig gegen die Unzulänglichkeiten der aktuellen Regelung (1+4) an der Staatsspitze sowie gegen die 33 Verzögerungen der Wahlen ausgesprochen. Zum Ausdruck gebracht hat sie ihre Enttäuschung vor allem im Juni 2004, nach den Ereignissen in Bukavu, und im Januar 2005, nach einem Interview mit der unabhängigen Wahlkommission, in dem diese die Möglichkeit der Aufschiebung der Wahlen anspricht. So hat die Bevölkerung ein deutliches Signal gesetzt, das ihre Missbilligung der Art und Weise, wie der Übergang bisher gestaltet wird, zum Ausdruck bringt. Wir sind zudem der Meinung, dass es Selbstmord wäre, würde man die Tatsache herunterspielen, dass das Maß der Übergangsphase, die viel zu lange gedauert hat, voll ist. 9. Das Fehlen einer kohärenten Vision und einer vorausschauenden Politik auf Seiten der Regierenden hat zu der aktuellen Krise geführt, die nicht nur den Pretoria-Vertrag in Frage stellt, sondern auch die Zusammenschlüsse, die aus diesem Vertrag erwachsen sind. Die Enttäuschungen mancher politischer Akteure, die soziale Not (Aussetzung der Zahlung von Gehältern für Beamte, Lehrer und Militär, unzureichende medizinische Versorgung, Schwierigkeiten im Transportwesen, die Übernahme der Schulkosten durch die Eltern ...), das fehlende Vertrauen der Bevölkerung gegenüber den Regierenden, eine weit verbreitete Korruption, die Plünderung und das Verschleudern der nationalen Reichtümer (besonders in den Bereichen Forstwirtschaft und Bergbau), die unverhohlene Besetzung weiter Gebiete des nationalen Territoriums durch ausländische Streitkräfte, mangelnde Rechenschaftspflichten staatlicher Einrichtungen haben zu der überall spürbaren Verstimmung geführt. 10. Unterdessen herrscht in Kinshasa und in anderen Orten des Landes wieder die Unsicherheit. Morde sind an der Tagesordnung, Menschenrechte werden weiter missachtet, ohne dass die Bevölkerung in irgendeiner Weise geschützt würde. Alles trägt zu dem Eindruck bei, das Land werde nicht regiert. Der Staat ist kaum noch sichtbar. 11. Die Stimmung, die zurzeit in der Bevölkerung herrscht, wird von der Angst vor der bewaffneten Gewalt und vor der Infiltrierung durch ausländische Truppen, von der Angst vor Plünderungen und vor der Unsicherheit geprägt. Dies ist die Psychose des 30. Juni 2005. Besonders beunruhigend ist die Tatsache, dass gewisse Personen die Kirchenvertreter bedrohen und es auf die Güter der Kirche abgesehen haben. Müssen wir fürchten, dass sie die Kirche ihrer Infrastrukturen berauben und sie daran hindern wollen, der Bevölkerung zu dienen? Wir weisen erneut darauf hin, dass der Präsident der unabhängigen Wahlkommission (9), obwohl ein Geistlicher, nicht die katholische Kirche vertritt und nicht von ihr verpflichtet worden ist. Bei diesem Thema ist jegliche Unklarheit zu vermeiden. 12. Jegliche Verzögerung des Übergangsprozesses schadet der Hoffnung auf freie und gerechte Wahlen zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Deshalb ist es geboten, den laufenden Prozess mutig fortzusetzen und die Anstrengungen im Sinne demokratischer und zuverlässiger Wahlen zu verdoppeln. 13. Deshalb verurteilen wir jede Form von Gewalt, woher sie auch kommen mag, und rufen zur Besonnenheit auf. Notwendigkeit des Dialogs 14. Die Aufnahme von Verhandlungen im Sinne eines Dialogs zwischen den soziopolitisch bedeutenden Kräften des Landes ist ein Gebot der Stunde, um die Bedingungen und den Rahmen für die Verlängerung der Übergangsphase festzulegen. Diese könnten unter der Leitung einer 34 nationalen Ad-hoc-Kommission in enger Zusammenarbeit mit dem Internationalen Komitee zur Unterstützung des Übergangs (CIAT) (10) ausgearbeitet werden. Als Ergebnis dieses Abstimmungsprozesses könnte ein umfassendes nationales Komitee die Fortsetzung der Wahlvorbereitung übernehmen, das mit der Begleitung dieses Prozesses sowie mit der Vermittlung zwischen der Bevölkerung und jenen Institutionen, die für die Wahlen verantwortlich sind, betraut wird. Empfehlungen Ein sich abzeichnender Konsens 15. Im Sinne der bisherigen Diskussion der sozialen und politischen Kräfte deutet sich ein Konsens an über: – die Notwendigkeit von Wahlen, – die Notwendigkeit, den Rahmen, die Prioritäten und einen genauen Zeitplan für die Verlängerung des Übergangs festzusetzen, – die Notwendigkeit, die Institutionen des Übergangs erneut dynamisch an dem vorrangigen Ziel der Wahlen auszurichten. Die beklagenswerten Zustände vor dem 30. Juni 2005 dürfen nach dem 30. Juni 2005 nicht unverändert weiter bestehen. Der entscheidende Punkt der Wahlen 16. Auch wenn die Wahlen dem Elend des kongolesischen Volkes kein plötzliches Ende bereiten werden, sind sie doch ein wichtiger Schritt zu Demokratie und Entwicklung. Unter den gegebenen Umständen ist es illusorisch zu sagen, man könne die 3. Republik errichten, wenn nicht einmal die Übergangsphase gelingt. Anstelle von Hass- und Gewalttiraden ist deshalb eine Kampagne zur Sensibilisierung der Bevölkerung dringend notwendig, um die Gründe für die Verlängerung des Übergangs zu erläutern und den Zeitplan bis zum tatsächlichen Abhalten der Wahlen vorzulegen. Diese Kampagne der Sensibilisierung muss von der Regierung, der unabhängigen Wahlkommission, den Institutionen der Zivilgesellschaft und den politischen Parteien durchgeführt werden. Letztere müssen ihre Anhänger über die staatsbürgerlichen Pflichten und die Bedeutung der Wahlen unterrichten. Sie müssen zudem unter allen Umständen vermeiden, ihren Wahlkampf aus Mitteln des Staates zu finanzieren oder auf unlautere Methoden wie die Manipulation der Bevölkerung zurückzugreifen. Institutionen für die Abstimmung des Wahlkalenders 17. Die Veröffentlichung eines Wahlplans mit einem strengen Terminkalender geschieht in einem zu findenden Konsens unter der Leitung der unabhängigen Wahlkommission und unter Einbeziehung der politischen Parteien, der Institutionen der Zivilgesellschaft und der internationalen Gemeinschaft. 18. Seitens der Regierung ist eine Verstärkung der Sicherheitsvorkehrungen dringend geboten. Die Regierung ist aufgefordert, unter Einhaltung der Gesetze die Gewalttätigkeiten, die Kriminalität und andere Formen der Verletzung innerer Sicherheit zu verhindern. 35 19. Ein verantwortlicher Umgang mit den öffentlichen Ressourcen muss durchgesetzt werden, um die Organisation von Wahlen und die Lösung der sozialen Fragen (Schulwesen, Gesundheitswesen) voranzutreiben. Hier ist ein soziales Notprogramm erforderlich, um das Elend unseres Volkes zu lindern. 20. Eine Verstärkung des Integrationsprozesses von Armee und Polizei muss die Sicherheit der Menschen und ihres Besitzes vor, während und nach den Wahlen gewährleisten. Das Programm DDR muss ebenfalls fortgesetzt werden. Dabei müssen die nichtstaatlichen Akteure im Sinne der Versorgung der ehemaligen Kämpfer (11) bei ihrer Wiedereingliederung in ausreichendem Maß einbezogen werden. 21. Die nationale Versöhnung ist eine weitere Priorität, die dem Erfolg der Wahlen zugrunde liegt. Dies beinhaltet das tatsächliche Ende des Krieges durch die Kontrolle über bewaffnete Gruppen und die Wiedereingliederung von dissidenten Gruppen in die Armee. Solange die ehemaligen Kriegsführer und ein Teil der unkontrollierten bewaffneten Gruppen nicht auf den Krieg verzichten, ist Versöhnung nicht möglich und Wahlen werden zur Farce. 22. Die internationale Gemeinschaft muss ihre Unterstützung für die DR Kongo fortsetzen und die Präsenz und die Glaubwürdigkeit der UNO-Truppen verstärken, um einen guten Ablauf der Wahlen zu gewährleisten. Von den Nachbarländern und ihren Verbündeten fordern wir, dass sie aufhören, den Frieden und den demokratischen Übergang in der RDC zu untergraben. Den Mächtigen dieser Welt erklären wir erneut, dass die Integrität und die nationale Einheit der DR Kongo unantastbar sind. Die besondere Rolle der Kirche im Übergang 23. Im Dienst der Nation wird die Kirche die Bewusstseinsbildung und ihre Kampagne über Wahlen und Staatsbürgerkunde verstärken, um das Volk weiter auf die kommenden Wahlen vorzubereiten. Wir werden die Gläubigen weiterhin in jenen Tugenden unterrichten, die notwendig sind, die Republik gut zu gestalten und, mehr denn je, die Liebe Christi besonders den Ärmsten zukommen zu lassen. Wir wenden uns gegen jede Form von Gewalt und verpflichten uns, für den Frieden zu beten, zu fasten und zu arbeiten. Wir werden eine nationale Kampagne der Gewaltlosigkeit und der Versöhnung starten. Wir erneuern unseren Aufruf zu einem positiven Dialog, zur Ruhe, zum Frieden und zur Beruhigung der Gemüter aller Kongolesen und Kongolesinnen. Schluss 24. Angesichts all dieser Ängste sagt uns der Herr: "Wenn nicht der Herr das Haus baut, mühen sich jeder umsonst, der daran baut. Wenn nicht der Herr die Stadt bewacht, wacht der Wächter umsonst." (Ps 127), und: "Steht auf, habt keine Angst!" (Mt 17,7). Denn die Zukunft des Kongo hängt von seinem Volk ab. 25. Wir stellen unser Land und seine Zukunft unter den Schutz Gottes, der der Herr der Geschichte ist und sein Volk nicht im Stich lassen wird. Möge Gott auf die Fürsprache der Jungfrau Maria hin unser Land segnen. 36 Gegeben zu Kinshasa am 22. Juni 2005 Die Bischöfe der DR Kongo Übersetzung aus dem Französischen: Marco Moerschbacher (MWI) Quelle: http://www.missio-aachen.de/menschen-kulturen/laender/afrika/kongodr/Erklaerung20050622.asp (21.07.05) Originaltext (Französisch): http://www.cenco.cd/presidencenco/messageJuin2005.htm (29.07.05) Anmerkungen der Redaktion: (1) Kongo (Zaire) nimmt auf der Rangliste der menschlichen Entwicklung (HDI-Index) einen der letzten Plätze, den 168. Platz ein. Das 53 Millionen Einwohner zählende Land hat ein Pro-KopfEinkommen von unter 100 US-Dollar im Jahr. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren an der Bevölkerung liegt bei 47 Prozent, die Lebenserwartung beträgt 41 Jahre. Es gibt 21 Millionen Menschen im arbeitsfähigen Alter, aber das Land zählt ganze 59.405 Steuern zahlende Unternehmen und 565.000 bezahlte Arbeitsplätze im formellen Sektor. Die Erwerbstätigenquote liegt bei 2,7 Prozent. (2) S. „Um der Liebe zum Kongo willen kann ich nicht schweigen“. In: WELTKIRCHE Nr. 2 (2004), S.39-43. (3) Die Übergangsverfassung trat am 05.04.2003 in Kraft. (4) Die Übergangsregierung ist am 30.06.2003 ernannt worden. (5) Schema 1+4 bezieht sich auf die Verteilung der Regierungsämter und bedeutet ein Präsidentenamt und vier Vize-Präsidenten als Vertreter aller maßgeblichen politischen Kräfte. (6) DDR ist die Abkürzung für „Désarmement, Démobilisation et Réinsertion“ (Entwaffnung, Demobilisation und Wiedereingliederung). (7) MONUC = französischsprachige Abkürzung für das UNO-Friedenskontingent im Kongo. (8) Das Friedensabkommen „Accord global et inclusif“ ist am 16.12.2002 in Pretoria, Südafrika, nach fünfjährigem Bürgerkrieg unterzeichnet worden und enthält die Vereinbarungen über freie Wahlen und die Ablösung der gegenwärtigen Übergangsregierung. (9) Pater Augustin Malu Malu bekleidet das Amt des Präsidenten der Unabhängigen Wahlkommission. 37 (10) Comité International d'Appui de la Transition CIAT. (11) Kongos Verteidigungsminister spricht von 190.000 bis 243.000 Kämpfern aus verschiedenen Rebellengruppen, die demobilisiert werden müssen. Paramilitär und Armee in Kolumbien Die politischen und sozialen Konflikte in Kolumbien äußern sich seit Jahrzehnten in gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen staatlichen Sicherheitskräften, paramilitärischen Gruppen und Guerilla-Fraktionen. Sie sind mit gewalttätigen Übergriffen und schwersten Menschenrechtsverletzungen verbunden. Opfer sind vor allem KleinbäuerInnen, die in den zwischen Staat und Guerilla umkämpften Gebieten ansässig sind, sowie MitarbeiterInnen von Menschenrechtsorganisationen und sozial engagierte Basisgruppen. Empfehlungen der UN-Menschenrechtskommission an den kolumbianischen Staat und an die illegalen bewaffneten Akteure wurden bisher nicht umgesetzt. Internationale Menschenrechtsinstitutionen klagen zudem seit Jahren an, dass der Paramilitarismus von der Regierung nicht bekämpft wird und sogar eindeutige Belege von systematischer Zusammenarbeit zwischen Paramilitärs und offiziellen Streitkräften sowie der Polizei existieren. Seit Ende 2002 führt die Regierung Verhandlungen mit paramilitärischen Gruppen über eine schrittweise Entwaffnung und Demobilisierung von rund 15.000 Kämpfern bis Ende 2005 und eine alternative Strafbehandlung für alle Ränge der Paramilitärs. Dieses Vorgehen lässt eine weitgehende Straflosigkeit auch für Verbrechen gegen die Menschlichkeit befürchten. Die Straflosigkeit für Menschenrechtsvergehen liegt in Kolumbien schon seit Jahren über 95%. Auch in der kolumbianischen Pazifikregion hat sich der bewaffnete Konflikt kontinuierlich verschärft. Grund hierfür sind die reiche Biodiversität und ihre strategisch interessante Lage für wirtschaftliche und politische Vorhaben. Indigene und afrokolumbianische Kleinbauernorganisationen, deren Organisationsprozesse international anerkannt sind, erklären seit Jahren ihre Neutralität im bewaffneten Konflikt. Ihnen liegt die Strategie zu Grunde, sich gemeinsam für die Wahrnehmung verfassungsmäßiger Rechte einzusetzen und durch Landnutzungs- und Entwicklungsprozesse ein selbstbestimmtes Überleben in ihren angestammten Gemeinden zu ermöglichen (friedlicher Widerstand im bewaffneten Konflikt). Die vielfachen strategischen Interessen im Kampf um Land und Ressourcen in der Region stellen eine ernste Gefahr für die Zivilbevölkerung und deren Organisationen dar. Aus diesem Grund haben drei Bischöfe aus der Pazifikregion und das Solidaritätsforum Chocó erneut ihre besorgte Stimme an Staatspräsident Álvaro Uribe gerichtet, und gefragt wessen Schutz die Präsenz staatlicher Sicherheitskräfte in der Region diene?. In ihrem Brief beschreiben sie verschiedene Fälle offensichtlicher Zusammenarbeit staatlicher Sicherheitskräfte mit den Paramilitärs fest. 38 * * * Zweiter offener Brief an den Präsidenten der Republik zur Legitimitätskrise des Staates in der Atrato-Region, Kolumbien Sehr geehrter Herr Dr. Álvaro Uribe Vélez, der Bischof der Diözese Quibdó, Fidel León Cadavid Marín, übergab Ihnen am 24. April 2004 persönlich einen OFFENEN BRIEF zur Legitimitätskrise des Staates in der Atrato-Region, der von der Diözese Quibdó, der Regionalen Vereinigung indianischer Völker (OREWA) sowie dem Hohen Gemeinderat der afrokolumbianischen Kleinbauerngemeinden (COCOMACIA) unterzeichnet war. In dem genannten Schreiben wurde die tiefe Besorgnis über die Unsicherheit und Schutzlosigkeit zum Ausdruck gebracht, unter der die indianische und afrokolumbianische Bevölkerung der Bezirke Bojayá, Murindó, Vigía del Fuerte und Medio Atrato trotz des großen Aufgebots an staatlichen Sicherheitskräften zu leiden hat. Ihre Gemeinden sind zahlreichen Übergriffen der illegalen Guerillaeinheiten der FARC (1) sowie der paramilitärischen AUC (2) ausgesetzt. Ganz besonders wurde die offene Duldung, die Nachsicht und Komplizenschaft von Mitgliedern der staatlichen Sicherheitskräfte gegenüber dem Vorgehen der Paramilitärs hervorgehoben. Darüber hinaus übergab Ihnen Bischof Fidel Cadavid einen Vorschlag zu einer Humanitären Vereinbarung, der in einem zweijährigen Prozess von 47 zivilgesellschaftlichen Organisationen des Departements im Rahmen des Interethnischen Solidaritätsforums Chocó (Foro Interétnico Solidaridad Chocó) als Beitrag zur Friedensentwicklung und Humanisierung des Konflikts erarbeitet worden war. Heute, ein Jahr später, müssen die Bistümer Quibdó, Istmina-Tadó und Apartadó sowie die 47 Organisationen des Interethnischen Solidaritätsforums Chocó mit tiefer Trauer feststellen, dass sich die Lage der Gemeinden nicht verbessert, sondern stark verschlechtert hat. • Polizei, Marine und Armee haben entlang des Atrato-Flusses so viele Kontrollstellen eingerichtet, dass es für Reisende überaus schwierig und bisweilen sogar unmöglich ist, ihr Ziel vor der Sperrstunde um achtzehn Uhr zu erreichen. Danach verbieten die staatlichen Sicherheitskräfte jeglichen Flussverkehr. Diese überzogenen Maßnahmen sind umso unverständlicher, wenn man bedenkt, dass die rigorosen Kontrollen lediglich der Zivilbevölkerung gelten, während sich die Paramilitärs weiterhin völlig frei bewegen können. • Über den Atrato und seine Zuflüsse Opogadó, Napipí und Bojayá dringt der paramilitärische Block Elmer Cárdenas mit einem großen Aufgebot an Truppen und Material vor und bewegt sich dabei durch zahlreiche Orte, die von den staatlichen Sicherheitskräften kontrolliert werden. Demgegenüber gelten an den Zuflüssen, an denen der Guerilla präsent ist, massive Beschränkungen für die indianische und afrokolumbianische Bevölkerung, so dass die Menschen einer Lebensmittelblockade unterworfen sind. • Im Februar/März dieses Jahres flüchteten sich zweitausend afrokolumbianische Bewohner des Bojayá-Beckens in die Bezirkshauptstadt Bellavista, um bei dem massiven Vordringen der Paramilitärs und der FARC-Präsenz am Río Bojayá nicht zwischen die Fronten zu geraten. Die Flussmündung des Bojayá liegt weniger als einen Kilometer von Bellavista entfernt gegenüber von Vigía del Fuerte. In beiden Dörfern sind Polizei und Armee ständig präsent. • In der Karwoche übernahmen die Paramilitärs die Kontrolle über den Unterlauf des Río Bojayá. Danach machten sich einige Mitglieder der Vertriebenengemeinden Corazón de Jesús, Caimanero, La Loma und Cuía auf den Weg zu ihren Höfen, um dort die nötigsten Nahrungsmittel zu holen. Als sie in ihre Dörfer kamen, fanden sie geplünderte Häuser vor, 39 zertrümmerte Türen und Fenster, eingerissene Wände. Die Gemeinschaftstelefone waren beschädigt und ins Wasser geworfen, Rinder und Schweine des Agrarinstituts gestohlen worden. • An den von Paramilitärs seit dem letzten Jahr beherrschten Flussläufen des Opogadó und des Napipí werden die Holzressourcen bereits in großem Maßstab ausgebeutet, obwohl sich dieses Gebiet in Kollektivbesitz der Gemeinden befindet. Niemand kontrolliert den illegalen Handel mit diesem Holz. • Im März raubten die Paramilitärs in Bellavista Holz, das über den Río Bojayá transportiert wurde. Die staatlichen Sicherheitskräfte sahen tatenlos zu. Verantwortlich für diese Aktion war ein ehemaliger FARC-Milizionär mit dem Decknamen Chombo, der sich im November vergangenen Jahres der Armee in Bellavista gestellt hatte und nach Riosucio kam. Zwei Monate später kehrte er, mit neuem Decknamen zurück. • Am 20. März wurden am Río Bebará im Bezirk Medio Atrato 16 Kleinbauern von der Armee 30 Stunden lang willkürlich festgehalten, darunter auch drei Minderjährige. Sie waren am Morgen aufgebrochen, um Bananen zu schneiden und zu fischen. Die afrokolumbianischen Gemeinden am Río Bebará und ihre Familien in Quibdó wurden durch diesen Übergriff in Angst und Schrecken versetzt. • In Boca de Bebará, Bezirk Medio Atrato, stellte sich ein weiterer FARC-Milizionär mit Spitznamen Barbachita Anfang Februar der Armee. Mittlerweile läuft er in Bellavista frei herum und sorgt dort als Informant für Unruhe unter den Vertriebenen. • Im Dezember letzten Jahres zog sich die Armee aus der am Atrato gelegenen Gemeinde Napipí zurück und ließ zu, dass sich dort eine paramilitärische Gruppe festsetzte. In dem genannten Dorf wurde ein 75-jähriger Mann am 3. April von einem Paramilitär mit Spitznamen Escamoso körperlich angegriffen und musste ins Krankenhaus von Quibdó eingeliefert werden. • Den Paramilitärs, die den Río Bojayá kontrollieren, gelang es am 18. April aufgrund der Nachlässigkeit der staatlichen Sicherheitskräfte, den Motor der Gemeinde-Zuckerrohrmühle zu entwenden. Sie nutzten dabei die Abwesenheit der Bauern, die sich nach ihrer Zwangsvertreibung seit dem 14. Februar nach Bellavista geflüchtet hatten. Weitere Schäden, Viehdiebstähle und die Zerstörung von Gemeindeeigentum gehen ebenfalls auf das Konto dieser paramilitärischen Gruppe. • Schon seit vier Monaten gibt es keinen Vertreter der Ombudsstelle in Bojayá. • Im November 2004 wurde der Priester FRANCISCO JOSÉ MONTOYA aus dem Bistum Istmina-Tadó während seiner Missionstätigkeit in den bäuerlichen Gemeinden des Bezirks Nóvita von FARC-Guerilla ermordet. Bisher war es nicht möglich, seine sterblichen Überreste zu bergen. Die Hoffnung, dass unser OFFENER BRIEF den Anstoß für eine Initiative zur Beendigung einer derartigen Vielzahl von Rechtsverstößen geben könnte, hat sich bisher nicht erfüllt. Mit zunehmender Besorgnis fragen wir uns: Wen schützen die staatlichen Sicherheitskräfte eigentlich in der Atrato-Region, wen bekämpfen sie? Nach wie vor beobachten und erleben wir Tag für Tag am eigenen Leib diese für einen sozialen Rechtsstaat völlig unhaltbaren Entwicklungen. Aus diesem Grunde bekräftigen wir nachdrücklich unsere vor einem Jahr vorgebrachten Forderungen: 1. Ordnen Sie die sofortige Beendigung all dieser Rechtsverstöße an, die wir im Lauf der letzten Jahre immer wieder angeprangert haben, und weisen Sie die staatlichen Sicherheitskräfte an, ihrem verfassungsmäßigen und gesetzlichen Auftrag entsprechend zu handeln. 2. Ordnen Sie rückhaltlose Ermittlungen gegen diejenigen Beamten an, die aufgrund ihrer Duldung, Nachsicht und Komplizenschaft gegenüber den Paramilitärs dafür verantwortlich sind, dass die Legitimität des Staates in der Atrato-Region untergraben wird. 40 3. Weisen Sie die staatlichen Institutionen an, die entsprechenden Ermittlungen zu beschleunigen, damit der Tod des im November 2004 von der FARC-Guerilla im Bezirk Nóvita ermordeten Priesters FRANCISCO JAVIER MONTOYA nicht ungestraft bleibt. Herr Präsident, wir, die indianischen, afrokolumbianischen und mestizischen Gemeinden, können keine weiteren Schikanen und Übergriffe mehr hinnehmen. Wir wollen auf unserem Territorium in Frieden leben, und diejenigen, die zur Flucht gezwungen wurden, wollen baldmöglichst zurückkehren. Deshalb fordern wir umgehend konkrete Maßnahmen, um die von unseren Vorfahren ererbten und uns vom Gesetzgeber zuerkannten Rechte, die verletzt werden, durch die Legislative wirksam zu schützen. Mit freundlichen Grüßen Fidel León Cadavid Marín Bischof von Quibdó Alonso Llano Ruiz Bischof von Istmina-Tadó Diözese Apartadó Interethnisches Solidaritätsforum Chocó Quibdó, den 27. April 2005 Übersetzung aus dem Spanischen: Beate Engelhardt Quelle: Misereor Anmerkungen der Redaktion: (1) FARC, eigentlich F.A.R.C.-E.P. (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia - Ejercito del Pueblo – Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens / Volksarmee), ist eine kolumbianische, marxistisch orientierte Guerillabewegung. Aktiv seit 1964, gehört sie zu den ältesten noch aktiven lateinamerikanischen Guerrillaorganisationen (wikipedia). (2) AUC - Autodefensas Unidas de Colombia : Eine rechtsgerichtete Privatarmee der Großgrundbesitzer, die teils mit Duldung, teils sogar mit Unterstützung des Staates und der Armee linke Guerillabewegungen bekämpft (wikipedia).