Der große Unterschied: keine reine Erziehungssache (Auszüge aus

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Der große Unterschied: keine reine Erziehungssache (Auszüge aus: Gehirn und Geist Nr. 5,
2003 (S. 50 – 56)
Geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede:
 Jungen sind vom ersten Lebenstag an impulsiver, schwerer zu beruhigen und rascher
emotional aufgedreht.
 Jungen ist es mit 6 Monaten deutlich wichtiger als Mädchen, sich durchzusetzen, sie nehmen
viel häufiger anderen Kindern das Spielzeug weg.
 Schon mit einem Jahr werden geschlechtsspezifisch unterschiedliche Spielzeuge bevorzugt:
Jungen bes. Autos und Maschinen, Mädchen Stofftiere und Puppen.
 Besonders große Unterschiede treten bei der Bewältigung von Konflikten auf:
 - Jungen bauen schnell stabile Rangordnungen auf und vermeiden damit zukünftige
Konfrontationen weitgehend, versuchen sich in Konflikten durch körperliche Gewalt,
Drohungen und Imponiergehabe durchzusetzen. Mit 4 Jahren haben sie sich zu wahren
Experten der Selbstdarstellung entwickelt.
 - Mädchen haben zumeist keine stabilen Rangordnungen, werden deutlich seltener
handgreiflich, im Konflikt neigen sie dazu, damit zu drohen, den Kontakt zu anderen
abzubrechen
Es stellt sich die Frage, ob Umgebung und Erziehung tatsächlich in so hohem Ausmaß wie bisher
angenommen für die geschlechtstypischen Verhaltensunterschiede verantwortlich sein kann.
Es ist eine häufig nachgewiesene Tatsache, dass Eltern Söhne anders behandeln als Töchter – laut
neuer Studie reagieren sie dabei aber die unterschiedlichen Verhaltensangebote, die ihnen ihr
männlicher bzw. weiblicher Nachwuchs schon kurz nach der Geburt macht.
 Jungen fordern mehr Aufmerksamkeit, sind anspruchsvoller und „schwieriger“
 Mädchen sind in der Regel emotional ausgeglichener, leichter zu beruhigen, suchen öfter
Blickkontakt
Als Bestätigung werden auch Erfahrungen aus sog. „Kinderläden“ zitiert, in denen die Kinder
möglichst aggressionslos und ohne Bezüge zu den sonst traditionellen Geschlechterrollen erzogen
werden sollten. In einer Untersuchung erwies sich das Spielgeschehen in Kinderläden durchaus als
konfliktärmer als in herkömmlichen Kindergärten: dies lag jedoch daran, dass die Mädchen im
Streitfall immer nachgaben, Verhaltensunterschiede waren her viel stärker ausgeprägt, Jungen
dominierten durch Aggressivität. Ähnliche Erfahrungen lieferte die Kibbuzbewegung in Israel, wo
Kinder in speziellen Kinderhäusern aufgezogen wurden, um Gleichberechtigung zwischen
Geschlechtern zu schaffen, und die Frauen von der Kinderaufzucht zu befreien: - als Erwachsene
kehrten die so aufgezogenen Kindern ganz bewusst in einer Kehrtwendung zur traditionellen
Rollenverteilung zurück.
Melford E. Spiro schloss aus seinen Untersuchungsergebnissen, dass nicht wie bislang angenommen,
Geschlechtsrollen ausschließlich kulturell bestimmt werden, sondern dass es präkulturelle
Determinanten geben muss, biologische Faktoren, die das Verhalten der Menschen wesentlich
mitbestimmen.
Erklärungsansatz der präkulturellen Determinanten:
Durch Vererbung bzw. Evolution geprägte Persönlichkeitsunterschiede bzw. Dispositionen müssen
einen biologischen Sinn und Nutzen besitzen, sonst haben sie im Laufe der Evolution keine Chance
auf „Durchsetzung“ - sie müssen ihren Trägern sozusagen Fortpflanzungsvorteile gewähren.
Geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede machen biologisch durchaus Sinn, da sich Männer und
Frauen in Bezug auf ihre Fortpflanzung grundlegend unterscheiden:
 Eine Mutter muss während der 9 Schwangerschaftsmonate wesentlich mehr Energie, Zeit und
Risiko pro einzelnem Nachkommen aufwenden als der Vater.
 Biologen sprechen von einer deutlich höheren parentalen Investition der Frauen. Und:
Frauen können prinzipiell weniger Nachkommen in die Welt setzen als Männer
 Männer können auf Quantität – auch mit verschiedenen Partnerinnen setzen
Verschiedene „Fortpflanzungsstrategien“:
 Männer können sich auf eine „quantitative Fortpflanzungsstrategie“ festlegen, ihre Gene also
sehr häufig vermehren
 Frauen müssen eine qualitative Strategie nutzen, denn für Mütter zahlt es sich aus, in die eher
wenigen Nachkommen auch nach der Geburt Zeit und Mühe zu investieren, um ihnen eine
möglichst gute Überlebenschance und Startbasis für den Daseinskampf zu verschaffen.
 Für Frauen rangiert eine fürsorgliche Veranlagung auf Grund der hohen parentalen
Investition an erster Stelle.
 Bei Männern ist das Konkurrenzverhalten gegenüber möglichen Rivalen besonders
ausgeprägt.
 Das schon im Kindergarten zu beobachtende typisch männliche Imponierverhalten wird hier
als Produkt einer Stammesgeschichte interpretiert, in der Männer ständig um die verfügbaren
Geschlechtspartnerinnen wetteifern mussten.
In fast allen bekannten Kulturen sind vor allem Frauen für die Kinderbetreuung zuständig, fürsorgliche
Tätigkeiten sind hier ihr klassisches Betätigungsfeld.
Durch Industrialisierung sind Berufbilder und Lebensweisen der Menschen revolutioniert worden:
Frauen streben auch in traditionell männliche Berufe -> und geraten dadurch unvermeidlich in
Konkurrenz zu den Männern und in Konflikt mit den Besonderheiten der Durchsetzungsstrategien von
Männern
Interpretation und Folgen von geschlechtsspezifischem Verhalten
 Jungen und Männer stufen ihre eigenen Leistungen und Fähigkeiten deutlich höher ein als
Frauen:
 - in einer amerikanischen Untersuchung ließ man Studierende über mehrer Jahre hinweg ihre
Noten bei der Semesterabschlussprüfung voraussagen: junge Männer hatten sich im
Durchschnitt regelmäßig über-, junge Frauen dagegen unterschätzt, ohne dass beide aus der
Erfahrung etwas gelernt haben.
 Aus einer Untersuchung von Buchstabierwettbewerben von 1982: wenn Kinder ihre
Konkurrenten als leistungsstärker einschätzten, meldeten sich fast nur noch Jungen. Damit
kamen die Mädchen weniger zum Zuge, obwohl diese eigentlich besser buchstabieren
konnten.
 Männer sollen eine Neigung haben, untereinander Rangordnungen auszubilden, eine
sogenannte Dominanzhierarchie zu bilden. Dies ist schon bei Jungen im Kindergarten zu
beobachten, die Rangordnung wird durch Droh- und Imponiergehabe, notfalls brachial
gebildet. Diese Struktur erlaubt, relativ schnell einen Konsens zu erreichen und zu
kooperieren.
 Frauen ordnen sich dagegen ihren Geschlechtsgenossinnen nur ungern unter, ziehen häufig
einen männlichen Chef vor. In Frauengruppen herrscht eine reine Geltungshierarchie, eine
hohe Rangposition entsteht durch persönliches Ansehen, die einzelnen Mitglieder streben nach
Anerkennung und Lob. Diese Struktur ist anfälliger und weniger stabil, da man sich
Anerkennung nicht ein für alle Mal erkämpfen kann, man muss sich ständig neu um sie
bemühen.
Frauen und Männer konkurrieren unterschiedlich: um Frauen zu entmutigen und zur Aufgabe zu
bewegen, genügt oft schon die Konfrontation mit der höheren Selbsteinschätzung der Männer,
ihrer eingeübten Selbstdarstellung und ihrer ausgeprägten Misserfolgstoleranz.
Konsequenzen in der Schule: Studien ergaben, das Schüler in gemischten Klassen wesentlich
stärker zu geschlechtsspezifischen Präferenzen neigen . im Vergleich zu getrenntem Unterricht
wählten Jungen häufiger mathematisch-naturwissenschaftliche Fächer – und Mädchen Sprachen
und Kunst. An getrenntgeschlechtlichen Schule und Universitäten entwickeln Frauen dagegen ein
höheres Vertrauen in ihre eigene Leistung, gerade auch auf dem naturwissenschaftlichem Sektor.
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