=XU2QWRORJLHGHU6FKULIWNXOWXU .ULWLNGHUYHUVFKULIWHWHQ9HUQXQIW Hausarbeit im Rahmen der Geschichte der Schriftkultur (Modul 4) des B.A. Studiengangs Kulturwissenschaften an der Fernuniversität Hagen vorgelegt von Fidel-Sebastián Hunrichse-Lara Matrikel-Nr.: 6820379 Betreuung: PD Dr. Felicitas Schmieder Lehrgebiet Geschichte und Gegenwart Alteuropas Abgabedatum: 13. 09. 2004 Dieser Inhalt ist unter einem Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen Lizenzvertrag lizenziert. Um die Lizenz anzusehen, gehen Sie bitte zu http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/de/ oder schicken Sie einen Brief an Creative Commons, 559 Nathan Abbott Way, Stanford, California 94305, USA. Ä,FK]LWLHUHPLFKRIWVHOEVW'DVZU]WPHLQH8QWHUKDOWXQJ³ George Bernard Shaw (1856-1950) Zur Ontologie der Schriftkultur ,QKDOWVYHU]HLFKQLV 1 2 3 Einleitung.................................................................................................................. 3 1.1 Problemstellung ................................................................................................ 3 1.2 Gang der Untersuchung .................................................................................... 4 Definitionen .............................................................................................................. 5 2.1 Die transzendentale Phänomenologie der Schriftkultur ................................... 5 2.2 Die strukturtypologische Phylogenese der Schriftkultur .................................. 7 2.3 Die mehrdimensionale Ontogenese der Schriftkultur....................................... 9 Interpretationsmodelle ............................................................................................ 11 3.1 Die epistemische Emergenz der kognitiven Bewußtseinsstruktur.................. 12 3.2 Die diachronische Emergenz der kognitiven Bewußtseinsstruktur ................ 13 4 Schlußfolgerungen .................................................................................................. 14 5 Zusammenfassung .................................................................................................. 15 6 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 16 7 Ehrenwörtliche Erklärung....................................................................................... 19 Zur Ontologie der Schriftkultur Einleitung 3 (LQOHLWXQJ Otto Gerhard Oexle verweist in seiner programmatischen Streitschrift zur sog. postmodernen Gefahr1 auf die Achsenzeit (1880 – 1932), die als Reaktion auf die ursprüngliche Objektivitätskrise die kulturwissenschaftliche Wende einleitete. Die Selbstreflexion wurde bereits schon damals, z.B. von Friedrich Nietzsche, Max Weber, Georg Simmel und Ernst Troeltsch, zum allgegenwärtigen und noch heute gültigen Forschungsstigma erklärt. Nichts desto Trotz sieht sich aber Oexle genötigt seine neuzeitlichen Kollegen explizit daran zu erinnern, „daß eine solche Reflexion eine historische ist, insofern sie die Historizität der Historie selbst zu erfassen sucht.“2 Die wissenschaftsgeschichtliche Reflexion bedarf jedoch des kognitiven Bewußtseins, gilt aber desgleichen auch für die Ontologie der Schriftkultur? 3UREOHPVWHOOXQJ Die Noetik wurde in ihrer Historie mit immer wiederkehrenden Grundproblemen konfrontiert, z.B. daß die Sprach- und Objektebene schlicht irregulär vermengt wurden.3 Aufgrund von sinnlosen, d.h. nicht-sachhaltigen Sätzen ergaben sich daraus zwingend eine Unmenge an Scheinproblemen.4 Die allermeisten philosophischen Antagonismen beruhen demgemäß ergo auf einem schnöden sprach-logischen Mißverständnis.5 Daraus ergibt sich nolens volens die Frage nach der sprachlichen Verankerung und beiliegend auch die nach der Projektierbarkeit von Wahrscheinlichkeitsaussagen; die logischen Schranken des naturwissenschaftlichen Objektivitätsanspruches werden damit unmißverständlich aufgezeigt: Naturgesetze entlarven sich dann als ein simples 1 Otto Gerhard Oexle, .XOWXU.XOWXUZLVVHQVFKDIW+LVWRULVFKH.XOWXUZLVVHQVFKDIW, Originalausgabe 2000. 2 Ebd., aus: .XUV, 6. 3 Josef Mitterer, 'LH)OXFKWDXVGHU%HOLHELJNHLW, Originalausgabe 2001. 4 Rudolf Carnap, 6FKHLQSUREOHPHLQGHU3KLORVRSKLH, Originalausgabe 1928. 5 Ludwig Wittgenstein, 7UDFWDWXVORJLFRSKLORVRSKLFXV, Originalausgabe 1922. Zur Ontologie der Schriftkultur Einleitung 4 Produkt einer intersubjektiven Projektionspraxis.6 Die Induktionskritik des Kritischen Rationalismus7 erhält hierdurch eine weitere Zuspitzung – die offene Flanke der empirischen Heuristik wird dieserhalb überdeutlich.8 Der Objektivitätsanspruch als solcher entpuppt sich aus diesem Grunde als reiner „Wille zur Macht“.9 Jegliche axiomatische Methodologie zur Erkenntnisaneignung wird, infolge der Offenen Frage nach der Gültigkeit der getroffenen Setzungen,10 schlußendlich zu einer rhetorischästhetischen Obliegenheit, ohne irgendeinen Anspruch auf Gewißheit, aber deswegen nicht gänzlich bar von einem Wahrheitsanspruch.11 *DQJGHU8QWHUVXFKXQJ Wie in der Soziologie üblich12 liegt es eingedenk dieser Tatsachen nahe mit Theorien kurzer bzw. mittlerer Reichweite vorlieb zu nehmen. Durch ausdauernde syllogische Intensionsabgrenzungen der hermeneutischen Begrifflichkeiten soll ferner eine deduktive Annäherung erreicht werden.13 Die Real- und die Nominaldefinitionen sollen infolgedessen sowohl parallel als auch sequentiell, d.h. als nicht abgrenzbare und antithetisch arbeitsteilige Workflow-Prozesse, sukzessiv dabei verfeinert werden. Die funktionale Bindung ergibt sich demgemäß nur aus dem Gesamtkontext – eine starke Verflechtung kann aus der konkreten Natur der Sache daher schon prinzipiell nicht ausgeschlossen werden. Die theoretische Plausibilität ergibt sich, unter Wahrung der Gegenstandsangemessenheit, konsequent aus dem faktischen Generalisierungsniveau.14 6 Nelson Goodman, 7DWVDFKH)LNWLRQ9RUDXVVDJH, Originalausgabe 1955. 7 Karl Reimund Popper, /RJLNGHU)RUVFKXQJ, Originalausgabe 1934. 8 Thomas Keutner, *UHQ]HQGHU+HXULVWLNDXV.XUV, Originalausgabe 2003. 9 Friedrich Nietzsche, $OVRVSUDFK=DUDWKXVWUD6, Originalausgabe 1891. 10 Douglas R. Hofstadter, *|GHO(VFKHU%DFKHLQ(QGORVHV*HIORFKWHQHV%DQG, Originalausgabe 1979. 11 Jean-François Lyotard, 'DVSRVWPRGHUQH:LVVHQ, Originalausgabe 1979. 12 Thomas Brüsemeister, 4XDOLWDWLYH6R]LDOIRUVFKXQJ(LQhEHUEOLFN, Originalausgabe 1999. 13 Hans-Georg Gadamer, :DKUKHLWXQG0HWKRGH, Originalausgabe 1960. 14 Anselm Strauss / Juliet Corbin, *URXQGHG7KHRU\, Originalausgabe 1996. Zur Ontologie der Schriftkultur Definitionen 5 'HILQLWLRQHQ Die aristotelische Begriffsauslegung ist, wie man weiß, nicht die einzige Art der Wesensbestimmung – Immanuel Kant unterschied dagegen vielmehr zwischen der analytischen und der synthetischen Definition.15 Wir werden auch darauf zurückgreifen, aber desgleichen ebenso auf die rein operationale Begriffsbestimmung. 'LHWUDQV]HQGHQWDOH3KlQRPHQRORJLHGHU6FKULIWNXOWXU Die Schrift als abstrakte Ideation des nachhaltigen Informationsträgers hat eine äußerst unaufgeklärte Evolutionsgeschichte. Ihr Ursprung liegt nämlich nach wie vor im Dunklen der Geschichte verborgen und läßt sich daher apodiktisch nicht genau verorten; vielmehr muß z.Z. davon ausgegangen werden, daß sie über multiple und raumzeitlich gänzlich independente Ausgangspunkte verfügte.16 Dementsprechend sind auch ihre konkreten Emanationsformen äußerst pleomorph: Sie reichen von den paläolithischen Kerbhölzern über die altägyptischen Hieroglyphen, von Jean François Champollion 1822 entziffert, den Quipus, die Knotenschnüre des Inkareiches, den, vorwiegend aus blauen Venusmuscheln- und weißen Meeresschnecken-Perlen elaborierten, WampumGürteln der Algonkin und Irokesen, bis zu den mythischen Gemälden der Aborigines, bzw. die Silberschmiedekunst der Tuareg oder dem Teppich vom Bayeux.17 Der profane Schnittpunkt dieser esoterischen Sinnzusammenhangaufbewahrungsformen ist, daß Eingeweihte, gemeinhin auch Schriftkundige genannt, nach einer hinreichenden Initiationszeit in die Lage versetzt wurden, das zugrundegelegte Zeichensystem normenkonform, in der Regel sowohl aktiv als auch passiv, zu explizieren. Während Außenstehende, unsere abendländische Kultur nennt sie gewöhnlich Analphabeten, hierzu außerstande sind – der Entzweiungscharakter der Schrift wird hierdurch klar ersichtlich, ebenso sein identitätsstiftender Aspekt. Dieser scheinbar diskrepanter, weil dialektischer Gesichtspunkt der Schrift ist freilich etwas Kulturimmanentes, „daß Kultur 15 Immanuel Kant, .ULWLNGHUUHLQHQ9HUQXQIW, Originalausgabe 1781. 16 Harald Haarmann, 8QLYHUVDOJHVFKLFKWHGHU6FKULIW, Originalausgabe 1990 17 Reinhard Wendt, (XURSlLVFKH([SDQVLRQXQGDXHUHXURSlLVFKH6FKULIWNXOWXUHQ, Originalausgabe 2004. Zur Ontologie der Schriftkultur Definitionen 6 sowohl integriert wie spaltet“,18 ist uneigentlich schon seit der postklassischen Periode der Kultursoziologie bekannt. Die bisherige Begriffseingrenzung erscheint hingegen als noch zu weit gefaßt: Zumindest die letzten drei von mir aufgezählten Emergenzformen der Schrift sind ihrem Wesen nach entweder reale Bilder oder Schmuckapplikationen, was generell nicht als Schriftform klassifiziert wird. Allerdings besteht symboltheoretisch prinzipiell kein Unterschied zwischen der Artefakten- und der Schriftrezeption:19 „Ein Bild ‚liest’ man, wie man zu sagen pflegt, so wie man Schrift liest. Man beginnt ein Bild zu ‚entziffern’ wie ein Text.“20 Ich plädiere daher vehement dafür, die fraglichen Beispiele einfach als Grenzobjekte der Schriftkultur zu betrachten. Ein symbolisches Notationssystem muß demungeachtet in der Lage sein, abstrakte Denkinhalte systematisch zu reproduzieren, um als vollendete Verschriftungsform anerkannt zu werden. Weder der realexistierende Verbreitungsgrad noch die Option zur heurigen Codedechiffrierungsmöglichkeit ist ergo maßstabsrelevant um als ein Objekt der Schriftkultur zu bestehen. Die konforme sprach-logische Überspitzung lautet daher: Ein Schriftcode ist, was dem Schriftcode bedarf – analoges gilt selbstredend auch elementar für die Schriftkultur. Die relevante und damit auch existentielle Wesensfestlegung der Schriftkultur ist insofern seine maßgeblich primäre Deutung als „ein Instrument zur Ausweitung der Gedächtniskapazität“,21 als ein kognitiv-transzendentales Depot, als ein metaphysischer Reflexionshort der menschlichen Entfaltungsgeschichte.22 Diese stellt die allumfassende und figurativ-metaphorische Exemplifizierung der perspektivischen Konventionalitäten der evolutionären, d.h. durch social networks geprägten, humanen Anthropologie dar.23 18 Hartmut Böhme, 9RP&XOWXV]XU.XOWXUZLVVHQVFKDIW, aus: .XUV6, Originalausgabe 1996. 19 Nelson Goodman, 6SUDFKHQGHU.XQVW, Originalausgabe 1968. 20 Hans-Georg Gadamer, 'LH$NWXDOLWlWGHV6FK|QHQ6, Originalausgabe 1974. 21 Gisbert Ter-Nedden, %XFKGUXFN$XINOlUXQJXQG$OSKDEHWLVLHUXQJ6, Originalausgabe 2004. 22 Oswald Schwemmer, .XOWXUSKLORVRSKLH(LQH(LQIKUXQJ, Originalausgabe 2003. 23 Nelson Goodman, 6SUDFKHQGHU.XQVW, Originalausgabe 1968. Zur Ontologie der Schriftkultur Definitionen 7 'LHVWUXNWXUW\SRORJLVFKH3K\ORJHQHVHGHU6FKULIWNXOWXU Die anschließende Klasseneinteilung der polymorphen Schriftmannigfaltigkeiten kann nur dank subluminaler axiomatisch-tautologischer D SULRUL Setzungen entwickelt werden, dies ist aus transzendentalphilosophischer Sichtweise absolut unanfechtbar und zweifelsfrei.24 Fundament der nachfolgenden Verbreitungsdisposition ist Kurs 34202.25 Der Urkeim unserer okzidentalen Schriftkultur liegt höchstwahrscheinlich am Ende des 4. Jahrtausends v. Chr. in der altsumerischen Bilderschrift begründet. Die sumerisch-babylonische Keilschrift, 1802 vom deutschen Philologen Georg Friedrich Grotefend in Göttingen enträtselt, ging mehr oder weniger direkt aus ihr hervor und vollführte die Umformung von der piktographisch-ideographischen zur abstraktlogographischen Symbolschrift.26 Zeitlich davor anzusiedeln ist die um 3000 v. Chr. auftretende ägyptische Segmentalschrift, welche sich von der Logo- zur Phonographie weiterentwickelte. Gemeinschaftlich mit der aus der mykenischen Epoche stammenden Syllabogrammen Kretas, „eine Schrift, die seit ihrem Entdecker Arthur Evans Linear B genannt wird“,27 haben die Hieroglyphen im 2. Jahrtausend v. Chr. der phönizischen Silbenschrift als Anregung gedient, besagte entfaltete sich bis Mitte des 9. Jahrhunderts v. Chr. zur Alphabetschrift weiter. Wie alle semitischen Buchstabenschriften bezeichnete sie nur die Konsonanten.28 Die Phönizier, das beherrschende See- und Handelsvolk im Mittelmeer zur damaligen Zeit,29 gaben ihre Schrift infolge ihrer Handelsbeziehungen in alle Himmelsrichtungen weiter und sie wurde dadurch zum Ausgangspunkt fast aller bekannten Schriftsysteme. 24 25 Siehe hierzu: Universal- (Jürgen Habermas) bzw. Transzendentalpragmatik (Karl-Otto Apel). Reinhard Wendt, (XURSlLVFKH([SDQVLRQXQGDXHUHXURSlLVFKH6FKULIWNXOWXUHQ, Originalausgabe 2004. 26 Ebd., 6. 27 Ludolf Kuchenbuch, $OWHXURSlLVFKH6FKULIWNXOWXU.XUVHLQKHLW6, Originalausgabe 2004. 28 29 Reinhard Wendt, (XURSlLVFKH([SDQVLRQXQGDXHUHXURSlLVFKH6FKULIWNXOWXUHQ6, Originalausgabe 2004. Werner Dahlheim, 'LH$QWLNH, Originalausgabe 1994. Zur Ontologie der Schriftkultur Definitionen 8 Die FRPPXQLV RSLQLR in der historischen Forschung tendiert inzwischen dahin, daß die Griechen während der 1. Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. die phönizischen Graphien für die Aufzeichnung ihrer Dialekte umgestalteten, d.h. die überzähligen Lettern schlicht zu Vokalzeichen umwandelten – allerdings handelt es sich hierbei lediglich um ein DUJXPHQWXP H VLOHQWLR30 Im 8. Jahrhundert v. Chr. wurde Phönizien indessen eine assyrische Provinz; die Griechen übernahmen ihre führende Stellung zur See und „in den Regionen, in die sich ihr Einfluss erstreckte, machten sie auch ihr Alphabet heimisch.“31 Die Etrusker, welche bereits um 850 v. Chr. Handel mit den Griechen trieben,32 gaben besagte Buchstabenmenge an die Römer weiter, welche ihrerseits die Versalien einflochten: Die lateinische Schrift war geboren. Aus der griechischen Majuskel wurde unter anderem das kyrillische Alphabet gestaltet, auf den griechischen Unterbau stützt sich aber auch die letzte Entfaltungsstufe der ägyptischhamitischen Sprache, das Koptische.33 Aramäisch, eine nordsemitische Schriftsprache, die ebenfalls auf dem phönizischen Konsonantenverschriftungssystem fußte, entstand in Nordsyrien und war bis zur römischen Zeit die /LQJXD )UDQFD des Vorderen Orient, sogar bis nach Indien. „Rund 250 Schriftsysteme gehen auf das aramäische Alphabet zurück“,34 darunter Hebräisch, Syrisch, Äthiopisch, Arabisch, die indischen Brahmisowie die davon abgeleiteten südostasiatischen Pali-Schriften. Die chinesische Logographie, jedes Zeichen entspricht demgemäß einem Wort bzw. Begriff, pocht noch heute auf ihre entwicklungsgeschichtliche Autonomie gegenüber der abendländischen Tradition, selbst nach der Einführung des Lateinschrift- Hilfssystems 3LQ\LQ35 Die Autarkie der Schriftcodierung von der Lautentwicklung 30 31 Ludolf Kuchenbuch, $OWHXURSlLVFKH6FKULIWNXOWXU, Originalausgabe 2004. Reinhard Wendt, (XURSlLVFKH([SDQVLRQXQGDXHUHXURSlLVFKH6FKULIWNXOWXUHQ6, Originalausgabe 2004. 32 Werner Dahlheim, 'LH$QWLNH, Originalausgabe 1994. 33 Harald Haarmann, 8QLYHUVDOJHVFKLFKWHGHU6FKULIW, Originalausgabe 1990 34 35 Reinhard Wendt, (XURSlLVFKH([SDQVLRQXQGDXHUHXURSlLVFKH6FKULIWNXOWXUHQ6, Originalausgabe 2004. Ebd., 6. Zur Ontologie der Schriftkultur Definitionen 9 verleiht der chinesischen Notationsart eine enorme literarische Geschlossenheit in Raum und Zeit:36 Selbst Angehörige fremder Sprachen, wie z.B. Vietnamesen, Thailänder, Japaner und Koreaner, die lediglich die chinesischen Graphen adaptiert haben, aber auch die innerchinesischen Dialektgruppen, die sich ansonsten verbal nicht verständigen können, haben hierdurch eine gemeinsame Kommunikationsbasis.37 Ob und in wie weit die mesoamerikanischen Hieroglyphen eventuell altägyptische Wurzeln haben könnten, ist dagegen noch ungeklärt – unmöglich erscheint es zumindest nicht.38 'LHPHKUGLPHQVLRQDOH2QWRJHQHVHGHU6FKULIWNXOWXU Die Praxis der Schriftlichkeit unterscheidet sich in gravierender Art und Weise von der oralen Betätigung, „die unterschiedliche Pragmatik von Rede und Schrift läßt sich mit Hilfe der Begriffe ‚Empraxie’ und ‚Intertextualität’ näher bestimmen.“39 Die primäre Diktion der Literalität ist prinzipiell eine nachgelagerte, situationsentbundene, stets kritisch-abstrakt distanzierende Interaktionsform, mit universell normorientiertem, aufhäufendem Charakter.40 Der graphisch-systematische Strukturierungsaspekt jeglicher Schriftkultur ist unmißverständlich: „Schreiben ist flächenbezogenes Handeln.“41 Die textverknüpfende Zitationstechnik stellt ergo eine imaginative Markierungsform sowohl durch als auch mit dem gegenständlichen Areal dar, hierdurch entsteht logischerweise zwingend auch eine hierarchische, „‚flächengeschichtliche’ Betrachtungsweise“.42 Die Fabrikationspraxis folgte dieser Ordnungsentwicklung durch eine kontinuierliche und aszendente bibliographische Katalogisierbarkeit der Verschriftungsobjekte – dies ist nur durch die inhärente Autoritätssteigerung der literarischen Machwerke zu erklären. 36 37 Eugen Feifel / Kikuya Nagasawa, *HVFKLFKWHGHUFKLQHVLVFKHQ/LWHUDWXU, Originalausgabe 1959. Reinhard Wendt, (XURSlLVFKH([SDQVLRQXQGDXHUHXURSlLVFKH6FKULIWNXOWXUHQ6I, Originalausgabe 2004. 38 Thor Heyerdahl, ([SHGLWLRQ5D, Originalausgabe 1970. 39 Gisbert Ter-Nedden, %XFKGUXFN$XINOlUXQJXQG$OSKDEHWLVLHUXQJ6, Originalausgabe 2004. 40 Walter J. Ong, 2UDOLWlWXQG/LWHUDOLWlW, Originalausgabe 1982. 41 Ludolf Kuchenbuch, $OWHXURSlLVFKH6FKULIWNXOWXU.XUVHLQKHLW6, Originalausgabe 2004. 42 Ebd. Zur Ontologie der Schriftkultur Definitionen 10 Die Apperzeption besagter Verschriftungserzeugnisse muß sich logischerweise historisch gewandelt haben. Die wohl einflußreichste Diatribe zum Schriftverständnis dürfte wohl Platons 3KDLGURV sein: „Denn dies Bedenkliche, Phaidros, haftet doch an der Schrift, und darin gleicht sie in Wahrheit der Malerei. Auch deren Werke stehen doch da wie lebendige, wenn du sie aber etwas fragst, so schweigen sie stolz. Ebenso auch der geschriebenen Reden. Du könntest glauben, sie sprächen, als ob sie etwas verstünde, wenn du sie aber fragst, um das Gesagte zu begreifen, so zeigen sie immer nur ein und dasselbe an. Jede Rede aber, wenn sie nur einmal geschrieben, treibt sich allerorts umher, gleicherweise bei denen, die sie verstehen, wie auch bei denen, für die sie nicht paßt, und sie selber weiß nicht, zu wem sie reden soll, zu wem nicht.“43 Mit anderen Worten: Die Verschriftung dekontextualisiert „was An sich ist“44 und für die Rekontextualisierung muß der Rezipient aktiv vorsorgen.45 Dies gelingt im Alltagsleben nur, weil die Sprache im Sinne eines formalistischen Algorithmus stets unscharf und chronisch sinnstiftend ist, d.h. „Sinn macht es.“46 Wenn jedoch extrem divergierende soziale Lebenswelten interpretierend überbrückt werden müssen, dann funktioniert diese empathische Modellierbarkeit nicht mehr zuverlässig.47 Diese historische Einsicht ist allerdings jüngeren Datums und berührt zwar sowohl die wahrnehmende Betrachtung als auch die bedeutungstragende Prägung der Schriftkultur, erklärt jedoch nicht ihren autoritativen Hegemonieanspruch. Die Sentenz „quod non est in actis non est in mundo“48 weist uns allerdings den Weg: Der ontische Ursprung der Schriftkultur liegt nämlich keinesfalls in der schöngeistigen Literatur, als vielmehr in der engherzigen Verwaltung. Die ersten Notationen waren Quantitäten. Die Ontogenie des „Medium der kognitiven Evolutuion [sic!]“49 startete ergo ganz profan als schnöde Steuerliste oder gar als schlichter Schuldscheinäquivalent. Die machtherrschaftliche 43 Platon, Phaidros, 275 C-D, Originalausgabe c.a. 367 v. Chr.. 44 Georg Wilhelm F. Hegel, 3KlQRPHQRORJLHGHV*HLVWHV*:, Originalausgabe 1807. 45 Oswald Schwemmer, .XOWXUSKLORVRSKLH(LQH(LQIKUXQJ, Originalausgabe 2003. 46 47 48 49 Thomas Heinze, .XOWXUVSRQVRULQJ0XVHXPVPDUNHWLQJ.XOWXUWRXULVPXV6, Originalausgabe 2002. Rudolf Vierhaus, 'LH5HNRQVWUXNWLRQKLVWRULVFKHU/HEHQVZHOWHQ, Originalausgabe 1995. Was nicht in den Akten steht, existiert nicht auf der Welt. Gisbert Ter-Nedden, %XFKGUXFN$XINOlUXQJXQG$OSKDEHWLVLHUXQJ6, Originalausgabe 2004. Zur Ontologie der Schriftkultur Interpretationsmodelle 11 Verankerung der anfänglichen Verschriftungskultur ist dadurch klar ersichtlich und nur hieraus leitete sie auch ihre originäre Autorität ab. „Seit den frühesten Zeiten der Sumerer und Akkader war in ganz Mesopotamien alles Land stets Eigentum der Götter, und die Menschen waren ihre Sklaven. [...] und in den allerältesten uns überkommenen Schriftdokumenten findet man den König als den ‚Pachtbauern des Gottes’ bezeichnet.“50 Die einleitende Quantitätenverschriftung diente infolgedessen also lediglich als unverzichtbare feudale Mnemotechnik. Erst durch ihre epigonale Tauglichkeit ebenso auch poetische Rede- und Liedinhalte durch mediale Tranzkodierung systematisch abzubilden um sie hinterher durch erneute Transposition zu reproduzieren errang sie schlußendlich ihr heutiges Prestige. Diese Versifizierung der Schriftkultur geschah bei den Griechen durch die kanonische Überlieferung von Homers ,OLDV und 2G\VVHH schon beizeiten.51 Doch schon bei Platons Werken sind die Emanzipationsbestrebungen des Schriftmediums konkret wahrnehmbar – die systematische Verschriftungspraxis lotst zur gedanklichen Systematik, zur logischen Begriffsreflexion, zur Geburtsstunde der okzidentalen Philosophie als „Fußnoten zu Platon“.52 Damit wären wir indes auch schon bei den Nachwehen des Historizismus aus dem Geiste der Literalität angelangt, speziell die ansteigende deterministische Entfremdung und die dichotomische Akkumulation der hermeneutischen Wissensbasis stellen in der modernen Wissensgesellschaft nicht zu unterschätzende prozeßlogische Inkohärenzen dar.53 ,QWHUSUHWDWLRQVPRGHOOH Infolge des theoretischen Samplings der Grounded Theory wurde eine stärkere Theorieorientierung zulässig.54 Bis jetzt gab es aber latent eine oszillierende Kopräsenz zwischen der Schriftkultur und dem Bewußtsein. Diese Kausalbeziehung ist jedoch ein 50 Julian Jaynes, 'HU8UVSUXQJGHV%HZXWVHLQV6, Originalausgabe 1976. 51 Ludolf Kuchenbuch, $OWHXURSlLVFKH6FKULIWNXOWXU, Originalausgabe 2004. 52 Alfred North Whitehead, 3UR]HXQG5HDOLWlW6, Originalausgabe 1979. 53 Hans-Georg Gadamer, :DKUKHLWXQG0HWKRGH, Originalausgabe 1960. 54 Barney G. Glaser / Anselm Strauss, *URXQGHG7KHRU\, Originalausgabe 1967. Zur Ontologie der Schriftkultur Interpretationsmodelle 12 gängiger semantischer Irrtum. Eine methodisch-systematische Demarkation ist daher obligat. Grundlage hierfür ist das erste Buch „Bewußtsein, Geist, Gehirn und Seele“ des an der Princeton University lehrenden Psychologen Julian Jaynes, Kapitel 1 bis 4.55 'LHHSLVWHPLVFKH(PHUJHQ]GHUNRJQLWLYHQ%HZXWVHLQVVWUXNWXU Zuerst einmal gilt es streng zwischen Reaktionsvermögen und Bewußtsein zu unterscheiden, denn ersteres ist neurologisch bedingt und läßt sich ausnahmslos durch die behavioristischen Verhaltenskategorien beschreiben.56 Für viele Reaktionsvorgänge gibt es indes keine entsprechende Bewußtseinsrepräsentanz. „Weil wir kein Bewußtsein davon haben, wovon wir kein Bewußtsein haben“,57 täuscht es uns vielmehr ein nicht existentes Erlebniskontinuum vor. Das Bewußtsein ist ferner kein Abbild des Erlebens und weder für die Begriffsbildung noch für das Lernen oder das Denken erforderlich, geschweige denn für die Vernunfttätigkeit.58 Das Bewußtsein ist vielmehr der faktische Erlös der sprachlich-metaphorischen Symbolbildung.59 Besagte intraspezifische Bewußtseinsdisposition charakterisiert sich primär durch die konstruktivistische Projektion eines introspektiven Handlungsraumes (Spatialisierung), dann durch die objektgebundene Imagination aller (Teil-)Aspekte der Spatialisierung (Exzerpierung), welche anschließend durch reflexive Handlungsagenten bevölkert wird (Ich (qua Analogon)), selbstredend nicht nur autoskopisch, sondern auch aus völlig freier Perspektive beobachtbar (Ich (qua Metapher)), um nachfolgend einen epischen Quasiadventure in Kausalverkettung der spatialisierten Zeitstruktur selektiv einzuleiten (Narrativierung), das Endziel ist ergo die kontinuierliche und regelgeleitete Assimilation neuerworbener Bewußtseinskonzeptionen (Kompatibilisierung).60 55 Julian Jaynes, 'HU8UVSUXQJGHV%HZXWVHLQV6, Originalausgabe 1976. 56 Ebd., 6I. 57 Ebd., 6. 58 Ebd., 6. 59 Ebd., 6. 60 Ebd., 6. Zur Ontologie der Schriftkultur Interpretationsmodelle 13 Nach der Spieltheorie61 sind es Manöverübungen für die Verhaltensoptimierung in reale Konkurrenzsituationen. Die sprachlich-metaphorische Ausgangsprämisse hat indes auch gravierende Implikationen: Als explizites Subsystem der Sprache, ist dessen Psychoentfaltung erst danach anzusiedeln – weit nach der Schrifterfindung.62 'LHGLDFKURQLVFKH(PHUJHQ]GHUNRJQLWLYHQ%HZXWVHLQVVWUXNWXU „Am Anfang war Homer. ,OLDV und 2G\VVHH“.63 Und der daktylisch-spondeischer Hexameter hat hierdurch seine klassische Prägung vorgefunden; und die Epitheta; und die Iteraten; und der herannahende Geist abendländischer Epiker manifestierte sich am Horizont – doch von welcher psychoevolutionärer Mentalität kündeten sie nun konkret? Die moderne Oral-Poetry-Forschung hat seither analysiert, daß die Ur-,OLDV bereits um 1230 v. Chr. von umherwandernden DRLGRL deklamiert wurde, ehe man sie in der 1. Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. verschriftete.64 Frappant ist freilich, daß Homers ,OLDV „keine Wörter für Bewußtsein oder Bewußtseinstätigkeiten“65 kennt. Die archaischen Heroen dachten nicht selbst. Ihre Götter lenkten quasi immediat alle ihre Aktivitäten. „Die Götter waren Organisationstypen des Zentralnervensystems; sie lassen sich als ‚personae’ im Sinne scharf ausgegrenzter Konsistenzen im Zeitfluß auffassen, als Amalgame von Elternund / oder Erzieher-Imagines.“66 Dieses vorbewußte Geistesstadium, die bikamerale Psyche, würden wir heute als eine paranoide Schizophrenie determinieren, als eine symptomatische Psychose. Die linke Hemisphäre des bikameralen Zerebrums beherbergte eine Ich-Repräsentation namens Gott und die rechte Hemisphäre eine Ich-Repräsentation namens Mensch, die Edikte zumeist als Gehörshalluzinationen entgegennahm; beide hatten kein Bewußtsein. 61 John von Neumann u.a., 6SLHOWKHRULHXQGZLUWVFKDIWOLFKHV9HUKDOWHQ, Originalausgabe 1944. 62 Julian Jaynes, 'HU8UVSUXQJGHV%HZXWVHLQV6II, Originalausgabe 1976. 63 Ludolf Kuchenbuch, $OWHXURSlLVFKH6FKULIWNXOWXU.XUVHLQKHLW6, Originalausgabe 2004. 64 Julian Jaynes, 'HU8UVSUXQJGHV%HZXWVHLQV6, Originalausgabe 1976. 65 Ebd., 6. 66 Ebd., 6. Zur Ontologie der Schriftkultur Schlußfolgerungen 14 Die mythischen Heldenfiguren der ,OLDV und 2G\VVHH waren also größtenteils halluzinierende Automaten, die unter Entscheidungsstreß ihren Göttern wortwörtlich beim Denken zuhören konnten. Jede Form des Selbstantriebes war ihnen vollkommen fremd. Besagte Stimmenhalluzinationen waren allerdings die Conditio sine qua non für die dialektische Entwicklung der kognitiven Selbstermächtigung.67 Die bikamerale Psyche war uneigentlich zunehmend mit dem fortschreitenden historischen Prozeß der gesellschaftlichen Komplexitätssteigerung evolutionär elementar überfordert und sollte entwicklungsgeschichtlich von der subjektiven Bewußtseinsstruktur abgelöst werden.68 6FKOXIROJHUXQJHQ Verknüpft man die schriftkulturellen Definitionen mit den psychoevolutionären Interpretationsmodellen, dann ergibt die Restmenge voraussichtlich die ontische Essenz der Schriftkultur. Die Schrift und damit die Schriftkultur kann demnach gar nicht GDV 0HGLXP der kognitiven Evolution sein – GDV0HGLXPder kognitiven Evolution war, ist und bleibt die Sprache selbst; als eine abstrakte und universale Ideation der figurativallegorischen Metaphorik. Folglich kann lediglich auf der Sprach-Ebene das Medium des Mediums und das Medium derart mißverstanden werden.69 Wer also nun expliziert, daß „historisch und systematisch […] die Schrift die Bedingung der Möglichkeit für komplexes Denken“70 sei, plaziert nur eine unzulässig verankerte Aussage.71 Komplexe Reflexionsleistungen finden uneigentlich nur im Geiste statt und definitiv nicht im symbolischen Notationssystem. Ideenfolgen werden in der Regel fast linear verschriftet, anschließend rhetorisch-effektvoll und dekorativ-ästhetisch umstrukturiert und hinterher eventuell der Öffentlichkeit wie auch immer zugänglich gemacht. Die Soseinslehre der Schriftkultur ist ergo die DLVWKHVLV und für uns beifolgend die transzendentale Ästhetik.72 67 Ebd., 6. 68 Ebd., 6. 69 Siehe hierzu: Willard Van Orman Quine, :RUWXQG*HJHQVWDQG, Originalausgabe 1960. 70 Gisbert Ter-Nedden, %XFKGUXFN$XINOlUXQJXQG$OSKDEHWLVLHUXQJ6, Originalausgabe 2004. 71 Nelson Goodman, 7DWVDFKH)LNWLRQ9RUDXVVDJH, Originalausgabe 1955. 72 Immanuel Kant, .ULWLNGHUUHLQHQ9HUQXQIW, Originalausgabe 1781. Zur Ontologie der Schriftkultur Zusammenfassung 15 Die sinnliche Erkennbarkeit der zugrundeliegenden Verschriftungsstrukturen ist für die informationstheoretischen Decodierungsprozesse der Schriftkultur existentiell. Die komplexen Bedeutungstranskriptionen, um den pragmatischen Informationsgehalt aus dem Negentropie-Wahrscheinlichkeitsfeld dynamisch zu extrahieren, welcher sich aus dem abgeschlossenen Zeichenvorrat eines Notationssystems ergibt, wären ansonsten schlicht undurchführbar.73 Diese syntaktisch-semantische Codeinterpretation ist darum die zyklisch-funktionale Ausgangsbedingung der Schriftkultur. Infolge des einseitigen und nichtkooperativen Kopplungscharakters der Schriftkommunikation und ihre formal offene Codestruktur ergibt sich eine prinzipiell unendliche algorithmische Tiefe. Somit ist jede mnemonisch-symbolische Notationsform primär ein komplex-adaptives System und erst für uns neuzeitliche Bewußtseinssubjekte wird hieraus beifolgend ein kognitivtranszendentaler Gliederungshort. =XVDPPHQIDVVXQJ Einst wurde der Objektivitätsglaube zu Grabe getragen, nun werden die „MetaErzählungen“74 bestattet. Die geschichtsphilosophische Selbstreflexion frißt demzufolge ihre Kinder. Noch sind indes nicht alle wissenschaftsgeschichtlichen Chimären beerdigt, wenngleich ihre Totenglocken bereits öffentlich läuteten.75 Einige längst widerlegte Theorien irren scheinbar noch als Zombies umher, immer dem zu Willen, der sie zum Leben erweckt hat. Aus semantisch-ontologischer Perspektive stellt sich nämlich die Sachlage elementar einfach dar: Die Schrift ist ein Gedächtnisspeicher und daher ist die Schriftkultur primär ein Erinnerungskultus. Die metaphysischen Implikationen stellen insofern nur das unabschließbare Resultat der kognitiv-evolutionären Fortentwicklung dar und sind ergo als ein absolut independenter Workflow-Prozeß zu determinieren. Erst die, durch Platons reflexiv fundierte Schriftpraxis angeregte, diskursive Integration beider Prozeßzweige lotste zur kognitiven Relevanz der modernen Schriftkultur. Als explizites Subsystem der Metaphorik ist sie indes extrem anfällig für Äquivokationen. 73 Holger Lyre, ,QIRUPDWLRQVWKHRULH, Originalausgabe 2002. 74 Jean-François Lyotard, 'DVSRVWPRGHUQH:LVVHQ6, Originalausgabe 1979. 75 Siehe hierzu: Erika Fischer-Lichte, 9RPÄ7H[W³]XUÄ3HUIRUPDQFH³ Originalausgabe 2000. Zur Ontologie der Schriftkultur Literaturverzeichnis 16 /LWHUDWXUYHU]HLFKQLV %|KPH, Hartmut: 9RP&XOWXV]XU.XOWXUZLVVHQVFKDIW=XUKLVWRULVFKHQ6HPDQWLNGHV.XOWXUEHJULIIV. In: %HFNPDQQ, Jan P. (Redaktion) (LQIKUXQJLQGDV6WXGLXPGHU.XOWXUZLVVHQVFKDIWHQ. Hagen, 2002. %UVHPHLVWHU, Thomas: 4XDOLWDWLYH6R]LDOIRUVFKXQJ(LQhEHUEOLFN. Hagen, 1999. &DUQDS, Rudolf: 6FKHLQSUREOHPHLQGHU3KLORVRSKLH. 1. Auflage, Frankfurt am Main, 1966. 'DKOKHLP, Werner: 'LH$QWLNH*ULHFKHQODQGXQG5RPYRQGHQ$QIlQJHQELV]XU([SDQVLRQGHV,VODP. 6. Auflage, Paderborn, 2002. )HLIHO, Eugen, 1DJDVDZD, Kikuya: *HVFKLFKWHGHUFKLQHVLVFKHQ/LWHUDWXU. 2. 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Ich versichere, daß ich bisher keine Hausarbeit oder sonstige schriftliche Arbeit mit gleichem oder ähnlichem Thema an der Fernuniversität oder einer anderen (Fach-) Hochschule abgegeben habe. Ort, Datum: Stuttgart, den 03. 09. 2004 Unterschrift: Zur Ontologie der Schriftkultur