BILANZPROTvonPOLsocialismPHILam60204duchSARAhRIESEBERG: (ich brauchte wieder nur den Buchstaben B vorne) Liebe Kommiliton(Inn)en ! Entschuldigen Sie, dass ich am Freitag nicht mehr in die Tutorien kommen konnte: Ich fühlte mich nach der Vorlesung nicht sehr gut. Ich bin nachhause gefahren und habe fast 20 Stunden geschlafen. Die Kinder und Enkel haben auf mich aufgepasst. Wenn es mir schlecht geht, sind sie immer ganz lieb. Sie mögen nur nicht, dass ich – wenn es mir normal geht – so viel regele. Sie wollen mittun und nicht nur brav sein, was Kinder in unseren Breitengraden zu lange nur waren.-------So jetzt aber ran ans Protokoll. Meine Sozialismus-Vorlesung war zwar von der Sache her - aus meiner Sicht – o.k., aber ich war zu wenig konzentriert, habe didaktisch viele Ergänzungen zur comprehensibilisation nicht gebracht, war nur froh, dass ich performativ über die Runden kam.------- Das holen wir jetzt vielleicht beim Protokoll ein wenig nach. Bevor Sarah ihr Protokoll schickt, schreibe ich schnell einige mögliche, nach ihrem Aufschreiben aber ‚verbrannte’ Fragen für die Klausur auf, um die Sie mich gebeten hatten: - Rekonstruieren Sie bitte die ‚Entstehung des Politischen’ in der Antike. - Erläutern Sie bitte den Begriff der Gerechtigkeit bei Platon. - Rekonstruieren und bewerten Sie einige der zentralen Unterschiede zwischen dem ‚Principe’ und den ‚Discorsi’ von Machiavelli. - Erläutern und bewerten Sie einige historische und systematische Gründe für die große Bedeutung des ‚property’ bei Locke und auch in seiner Nachfolge. - Worin liegen die Probleme in Rousseau’s Demokratie-Theorie und wie bewerten Sie sie? - Beschreiben Sie bitte die Unterschiede zwischen ’bürgerlicher Gesellschaft’ und Staat’ in Hegels Rechtsphilosophie. - Interpretieren und bewerten Sie bitte den Satz aus den Federalist Papers: „Ambition is to be made to counteract ambition.“ - (Worin besteht für Weber der Unterschied zwischen ‚Gesinnungs- und VerantwortungsEthik’ ? - Erläutern Sie bitte , warum John Rawls in seinem politischen Liberalismus auf den Begriff des ‚reflective equilibrium’ zurückgreift. Und bitte noch mal: Bitte nicht bangemachen lassen!!!. Das schaffen Sie alle. Arbeiten Sie nur bitte unsere Materialien alle durch. Dann kann eigentlich gar nichts passieren.!!!!!!!!!!! Und fragen Sie bitte, bis Ihnen alles klar ist,zunächst nach den allgemeinen Theoriestrukturen, dann nach den kleinen Details. Denken Sie auch bitte immer an den inhaltlichen Faden, den ich durch die Abfolge der Vorlesung hindurchzuziehen versucht habe (als Denk- und Bew.Geschichte, statt nur als ideengeschichtliche Reihung und gedankliche Turnübungen .) - Die Gegenüberstellung der beiden Großparadigmen in Antike und Neuzeit - Das lange Mittelalter: a) als Auflösung des antiken Denkens, sowie b) als Vorbereitung des neuzeitlichen Denkens (Nom.) - Erste Neuorientierungsversuche bei Machiavelli, Bodin….. - Die Aufgabelung des neuzeitlichen Denkens in: a) Ansätze des Liberalismus im 17. Jh. bei HOBBES und LOCKE b) Ansätze des Republikanismus im 18. Jh. bei MONT. +ROUSSEAU - Zwei Vermittlungsversuche zw. Liberalismus und Republikanismus a) US-Federalist (sehr ök.lib.-lastig…) b) EU-Hegel (fast in der Nähe einer staatsgestützten Gottes-Republik) - Drei Groß-Ideologien des 19. Jh. mit ihren Haupt-Protagonisten (B+C+Marx) - Zwei Korrekturversuche am Politischen Liberalismus: WEBER + RAWLS -2– So, jetzt folgt erst mal das Protokoll der 14. Überblicksvorlesung POLPHIL zum Thema Sozialismus durch SARAH RIESEBERG : (Hat sie prima gemacht, auch einige neue Dinge probiert,z.B. Lexikon-Beiträge integriert. Dadurch ist es zwar nicht mehr ein klassisches Protokoll-aber für unsere Lernzwecke doch hilfreich. Und die Zeit eingehalten.Danke! Protokoll zur Überblicksvorlesung politische Philosophie vom 06.02.04 Protokollantin: Sarah Rieseberg Die doppelt-reaktive Großideologie des SOZIALISMUS und ihre theoretische Fundierung in den Lehren von KARL MARX im 19. Jahrhundert 1. der historische Rahmen: Ab 1500: In der Folge des Nominalismusstreit entfaltet sich der neuzeitlichen Liberalismus und das Individuum gewinnt immer mehr an Bedeutung.(Warum so distanziert ausgedrückt ?) = Freisetzung von historischer Individualität, durch die – vermittelt über einige Revolutionen - :ein Take-off, eine ungeheure, nur für den Westen typische Dynamik entfaltet wird (Vergl. Webers These vom historischen Sonderweg des okzidentalen Rationalismus) Der Ausdruck ’Freisetzung von historischer Individualität’ ist ganz schön aussagekräftig. Sie können ihn subjektiv lesen, aber auch objektiv; aber man kann ihn nicht ohne sein Implikat, die Freiheit aufseiten der Menschen lesen und begreifen. Und ohne diese Freisetzung von historischer Individualität = Freisetzung aller menschlichen Energien kann man sich die Aufwärtsbewegung der Neuzeit gar nicht erklären. – Und die Menschen haben dies nicht nur zum Aufbau irgendwelcher neuer Objektstrukturen, Staaten, Nationen, Institutionen etc. getan, sondern vor allem auch, um sich selber aus eigenem Gutdünken ein Leben aufzubauen, um ihre eigenen Hoffnungen, Wünsche und Vorstellungen zu erfüllen………… (Wägen Sie bitte noch mal diese Begriffe ab.) Bald (im Laufe vieler Jahrzehnte….) sind die Einzelmenschen dann auch zunehmend gezwungen kollektiv zu agieren, die Gruppen- und Klassenbildung setzt eine neue Dynamik in Gang, die besonders in Revolutionen ihren Ausdruck findet. -3– 14.Jhd. Nominalismusstreit 1525 Bauernkriege im hl. röm. Reich 1640 Kampf mit dem Parlament in England 1689 Bill of Rights und Glorious Revolution 1776 Unabhängigkeitserklärung in Amerika Ende des 18.Jhd Beginn der Industrialisierung in Groß Britannien Bevölkerungsexplosion und Landflucht 1789 frz. Revolution, der Gipfel dieser Entwicklung! (Bitte erheblich ergänzen aus Ihren Notaten!!!!!!!) Ab1800 (nachdem in der französischen Revolution sich die ganze Dynamik aus allen vorangegangenen kult., sozialen, wissenschaftlichen, technolog. kommerzeillen, wirtschaftlichen mund politischen Veränderungen entladen hatte…………. Liberalismus und Konservatismus müssen auf die gesellschaftlichen Veränderungen reagieren (wie wir in der vorherigen Vorlesung gehört haben), dabei wendet sich der Liberalismus zum Teil von einer offensiv-progressiven Haltung zu einer defensiven politischen Haltung, die nun doch ihre freiheitlichen Programmpunkte nur noch zögerlich für die breiten Massen, eher doch nur für ein priviligierte Besitz- und Bidlungs-Minderheit reserviert….. Ab 1830: Mitte des 19. Jahrhunderts entsteht der Frühsozialismus aus dem Liberalismus, er reagiert ebenfalls auf die denkgeschichtlichen und besonders auf die gesellschaftlichen Veränderungen. Der Liberalismus bedient nur eine kleine Besitz- und Bildungsschicht, die große Mehrheit der Bevölkerung wird von ihm ignoriert. Dieser Mehrheit aus größtenteils verarmtem und unfreiem Proletariat wendet sich temdenziell der Sozialismus zu und setzt sich kritisch mit der Minderheiten-Positionen des Liberalismus, aber auch des Konservatismus auseinander. (Zieht man für die Klientele des Lib. und des Kons. jeweil 5-10 % ab, dann bleibt für den Sozialismus – wenn nicht andere Faktoren, z.B. Religion, Psyche interferieren(was sie tun werden) – die ganze große Mehrheit der Bevölkerung, zwischen erwarteten 60 – 80 % tendenziell übrig. 2. Entstehung des Sozialismus 2.1. Die denkgeschichtliche Impulse auf den Sozialismus Der Sozialismus entsteht in den so genannten „verspäteten Nationen“ (Italien,Dtld u.a.Teile des vormaligen Hlg. röm. Reiches). Die ersten Ursprünge des Sozialismus sind eher sozial als politisch und entspringen dem deutschen (lutherischen) Protestantismus, der die Vorstellung eines grundsätzlich sozialen und geselligen Menschen vertritt –4DL (Eher: der sich , nachdem er sich politisch selbst durch Luther’s PaulusKommentare festgelegt hatte, vorwiegend sein Ethos im Sozialen, statt im progressiven Politischen fand) . Zur selben Zeit entwickelt sich die Romantik (1800 -1840), eine geistige Grundhaltung, die als Oppositionsbewegung gegen den Rationalismus mit antirational-gefühlsbetonten Bestrebungen in Literatur, Philosophie und Kunst ihren Niederschlag findet. Rousseaus Philosophie (1712-1778) liefert starke, gefühls-theoretische Impulse, er entwickelt die Vorstellung eines harmonischen Naturzustands. Es kommt zu einer Mischung aus Romantik, den protestantisch-sozialen Tendenzen und Rousseaus Philosophie. Diese Mischung ist geprägt von ihrer Rückwärtsgewandtheit zu einem gesellschaftlichen Zustand des Miteinander und der Nächstenliebe vor unserer Zeit bzw. in der Natur, einer societas naturalis. DL:Der Urzustand ist kein status exeundum mehr, sondern ein status restituendum. (Im Liberalismus wollte man aus dem als Naturzustand vorgestellten Stadium möglichst schnell heraustreten; jetzt im Sozialismus will man - weil man ihn sich so idyllisch vorstellt – eher in ihn zurückkehren. Diese Vorstellung ist geprägt von einem positiven Menschenbild und bildet damit einen zweifachen Unterschied zum Liberalismus, der Naturzustand wird als erstrebenswert und harmonisch empfunden und der Mensch als grundsätzlich gut und gesellig. Die Vorstellung von einem „Urkommunismus“ (Engels) ist der Versuch eine denkerische Legitimation zu schaffen, zu dem ähnelt sie der verklärten Vorstellung von der Antike. ( Es gibt mehrere Beispiele für einen gewissen Hang der Deutschen, in irgeneinen imaginären Zustand der Vergangenheit zurückkehren zu wollen – wohl ihrer hisrtorischen Retardation geschuldet - leider haben die Deutschen als eine verspätete Nation. auch eine merkwürdige Angst vor der Gegenwart, und die Zukunft können sie sich gar nicht positiv vorstellen- Hier ist das Glas immer halb leer; in USA immer halb voll- Angst lohnt sich nicht und bringt auch nur das Leben durcheinander…..Dabei gibt es aber einen wichtigen Sachverhalt zu beachten: Angst hat man nur, wenn man viel hat und zu verlieren droht; wir Deutschen sind ein richtig zaghaftes, defensives Volk geworden, in ständiger Angst etwas von unserem Reichtum zu verlieren, statt vertrauensvoll anzupacken, etwas aus der Zukunft zu machen; wichtig ist dabei: dass man sich immer nur auskömmlich einrichtet und bescheiden lebt. Große Häuser, große Vermögen, große Autos etc. wollen natürlich erhalten werden. Aus meiner Erfahrung kann ich nur sagen: Es lohnt alles nicht. Man kann eine vernünftige Wohnung mieten, man wird hier immer genügend zu essen haben, noch halten die Sozialsysteme….Warum nicht einfach mehr leben und sein, statt immer nur mehr haben zu wollen. Unsere Familie gibt an jedem 15.12. eines jeden Jahres das, was wir übrig haben,(Zuletzt 1.730,-Euro) an irgendeine wichtige Stiftung, zuletzt an den Förderkreis für das Mahnmals für die ermordeten Juden Europas) und im Januar leben wir weiter: ohne Angst, mit viel Liebe, Liebe…..wir leben einfach. (Übrigens die Kinder machen dies inzwischen voll mit – bei uns wird eines Tages nichts vererbt, es steckt alles im Leben.---Ich weiß: Ich quatsche. -5- Der Urkommunismus wird durch die Urkatastrophe beendet: die Entstehung von Eigentum. Aus dem Eigentum resultiert die Entfremdung und die Verelendung der Mehrheit der Bevölkerung, seine zentrale Aufgabe sieht der Sozialismus darin, die Entstehung von Eigentum im Namen dieser Mehrheit wieder rückgängig zu machen. IIdeologische Kontrahenten bei diesem Prozess sind die „Minderheiten“, der Konservatismus und der Liberalismus. Der Sozialismus reagiert also auf das Eigentumsprinzip des Liberalismus und die Theorien der bürgerlichen Ökonomen Smith und Ricardo. Während die westeuropäischen Länder ihre Herrschaftsformen modernisiert hatten, waren die verspäteten Nationen, Italien und hl. röm. Reich, in ihren vormodernen Strukturen verhaftet geblieben. Als der Westen seine Konflikte mit der Kirche bereits ausgetragen hatte, litten die verspäteten Nationen noch unter dem Diktat der Religion bzw. der Kirche, auch der Konservatismus nimmt das Religionsprinzip wieder auf. Aus dieser Konstellation entwickelt sich das anti-religiöse Element des Sozialismus, das – nach Vorarbeiten im französischen Materialismus von Holbach, Helvetius Condillac – dann bei Ludwig Feuerbach zu einer materialistischen Weltanschauung gegen den sog. Idealismus ausgebaut wurde. Somit entsteht für den Sozialismus eine „Doppelfront“, einerseits attackiert er das liberale Eigentumsprinzip, andererseits das Religionsprinzip der frühen Konservativen und der Kirchen. (das Ganze eingerahmt von Träumen an eine Ur-Idylle, von Zorn auf eine Urkatastrophe = Entstehung des Eigentums) 2.2. Entstehung des Sozialismus im klassischen Land: Deutschland In Deutschland verläuft die Verbreitung des Sozialismus zunächst zögerlich, der Sozialismus wird dann aber mit den Ideen von Sittlichkeit und der hegelianischen Metaphysik vermischt sowie mit der bereits erwähnten sozialen Grundeinstellung des Protestantismus. Die Vorstellung der sittlichen Überlegenheit des Proletariats und der hegelianisch transzendente Ansatz verhelfen dem deutschen Sozialismus zum Durchbruch und ermöglichen seine spätere Übernahme in einigen noch weiter vom aufgeklärten Westen entfernten osteuropäischen Ländern, wie z.B. Russland. Wiederholung: Wichtige Elemente, die den deutschen Sozialismus fördern und prägen: die deutsche, Rousseau-geprägte Romantik mit ihren transzendentalphilosophischen und okkultistischen Zügen die lutherisch-protestantische Sozialbewegung Die wissenschaftliche Orientierung zur Soziologie und zur Philosophie HEGELS Einfluß auf Marx, der dann durch seine geniale Begabung als Synoptiker: die deutschen, noch immer etwas retardierten Verhältnisse übersprang und ein fast alle zeitgenössischen Strömungen zusammenfassende Synthese zu schaffen versuchte. Nur mit dem menschenrechtlichen Liberalismus und der Philosophie von KANT hat er sich nie systematisch beschäftigt. (DL: zum großen späteren Schaden des Sozialismus und der von ihm angeführten Menschen - s.u.) -6– 2.3. Verbreitung des Sozialismus im Westen Der Sozialismus findet im Westen fast keine Verbreitung, zwar gibt es eine Vielzahl von Theoretikern, doch alle Ansätze sozialistischer Bewegungen scheitern. 2.4. Das Verhältnis von Sozialismus und Kommunismus Lorenz von Stein „Sozialismus und Kommunismus im heutigen Frankreich“, 1842 Der Sozialismus beschäftigt sich mit der Sozialen Frage im allgemeinen, verharrt aber in Passivität und Analyse, erst der Kommunismus hat den nötigen Willen für die Revolution und für die Durchsetzung von Veränderung. 2.5. Erste Gegenkritiken Die Liberalen reagieren auf die Entstehung des Sozialismus zuerst zurückhaltend. Die Konservativen erheben den Vorwurf, der Sozialismus sehe das Böse nicht im Menschen, sondern in der Gesellschaft, darum wolle er die Gesellschaft umstürzen, zu dem beinhalte er eine negative Theologie: „Der Sozialismus ist stark, weil er eine Theologie ist und er ist zerstörerisch, weil er eine satanische Theologie ist.“ Diese Gegenkritik bestärkt übrigens den missionalrischen Zug im Sozialismus, wie wir ihn bei Marx kennenlernen werden. Ser Sozialismus figuriert für viele, vor allem konservative Kreise alas Verkörperung des ‚Antichrist’ (Vergl. NT- Thessalonicher-) 3. Real-Historische Impulse für den Sozialismus: 3.1. Die Verwehrung der Grundwerte der bürgerlichen Revolution „egalité“ und „fraternité“ (auch:„Geschwisterlichkeit“, DL-Vorschlag)) Bei Betrachtung der politischen Verhältnisse im 19. Jahrhundert wird deutlich, dass sich die politische Partizipation zwar um bürgerliche Schichten erweitert hatte, die vom Liberalismus versprochene Gleichheit und Brüderlichkeit (verstanden als Solidarität) galt jedoch nicht für die Gesamtbevölkerung. Der (defensive) Liberalismus versuchte eine weitere Verlagerung der Macht auf eine breitere Basis zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen. [Auf die defensive Haltung des Liberalismus reagiert der Sozialismus einerseits mit einer radikalen Forderung nach Umsturz, denn eine demokratische Machtübernahme im Parlament scheint gegen liberale und konservative Kräfte nicht möglich, andere Vertreter reagieren gemäßigter und fordern ein reformatorisches Programm und eine schrittweise Machtübernahme über die Parlamente.] 3.2. Die Pauperisierung der Massen/ Das Ergebnis des Kapitalismus Historisch legitimiert sich der Sozialismus aus der gegebenen Realität: Die Industrialisierung und die Landflucht führten zu einer extremen Pauperisierung breiter Schichten der Bevölkerung, die Verelendung des Proletariats wird über die Sozialisten hinaus, wie z. B. in der Literatur im Realismus und Naturalismus, anerkannt.(Vergl. Charles Dickens, Gerhard Hauptmann etc.) [Der Sozialismus ermöglicht der Mehrheit der Bevölkerung, den Verlierern, zu Wort zu kommen, diese Identifikationsbasis für die Massen gewinnt im 20.Jahrhundert große Bedeutung.] = Sozialismus als Blick von unten auf Geschichte, Politik und Gesellschaft, statt vorteilheischender Blick von oben, von den Siegern der Geschichte her – Dies führt zur Folgerung aus der fraternité, sich einfach mehr auch moralisch um die Menschen zu kümmern. Im Sozialismus und seinen Theorien spiel meist Moral und Moralität eine höhere Rolle als in den beiden anderen Groß-Ideologien. 4. Der vor-marxsche Frühsozialismus Der „Früh-Sozialismus“ (ca. 1789-1848) zeichnet sich besonders durch seinen Praxisbezug aus, theoretische Grundlage war die Vorstellung, die soziale Problematik durch eine Gleichverteilung von Konsumgütern zu lösen, dazu unternahmen sie Versuche, wie die Gründung von Produktionsgenossenschaften, all diese Versuche scheiterten jedoch früher oder später. Den Früh-Sozialisten fehlte ein Plan zur Durchsetzung ihrer recht wagen Ziele und sie hatten sich keine Gedanken über die Bedingungen zu einer Umverteilung gemacht. Einige Vertreter sind François Noël Babeuf(1760-1797), Claude-Henri de SaintSimon (1760-1825), Charles Fourier(1772-1837), Robert Owen(1771-1858), Henri David Thoreau (1817 – 1862) sowie Wilhelm Weitling (1808-1871). DL: Der Frühsozialismus scheitert mit der 1948-er Revolution, weil er sich politisch-organisatorisch nicht auf Überwindung der bestehenden Gesellschaft eingestellt hatte, in Utopien und genossenschaftlichen Experimenten, in aussteigerhaften Alternativ-Projekten verharrt hatte. 5. Der klassische (mittlere) Sozialismus in den Lehren von KARL MARX (und Engels): 5.1. Karl Marx 1818-1894 l: Karl Marx DATUM KURZBESCHREIBUNG 1818 18351841 Marx wird am 5. Mai als Sohn eines Justizrates in Trier geboren. Marx studiert Jura, Philosophie und Geschichte in Bonn und Berlin und promoviert schließlich in Jena. Er beschäftigt sich intensiv mit der 1842 1843 Philosophie Hegels. Marx wird in Köln Mitarbeiter, dann Chefredakteur der linksliberalen Rheinischen Zeitung, die er zu einer führenden Oppositionszeitung macht. Nach dem Verbot der Rheinischen Zeitung durch die preußische Zensur übersiedelt Marx nach Paris, wo er sich von der Hegel’schen Philosophie ab- und unter dem Eindruck der französischen Sozialisten dem revolutionären Sozialismus zuwendet. In Paris beginnt Marx‘ Freundschaft mit Engels. 1845 Von der französischen Regierung aus Paris ausgewiesen, geht Marx nach Brüssel. 1846 In Brüssel gründen Marx und Engels das “Kommunistische KorrespondenzKomitee”, ein erster Versuch, eine proletarische, revolutionäre Partei zu organisieren. 1847 Marx und Engels werden vom Londoner “Bund der Kommunisten” beauftragt, ein Manifest der Kommunistischen Partei zu verfassen. 1848 Im Februar erscheint das Kommunistische Manifest. Marx wird aus Belgien ausgewiesen; nach Ausbruch der Revolutionen in Frankreich und Deutschland kehrt er über Paris nach Köln zurück, wo er die Neue Rheinische Zeitung herausgibt. 1849 Marx wird von der preußischen Regierung als Ruhestörer ausgewiesen und geht über Paris nach London ins Exil, wo er unter z. T. drückenden ökonomischen Verhältnissen, aus denen ihm immer wieder Engels(ein wohlhabender Fabrikantensohn) heraus hilft, den Rest seines Lebens verbringt. ab 1850 Marx widmet sich in erster Linie seiner umfangreichen schriftstellerischen Tätigkeit. 1859 Die erste Fassung der Kritik der politischen Ökonomie erscheint. 1864 Unter Marx‘ maßgeblicher Beteiligung wird in London die “Internationale Arbeiter Association”, die erste Internationale, gegründet. Marx verfasst die programmatische Inauguraladresse und wird eine der führenden Persönlichkeiten innerhalb der Internationale. 1867 Der erste Band des breit angelegten Werkes Das Kapital erscheint. In Der Bürgerkrieg in Frankreich stellt Marx die Pariser Kommune von 1871 1871 als Modell für die Diktatur des Proletariats heraus. Marx verfasst die Kritik des Gothaer Programms (1891 veröffentlicht), in der 1875 er scharf mit der deutschen Sozialdemokratie abrechnet. 1876 Nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Marx’schen und der Bakunin’schen Richtung zerbricht die erste Internationale. 1883 Marx stirbt am 14. März in London. Engels gibt posthum den zweiten Band des Kapitals heraus. 1885 Engels gibt den dritten Band des Kapitals heraus. 1894 Microsoft ® Encarta ® Enzyklopädie 2003. © 1993-2002 DL: So etwas ist legitm, D:L: - 10 – 5.2. Allgemeine Bemerkungen zu Marx: Marx ist Begründer des klassischen Sozialismus, er versucht die Vorgaben von Rousseau und den französischen Sozialisten, die bürgerlichen Ökonomen Smith und Ricardo und die Hegelianische Philosophie zu vereinen. Marx ist ein Gesellschaftstheoretiker und weniger ein Politiktheoretiker, sein Anspruch war es die Welt zu verändern und nicht nur sie zu interpretieren. Er ist Schüler der hegelianischen Schule, ähnlich wie bei Hegel ist die Welt für Marx gegenüber einem Urzustand entzweit. Diese Entwicklung muss in der Theorie zurückgedacht, anschließend zur Realität in Beziehung gesetzt, und drittens in der Praxis zurückgedreht werden. Marx benutzt Hegels Dialektik, er will Widersprüche aufzeigen, sucht sich einen Adressat auf der Leidensseite der Gesellschaft, die Proletarier, mit deren Kraft die Revolution vollzogen werden kann, um die GANZE Menschheit zu befreien und aus dem Zustand der Entfremdung zurückzuführen. 5. Die werkgeschichtliche Entwicklung der politik-nahen Theorien von Karl Marx: 5.3. Der frühe, radikaldemokratische Marx (1840 -44) Marx Ziel ist die Emanzipation des entrechteten Menschen. Als Ansatz entwickelt er seine Religionskritik in Anknüpfung an Feuerbach: (Sehr vereinfacht ausgedrückt) Gott ist das Produkt menschlicher Vorstellung, der Mensch wird also von seinen eigenen Vorstellungen beherrscht und ist unfrei, wenn der Mensch diesen Irrtum erkennt, kann er sich von Gott befreien. Marx erklärt die Religion zu einem sozial-pathologischen Phänomen, das auf mangelhafte soziale Umstände zurückzuführen sei, denn Religion sei die Flucht des Proletariats bzw. Opium des Volkes als Reaktion auf die untragbaren äußeren Umstände. Die reine Erkenntnis von Gott als menschliches Konstrukt reicht also nicht aus, sondern, da Religion nur Produkt einer verheerenden Realität ist, müssen die Verhältnisse verändert werden, die Basis der Religion sind. Anschließend analysiert Marx die Verhältnisse, also die ökonomische Situation, und kommt zu dem Schluss, dass die Schaffung von Eigentum zur Entfremdung des Menschen auf allen Ebenen der Produktion geführt hat: Der Einzelne wird im Kapitalismus entfremdet: 1. vom Produkt der Arbeit, diese Produkt tritt dem Arbeitenden autonom gegenüber 2. von seiner Arbeit 3. von seinem Wesen als Mensch, der Mensch kann sich nur noch als Arbeitskraft definieren 4. von seinen Mitmenschen, die zwischenmenschlichen Beziehungen werden Konkurrenzbeziehungen - 12 – Daraus folgt, dass die Ursache, das Eigentum, verändert werden muss. Er fordert die Errichtung einer Demokratie. Einem abstrakten Staat will er das konkrete Volk entgegenstellen. Kopf der Emanzipation des Proletariats ist die Philosophie, das Proletariat ist das Herz. Das Proletariat ist noch kein eigenständiger Akteur ohne die Philosophie. Bei der Philosophie handelt es sich jedoch um subjektive Erkenntnis, diese Subjektivität kann aber schwerlich die Masse zur Revolution motivieren. Dem Problem des Subjektivismus der Philosophie versucht Marx durch die Entwicklung von objektiv-historischen Grundlagen in seiner mittleren Phase zu begegnen. Fazit: Marx selber erscheint seine radikaldemokratische Analyse zu subjektivistisch, zu wenig objektiv. Also sucht er nach einem anderen Explikationsfeld. 5.4. Der mittlere, geschichtsphilosophische Marx (1844-1848/49) Marx versucht in dieser historisch-materialistischen Phase eine objektive, empirischnachvollziehbare Grundlage für seine Philosophie zu finden. Objektive Grundlagen sind die in der Geschichte vorfindlichen Gesetzmäßigkeiten, bei der Untersuchung der Geschichte greift Marx auf die Hegelsche Dialektik zurück und verändert sie: Geschichte wird nicht durch den Geist bestimmt, sondern durch die Produktionsverhältnisse/ ökonomischen Bedingungen. Der Mensch ist also durch die ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen determiniert: Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein. Dabei verliert das Individuum seine autonome Entscheidungsfähigkeit und seine Freiheit, der Einzelne und die Zielgruppe, das Proletariat, werden ent-individualisiert und auf ihre Determination reduziert. (Bitte durch Ihre Notate auffüllen)= Fazit aus der 2 Phase: Die Analyse gerät Marx zu objektivistisch. Die Geschichte erhält einen starken deterministischen Zug. Der Mensch wird nur noch als ‚Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse’ gesehen, hinter dem ja kaum noch ein revolutionär handeln wollendes Subjekt zu vermuten ist. Kurz: Marx gewinnt in seiner Geschichtsanalyse zwar Objektivität, aber er verliert das revolutionäre Subjekt, das Proletariat. 5.5. Der spätere, polit-ökonomische Marx (ab 1848) 1849 muss Marx nach London ins Exil gehen und beginnt seine Arbeit am Kapital. Marx will seine ersten Ansätzen, den subjektiven und den objektiv-historischen verbinden, bedarf dazu aber weitere wissenschaftliche Forschung. Er knüpft an die bürgerliche Ökonomie von Smith und Ricardo an, wirft ihnen aber vor, sich nicht - 13 – detailliert genug mit den Produktionsprozessen auseinandergesetzt zu haben, sondern den Wert von Ware im Warentausch als naturgesetzmäßig hinzunehmen. Gebrauchs- und Tauschwert Theorie Marx stellt sich eine Zeit vor der Akkumulation des Kapitals vor (historisch in der frühen Neuzeit/ am Ende der Feudalsysteme), als die Warenproduktion noch einfach war, daraus entwickelt er seine Dialektik vom Gebrauchs- und vom Tauschwert der Ware: Worin sind Waren verschieden? In ihrem Gebrauchswert Worin sind Waren gleich? In ihrem Tauschwert, diese ist entspricht abstrakter, qualitätsloser Arbeit. Waren sind alle Produkt von Arbeit, die Wertgröße misst sich in der Arbeitszeit. Die Wertgröße findet ihr Äquivalent in Geld und macht Waren austauschbar. Bei dem Abstraktionsprozess von konkreter Arbeit bis zum Tauschwert in der Einheit Geld entfremdet sich das Produkt von der Person, die Arbeit in sie hineininvestiert hat. Produkte und der Warenaustausch treten dem Einzelnen übermächtig und entfremdet gegenüber. Sie werden zum Fetisch und die Gesetze des Warentausches erscheinen als selbstständige Naturgesetze. Der Mensch wird von den ökonomischen Bedingungen beherrscht, die er selbst schafft. Marx will diesen Entfremdungsprozess umkehren, den Produkten und Produktionsprozessen ihren Fetischcharakter nehmen und die Prozesse auf ihre wirklichen Ursachen zurückführen. Theorie vom Mehrwert Im Verhältnis zu allen anderen Waren unterscheidet sich Arbeitskraft darin, dass sie zusätzliche Werte neu schaffen kann, den so genannten Mehrwert. Der Arbeiter (ohne eigenen Kapitalbesitz) ist selbst nur eine Ware, die Ware Arbeitskraft. Diese Arbeitskraft muss er gegen Kapital eintauschen. Der Kapitalbesitzer gibt dem Arbeiter aber nur einen Teil seiner Arbeitskraft ausbezahlt, den Mehrwert behält er ein und akkumuliert so immer mehr Kapital („tote/geronnene Arbeit“). Dieses Kapital tritt dem Arbeiter wieder verselbstständigt gegenüber.(lebendige Arbeit) Die wachsende Ausbeutung des Proletariats muss zwangsläufig zu Krisen und schließlich zum Zusammenbruch des Kapitalismus führen. 1. Wenn sich die Besitzer der Produktionsmittel, eine verschwindende Minderheit, auf dem höchsten kapitalistischen Stand befinden und es zur Überproduktion kommt und gleichzeitig 2. die Verelendung der Massen immer weiter zunimmt und sich auch auf das Kleinbürgertum ausweitet und es 3. unter Anleitung einer proletarischen Partei zur Vergesellschaftung der Produktionsmittel kommt… … ist der Kapitalismus überwunden und wird durch ein neues System ersetzt, das die Ökonomie rational lenkt, damit ist der Mensch wieder Herr über die ökonomischen Verhältnisse wird. DL: Bitte fügen Sie hier Ihre Notate ein ! - 14 – 5.6. Kritische Auseinandersetzung Marx selbst hat seine Theorie an Hand der Realgeschichte konzipiert, aus heutiger Sicht kann man sagen, dass sie historisch falsifiziert worden ist. Entscheidender theorie-immanenter Fehler der (späten-)marxistischen Theorie ist die Ausklammerung des Faktors „Staat“: Marx behandelt den Staat, wenn überhaupt (es war für Band 5 des Kapitals geplant), nur als Geschäftsführer des Kapitals, als Sicherungsinstanz des Eigentums oder als sekundäres Produkt des Kapitalismus. Für ihn zählt nur die Ursache der Ökonomie. Das Marktversagen, wird heute durch den Staat kompensiert, historisch hat sich der Staat also vom „Nachtwächter“ zum aktiven Akteur entwickelt und verhindert, dass der Kapitalismus zusammengebrochen ist. Bei der Theorie des geschichts-philosophischen Marx verkümmert das Proletariat zum determinierten Vollstrecker der Geschichte ohne die Freiheit einer eigenen Entscheidung.(Vergl. hierzu ähnliche Explikationsmuster bei Hegel) Im Umgang mit den Gegnern einer proletarischen Revolution (Liberalisten und Konservative), behauptet Marx diese seien eine ignorierbare Minderheit, die einer falschen ihnen nützlichen Ideologie anhänge. Er übernimmt Hegels kriegerischen Geist („Das Schlechte und das Böse ist politisch nicht zu regulieren, es muss vernichtet werden“ Marx, I, 380, 385u.ö.) Dieses bei Marx oft wiederkehrende Zitat zeigt nun einen grundlegenden Zug in Marxens Denken. Sein Denken, seine Analysen – so partiell großartig sie auch sein mögen – haben einige Faktoren nicht berücksichtigt, z.B. den Staat, z.B. die anderen politischen Kräfte der Gesellschaft, aber er will - weil das Ziel der Analyse:die Revolution willkürlich feststeht für ihn unbedingt zu diesem Resultat kommen: Was macht er: Er erklärt die nicht sich seiner Analyse fügenden Elemente, Parteien, Menschen: als böse und schlecht. Und er droht ihnen mit ‚Vernichtung’, mit vernichtender Gewalt (Memo: Politische Philosophie war mal seit Platon angetreten, mit Sokrates eine Alternative zur Gewalt (Thrasymachos) zu finden und theoretisch als einzige Alternative auszuweisen.) Liebe Kommiliton(Inn)en ! Dies ist eine Sprache, die nicht in die humanistische, um den Menschen bemühte Begrifflichkeit der Neuzeit gehört. Es ist die Sprache des menschenverachtenden Faschismus. Wer zu einer solchen Sprache und Denkweise greift, hat sich verirrt, gehört auch theoretisch zurückgerufen. Für die Neuzeit darf man ein berühmtes Wort von Sir Karl Popper heranziehen: Wenn Menschen mit Theorien kollidieren, sich fundamental und unauflöslich widersprechen, dann haben die Theorien zu sterben(das sind nur Worte,die überdacht werden können), aber nicht die Menschen. – Daraus hat Popper sein Theorem der Falsifikation abgeleitet. Wenn eine Theorie ihren Gegenstand verfehlt, dann ist sie widerlegt, dann müssen die daran - 15 – interessierten Menschen einen neuen, und später wieder einen neuen Versuch machen, die Wirklichkeit so zu verstehe, dass alle Menschen im Prozess der Veränderung mitgenommen werden können. Popper (ein Kantianer) nannte seinen Ansatz: Kritischen Rationalismus. . Eine Theorie, die das Wesen des Menschen nur teilweise integrieren kann und zwangsläufig zu Gewalt greifen muss, kann nicht im Sinne eines neuzeitlichen Humanismus sein. Marx verwendet viel Utopie und vergleichsweise wenig Wissenschaft DL: Kant hatte für den Gesamtprozess der Wissenschaft drei Fragen gestellt: 1) Was kann ich wissen ? 2) Was soll ich tun ? 3) Was darf ich hoffen (4) Was ist der Mensch ? = Grundfrage) Auf die erste Frage antwortet normalerweise die ErkenntnisTheorie. Marx hat nie eine eigene Erkenntnistheorie entwickelt. Einfach schlimm, dann so eine große Klappe zu haben. Auf die zweite Frage antwortet normalerweise eine Ethik/Morallehre. Marx hat nie eine Ethik oder eine Morallehre entwickelt. Sie standen bei ihm – soweit er überhaupt hierüber nachgedacht hat – unter absolutem Ideologieverdacht. Sehr, sehr schlimm. Auf die dritte Frage antwortet normalerweise eine Theologie. Für sie hat uns Marx als Substitut eine dialektische Geschichtsphilosophie mit eingebauter Politikökonomie angeboten mit ähnlichem absoluten Wahrheitsanspruch. = Es waren aber letztlich nur unbewiesene Behauptungen, keine Beweise nach den Maßstäben von wahrheitsorient Wissenschaft und solid Philosophie. Marx ist selber ein Ideologe geworden . Nur ist er so früh gestorben, dass er die praktischen Folgerungen daraus nicht mehr erleben konnte. Aber bis 1883 hat er höchst leichtfertig und verantwortungslos philosophiert. Liebe Kommiliton(Inn)en ! Meine Aufgabe ist es nicht, Ihnen eine Weltanschauung ein- oder auszureden. Ich darf nur auf einige Implikationen hinweisen: Hegel und Marx haben zu gigantisch zu titanisch gedacht, als wären sie noch unmittlbar Gott, oder sein Nachrichten-Überbringer. Auf dieser Ebene hat man nicht zufällig im Mittelalter meist die konkreten, lebendigen Menschen vergessen. Hegel und Marx sind in ihren hypertrophen Anmaßungen keine neuzeitlichen, schon gar keine modernen Denker, sie sind Relikte eines neu- und auch alt-testamentarischen Missionarismus, der uns weder im Falle Hegels mit dem preußischen Staat, noch im Falle Marxens mit der empfohlenen auch für Russland geltenden Weltrevolution: nur größtes Verhängnis gebracht haben. Ja, Verhängnis fängt manchmal auch im Kopf an. Was ich an dieser Stelle nicht sage, ist, dass dies eine typisch deutsche Denkattitüde ist. Warum sage ich dies nicht. Weil Deutschland seit 1800 immer auch eine Alternative hatte: mit IMMANUEL KANT, der gerade aus menschlicher Selbstbescheidung heraus philosophierte, nicht weil er nicht anders konnte ( er war intelligenter und genialer als Hegel und Marx zusammen), sondern weil er – im Einklang auch mit westlicher Philosophie: die Menschen viel mehr schätzte, vielleicht sogar liebte, zumindest sie achtete. Deutschland hat eine wunderbare philosophische Tradition, aber man muß sich schon entscheiden, welches Grundmaß man in seiner Philosophie zugrundelegt. DL: Ich habe mich für Kant, für das menschliche Maß der Achtung der Menschenrechte, aller Menschen, auch Ihrer entschieden. Ich schätze bestimmte Theorie-Stücke von Hegel und Marx, aber ihre Gesamtphilosophie ist mir zu maßlos,zu absolut. A propos: Die Welt wird am 12. Februar 2004, also in wenigen Tagen des 200. Todestages von Kant gedenken. Am 7.2.2004 war in der FAZ; S. 41 ein sehr lesenswerter Artikel von Dieter Heinrich, ‚Die Vernunft am Abgrund der Unwissenheit, Zweihundert Jahre nach Kants Tod: Was heißt es, sich durch Denken zu orientieren ?’ = Ich lege Ihnen diesen Artikel sehr ans Herz. Sie werden sich nach der Lektüre sehr freuen!!! (OSI-Lesesaal, in allen Hörsälen, Buchhandlungen der Stadt wird es Kant-Tische geben, z.B. bei Schöller in der Knesebeck-Straße in Charlottenburg, bei Dussmann……) - 18 – Schlußfolgerung nach den 3 Werkphasen von Marx: Im Frühwerk bleibt nach eigenen Aussagen zu subjektivistisch. Im Mittelwerk wird er zu objektivistisch, Im Spätwerk zeigt er zwar eine wesentliche Schnittstelle zwischen subjektivem und objektivem Faktor auf, kann dies aber nicht in wirklich politische Theorie und Praxis übersetzen, weil er einen der wichtigsten Faktoren im Politikzusammenhang: nämlich den (intervenierenden ) Staat nicht einbezogen hatte. Dieser grundlegende Mangel seiner Politik-Analyse wird nach seinem Tode im Jahre 1883 auch durch die Spätanalysen von Friedrich Engels nicht ausgeglichen, eher noch positivistisch festgeschrieben. Nimmt man Marxens Analyse der kaptitalistischen Gesellschaft als Vorbereitung für eine revolutionäre Umgestaltung durch das Proletariat, dann haben Marx/Engels zwei Faktoren völlig unterbewertet, die dann in Russland später sich verhängnisvoll auswirken sollten. Der Sozialismus kann (was erst spätere Sozialisten, z.B. Rosa Luxemburg u.a. klar erkannt haben) nur gelingen, - wenn er an einen voll entwickelten, sich in einem hohen Stand der Produktivkräfte manifestierenden Kapitalismus und dessen und dessen historische Errungenschaften anknüpfen kann, - wenn er in einem Land mit entwickelter demokratischer Kultur und mit hohem Freiheitsbewußtsein (Rosa) anküpfen kann. Ohne diese beiden Mindest-Voraussetzungen, einen entwickelten Kapitalismus, sowie einen ebenso entwickelten Demokratismus, ist eine sozialistische Revolution überhaupt nicht möglich.---- Wenn sie trotzdem handwerklich-putschistisch ‚gelingen’ sollte, handelt es sich um den Versuch, aus dem Feudalismus und aus der Hörigkeit heraus: einen Sprung über eine – nach Marx selber unerlässliche Zwischenstufe hinweg – in den Sozialismus zu machen. Das konnte auch nach den Marxschen Analysen nicht klappen. Nun zum Übergang zu unserem historischen Anwendungsfall, dem Versuch Lenins; die Marxsche Theorie auf die russischen Verhältnisse zu übertragen und auf ihrer vermeintlichen Basis die sozialistische Revolution zu machen und danach eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen. Ich kann hier nicht alles ausführen: Lenin hat sich in seinen Hegel- und Marxorientierten Analysen vor 1914 alles zusammengelogen, um nur ja vor der Welt - 19 – die Reife de russischen Verhältnisse für die sozialistische Revolution zu erweisen. Zum Beispiel hat er 1914 ein Buch ‚Zur Entwicklung des Kapitalismus in Russland’ geschrieben, das so argumentiert. Es stimmte an keiner Stelle. Es war ein rein aus taktischen Gründen geschriebenes Buch. Defacto war Russland – war wir heute noch besser wissen als damals – ein Land, das vorwiegend feudalistisch war, dessen Bevölkerung noch vorwiegend in der Hörigkeit von Leibeigenen lebte. Auch nach marxistischen Vorstellungen hätte die Revolution in Russland 1917 nicht durchgeführt werden dürfen. Aber Lenin hat sie rein putschistisch durchgeführt. Und er hat rein revolutions-handwerklich ‚Erfolg’ gehabt. Der Putsch war gelungen. Von 1917 an musste dann – unter den Vorzeichen der bolschewistischen Sieger – alles das, was vorher nocht nicht erreicht worden war. die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals einerseits, die Einübung der Sowjetmenschen in Demokratie unter den unglaublich ungünstigen Bedingungen eines kriegs-geschädigten Landes: nachgeholt werden. Um dies vom Staat her zu erreichen, griff spätestens Stalin seit 1922/24 nach Lenins Tod zu barbarischen Gewaltmaßnahmen in den 1920-er. in den 1930-er Jahren. Dann wurde der Sowjetunion noch der so schwere Abwehrkampf gegen Hitler-Deutschland aufgezwungen;sie musste ungeheuerliche Kriegsschäden davon tragen. Danach hat die SU , z.T. mit Hilfe, z.T. durch erpresste Hilfe der anderen sozialistischen Staaten versucht, ihren inzwischen gigantischen Rückstand wieder aufzuholen: 40 Jahre lang etwa. Dann hat Gorbatschov aber 1985: das Scheitern dieses Versuches verkündet. Die Sowjetunion war pleite, erschöpft; sie konnte nicht mal mehr den erreichten Stand ihrer gesellschaftlichenökonomischen Verhältnisse reproduzieren. Sie wuchs negativ, unaufhaltsam. Man konnte die realen gesellschaftlichen und bewußtseinsmäßigen Verhältnisse nicht überspringen. Die reale Geschichte holte den Sowjet-Sozialismus ein und ihre Menschen. DL: Die Oktober-Revolution hätte nicht versucht werden dürfen, wenn einem an den Menschen gelegen hätte und wenn diese nicht nur hätten geopfert werden sollen für das spätere vermeintliche Glück der sozialistischen Welt im Ganzen……….. Im Jahre 1991 traf ich meine alte Genossin NATASCHA SMIRDOVNA, die ich in den Jahren meiner kommunistischen Aktivitäten zwischen 1973 – 84 kennengelernt hatte, auf einer Straße in Leningrad wieder. Sie war knapp 80 Jahre alt, hungerte, musste alles verkaufen, was sie hatte, eine ‚Heldin der Sowjetunion’, eine tapfere Kriegs-Kommissarin, die alle ihre 13 Kinder im ‚Großen Vaterländischen Krieg’ gegen Hitler (und , wie sie sagte, auch durch Stalin) verloren hatte; die vor allem ihre große Hoffnung auf den Sozialismus/Kommunismus als Garant für eine bessere Zukunft verloren hatte. Sie war untröstlich, wollte nur noch mit uns trinken, trinken… Wir haben ihr natürlich geholfen. Und sie lebt heute in einem Veteranen-Heim. Aber: Dies durfte eine humanistisch-ausgerichtete Theorie und Praxis wie auch der sowjetische Marxismus/Sozialismus ihr nicht antun, keinem Menschen. Und es gibt schätzungwsweise weit über 40 Millionen Nataschas und Victors… - 20 Ich habe mich bei ihr entschuldigt, dass ihr dies eine unbedachte, eine unausgegorene Theorie und Praxis einer vermeintlich so menschenliebenden humanischen und sozialistischen Partei angetan hatte. Und ich habe mich entschuldigt, weil ich – meine Motive lasse ich mal heraus – als relativer Grünschnabel, aus gesicherten West-Verhältnissen langezeit so ahnungslos mitgmeacht hatte ,nicht gemerkt hatte, dass Sozialismus für viele Menschen auch direkte existenzielle Folgen haben kann, und nicht nur ein spannendes intellektuelles Abenteuer ist. – Ich bin kein Sozialist und Marxist mehr, obwohl ich meine früheren Genoss(Inn)en liebe und weiterhin achte….. Aber : Die soziale Frage ist damit natürlich nicht erledigt. Ganz im Gegenteil, sie gehört dringender bedacht in jeder politischen Theori7Philosophie als je zuvor, wenn uns unsere Welt: im und in den Menschen nicht kaputtgehen soll. Und sie kann nicht charitativ gelöst werden…… Auch Politische Philosophie ist ein Versuch von Menschen, über die Bedingungen eines menschenwürdigen Lebens nachzudenken, die jeder Mensch und jede Menschin selber erreichen können sollen.. 6. Ausblicke auf den Spät-Sozialismus Im (westlich-)freiheitlichen Sozialismus versucht man das Freiheitsdefizit von Marxens Theorie auszugleichen. Rosa Luxemburg vertrat im Gegensatz zu Lenin die Vorstellung, dass ganze Volk müsse am Aufbau des Sozialismus teilhaben, und warnte vor der Diktatur einer neuen Elite über das Proletariat. ‚Die Freiheit ist immer (auch) die Freiheit des andersdenkenden.’ Rosa Luxemburg Lenin, ein Vertreter des (östlich-)autoritären Staats- und Real-Sozialismus, propagierte die Schaffung einer Kaderpartei, die als Avantgarde die Diktatur des Proletariats errichten sollte. ZU IX ----Ausblick: In der nächsten Sitzung will ich versuchen aufzuzeigen, wie der neuere Liberalismus versucht, aus seiner historischen Verantwortungsperspektive, mit der sozialen Frage umzugehen. Ich könnte es an Jürgen Habermas und der neueren Kritischen Theorie aufzeigen (aus der ich selber komme); aber ich habe mich entschlossen – eingedenk der mir sehr am Herzen liegenden transatlantischen Einheit auch in Ihren Köpfen und Herzen – diese Frage an JOHN RAWLS und seinem politischen Liberalismus zu demonstrieren. PS: Ich hoffe, dass ich in der nächsten Sitzung wieder sachlicher und mit weniger Emotionen meine Vorlesung vortragen kann. Wenn nur auch das Fieber weiter zurückgehen möge. Aber es ist ja erst Montag. ___________________________________________________________________SR_____DL