Technische Universität Dresden Fakultät Sprach-, Literatur und Kulturwissenschaften Institut für Germanistik Professur für Medienwissenschaft und Neuere Deutsche Literatur Dozent: Prof. Dr. phil. habil. Frank Almai Seminar: Autorschaft als mediale Inszenierung Wintersemester 2019/2020 KOMBINIERTE ARBEIT Wirkung und Motive der Gestaltung des Goethe-Hauses in Weimar – Die Inszenierung des Bildprogramms in den Repräsentationsräumen des Hauses am Frauenplan Vorgelegt von: Adresse: E-Mail-Adresse: Matrikelnummer: Studiengang: Höheres Lehramt an Gymnasien (Deutsch/Ethik) Semester: 7 Prüfungsnummer: Datum der Abgabe: 04.05.2020 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 2 Gestaltung des Bildprogramms ausgewählter Repräsentationsräume 2 2.1 2.2 3 Treppenhaus 2.1.1 Beschreibung des Bildprogramms 3 2.1.2 Deutung des Bildprogramms 4 Junozimmer und Urbinozimmer 5 2.2.1 Ausgewählte Gegenstände aus dem Bildprogramm 6 2.2.2 Deutung des Bildprogramms 7 Motive hinter der Gestaltung des Bildprogramms 3.1 2 Wohlbefinden, Repräsentation und Bildungsanliegen – Funktionen 10 10 des Dichterhauses 3.2 3.3 Goethes Leidenschaft für antike Kunstgegenstände als Motiv für die Raumgestaltung 12 Briefwechsel zwischen Goethe und Meyer 14 4 Besucher*innen über die Wirkung der Räumlichkeiten 17 5 Fazit 19 Kommentiertes Literaturverzeichnis Selbstständigkeitserklärung 1 Einleitung Johann Wolfgang von Goethes Wohnhaus am Frauenplan in Weimar, heute als Museum begehbar, bietet Besucher*innen der Stadt einmalige Einblicke in die Wohn-, Arbeits- und Repräsentationsräume des Dichters. Bereits zu Lebzeiten empfing der sogenannte Dichterfürst Gäste in den Räumen, die speziell für den Empfang von Besucher*innen angedacht waren. Der Umbau und die Gestaltung dieser Zimmer wurde von Goethe selbst, in enger Zusammenarbeit mit dem Maler Johann Heinrich Meyer, akribisch geplant. Die Umsetzung seiner Vorstellungen überwachte er genau und aus den Briefwechseln mit Meyer geht hervor, dass der Hausherr die Arbeiten am Haus nicht dem Zufall überließ. Es entstand ein beeindruckendes Bildprogramm, welches in der Forschung noch heute Anlass zur Interpretation gibt und die Frage danach aufwirft, was Goethe mit diesem imposanten Gesamtwerk in den Repräsentationsräumen bezwecke. Im Kapitel 2 soll ein Überblick über die Gestaltung ausgewählter Repräsentationsräume gegeben und ein Ausschnitt aus den umfassenden Deutungen des Bildprogramms vorgestellt werden. Ein zentrales Thema der Arbeit bildet die Frage nach den Absichten, die sich hinter dieser Gestaltung verbergen. Ob diese Ausgestaltung eine bestimmte Funktion erfüllen sollte oder schlicht auf den Vorlieben Goethes für römischgriechische Kunst basierte, wird im Kapitel 3 näher beleuchtet. Ein Blick in den Schriftverkehr zwischen Goethe und Meyer, der sich auf die Jahre 1792 bis 1797 beschränkt, soll der Frage danach auf den Grund gehen, ob Goethe eine gewisse Wirkungsabsicht bei der Planung der Gestaltung kommunizierte. Das Kapitel 4 untersucht ausgewählte Äußerungen von Gästen des Hauses, die Goethe zu Lebzeiten empfing. Anhand dieser soll die Wirkung der Räumlichkeiten, in Verbindung mit der des Gastgebers selbst, der sich in diesem speziell gestalteten Umfeld den Besucher*innen präsentierte, betrachtet werden. In einem Fazit werden mögliche Motive des Hausherrn, im Bezug auf die Hausgestaltung, Deutungsansätze des Bildprogramms und die Wahrnehmung der Zeitzeugen zusammengeführt. Ob mit der Gestaltung eine bestimmte Wirkung intendiert wurde und was Goethe möglicherweise beabsichtigte, ist Gegenstand dieser abschließenden Betrachtung. 1 Gestaltung des Bildprogramms ausgewählter Repräsentationsräume 2 Goethes Wohnhaus am Frauenplan, in welchem noch heute zahlreiche Stücke seiner umfangreichen Sammlung besichtigt werden können, erfüllte zu Lebzeiten des Dichters eine gewisse Doppelfunktion, welche sich in einer Zweiteilung der Räumlichkeiten ausdrückte. Sie bestand in der Dualität aus Privatheit und Öffentlichkeit. Goethe ließ die Räumlichkeiten so anordnen, dass die Wohn- und Arbeitsbereiche im hinteren Teil des Hauses, praktisch und schlicht hergerichtet, Fremden unzugänglich waren. Die Räume im Vorderhaus jedoch waren den Besuchern zu einem großen Teil, abgesehen von den diversen Sammlungsräumen, geöffnet.1 Die Repräsentationsräume mit ihrer aufwändigen Gestaltung und der noblen Ausstattung bildeten hauptsächlich das Treppenhaus, der Gelbe Saal, das Junozimmer und das Urbinozimmer. Die künstlerische Gestaltung dieser Abfolge von Räumen referiert auf Goethes letzte Lebensphase.2 2.1 Treppenhaus Das Treppenhaus des Wohnhauses wurde nach den Entwürfen Goethes, begleitet und beaufsichtigt vom Maler Johann Heinrich Meyer, umgebaut. Den ursprünglichen Treppenaufgang, der steil und eng gestaltet war, ließ der Hausherr komplett entfernen.3 Durch derartig große Eingriffe in die Ursprungsgestaltung und durch verschiedene andere Umstände nahm der Umbau mehr Zeit in Anspruch, als dem Hausherrn lieb war.4 Als erster Raum in der Abfolge der Repräsentationszimmer kam dem Treppenhaus eine besondere Bedeutung zu. Welche zentrale Bedeutung dieser Bereich für Goethe selbst gehabt haben musste, wird besonders dadurch ersichtlich, dass er dem imposanten und zu groß 1 Vgl. Jörg Traeger: „Goethes Vergötterung: Von der Kunstsammlung zum Dichterkult“. In: Markus Bertsch und Johannes Grave (Hg.): Räume der Kunst. Blicke auf Goethes Sammlungen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005 (Ästhetik um 1800, Bd. 3), S. 172f. 2 Vgl. ebd., S. 173. 3 Vgl. Erich Trunz: Weimarer Goethe-Studien. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger 1980 (Schriften der Goethe-Gesellschaft, Bd. 61), S. 61. 4 Vgl. Gisela Maul; Margarete Oppel; Erich Trunz: Goethes Wohnhaus in Weimar. München: Hanser2 2000, S. 28. 2 angelegten Treppenaufgang zwei komplette Zimmer opferte.5 Dass die Platzierung der Gipsabgüsse und Kunstwerke bereits in der Planung des Aufgangs angelegt und mitgedacht war,6 hebt zusätzlich die wichtige und repräsentative Rolle der Kunstgegenstände im Eingangsbereich hervor. 2.1.1 Beschreibung des Bildprogramms Beim Betreten des beeindruckenden Treppenhauses im Haus am Frauenplan zieht zuerst der Gipsabguss7 des BETENDEN KNABEN die Blicke der Gäste auf sich. Neben ihm befindet sich der Abguss SATYR MIT BÖCKCHEN. Beide Gipsabgüsse sind mit Graphit überzogen und werden in halbrunden Nischen zur Schau gestellt, zwischen denen eine Skulptur mit dem Namen WINDSPIEL Platz findet,8 die eine nach oben blickende Hundefigur zeigt.9 Auf dem zweiten Treppenabsatz befinden sich der Kopf des APOLL VON BELVEDERE und der des ARES BORGHESE. Die beiden Gipsabgüsse sind in zwei Nischen platziert, unter denen sich jeweils eine Tür befindet.10 Beides sind Abgüsse nach den römischen Kopien griechischer Originale von Leochares11 und Alkamenes12.13 Beim Blick nach oben richtet sich die Aufmerksamkeit auf zwei Zeichnungen an der Wand links. Es handelt sich dabei um Nachzeichnungen14, die auf Marmorplastiken aus dem Athen der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts vor Christus basieren.15 Auf der linken Seite befindet sich die Zeichnung der APHRODITE IM SCHOßE IHRER MUTTER DIONE16, auch als TAUSCHWERSTERN 5 Vgl. Erika Pielmann: „Goethes Treppenhäuser“. In: Werner Keller (Hg.): Goethe-Jahrbuch 115: Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1998, S. 177 f. 6 Vgl. Pielmann, „Goethes Treppenhäuser“, S. 178. 7 Vgl. Traeger: „Goethes Vergötterung“, S. 174. 8 Vgl. Christa Lichtenstern: „Jupiter - Dionysos - Eros / Thanatos: Goethes symbolische Bildprogramme im Haus am Frauenplan“. In: Werner Keller (Hg.): Goethe-Jahrbuch 112. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1995, S. 344. 9 Vgl. Traeger: „Goethes Vergötterung“, S. 175. 10 Vgl. ebd., S. 173. 11 Apoll von Belvedere, um 420 v. Chr. 12 Ares Borghese, um 440 v. Chr. 13 Vgl. Maul et al.: Goethes Wohnhaus in Weimar, S. 31. 14 Vgl. Traeger: „Goethes Vergötterung“, S. 173. 15 Vgl. Maul et al.: Goethes Wohnhaus in Weimar, S. 31. 16 Vgl. ebd. 3 bekannt und von Goethe PARZEN genannt17, auf der rechten DIONYSOS, der vom Hausherrn auch als HERKULES bezeichnet wurde18. Zur Rechten19 des DIONYSOS hängt die Zeichnung einer hellenistischen Medusenmaske20. Bei allen drei Zeichnungen handelt es sich um Kreidezeichnungen auf bräunlichem bzw. grauem Papier.21 Der graphitüberzogene Gipsabguss der Statuen der sogenannten ILDEFONSOGRUPPE, nach einem römischen Original des 1. Jahrhunderts gestaltet, die neben der Schwelle zur Wohnungstür steht, und das Relief über der Eingangstür zur Wohnung, welches den Thron des Zeus bzw. Jupiter zeigt, schließen das Bildprogramm des Treppenhauses ab.22 Umrahmt wird das Treppenhaus als Gesamtwerk durch das Deckenbild, gemalt von Johann Heinrich Meyer. Es zeigt die geflügelte Botin der Götter, Iris.23 2.1.2 Deutung des Bildprogramms Lichtenstern schreibt in ihrem Goethe-Jahrbuchbeitrag von einer bewussten Gestaltung der Trias aus BETENDEN KNABEN, welcher auch als Darstellung Ganymeds betrachtet wurde, SATYR MIT BÖCKCHEN und WINDSPIEL. In Verbindung mit dem gesamten Bildprogramm des Treppenhauses sieht sie in den drei Skulpturen ein progressives Aufsteigen vom Tier über das Mischwesen, repräsentiert durch den Satyr, der zu Goethes Zeit als Symbol für Triebhaftigkeit galt, hin zum vollkommenen Menschen. In der Ausrichtung der beiden Gipsabgüsse, die auf gleicher Höhe platziert sind, sieht Lichtenstern einen Ausdruck für Goethes Polaritätsdenken im Bezug auf das Sinnliche und das Geistige.24 Dieses Polaritätsdenken findet Lichtenstern auch in den Plastiken des Apoll und des Ares, zu Goethes Lebzeiten als Achill betrachtet, wieder. Sie erkennt in ihnen die Repräsentationen des Geistes, im Sinne des Dichtertums, sowie des 17 Vgl. Traeger: „Goethes Vergötterung“, S. 173 – 175. 18 Vgl. ebd. 19 Vgl. Vgl. Maul et al.: Goethes Wohnhaus in Weimar, S. 32. 20 Vgl. Traeger: „Goethes Vergötterung“, S. 175. 21 Vgl. Vgl. Maul et al.: Goethes Wohnhaus in Weimar, S. 31f. 22 Vgl. ebd., S. 33f. 23 Vgl. Traeger: „Goethes Vergötterung“, S. 177. 24 Vgl. Lichtenstern: „Jupiter - Dionysos – Eros“, S. 344. 4 Kampfes, die sich gegenüberstehen und damit eine exemplarische Darstellung des „gelebten Beieinander von Dichtertum/Künstlertum und Staats- repr[esentive; J.V.] Kriegsdienst“25 bilden. Die Zeichnung TAUSCHWERSTERN greift das Motiv des menschlichen Schicksals auf und wird von dem des Heroentums, in der Form des HERKULES, gefolgt. Die Zeichnung thematisiert die „Erhebung des Menschen zur Unsterblichkeit“26. Daran schließt sich das Medusenhaupt an, welchem nach Traeger „die ambivalente Kraft einer belebenden Verwandlung des Betrachters“27 innewohnt.28 Den Statuen der sogenannten ILDEFONSO-GRUPPE, die von Goethe als CASTOR UND POLLUX betitelt wurden29, wurde durch Goethe die Bedeutung von Schlaf und Tod zugewiesen.30 Zeus bzw. Jupiter, dessen Thron im Relief über der Wohnungstür abgebildet ist, verstand Goethe als „ein Urbild göttlicher Allmacht“31.32 „Zu ihm strebt Ganymed am Fuße der Treppe empor. Jupiters Reich […] hebt dort an, wo im Sinne des goetheschen Ganzheitsstrebens gelebt und gearbeitet wird und […] ‚jupitergleich‘ die ‚Umwälzungen‘ in Natur und Kunst gewogen werden.“33 2.2 Junozimmer und Urbinozimmer Das Junozimmer diente im Haus als Salon für Privatgäste aber auch für Gäste, die Goethe in seiner Rolle als Staatsminister empfing. Entsprechend wichtig war es dem Hausherrn im Rahmen der Umbauarbeiten die Gestaltungsmacht über diesen Raum zu behalten. Die komplette Ausstattung mit all ihren Einzelheiten wurde von Goethe selbst festgelegt.34 Ebenso diente das Urbinozimmer, welches Goethe bevorzugt von seinem angrenzenden Arbeitszimmer aus betrat, für offizielle Anlässe. Im Gegensatz zur 25 Ebd., S. 345. 26 Traeger: „Goethes Vergötterung“, S. 175. 27 Ebd. 28 Vgl. ebd. 29 Vgl. Maul et al.: Goethes Wohnhaus in Weimar, S. 33. 30 Vgl. Lichtenstern: „Jupiter - Dionysos – Eros“, S. 346. 31 Ebd., S. 347. 32 Ebd. 33 Ebd. 34 Vgl. Maul et al.: Goethes Wohnhaus in Weimar, S. 98. 5 Ausstattung des Junozimmers hatte die Ansammlung an Kunstgegenständen im Urbinozimmer im Laufe der Zeit häufigeres Umsortieren und Neuanordnen erfahren. Die heutige Anordnung der Kunstgegenstände ist daher zum Großteil museal. Lediglich das Portrait des Herzogs Urbino blieb, wie Briefwechsel aus der damaligen Zeit belegen, auf seinem festen Platz.35 2.2.1 Ausgewählte Gegenstände aus dem Bildprogramm Das wohl bedeutendste antike Kunstwerk der goetheschen Sammlung bildet der Gipsabguss der römischen Kolossalbüste der JUNO LUDOVISI. Sie bekam ihren festen Platz in dem Salon mit blauem Anstricht unmittelbar nachdem Goethe sie erhalten hatte und steht dort bis heute.36 Dass es sich bei der Büste nicht um Juno sondern sehr wahrscheinlich um ein Idealportrait der Antonia Augusta aus der frühen römischen Kaiserzeit handelt, wurde erst durch die jüngere Forschung bekannt.37 Besondere Bedeutung wird auch den beiden Supraporten des Junozimmers beigemessen. Das Kreidebild auf Papier über der Tür zum Gelben Saal trägt den Namen SATYR, VON AMORETTEN GEPLAGT und stammt von Johann Heinrich Meyer.38 Es zeigt einen gefesselten und auf dem Boden kauernden Satyr höheren Alters, der von einem Amor, der den typischen Bogen trägt, an den Haaren gezogen wird. Ein zweiter Amor auf der anderen Seite geißelt den Satyr.39 Auf der Supraporte über der zweiten Tür, die zum Urbinozimmer führt,40 wird der Satyr von seinen Fesseln befreit abgebildet. Amor hält die abgenommenen Stricke hinter seinem Rücken fest und reicht dem sich voller Anstrengung aufstützenden Satyr einen stärkenden Trank.41 Beim Betreten des Urbinozimmers fallen, neben den Portraits und den zahlreichen anderen Gemälden,42 zwei weitere Abbildungen auf, die das Amor- 35 Vgl. Maul et al.: Goethes Wohnhaus in Weimar, S. 106. 36 Vgl. ebd., S. 99 37 Vgl. Alfred Jericke: Das Goethe-Haus am Frauenplan. Weimar: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar 1958, S. 98. 38 Vgl. Maul et al.: Goethes Wohnhaus in Weimar, S. 100. 39 Vgl. Lichtenstern: „Jupiter - Dionysos – Eros“, S. 355. 40 Vgl. Maul et al.: Goethes Wohnhaus in Weimar, S. 98 – 106. 41 Vgl. Lichtenstern: „Jupiter - Dionysos – Eros“, S. 355. 42 Vgl. Maul et al.: Goethes Wohnhaus in Weimar, S. 108 – 112. 6 Thema aufgreifen.43 Auch diese beiden Darstellungen schmücken den Raum als Supraporten44 und zeigen zum einen Amor, der, anscheinend seinen Köcher als eine Art Kahn und seinen Bogen als Ruder verwendend, ein Gewässer überwindet,45 und zum anderen einen Amor mit Flöte, die er vor Psyche spielt46. 2.2.2 Deutung des Bildprogramms und der Raumgestaltung Die blaue Wandfarbe, die für beide Räume gewählte wurde47,48 geht wahrscheinlich auf Goethes Farbenlehre zurück. Darin betont Goethe die Reinheit der Farben Gelb und Blau, die er zunächst auch als einzige echte Grundfarben49 betrachtete.50 Es liegt demnach nahe, dass auch der Gelbe Saal seine Farbe51 auf Basis dieser Farbenlehre erhielt. Aus Gelb und Blau gehen in der Farbenlehre sämtliche gesteigerten und edlen Farbmischungen hervor.52 Diese Betrachtungen des Dichters und die Tatsache, dass das Junozimmer als Salon des Hauses genutzt wurde53 und somit in erster Linie Repräsentationszwecken galt, lassen erahnen, dass die Farbwahl der Räumlichkeiten nach einem genauen Plan erfolgt sein muss. Die Juno symbolisierte für Goethe die griechische Kunst an sich sowie das erhabene Götterbild und brachte ihm beim Anblick stets neue Inspiration.54 Die zwei Supraporten deuten auf Eros als alles unterwerfende Macht hin, welcher sich der Satyr beugt. Lichtenstern spricht von der „größten Unterwerfung“55, die in der ersten Supraporte abgebildet ist. In der zweiten wiederum, so Lichtenstern weiter, zeigt sich ein versöhnlicher Eros. Die Deutung 43 Vgl. Lichtenstern: „Jupiter - Dionysos – Eros“, S. 355. 44 Vgl. Maul et al.: Goethes Wohnhaus in Weimar, S. 108 – 110. 45 Vgl. Lichtenstern: „Jupiter - Dionysos – Eros“, S. 356. 46 Vgl. Maul et al.: Goethes Wohnhaus in Weimar, S. 110. 47 Das Junozimmer wurde zunächst violett gestrichen und erhielt später den blauen Anstrich. 48 Vgl. Maul et al.: Goethes Wohnhaus in Weimar, S. 98. 49 Laut Manfred Wenzel kam Rot als dritte Grundfarbe später hinzu. 50 Vgl. Manfred Wenzel: „Natur – Kunst – Geschichte. Goethes Farbenlehre als universale Weltschau“. In: Werner Frick, Jochen Golz und Edith Zehm et al. (Hg.): Goethe-Jahrbuch 124. Göttingen: Wallstein Verlag GmbH 2007, S. 118. 51 Vgl. Maul et al.: Goethes Wohnhaus in Weimar, S. 36. 52 Vgl. Wenzel: „Natur – Kunst – Geschichte“, S. 118f. 53 Vgl. Maul et al.: Goethes Wohnhaus in Weimar, S. 98. 54 Vgl. ebd., S. 99. 55 Lichtenstern: „Jupiter - Dionysos – Eros“, S. 355. 7 der zweigeteilten Bilddarstellung lautet „Die Liebe quält, die Liebe tröstet“56 und soll auf das referieren, was Goethe am eigenen Leib hatte erfahren müssen. Die Ergänzung des ersten Bildes, um eine kontrastreiche Weiterführung des abgebildeten Inhalts, betrachtet sie als typisch für Goethe.57 Die beiden Supraporten des Urbinozimmers versteht Lichtenstern als Ausdruck der Zuneigung zum Amor und Psyche-Mythos, der in der Kunst des europäischen Klassizismus ein beliebtes Thema darstellte. Sie interpretiert Amors Blick als ernst, besorgt und bereits fest auf ein Ziel gerichtet, auf Psyche. Im Bild der zweiten Supraporte sieht Lichtenstern die Fortführung der ersten Abbildung. Amor hat sein Ziel erreicht, erlöst Psyches Seele aus dem totenähnlichen Schlaf und befördert sie in das Jenseits, wo die Liebenden in ewiger Vereinigung sein können. Nicht als Verführer sondern als Erretter sieht sie Amor in diesen Darstellungen repräsentiert, der die Seele in ihre Unsterblichkeit zurückführt.58 Zu dieser Interpretation passen laut Lichtenstern auch die Verzierungen der Rahmenfelder, die den Schmetterling, als Symbol für Psyches Wesensverwandlung, und Immortellen, die Unsterblichkeit symbolisieren, zeigen.59 In den beiden Supraporten des Urbinozimmers erkennt Lichtenstern „exemplarisch eine Schicksalsreise der menschlichen Seele beschrieben“60, in welcher die Seele das Überwinden der Leidenschaften mühevoll erlernt.61 Als Hauptmotivation für diese Darstellung führt sie in ihrem Beitrag das „philosophische Leitthema [der; J.V.] Zeit, die Erkenne-Dich-Selbst-Maxime“62 an.63 Aus verschiedenen Bildelementen, in enger Verbindung mit der Rezeptionsgeschichte der Amor und Psyche-Thematik, generiert Lichtenstern die Frage, ob „die alte platonische Metapher vom ‚Leib als Instrument der Seele‘“64, welches vom Tod zerbrochen werden kann, ebenfalls Pate für Goethes 56 Ebd., S. 355. 57 Vgl. ebd. 58 Vgl. ebd., S. 356. 59 Vgl. ebd. 60 Lichtenstern: „Jupiter - Dionysos – Eros“, S. 356 – 357. 61 Vgl. ebd. 62 Ebd., S. 357. 63 Vgl. ebd. 64 Lichtenstern: „Jupiter - Dionysos – Eros“, S. 359. 8 Bildprogramm im Urbinozimmer stand.65 Weiterhin führt sie in ihrem Beitrag Goethes fundierte Kenntnisse antiker Stoffe unter anderem auf die symbolische Verwendung der Mohnkapsel auf Amors Schiffsmast und die Wahl der Schifffahrtsthematik zurück und stellt Bezüge zu Homer, Hesiod und orphischen Hymnen her.66 Das „Generalthema der sich wandelnden Liebeserfahrung“67 bildet, in einer Abstufung vom irdischen Leiden hin zur himmlischen Vereinigung, die progressive Verbindung zwischen den vier beschriebenen Supraporten.68 65 Vgl. ebd. 66 Vgl. ebd. 67 Ebd., S. 360. 68 Vgl. ebd. 9 3 Motive hinter der Gestaltung des Bildprogramms 3.1 Wohlbefinden, Repräsentation und Bildungsanliegen – Funktionen des Dichterhauses Beim Betrachten der Bildfolge des Treppenhauses wird das Thema des Aufwärtsstrebens, repräsentiert durch antike Motive, deutlich. Von der Auffaltung „der sinnlich-geistigen Doppelnatur“69 des Menschen auf dem unteren Absatz70 bis hin zur höchsten Stufe71, im räumlichen wie im übertragenen Sinne, versinnbildlicht durch den Thron des Göttervaters Zeus bzw. Jupiter72, als seiner römischen Entsprechung, im Relief über dem Wohnungseingang. Den Ausführungen Lichtensterns ist zu entnehmen, dass Goethe selbst sich durchaus als Aufsteigender in diesem Jupiterprinzip betrachtete. Interessant ist ihre Einordnung des Entwurfs und der Umsetzung dieser Programmatik als Selbstverpflichtung, die sie als leitendes Motiv des Dichters, kontrastiv zu einer selbstdarstellenden Intention, anführt.73 Dem entgegengesetzt schreibt Traeger sehr direkt von einer reinen „Selbstinszenierung Programmatik des bewusst Olympiers“74, kalkuliert der hatte die und Bedeutungsschwere dessen der psychologische Wirkungsmacht, durch den akribisch geplanten Ablauf eines Einlass- und Begrüßungsverfahrens, intentional verstärkt wurde.75 Goethe selbst äußerte sich in Briefen gegenüber dem Herzog Karl August zum Zweck des Hauses als Mittel zur „Verbreitung von Kunst und Wissenschaft“76 und machte sehr deutlich, dass das Gebäude „nicht zum Wohlleben“77 gedacht sei. Im Schriftverkehr mit Christiane Vulpius dagegen betonte er, dass die Aufgabe 69Lichtenstern: „Jupiter - Dionysos – Eros“, S. 345. 70 Vgl. ebd., S. 347. 71 Vgl. ebd. 72 Vgl. ebd., S. 347. 73 Vgl. ebd., S. 348. 74 Traeger: „Goethes Vergötterung“, S. 191. 75 Vgl. ebd., S. 188 – 191. 76 Zitiert nach Willi Ehrlich: Goethes Wohnhaus am Frauenplan in Weimar. Weimar: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar 1978, S. 6. 77 Ebd. 10 des Hauses darin bestünde, den Bedürfnissen des Dichters zu entsprechen und ein Ort des Wohlbefindens zu sein.78 Eine besonders wichtige Aufgabe, die das Haus am Frauenplan zu erfüllen hatte, war die Repräsentationsfunktion.79 Aus einem Goethe-Jahrbuchbeitrag Pielmanns geht hervor, dass auch die herzogliche Familie im Haus am Frauenplan empfangen wurde, als der Ministier Goethe im fortgeschrittenen Alter nicht mehr an den Hof ging. Entsprechend repräsentativ musste auch die Gestaltung des Treppenhauses ausfallen, welches die Funktion eines Entrées zu den Wohnräumen übernahm.80 Pielmanns Anmerkung über die „Zurschaustellung von Distanz und Würde“81, die von einigen Zeitzeugen empfunden wurde,82 scheint vor diesem Hintergrund passend. Lichtenstern unterstellt Goethe die Absicht, mit dem als symbolisch zu verstehenden Bildprogramm im Gesamten „gleichnishaft auf höhere Verweisungszusammenhänge hinlenken“83 zu wollen und sich dabei der unendlichen Wirksamkeit sowie der Unerreichbarkeit der Idee in einer Abbildung bewusst zu sein.84 Die Ganzheit der Programmatik Bildungsanliegen verpflichtet, welches betrachtet Lichtenstern als einem Ideale einer Selbstformung zum Gegenstand hat.85 Lichtenstern sieht das Haus am Frauenplan als einheitliches Kunstwerk, welches als planmäßig bis ins Detail durchgestaltetes86 Produkt des Hausherrn, der sich diesen Idealen verpflichtet sah, verstanden werden kann. Was die Verstehensleistung in diesem Zusammenhang betrifft, die Goethe seinen Gästen, unter anderem im Bezug auf die Supraporten des Urbinozimmers, abverlangte, wurde es Betrachtenden nach Lichtensterns Einschätzung nicht leicht gemacht.87 78 Vgl. ebd. 79 Vgl. ebd. 80 Vgl. Pielmann: „Goethes Treppenhäuser“, S. 177. 81Ebd., S. 179. 82 Vgl. ebd., S. 179f. 83 Lichtenstern: „Jupiter - Dionysos – Eros“, S. 360. 84 Vgl. ebd. 85 Vgl. ebd. 86 Vgl. ebd. 87 Vgl. Lichtenstern: „Jupiter - Dionysos – Eros“, S. 355 – 356. 11 3.2 Goethes Leidenschaft für antike Kunstgegenstände als Motiv für die Raumgestaltung Wie bereits beschrieben und anhand der Gestaltung der Räume sowie der zahlreichen Antikrepliken ersichtlich, besaß Goethe eine außerordentliche Vorliebe für die Kunstgegenstände der römisch-griechischen Antike. Das Beispiel der JUNO LUDOVISI, als Huldigung der Kunst der griechischrömischen Antike, macht Goethes Verhältnis zur antiken Kunst besonders deutlich. Als einseitig bezeichnet Raulet die Huldigung88 und arbeitet anhand verschiedener Äußerungen aus Briefen und Aufsätzen Goethes beinahe schon übersteigerte Erhöhung der griechisch-römischen Antike als Maßstab für die bildenden Künste heraus.89 Auch im Bezug auf die Baukunst macht Goethe klar, dass es sich bei Bauwerken, wie dem Kölner Dom oder Straßburger Münster, nur um den Zustand von Raupen oder Puppen handelt, deren Hülle mit der Konzeption der Peterskirche Michelangelos gesprengt werden konnte.90 Lediglich Produkte eines Entwicklungsstadiums also, welche neben der Vollendung in Michelangelos Werk blass wirken. Raulet legt jedoch auch dar, dass diese Äußerungen im starken Kontrast zu Aussagen stehen, die Goethe zu anderen Zeitpunkten in seinem Leben getätigt hatte.91 Damit sollten sie nicht als absolut gesetzt und durchaus als über Goethes Lebenszeit hinweg veränderlich betrachtet werden. Davon abgesehen lässt sich jedoch festhalten, dass Goethe der antiken Kunst stark zugetan war und diese Begeisterung gezielt in das Bildprogramm des Hauses am Frauenplan einarbeitete. Welche Bedeutung der Dichter einzelnen Kunstwerken tatsächlich beigemessen und wie sehr ihn der erste Anblick einzelner Kunstgegenstände ergriffen hatte, wird aus Briefen und autobiographischen Passagen seiner Werke ersichtlich. 88 Gérard Raulet: „Hielt Goethe von der Antike denn so viel?“ In: Moritz Baßler, Christoph Brecht und Dirk Niefanger (Hg.): Von der Natur zur Kunst zurück. Berlin, New York: De Gruyter 1997, S. 128f. 89 Vgl. ebd., S. 128 – 131. 90 Vgl. ebd., S. 130. 91 Vgl. ebd., S. 129. 12 So berichtete er in der Italienischen Reise über die verschiedenen Gipsabgüsse, darunter auch die JUNO LUDOVISI: „Der Eindruck des Erhabenen, des Schönen, so wohltätig er auch sein mag, beunruhigt uns, wir wünschen unsre Gefühle, unsre Anschauung in Worte zu fassen: dazu müßten wir aber erst erkennen, einsehen begreifen; wir fangen an zu sondern, zu unterscheiden, zu ordnen, und auch dieses finden wir, wo nicht unmöglich doch höchst schwierig, und so kehren wir endlich zu einer schauenden und genießenden Bewunderung zurück.“92 1771 schrieb Goethe, im Bezug auf die Originalbüste des APOLL VON BELVEDERE, an Herder: „Mein ganzes Ich ist erschüttert, das können Sie dencken, Mann, und es fibrirt noch viel zu sehr, als daß meine Feder stets zeichnen könnte. Apollo von Belvedere, warum zeigst du dich uns in deiner Nacktheit, daß wir uns der unsrigen schämen müssen?“93 War es vorrangig die Schönheit der Plastiken, die ihn dazu bewog Abgüsse dieser in seinen Räumlichkeiten zu platzieren? In seiner Italienischen Reise schrieb er zu Apoll, anderen Kunstgegenständen und der Sixtinischen Kapelle: „Wie will man sich aber, klein wie man ist, und an´s Kleine gewohnt, diesem Edlen, Ungeheuren, Gebildeten gleichstellen? […] Anders nicht, als daß man es geduldig wirken und wachsen läßt und auch fleißig auf das merkt, was andere zu unseren Gunsten gearbeitet haben.“94 Diese Aussage des Dichters lässt erahnen, dass er ein Erreichen des künstlerischen Ideals, welches er in diesen Werken repräsentiert sah, nicht gänzlich ausschloss. Sie lässt sogar Vermutungen darüber zu, dass eine Platzierung der Abgüsse im eigenen Haus das Streben nach diesem Ideal, durch die beständige Wirkung der Werke auf den Dichter, befördern sollte. Von der JUNO und er Büste des APOLL abgesehen, verursachten nicht viele Werke antiker Künstler, die Goethe in den ersten Woche seines Romaufenthalts sah, derartige Begeisterung bei ihm.95 Seine Ausführungen geben beinahe den Eindruck, es könnte auch schlicht die Faszination und Zuneigung zur römischgriechischen Kunst der Antike gewesen sein, die den Anlass zur Gestaltung der Räume mit Abgüssen und Bildnissen gab. 92 Zitiert nach Max Wegner: Goethes Anschauung Antiker Kunst. Berlin: Verlag Gebrüder Mann 1949, S. 79. 93 Ebd., S. 57. 94 Ebd., S. 58. 95 Vgl. Humphry Trevelyan: Goethe und die Griechen. Hamburg: Marion von Schröder Verlag 1949, S. 158. 13 Diese Annahmen zur Begründung der Platzierung in den Repräsentationsräumen würden jedoch die Frage zulassen, aus welchem Grund die Gegenstände nicht, wie andere Kunstwerke auch, in den Räumen eingelagert wurden, die den Besucher*innen unzugänglich blieben. In diesen hätte Goethe die Werke eingehend bewundern, studieren und auf sich wirken lassen können. Er entschied sich jedoch für eine offene Präsentation dieser Kunstschätze. Die Motivation zu besitzen und zu bestaunen, wie er sie in einem Brief mit den Worten „Einige […] kann ich selbst nicht entbehren, ich meyne man könnte nicht leben ohne sie manchmal zu sehen[…]“96 beschrieb, oder der Gedanke, die Werke zur persönlichen Weiterentwicklung nach idealen Vorbildern auf sich wirken zu lassen, werden daher kaum die einzigen ausschlaggebenden Gründe für die Erstellung des umfangreichen Bildprogramms der Räumlichkeiten gewesen sein. Es ist anzunehmen, dass der Dichter durch die Ausstellung der Gegenstände eine Wirkung auf Dritte beabsichtigte und diese auch genau geplant hatte. Dennoch gab, so lassen es Äußerungen in Goethes Italienischer Reise vermuten, das Bestreben dem „Edlen, Ungeheuren, Gebildeten“97 selbst näher zu kommen und in gewisser Weise im eigenen Wirken nach dieser Schönheit und Größe zu streben, einen entscheidenden Anlass, Kopien dieser Kunstschätze in das Haus am Frauenplan zu holen. Unabhängig von den Fragen, welche primäre Intention der Gestaltung des Hauses mit seinem Bildprogramm zugrunde lag und ob möglicherweise verschiedene Absichten die Ausgestaltung gleichermaßen beeinflussten, kann festgehalten werden, dass Goethe nichts dem Zufall überlassen hatte. Dies zeigen auch seine Briefwechsel mit Johann Heinrich Meyer. Er plante und zeichnete das Treppenhaus selbst mit großer Genauigkeit, wählte die Künstler und Architekten, wie Meyer oder den Dresdner Hofbaukondukteur Schuricht, gezielt aus und überwachte die Umsetzungen seiner Ideen sehr bestimmt.98 96 Wegner: Goethes Anschauung Antiker Kunst, S. 78. 97 Ebd. 98 Vgl. Pielmann: „Goethes Treppenhäuser“, S. 176. 14 3.3 Briefwechsel zwischen Goethe und Meyer Noch bevor Goethe das Haus am Frauenplan 1792 bezog, stellte er umfassende Überlegungen dazu an, wie er die Räumlichkeiten seinen Bedürfnissen entsprechend umbauen und gestalten könnte.99 Die Briefwechsel zwischen Meyer und Goethe aus den Jahren des Umbaus haben zu einem großen Teil Kunstwerke im Allgemeinen sowie das Voranschreiten der Arbeiten am Haus zum Gegenstand.100 Goethe diskutierte die Farbwahl für die Räume,101 die Anfertigung von Gemäldekopien102 sowie das Vorankommen der Gewerke im Haus103 postalisch mit seinem Freund104 Meyer, wenn er selbst nicht in Weimar sein konnte oder Meyer sich auf Reisen befand. Bei der Auswahl von Kunstgegenständen, der Anfertigung von Bildern sowie Kopien und der Ausgestaltung der Zimmer legte der Hausherr größten Wert auf eine genaue Umsetzung seiner Vorstellungen, wie besonders aus einem Brief von 1794 hervorgeht: „Machen Sie sich also an das Werk und thun Sie, da der Gedanke und die Zeichnung gut sind, mit der Farbe das Beste. Es soll gegen die Hauptthüre kommen und das Bild der Angelica in dem mittleren Zimmer allein bleiben. Auf diese Weise werden Sie recht gut fertig, da es bey dem einen Bilde bleibt, und können nebenher noch machen, was Ihnen nützlich und angenehm dünkt.“105 Er merkte im weiteren Verlauf des Briefes an, dass die Maße, die Meyer angegeben hatte, nicht zu passen scheinen und das Bild in kleinerer Ausführung als geplant anzufertigen ist.106 Im Sommer des gleichen Jahres erhielt Goethe eine Zeichnung von Meyer, die er als Schatz betitelte und lobte. Er schrieb: „Es ist ein Sinn, ein Friede in dem 99 Vgl. Ehrlich: „Goethes Wohnhaus am Frauenplan in Weimar“, S. 5. 100 Vgl. Johann Wolfgang von Goethe ; Heinrich Meyer: Goethes Briefwechsel mit Heinrich Meyer. Erster Band: 1 Juli 1788 bis Juni 1797. Weimar: Verlag der Goethe-Gesellschaft 1917 (Schriften der Goethe-Gesellschaft, Bd. 32), S. 58 – 458. 101 Vgl. ebd., S. 100. 102 Vgl. ebd., S. 100f. 103 Vgl. ebd., S. 59. 104 Vgl. ebd., S. 113. 105 Johann Wolfgang von Goethe ; Heinrich Meyer: Goethes Briefwechsel mit Heinrich Meyer, S. 113f. 106 Vgl. ebd., S. 114. 15 Bilde, der höher ist als alle Vernunft; ich freue mich für Sie und uns, daß es Ihnen so wohl gerathen ist.“107 Anweisungen an Meyer, Meinungen über Kunstgegenstände und Bildkopien sowie der Zustand des im Umbau befindlichen Hauses sind, neben einem allgemeinen Austausch über Besucher*innen in Weimar, Politik und Tagesgeschehen, in den Briefen reichlich zu finden. Hinweise auf eine Wirkungsabsicht, die mit dem Erwerben und Präsentieren der Kunstwerke bezweckt wurde, bietet das Briefmaterial zwischen 1792 und 1797 jedoch nicht. Goethe und Meyer tauschten sich intensiv über die Schönheit der Gegenstände aus, der Hausherr beschrieb die Stellen im Haus, an denen bestimmte Büsten oder Gemälde platziert werden sollten und diskutierte Gedanken zur genauen Gestaltung. Meyer äußerte sich zur Ästhetik bestimmter Kunstwerke und bezeichnete sie unter anderem als „artig und natürlich, doch nicht so glücklich zusammen geordnet, als der Gegenstand erfordert“108. Beide Parteien, die sich in der Auswahl der Kunstgegenstände und der Gestaltung des Hauses präzise abstimmten, hatten, so scheint es beim Lesen der Briefwechsel, genaue Vorstellungen. Von einer erwünschten Wirkung auf oder einer Botschaft an die Besucher*innen des Hauses am Frauenplan, denen die vielen Kunstschätze in den Repräsentationsräumen präsentiert wurden, findet sich in den Briefen jedoch kaum ein Wort. Ob Goethe also selbst versuchte mit der Gestaltung des Hauses eine bestimmte Wirkung auf Besucher*innen zu erzielen, kann aus seinem Schriftverkehr mit Meyer nicht abgeleitet werden. Die Berichte von Gästen lassen jedoch Rückschlüsse darauf zu, dass die Ausgestaltung einen eindrucksvollen Effekt erzielte. 107 Ebd., S. 125. 108 Ebd., S. 155. 16 Besucher*innen über die Wirkung der Räumlichkeiten 4 Zu den Besucher*innen zählten Freundschaften des Dichters aber auch Gelehrte und Staatsmänner, die dem Haus zu Goethes Lebzeiten und nach seinem Tod eine gewisse Heiligkeit zusprachen.109 Kahl schreibt in seinen Ausführungen zum Wohnhaus des Dichters sogar von diesem Gebäude als Zeugnis eines Personenkults.110 Wie stark die Wirkung des Hauses, in Verbindung mit dem Auftreten des sogenannten Dichterfürsten, gewesen sein muss, lassen Schriftstücke von Zeitzeugen nur erahnen. Von den unterschiedlichen Wirkungen des Treppenhauses auf die Besucher*innen schreibt Pielmann in ihrem Goethe-Jahrbuchbeitrag. Was von manchen als positive Einstimmung auf die oberen Räumlichkeiten und ihre Gestaltung wahrgenommen wurde, wirkte auf andere beklemmend und stellte Distanz und Würde intentional zur Schau.111 So berichtete Jean Paul: „Sein Haus frappiert: es ist das einzige in Weimar in italienischem Geschmack, mit solcher Treppe.“112 Effi Biedrzynski bezeichnete die Treppe dagegen als „zu großartig geraten[…]“113, räumt allerdings ein, dass sie Würde und Ernst suggeriert.114 Carl Gustav Carus beschrieb, dass das Haus sowie die Treppen und die Verzierungen im Inneren bereits „die Neigungen des Besitzers an[kündigen; J.V.]“115 Auf welche Neigungen er damit referierte wird nicht ganz deutlich. Die vorangegangenen Erwähnungen der antiken Motive und Gestaltung116 lassen 109 Vgl. Paul Kahl: Die Erfindung des Dichterhauses: Das Goethe-Nationalmuseum in Weimar. Eine Kulturgeschichte. Göttingen: Wallstein Verlag 2015, S. 17. 110 Vgl. Kahl: Die Erfindung des Dichterhauses, S. 22. 111 Vgl. Pielmann: „Goethes Treppenhäuser“, S. 179. 112 Zitiert nach Klaus Günzel: »Viele Gäste wünsch ich heut' Mir zu meinem Tische!«. Goethes Besucher im Haus am Frauenplan. Weimar: Böhlau 1999, S. 66. 113 Zitiert nach Pielmann, S. 179. 114 Vgl. ebd. 115 Zitiert nach Werner Völker (Hg.): Bei Goethe zu Gast. Besucher in Weimar. Frankfurt am Main: Insel Verlag 1996, S. 113. 116 Vgl. ebd. 17 jedoch vermuten, dass Goethes Zuneigung zur griechisch-römischen Antike gemeint sein könnte. Den Hausherrn selbst bezeichnete Carus unter anderem als ablehnend in seiner Haltung,117 durch die er sich „gegen das Eindringen und Belästigen der Welt zu schützen scheint“118. „Eine Kühle der Angst“119 ergriff Carus bei der Besichtigung der Räumlichkeiten mit seinen Skulpturen und Kunstwerken.120 Diese Distanz erschien Carus als Gegensätzlich zu der „Weichheit des Dichtergemüts“121, die er in Goethes Augen zu sehen glaubte.122 Eckermann sprach von Einfachheit und nannte das Innere des Hauses, besonders mit Bezug auf das Treppenhaus, edel, ohne dabei auf Glanz aus zu sein.123 Auch Sulpiz Boisserée berichtete 1811 in einen Brief von einem steifen und kalten Empfang.124 Ähnlich fiel die Beschreibung Maximilian Heines aus, der Heinrich Heines Besuch bei Goethe wie folgt schilderte: „Goethe empfing Heine mit der ihm eigenen graziösen Herablassung.“125 Völlig gegenteilig äußerte sich der Student Johann Daniel Falk in den Briefen an seinen Bruder. In ihm erweckte Goethe „ein gewisses Gefühl von Hochachtung, … Ehrfurcht, das aber keineswegs zurückstoßend ist.“126 Bettine Brentano schrieb 1807 an Goethes Mutter von einer „einfachen Treppe“127, die sie hinaufging, und von Gipsstatuen, die „[…] Stille [gebieten; J.V.]. […] Alles ist freundlich und doch feierlich. In den Zimmern ist die höchste Einfachheit zu Hause, ach so einladend! Fürchte dich nicht, sagen mir die bescheidenen Wände[…].“128 So verschieden diese Eindrücke auch anmuten, in ihnen findet sich ein Thema immer wieder: Die Wahrnehmung von Distanz oder Nähe des Gastgebers zu den Gästen des Hauses. Hier hängen die Gestaltung der Repräsentationsräume und das 117 Vgl. ebd., S. 114. 118 Ebd. 119 Zitiert nach Günzel: »Viele Gäste wünsch ich heut' Mir zu meinem Tische!«, S. 84. 120 Vgl. ebd. 121 Völker (Hg.): Bei Goethe zu Gast. Besucher in Weimar, S. 114. 122 Vgl. ebd. 123 Vgl. Pielmann: „Goethes Treppenhäuser“, S. 180. 124 Vgl. Völker: Bei Goethe zu Gast. Besucher in Weimar, S. 78. 125 Willibald Franke: Die Wallfahrt nach Weimar. Besuche bei Goethe in Schilderungen bedeutender Männer. Leipzig: Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung 1925, S. 96. 126 Zitiert nach Günzel: »Viele Gäste wünsch ich heut' Mir zu meinem Tische!«, S. 67. 127 Ebd., S. 132. 128 Ebd. 18 Auftreten des Hausherrn unmittelbar zusammen. Die Schilderungen zeigen, dass bestimmte Gestaltungselemente des Hauses direkt mit Wesen und Auftreten Goethes in Verbindung gesetzt wurden. Inwieweit diese Wirkung von Goethe selbst beabsichtigt war, verraten Zeitzeugenberichte und Briefwechsel leider nicht. 5 Fazit Der Briefverkehr Goethes mit Meyer lässt erkennen, dass der Dichter den Umbau, die künstlerische Gestaltung und die Auswahl der Kunstgegenstände stets lenkte und überwachte. Spezifische Wirkungsabsichten lassen sich aus den Äußerungen Goethes selbst allerdings nicht entnehmen. Den Berichten von Besucher*innen des Hauses am Frauenplan zufolge bewirkte die Innenraumgestaltung Erstaunen und hinterließ bleibende Eindrücke, die eng an die Begegnungen mit dem Hausherrn geknüpft waren und sogar unmittelbar mit seinem Auftreten und Wesen in Verbindung gebracht wurden. Es ist anzunehmen, dass sich eine solche Wirkung nicht zufällig entfalten konnte, sondern gezielter Planung folgte. Traegers Auffassung, dass es sich bei der Gestaltung um ein gezieltes Mittel zur Selbstinszenierung handelte, dass sich psychologischer Wirkungsmacht bediente,129 scheint daher durchaus begründet. Auch Pielmanns Ausführungen, die dem Dichter eine gezielte Zurschaustellung von Distanz und Würde unterstellen,130 schließen an die Theorie einer intendierten und gut geplanten Wirkung auf Gäste des Hauses an. Eine andere Absicht sieht Lichtenstern hinter der Bildprogrammatik. Die Aufarbeitung beliebter Motive des Klassizismus und philosophischer Fragen betrachtet sie als Bildungsanliegen Goethes sowie als Ausdruck von Selbstverpflichtung gegenüber dem Ideal des Aufwärtsstrebens und der Selbstformung des Menschen nach dem Vorbild des Vollkommenen.131 Raulet thematisiert keine derartige Wirkungsabsicht im Bezug auf die Präsentation der Kunstgegenstände und Gestaltung der Repräsentationsräume. Er sieht in der Ausstellung der Büsten Goethes Überhöhung der römisch- 129 Vgl. Traeger: „Goethes Vergötterung“, S. 188 – 191. 130 Vgl. Pielmann: „Goethes Treppenhäuser“, S. 179. 131 Lichtenstern: „Jupiter - Dionysos – Eros“, S. 360. 19 griechischen Antike als Ideal und Maßstab für die Kunst.132 Goethes Liebe zur Antike drückt sich auch in seinen autobiographischen Schriften und Briefwechseln deutlich aus und stützt Raulets Betrachtungen. Ein einzelnes zentrales Motiv, welches Johann Wolfgang von Goethe zu einer solch aufwändigen und durchdachten Gestaltung und Bildprogrammatik bewogen haben könnte, lässt sich aus dem aktuellen Stand der Forschung und den betrachteten Briefwechseln nicht generieren. Die vorliegenden Ausführungen lassen jedoch die Schlussfolgerung zu, dass verschiedene Absichten, Interessen und Umstände auf die Gestaltung der Repräsentationsräume wirkten und diese beeinflussten. Dass das Motiv der Selbstinszenierung dabei eine zentrale Rolle spielte, ist stark anzunehmen. Dafür spricht insbesondere die gezielte Platzierung der Gegenstände in den Repräsentations- statt Privaträumen. Möglicherweise zeigen genauere Betrachtungen einzelner Kunstgegenstände oder Arrangements in den Räumen, in Zusammenhang mit Briefdokumenten und Tagebucheinträgen des Dichters, deutliche Motive und Hintergründe, die sich bestimmten Lebensphasen zuordnen lassen. Eine derart am Detail orientierte Untersuchung mit dem Ziel der Herausstellung von speziellen Wirkungsabsichten stellt eine umfangreiche Aufgabe dar, welche die geeignete Grundlage für eine ausführliche Forschungsarbeit bilden kann. 132 Vgl. Gérard Raulet: „Hielt Goethe von der Antike denn so viel?“, S. 128 – 131. 20 Kommentiertes Literaturverzeichnis Ehrlich, Willi: Goethes Wohnhaus am Frauenplan in Weimar. Weimar: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar 1978. Die kurze Broschüre stellt einen Abriss zur Geschichte des Hauses am Frauenplan vor. Dabei werden Goethes Jahres als Mieter, der spätere Umbau des Hauses, die testamentarische Übergabe an die Enkel nach dem Tod des Dichters sowie die Jahre nach 1945 thematisiert. Im Anschluss führt die Broschüre durch das museale Arrangement, liefert Beschreibungen und Hintergründe zu einzelnen Räumen und Kunstgegenständen und vermittelt durch Farbfotographien einen Eindruck von den Räumlichkeiten. Die genauen Beschreibungen der Positionen von Kunstgegenständen kommen einer Führung durch das Wohnhaus nahe. Franke, Willibald: Die Wallfahrt nach Weimar. Besuche bei Goethe in Schilderungen bedeutender Männer. Leipzig: Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung 1925. Es handelt sich bei diesem Werk um eine Sammlung von Briefen und autobiographischen Textausschnitten unterschiedlicher Zeitzeugen, die Goethe zu Lebzeiten in Weimar besucht hatten. Die Texte geben persönliche Einblicke in die Begegnungen mit dem Dichter, haben Unterhaltungen mit ihm zu den Themen Kunst, Dichtung und Politik zum Gegenstand und weisen auch Bezüge zur Gestaltung, Einrichtung und Wirkung des Hauses am Frauenplan auf. Die Briefwechsel der insgesamt dreizehn Herren, die hier zusammengetragen wurden, lassen sich auf die Zeitspanne von 1794 bis 1830 datieren. Vor jeder Schriftenzusammenstellung gibt Franke einen Abriss zur Biographie der jeweiligen Person und geht auf die Beziehung zu Goethe ein, um den folgenden Schriftverkehr und die anderen Textfragmente in den Kontext zu setzten. Der größere Teil des Schriftverkehrs bezieht sich jedoch auf Besuche in Weimar, die in den Jahren nach Christianes Tod stattgefunden haben. Hauptgegenstand der Texte ist zumeist Goethe als Künstler, Dichter und Gastgeber, seine Ansichten, sein Auftreten und die Inhalte der Konversationen. Goethe, Johann Wolfgang von; Meyer, Heinrich: Goethes Briefwechsel mit Heinrich Meyer. Erster Band: 1 Juli 1788 bis Juni 1797. Weimar: Verlag der Goethe-Gesellschaft 1917 (Schriften der Goethe-Gesellschaft, Bd. 32). Günzel, Klaus: »Viele Gäste wünsch ich heut' Mir zu meinem Tische!«. Goethes Besucher im Haus am Frauenplan. Weimar: Böhlau 1999. In chronologischer Reihenfolge arbeitet sich Günzel durch Goethes Biographie, mit wichtigen Lebensabschnitte und seinem Schaffen. Die Perspektive auf das Leben des sogenannten Dichterfürsten bleibt dabei jedoch über die gesamte Monographie hinweg an den Besucher*innen des Hauses am Frauenplan ausgerichtet. Jeder Lebensabschnitt Goethes wurde von Zeitzeugen erlebt und begleitet, die ihn in seinem Anwesen besuchten, mit ihm über seine Werke und Interessen sprachen, seine Meinung zu ihrem eigenen Schaffen einholten oder sogar mit ihm gemeinsam an Texten und Projekten arbeiteten. So werden Lebensabschnitte vieler bedeutender Gäste des Dichters, ihre Beschäftigung mit und Beziehung zu ihm und ihre Eindrücke geschildet sowie in den Kontext der Biographie Goethes gesetzt. Einigen Gästen des Hauses, die eine engere Beziehung zum Hausherren pflegten, so zum Beispiel auch Schiller, gibt Günzel mehr Raum und nimmt dabei auch kurze Exkurse in andere Biographien vor. Jericke, Alfred: Das Goethe-Haus am Frauenplan. Weimar: Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar 1958. Das Werk steigt mit einem Kapitel zur Geschichte des Hauses am Frauenplan ein. Die Biographie des Dichters selbst spielt zwar eine Rolle, steht jedoch nicht im Fokus. Architektur, Zustand und Wirkung des Hauses, die Raumaufteilung und die Präsentation der Kunstgegenstände sowie Forschungssammlungen stehen im Mittelpunkt der Betrachtungen. Den Hauptteil des Buches bildet die Beschreibung des Rundgangs durch die Räume mit allen Einzelheiten. Zu jedem Raum werden Inventar und Kunstwerke mit ihren Schöpfer*innen aufgelistet. Kleinere Zeichnungen der Zimmer, die mit Ziffern für das Inventar versehen sind, stützen die sehr ausführlichen Beschreibungen der einzelnen Zimmer. Das Buch schließt mit mehreren Schwarzweißfotografien der Räumlichkeiten und ausgewählter Exponate ab. Kahl, Paul: Die Erfindung des Dichterhauses: Das Goethe-Nationalmuseum in Weimar. Eine Kulturgeschichte. Göttingen: Wallstein Verlag 2015. Kahl betrachtet das Goethehaus aus kulturgeschichtlicher Perspektive und macht unter anderem die Instrumentalisierung des Gebäudes zur Zeit des Nationalsozialismus und den Umgang mit diesem belasteten Erbe in der Deutschen Demokratischen Republik zum Gegenstand seiner Ausführungen. Eine seiner Hauptthesen ist, dass es sich bei dem Gebäude an sich um das Zeugnis eines Personenkults handelt, dessen differenzierte Aufarbeitung als solches in der Forschung bislang fehlt. In der Vorbemerkung macht Kahl deutlich, dass Aussagen von Zeitgenossen und Bezüge zu Quellen stets historisch zu kontextualisieren sind. Diesem Grundsatz folgt er in seinen Ausführungen konsequent. Die Kunstsammlungen, die Details der Gestaltung und mögliche Wirkungsabsichten Goethes bilden keine zentralen Inhalte des Buches. Vielmehr fokussiert Kahl sich auf die Entwicklung des Hauses als Museum und Gedenkstätte unter den historischen Einflüssen der letzten Jahrhunderte. Lichtenstern, Christa: „Jupiter - Dionysos - Eros / Thanatos: Goethes symbolische Bildprogramme im Haus am Frauenplan“. In: Werner Keller (Hg.): GoetheJahrbuch 112. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1995, S. 343 – 360. Lichtensterns Beitrag setzt sich mit den Symboliken und Absichten der Gestaltung des Bildprogramms in den Repräsentationsräumen des Goethehauses auseinander. Die Details bestimmter Arrangements und Einzelkunstwerke, ihre Bezüge zur griechisch-römischen Antike sowie Fragen der Philosophie, mit denen sich Goethe auseinandersetzte, und ihre Beziehungen zu verschiedenen Lebensphasen des Dichters sowie zu seinem Menschenbild und seiner Auffassung von der Entwicklung des Menschen nach göttlichem Ideal werden genau betrachtet. Die akkurate und kleinteilige Deutung bestimmter Zusammenstellungen von Bildern und Skulpturen wird immer wieder mit Lebensereignissen, Maximen und Anschauungen Goethes in Verbindung gebracht. Ein zentrales Motiv der Gestaltung ist nach Lichtenstern das des Aufwärtsstrebens, welches sie besonders im Treppenhaus repräsentiert sieht. Das Prinzip des Aufwärtsstrebens nach einem göttlichen Ideal findet Lichterstern in den Schaffensmaximen des Dichters ebenfalls wieder. Eindrücke von Zeitzeugen und Goethes Intentionen hinter der Gestaltung werden ebenfalls thematisiert, den Kern des Beitrags bildet jedoch die Deutung des Bildprogramms an sich. Maul, Gisela; Oppel, Margarete; Trunz, Erich: Goethes Wohnhaus in Weimar. München: Hanser2 2000. Die umfangreiche Broschüre dient als Begleitheft durch die museale Ausstellung im Goethehaus. Auf 158 Seiten werden eine geschichtliche Einführung, ein Abschnitt zu Goethes Sammlungen und ein umfassender Führungsteil geboten. Darin wird jeder Part des Hauses mit seinen Zimmern, der Einrichtung und seiner Entstehung beschrieben. Zu den Hauptkunstwerken werden, neben Erläuterungen zu Entstehungsgeschichte, die Namen der Künster*innen aufgeführt und Bezüge zu antiken Vorbildern, Mythen und auch Werken aus Goethes Feder hergestellt. Die Bebilderung gibt einen Überblick über die Räume, die Raumaufteilung und die Ausstattung. Durch die Grundrisse der Geschosse im Haus und die groben Umrisse der Anordnung von Elementen in den Räumen, die in jedem Abschnitt der Broschüre aufgeführt werden, entsteht ein guter Gesamteindruck des Hauses am Frauenplan. Pielmann, Erika: „Goethes Treppenhäuser“. In: Werner Keller (Hg.): GoetheJahrbuch 115: Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1998, S. 171 – 182. Der Artikel befasst sich mit den Treppenhäusern, die Goethe in Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter gesehen und in seinem eigenen Schaffen und Wirken verarbeitet hat. Im Fokus dieser Auseinandersetzung stehen das Treppenhaus im Hause der Eltern Johann Wolfgangs, welches sein Vater selbst entworfen hatte, und das Treppenhaus in Goethes Haus in Weimar. Pielmann erläutert die historischen Hintergründe der Entstehungsprozesse beider Treppenhäuser, ermittelt deren Wirkung sowie Funktionen zur damaligen Zeit und stellt Zusammenhänge zu bestimmten Epochen der Baukunst sowie zu unterschiedlichen Vorlieben von Vater und Sohn her. Die unterschiedlichen Ansichten des jungen und des alten Goethe, besonders was die barocke Baukunst anbelangt, Winckelmanns Einfluss auf Johann Wolfgangs ästhetische Anschauungen und die Eindrücke, die Goethe auf seiner Reise durch Italien gewann waren es nach Pielmann, die maßgeblich auf die Gestaltung des Treppenhauses am Frauenplan wirkten. Raulet, Gérard: „Hielt Goethe von der Antike denn so viel?“ In: Moritz Baßler, Christoph Brecht und Dirk Niefanger (Hg.): Von der Natur zur Kunst zurück. Berlin, New York: De Gruyter 1997, S. 127 – 142. Raulets Beitrag diskutiert die Entwicklung der Ansichten Goethes im Bezug auf die Antike als Ideal in Kunst, Menschenbild und Literatur. Grundlage bilden Briefwechsel Goethes, Ausschnitte aus seinen Schriften und seine eigenen Betätigungen im Bereich der bildenden Künste, vor allem aber seine kunstphilosophischen Texte. Raulet versucht eine Entwicklung im Denken des Dichters, die von einer absoluten Idealisierung und Nachahmung der römischgriechischen Antike als höchstes Schaffensprinzip wegführt, anhand des Textmaterials nachzuweisen. An verschiedenen Aufsätzen zeigt Raulet, wie sich Goethes Kunstauffassung wandelte und die Ansicht, eine Kultur könne eine andere, bereits vergangene nicht vollumfänglich nachahmen, Einzug in seine Kunstphilosophie und sein Schaffen hielt. Traeger, Jörg: „Goethes Vergötterung: Von der Kunstsammlung zum Dichterkult“. In: Markus Bertsch und Johannes Grave (Hg.): Räume der Kunst. Blicke auf Goethes Sammlungen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2005 (Ästhetik um 1800, Bd. 3), S. 172 -215. Der Beitrag des Sammelwerks befasst sich mit der Kunstsammlung und Gestaltung des Hauses am Frauenplan und der damit verbundenen Stilisierung Goethes zu einer ‚gottgleichen‘ Persönlichkeit in der deutschen Literatur- und Kulturlandschaft. Neben dem Motiv des Aufstiegs, welches Traeger im Treppenhaus des Hauses in Weimar repräsentiert sieht und welches Goethe selbst die Aura eines den Olymp aufsteigenden Dichters verschaffen sollte, nimmt Traeger auch die Portraitdarstellungen des Dichterfürsten in den Blick. Sowohl das Bildprogramm des Hauses als auch die Gemälde, die Goethe zeigen, und die Goethe-Büsten, die der Dichter in Auftrag gab, erfüllten nach Traeger Selbstinszenierungsfunktionen, die auf klaren Vorstellungen Johann Wolfgangs basierten. Traeger zieht, neben den Deutungen der Bildprogrammatik und Portraits sowie Goethes eigene Aussagen zu den verschiedenen Darstellungen seiner Person, Äußerungen von Zeitgenossen heran, um eine intendierte Selbstdarstellung des Dichters als jupitergleiche Gestalt, die Ehrfurcht zu erwecken vermag und Würde ausstrahlt, aufzuzeigen. Trevelyan, Humphry: Goethe und die Griechen. Hamburg: Marion von Schröder Verlag 1949. In chronologischer Reihenfolge erarbeitet Trevelyan in seinem Buch den Einfluss der griechisch-römischen Antike auf Goethes Weltanschauung und Schaffen. Beginnend bei den historischen Hintergründen, die eine weniger populäre Stellung der griechisch-römischen Kunst in Deutschland begünstigten und die Goethes Ausbildung in jungen Jahren beeinflussten, zeichnet Trevelyan den Weg der Wiederentdeckung und Wiederkehr antiker Motive in Kunst und Literatur, an der Goethe maßgeblich mitwirkte. Die Einflüsse Winckelmanns, die Beschäftigung mit der griechischen Philosophie und die Auseinandersetzungen mit Wieland sind, neben Goethes Italienreise und der Zusammenarbeit mit Köpfen wie Herder und Lessing, nur einige Stationen dieses Weges, die Trevelyan ausführlich beleuchtet. Um Goethes Gedanken und Entwicklungen nahvollziehbar zu machen, bedient sich Trevelyan autobiographischer Auszüge aus Goethes Texten, seiner philosophischen Schriften aber auch der privaten Briefwechsel. Die abschließenden Bemerkungen Trevelyans zu der Thematik stellen Goethes Betrachtung der griechischen Kunst als den Idealtypus heraus. Trunz, Erich: Weimarer Goethe-Studien. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger 1980 (Schriften der Goethe-Gesellschaft, Bd. 61). Der Reihentitel behandelt Schriften zu verschiedenen Interessens- und Schaffensbereichen des Dichters, Künstlers, Forschers und Sammlers Goethe. Nach einem kürzeren Abriss zur späten Gestaltung und Nutzung des Hauses am Frauenplan als Alterssitz, werden Goethes handschriftliche Ausführungen zur Landschaftsmalerei und diverse Textfragmente aus seinem Nachlass als zentrale Themen des Buches vorgestellt. Dabei handelt es sich vorrangig um den Stand der Goethe-Forschung zu diesen Handschriften sowie den Versuch der historischen Einordnung und der Deutung von möglichen Bezugnahmen auf Orte, Personen, Ereignisse und andere Texte. Völker, Werner (Hg.): Bei Goethe zu Gast. Besucher in Weimar. Frankfurt am Main: Insel Verlag 1996. Völker führt die Eindrücke verschiedener Zeitzeug*innen im Bezug auf Goethe, sein Haus in Weimar und seine dichterischen und künstlerischen Tätigkeiten zusammen. Nach einem kurzen Vorwort werden zwölf Personen mit einer Abbildung, einem kurzen biografischen Abriss und ihrer Beziehung zu Goethe aufgeführt. Zwischen den Briefwechseln der Persönlichkeiten, aus denen Ausschnitte zitiert werden, ordnet Völker die Passagen in den historischen Kontext ein und erläutert und ergänzt die Ausschnitte um Informationen aus Goethes Biographie. Die wenigen Abbildungen zu den Räumlichkeiten und Kunstgegenständen in Goethes Haus am Frauenplan ergänzen die Berichte der Zeitgenoss*innen. Wegner, Max: Goethes Anschauung Antiker Kunst. Berlin: Verlag Gebrüder Mann 1949. Auf 134 Seiten trägt Wegner Goethes Auffassungen zu verschiedenen Kunstwerken zusammen. Die Ausführungen sind in ‚Bauten‘, ‚Plastik‘, ‚Malerei‘ und ‚Verschiedenes‘ unterteilt. Zu jedem Kunstgegenstand oder Bauwerk werden eine ausführliche Beschreibung sowie die Entstehungsgeschichte und Goethes Begegnungen mit dem Werk aufgeführt, bevor seine Eindrücke und Anschauungen aus den autobiographischen Schriften und Briefwechseln präsentiert werden. Vereinzelte Zeichnungen sollen den Leser*innen einen Eindruck von den Gegenständen der Betrachtungen geben. Abgeschlossen wird das Buch von einer Schlussbetrachtung, die Goethes Anschauungen nochmals zusammenfasst und die zentrale Bedeutung des ‚Griechentums‘ herausstellt, sowie mehreren Schwarzweißfotografien von Gebäuden, Gemmen, Plastiken und Gemälden. Wenzel, Manfred: „Natur – Kunst – Geschichte. Goethes Farbenlehre als universale Weltschau“. In: Werner Frick, Jochen Golz und Edith Zehm et al. (Hg.): Goethe-Jahrbuch 124. Göttingen: Wallstein Verlag GmbH 2007, S. 115 – 125. Der Beitrag beschäftigt sich mit der Farbenlehre Goethes, erläutert den Aufbau sowie die zentralen Inhalte der Schrift und geht auf die die Entstehungsgeschichte und Kritik, die Zeitgenossen Goethes äußerten, ein. Wenzel betrachtet die Farbenlehre als ein Hauptwerk Goethes und merkt an, dass der Dichter sie auch selbst wohl als solches zu betrachten schien und sich gegenüber jeder Kritik bezüglich Farbenlehre resistent, nach Wenzels Auffassung sogar verständnislos, zeigte. Wenzel hält fest, dass ein einzelner fachwissenschaftlicher Zugang einer umfassenden Untersuchung der Farbenlehre und der dazu geäußerten Kritik nicht gerecht werden kann. Die Betrachtung in der Wissenschaft muss sich daher diverser Fachbereiche, wie unter anderem Kunsttheorie, Chemie und Ästhetik, bedienen. Wenzel betrachtet die Entwicklung hin zum fertigen Produkt der Farbenlehre als einen beschwerlichen Weg Goethes und stellt gleichzeitig einen großen Einfluss dieser Schrift fest.