2 - Thomas A. Bauer

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Stuard HALL
Die Frage der kulturellen Identität
(aus: Rassismus und kulturelle Identität. Argument, Hamburg, 1994)
Abstract
Stuart Hall stellt die Frage nach Identität im Prozess von wandelnden gesellschaftlichen
Strukturen, Modernisierung und Globalisierung.
Befindet sich die Identität in einer Krise – und welche Entwicklungen in der modernen
Gesellschaft haben diese Krise beschleunigt – und mit welchen Konsequenzen ist zu rechnen.
Er diskutiert die Behauptung der ´dezentrierten´, ´zerstreuten´, und ´fragmentierten´
modernen Identität und deren mögliche Konsequenzen, im Zusammenhang mit der
Globalisierung. Weiters wird auf das Wiederaufleben extremer Bewegungen wie
Nationalismus und Fundamentalismus eingegangen.
Schlagwörter
Identität – Globalisierung – Nationalkultur – Ethnizität –Fundamentalismus – Hybridität –
Diaspora – De-Zentrierung
Krauck, Stephanie, 0301752
Meraner, Karin, 0349212
Reinhold, Karin, 0307035
Varnagy, Diana, 0303624
696511 VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur
Univ.-Prof. Dr. Thomas A. Bauer, Institut für Publizistik- und
Kommunikationswissenschaft, Universität Wien, , WS 2004/2005
Inhaltsverzeichnis
1
2
Identität im Zweifel............................................................................................................ 3
1.1
Drei Konzepte der Identität ........................................................................................ 3
1.2
Worin besteht der Einsatz im Problem der Identitäten? ............................................ 4
Geburt und Tod des modernen Subjekts ............................................................................ 4
2.1
Die De-Zentrierung des Subjekts ............................................................................... 6
3
Nationalkulturen als „vorgestellte Gemeinschaften“ ......................................................... 8
4
Globalisierung .................................................................................................................. 10
5
Das Globale, das Lokale und die Rückkehr der Ethnizität .............................................. 11
6
Fundamentalismus, Diaspora und Hybridität .................................................................. 12
7
Identitäten, Medien, Medienpädagogik – eine Bewertung .............................................. 13
8
Literaturverzeichnis ......................................................................................................... 14
Die Frage der kulturellen Identität
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1 Identität im Zweifel
Die Frage nach der „Identität“ tritt immer wieder auf und gibt Anlass zur Diskussion in der
Gesellschaftstheorie. Alte Identitäten, die die soziale Welt lange stabilisiert haben, werden
abgelegt bzw. machen neuen Identitäten Platz. Dieser Wandlungsprozess, der die zentralen
Strukturen und Prozesse moderner Gesellschaften verschiebt und die Netzwerke unterminiert,
die den Individuen in der sozialen Welt eine stabile Verankerung gaben, gilt als „Krise der
Identität“. Worin eine solche Krise besteht, was diese beinhaltet und in welche Richtung sie
sich bewegt, wird unter anderem auch in diesem Text behandelt. Konkret beschäftigen sich
Kapitel 1 und 2 mit Veränderungen in den Identitäts- und Subjektkonzepten. Kapitel 3-6
hingegen behandeln diese Entwicklung von alten zu neuen Identitäten, die Veränderung des
modernen Individuums vom einheitlichen zum fragmentierten Subjekt, unter besonderer
Berücksichtigung der kulturellen Identitäten.
Diese Arbeit sympathisiert grundsätzlich mit der Behauptung, dass moderne Identitäten
„dezentriert“, „zerstreut“ und fragmentiert sind. Sie versucht jedoch in den nächsten Kapiteln
herauszufinden, was diese Behauptung beinhaltet, um sie näher zu bestimmen und ihre
möglichen Konsequenzen zu diskutieren.(vgl. Hall 1994, S.180)
1.1
Drei Konzepte der Identität
Grundsätzlich unterscheidet Hall drei Auffassungen von Identität. Das Konzept des Subjekts
der Aufklärung, des soziologischen Subjekts und des postmodernen Subjekts. Das Subjekt
der Aufklärung basiert auf einer Auffassung der menschlichen Person als vollkommen
zentriertem und vereinheitlichtem Individuum. Es war mit dem Vermögen der Vernunft, des
Bewusstseins und der Handlungsfähigkeit ausgestattet. Ab der Geburt des Subjekts entfaltete
sich seine Identität, welche aber im wesentlichen während der ganzen Existenz des
Individuums dieselbe blieb. (vgl. Hall 1994, S. 181)
Das Konzept des soziologischen Subjekts reflektiert die wachsende Komplexität der
modernen Welt und ihre Wahrnehmung, „dass der innere Kern des Subjekts nicht autonom
war und sich selbst genügte, sondern im Verhältnis zu „bedeutenden Anderen“ geformt
wurde, die dem Subjekt die Werte, Bedeutungen und Symbole vermittelten – die Kultur, in
der er/sie lebte.“ (Hall 1994, S.182) Dieses Konzept besagt, dass sich die Identität in der
Interaktion zwischen dem Ich und der Gesellschaft bildet und nicht wie im Konzept der
Aufklärung nur vom Ich ausgeht. Man geht nicht mehr von der einheitlichen, stabilen
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Identität aus, sondern von einer, die sich aus mehreren unterschiedlichen, zum Teil sich
widersprechenden Identitäten, zusammensetzt.
Dadurch entsteht das postmoderne Subjekt, „dass ohne eine gesicherte, wesentliche oder
anhaltende Identität konzipiert ist.“ (ebd.) Identität wird in den verschiedenen Arten von
kulturellen Systemen, die uns umgeben repräsentiert, kontinuierlich neu gebildet und
verändert. Vorerst nur diese kurze Übersicht der drei Konzepte der Identität, mehr dazu
weiter unten.
1.2
Worin besteht der Einsatz im Problem der Identitäten?
Um die Fragmentierung oder „Pluralisierung“ von Identitäten und im Besonderen zu
verdeutlichen was sie als Konsequenzen mit sich bringt, gibt Hall ein Beispiel aus der Politik.
1991 nominiert George W. Bush den schwarzen Richter mit konservativen Ansichten namens
Clarence Thomas. Dies soll eine konservative Mehrheit im US Supreme Court
wiederherstellen. Bushs Überlegung war es, dass weiße Wähler die vorher Vorurteile
gegenüber einem schwarzen Richter hatten, ihn wählen würden, da er konservativ eingestellt
ist und die schwarzen Wähler würden für ihn stimmen, da sie Solidarität gegenüber dem
schwarzen Richter zeigen wollen. Somit spielte Bush mit den Identitäten der Wählerschaft.
Später wurde Richter Clarence Thomas von einer schwarzen Frau, Anita Hill der sexuellen
Nötigung angeklagt. Ein Skandal der die amerikanische Gesellschaft polarisierte und ein
regelrechtes Durcheinander der Identitäten auslöste. Um einige Beispiel zu nennen: viele
Schwarze unterstützten den Richter aus „rassischen“ Gründen, andere bekämpften ihn aus
geschlechtsspezifischen Gründen. Schwarze Frauen standen im Zwiespalt, je nachdem ob
ihre Identitäten als Schwarze oder als Frauen den Ausschlag gaben. Ein anderes Beispiel
waren die weißen Feministinnen, welche meist liberal in Bezug auf die „Rassenfrage“
eingestellt waren und den Richter aus geschlechtsspezifischen Gründen bekämpften. An
dieser Stelle würden sich noch viele weitere Beispiele anderer Bereiche anbieten. Jedoch
zeigen schon diese wenigen Beispiele Zerstreuung und Widersprüchlichkeiten der Identitäten
auf. (vgl. Hall 1994, S. 185 ff)
2 Geburt und Tod des modernen Subjekts
Im folgenden wird ein Überblick darüber gegeben, wie Subjekt und Identität in der Moderne
gedacht wurden.
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Nach den Ansichten der Befürworter der De-Zentrierungsthese, hat sich die Einstellung des
modernen Subjekts an drei strategischen Punkten in der Moderne verändert. Diese
Veränderung setzt die Annahme voraus, dass sich die Vorstellungen des Subjekts verändern
und eine Geschichte haben. Mit anderen Worten: Wenn man von der Entstehung eines
Subjekts spricht, also von dessen "Geburt", von der an es sich auch verändert, können wir
auch unter bestimmten umständen auch von seinem Tod sprechen (Hall 1994, S. 188).
Die Geburt des souveränen Individuums zwischen dem Renaissance-Humanismus des
sechzehnten und der Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts stellte einen bedeutenden
Bruch mit der Vergangenheit dar. Die Veränderungen, die die Moderne mit sich brachte,
löste die Individuen von ihren stabilen Bindungen in Traditionen und Strukturen los.
Der Renaissance-Humanismus stellte den Menschen ins Zentrum des Universums. Im
Zentrum des Geistes stand das individuelle Subjekt, gegründet auf seiner Fähigkeit zur
Vernunft und zum Denken. René Descartes´ Parole: "cogito, ergo sum". Diese Konzeption
des rationalen und bewussten Subjekts ist als "das cartesianische Subjekt bekannt.
John Locke meinte mit dem 'souveränen Individuum' eine "Identität des rationalen Seins" eine Identität, die dieselbe und kontinuierlich mit ihrem Subjekt verbunden bleibt:
> So weit wie das Bewusstsein sich auf vergangenes Handel und Denken zurückerstreckt,
soweit reicht die Identität dieser Person. < " (Locke 1967, S. 212f., zit. nach Hall 1994,
S.189).
Das Subjekt der Moderne war das Subjekt der Vernunft, des Wissens und des Handelns, das
bedeutete aber, dass es auch die Konsequenzen zu tragen hatte - und war ihnen 'unterworfen'.
Im achtzehnten Jahrhundert, mit der wachsenden Komplexität moderner Gesellschaften,
wurden die Prozesse des modernen Lebens kollektiver und gesellschaftlicher.
Zur Begründung der modernen, "gesellschaftlicheren Auffassung des Subjekts" trug die
Entstehung neuer Gesellschaftswissenschaften bei.
Mit der Entstehung der Soziologie wurde die Integration des Individuums in die Gesellschaft
erforscht. Diese erfolgt durch die Internalisierung des Außen im Subjekt und die
Externalisierung des Inneren durch Handlung in der sozialen Welt.
Individuen werden subjektiv durch ihre Mitgliedschaft und Beteiligung in sozialen
Beziehungen geformt und, wie Prozesse und Strukturen durch die Rolle, die Individuen
spielen, erhalten werden.
Theoretiker wie Goffman, und später Parsons, erforschten, wie 'das Ich' in verschiedenen
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sozialen Situationen dargestellt wird und wie die Konflikte zwischen den verschiedenen
sozialen Rollen überwunden werden. Parsons studierte die Komplementarität zwischen dem
'Ich' und dem sozialen System.
Ronald D. Laing bezeichnet das Komplementärverhältnis als die Funktion personaler
Beziehungen, durch die der Andere sein selbst erfüllt oder ergänzt (Laing 1973, S. 74ff).
Demnach entsteht die Selbst-Identität in einer oder durch eine Beziehung zu Anderen. Er
versteht unter Identität "das, was einen glauben lässt, man sei an einem Ort zu einem
bestimmten Zeitpunkt derselbe wie an jenem Ort zu jenem Zeitpunkt, in der Vergangenheit
oder in der Zukunft; sie ist all das womit man identifiziert wird" (ebd.). Allerdings besteht
diese Identität aus mehreren Fragmenten: aus der Identität die man sich zuschreibt, der einem
von Anderen zugeschrieben wird, was man Anderen zuschreibt...
Im ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts begann ein verwirrtes und verwirrendes Bild
des Subjekts und der Identität in den ästhetischen und intellektuellen Bewegungen zu
entstehen, die mit dem Aufstieg der Moderne verbunden werden. Laing begründet diese
Verwirrtheit der Menschen damit, dass es in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft,
wo die Menschen dem Komplementärverhältnis ausgesetzt sind, es sehr schwierig ist, eine
konsequente Identität für das selbst herzustellen, wenn die Definitionen des Selbst durch
Andere inkonsequent sind oder sich gegenseitig ausschließen. Widersprüchliche oder
paradoxe Identitäten, die durch Zuschreibungen anderer übermittelt werden, werden oft nicht
als solche erkannt. Man versucht sich mit ihnen zu identifizieren, oft ist das aber unmöglich;
dann kommt es zur Verwirrung, ohne dass man weiß woher die Verwirrung kommt und
zudem, dass man oft nicht einmal weiß, dass man verwirrt ist. "Zweifel können von Anderen
erzeugt werden, die Identitäten darbieten, die zu ihren eigenen Identitäten in einem
komplementären Verhältnis stehen. (...) Wenn eine Person glaubt, die ihr zugeschriebene
Identitäten nicht unter Kontrolle zu haben, weist sie dann alle ihr aufgedrängten Elemente
zurück. Der Ausweg aus den unerträglichen Dissonanzen nimmt eine manische Form an,
hervorgerufen "durch das reziproke Aufheben von Identitäten, die vom Selbst und der
Anderen auf das Selbst projiziert werden" (ebd.).
2.1
Die De-Zentrierung des Subjekts
Die erste große De-Zentrierung brachte die Tradition des marxistischen Denkens mit sich, die
auf die Regulierung gesellschaftlicher Systeme basiert und "Kapitalkreisläufe statt
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irgendwelche abstrakten Vorstellungen vom Menschen in den Zentrum seines theoretischen
Systems rückte" (Hall 1994, S.193).
Zum zweiten Schritt der De-Zentrierung trug Sigmund Freud mit der Entdeckung des
Unbewussten bei. Freuds Theorie ist, dass unsere Identitäten auf der Grundlage komplexer,
psychischer und symbolischer Handlungsprozesse des Unbewussten gebildet werden.
Entscheidend war hier die psychoanalytische Trieblehre, sowie die Einführung des Begriffs
'Narzissmus', welche vernichtend auf das Konzept des 'vernünftigen' Subjekts wirkten.
Identität ist also etwas, was ständig in einem Prozess der Entwicklung ist und andauernd
gebildet wird. Hall spricht in dem Zusammenhang von dem Prozess der Identifikation. Diese
ist fortdauernd , besteht nicht nur aus der Entwicklung unseres Ichs, sondern "entsteht durch
den Mangel an Ganzheit" (Hall 1994, S. 196). So gesehen ist jeder Mensch sein Leben lang
auf der Suche nach seiner Identität.
Die dritte De-Zentrierung Führte das Werk des strukturalistischen Linguisten Ferdinand de
Sassure herbei. Er behauptete, Sprache sei kein individuelles sondern ein historisches und
gesellschaftliches System. Indem wir eine Sprache sprechen, drücken wir unsere Gedanken
aus und verwenden Bedeutungen, die bereits in unseren sprachlichen und kulturellen
Systemen existent sind.
Die vierte große De-Zentrierung erfolgte mit dem Werk 'Genealogie des modernen Subjekts'
von Focault. Er beschäftigt sich mit einem neuen Typen der Macht, der 'Disziplinarmacht',
Das ist die Macht, die die Institutionen, die sich im neunzehnten Jahrhundert entwickeln und
die Bevölkerungen verwalten, überwacht. Die Disziplinarmacht versucht das Individuum
unter strikte Disziplin und Kontrolle zu stellen und es dazu bringen, die Machtausübung
verschiedener Institutionen zu ertragen (Vgl. Hall 1994, S. 197).
Manuel Castells spricht in diesem Zusammenhang von einer "legitimierenden Identität",
welche eine Zivilgesellschaft hervorbringt. Dabei greift er Gramskis Definition von
Zivilgesellschaften auf, welche mit Zivilgesellschaften eine Reihe von "Apparaten" wie
Kirche, Parteien, Gewerkschaften usw. meint, die auf einer Seite die Dynamik des Staates
verlängern, anderseits tief in der Kultur des Volkes verwurzelt sind. Dieser Doppelcharakter
ermöglicht der Zivilgesellschaft den politischen Wandel.
"Die Eroberung des Staates durch die Kräfte des Wandelns (...) wird genau wegen
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der Kontinuität zwischen den Institutionen der Zivilgesellschaft und den
Machtapparaten des Staates möglich, denn im Mittelpunkt beider steht eine
ähnliche Identität:
Demokratie, Bürgerrechte, die Politisierung sozialen
Wandelns, usw." (vgl. Castells 2003, S. 11).
Hall bringt als fünfte De-Zentrierung das Ergebnis des Einflusses des Feminismus. Der
Feminismus gehört zu den 'Neuen sozialen Bewegungen', die in den sechziger Jahren
entstanden und später unter dem Begriff 'Identitätspolitik' genannt wurden (Vgl. Hall 1994, S.
198f.).
Castells definiert Identitätspolitik als die "Wieder"-Konstruktion der Identität, hervorgerufen
möglicherweise wegen einer unterdrückten Identität, wobei es zur Ausweitung in die
Richtung der Transformation der Gesellschaft kommen kann. Castells nennt diese Art von
Identitätskonstruktion 'Projektindentität' (Vgl. Castells 2003, S. 12).
3 Nationalkulturen als „vorgestellte Gemeinschaften“
Um sich selbst als real existierendes und handelndes Individuum anzusehen, bedarf es vorerst
einer Identifikation mit Größerem z. B. einer Gruppe, Gemeinschaft oder dem Staat. Daraus
entwickelt sich ein nationales Identitätsbewusstsein, eine Identifikation mit der jeweiligen
Heimat, dem Heimatstaat. 1
Die nationale Identität ist aber keinesfalls angeboren, sie bildet sich durch Repräsentationen,
die vom politischen System aus gehen. Die Bildung von Nationalstaaten ist nur möglich in
dem regionale und ethnische Differenzen überbrückt werden. Im Zusammenhang mit der
Nationenbildung stehen die Verbreitung der Lese- und Schreibfähigkeit, die einheitliche
Landessprache und die kulturellen Institutionen, z. B. das Schulsystem.
Laut Benedict Anderson sind nationale Identitäten „vorgestellte Gemeinschaften“, denn
nationale Kulturen konstruieren Identitäten indem sie die Bedeutung einer Nation herstellen.2
Die Nationalkultur als „vorgestellte Gemeinschaft“ kann wie folgt erklärt werden:

Die Nation besteht aus einer Grundlage von Erzählungen, Geschichten, Symbolen
und Ritualen. Als Mitglied einer „vorgestellten Gemeinschaft“ sehen wir uns selbst an
den Erzählungen und Ritualen teilnehmen, das gibt unserer Existenz Bedeutung und
Sicherheit und verbindet unser Alltagsleben mit dem nationalen Schicksal. Bill
1
2
vgl. Scruton in Stuart Hall: Rassismus und kulturelle Identität. Argument, Hamburg, 1994. S.200
vgl. Stuart, Hall: Rassismus und kulturelle Identität. Argument, Hammburg, 1994. S.201
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Schwarz bemerkte richtigerweise das dies „…die Fäden, die uns unsichtbar an die
Vergangenheit binden…“3 sind.

Starke Betonung der Werte: Ursprung, Kontinuität, Tradition und Zeitlosigkeit, dies
sind unter anderem die wesentlichen Bestandteile einer nationalen Identität.

Hobsbawm und Ranger entwickelten die Strategie von der „Erfindung der Tradition“,
damit meinen sie, dass Traditionen oft erst seit kurzer Zeit existieren oder erfunden
wurden, um bestimmte Werte und Verhaltensnormen durchzusetzen.4

Der Ursprung einer Nation liegt so weit zurück, dass man von einer „mythischen
Zeit“ sprechen kann, vom so genannten Gründungsmythos.

Die Idee einer nationalen Identität verwirklicht in einem reinen und ursprünglichen
Volk, kann in der Realität nicht bestehen, denn das Volk ist selten in der
Machtausübenden Position.
Nationalkultur, nationale Identität ist vergleichbar mit dem „Janus-Kopf“, zum einen befasst
sie sich mit der Rückschau auf glorreiche Ereignisse und Ruhm und zum Anderen mit
Mobilisierung und Modernisierung, um in der globalen Welt bestehen zu können. 5
Ernest Renan spricht von drei geistigen Prinzipien, die eine Einheit der Nation schaffen, dies
sind: Erinnerungen an die Vergangenheit, der Wunsch zusammenzuleben und die Fortsetzung
des Erbes. Genauer eingegangen ist Timothy Brennan auf das Wort „Nation“, darunter
versteh man eine …lokale Gemeinschaft, einen Wohnort, eine Familie, ein Verhältnis der
Zugehörigkeit.“6
Die Nationalkultur versucht die verschiedenen Mitglieder eines Staates unter einer
kulturellen Identität zu vereinen, unabhängig von Geschlecht, Rasse oder Klasse wird das
Ziel verfolgt, eine große Familie zu repräsentieren. Die nationale Kultur ist aber nicht nur als
symbolische Identifikation anzusehen, sondern auch als Struktur von kultureller Macht:

Unterdrückung kultureller Differenzen durch gewaltsame Eroberungen, um eine
einheitliche Hegemonie zu bilden

Gesellschaftliche Spaltungen aufgrund von Klasse oder Geschlecht, können durch die
Mitgliedschaft in einer gemeinsamen Nation überwunden werden

Charakterisierung der Identitäten durch den Vergleich von negativen Eigenschaften
der Kulturen
3
Schwarz, Bill in Stuart Hall: Rassismus und kulturelle Identität. Argument, Hamburg, 1994. S.202
vgl. Hobsbawm u. Ranger in Stuart Hall: Rassismus und kulturelle Identität. Argument, Hamburg, 1994. S.203
5
vgl. Nairn, Tom in Stuart Hall: Rassismus und kulturelle Identität. Argument, Hamburg, 1994. S.204
6
Brennan, Timothy in Stuart Hall: Rassismus und kulturelle Identität. Argument, Hamburg, 1994. S.205
4
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Nationale Identitäten sollten nicht als etwas Einheitliches bezeichnet werden, eher als
diskursiver Entwurf, der mit Differenzen durchzogen ist, aber vereint in der Ausübung von
kultureller Macht. So gibt es in West-Europa beispielsweise auch keine Nation, die nur aus
einem Volk besteht, denn alle modernen Nationen sind kulturell hybrid.7
Als noch schwieriger erweißt sich die Vereinheitlichung von Rasse und nationaler Identität,
denn Hautfarbe dient nach wie vor als symbolische Markierung um eine Gruppe von der
anderen abzugrenzen. Hinter dem Konstrukt der Nation steht nämlich die biologische Idee
der Rasse und im Zusammenhang mit ihr, die Bildung einer Grenze zwischen drinnen und
draußen. Katastrophale Auswirkungen des Konzepts der Rassentheorie zeigten sich im
Nationalsozialismus, denn obwohl die Juden sich mit der deutschen Identität identifizierten,
sich als Deutsche sahen, wurden sie aufgrund ihres Aussehens als „nicht-deutsch“ bezeichnet
und somit sollten sie der Ideologie des Dritten Reichs entsprechend, nicht der deutschen
Kultur angehören.
Etienne Balibar bemerkte zu diesem Thema, „dass der Rassismus nicht ein Ausdruck des
Nationalismus ist, sondern eine Ergänzung des Nationalismus…“8 Folglich sind Rassismus
und nationaler Diskurs nicht voneinander zu trennen.
4 Globalisierung
Der Globalisierungsprozess wirkt mit an der Zerstreuung von nationalen kulturellen
Identitäten und bewirkt eine Verstärkung der so genannten Weltgemeinschaft. Zu bemerken
ist hierbei, dass die Nationalstaaten zu keinem Zeitpunkt so souverän und autonom waren,
wie sie gerne behaupten, denn der Kapitalismus war von Beginn an keine Angelegenheit der
einzelnen Staaten, sondern der Weltökonomie.
Besonders bedeutend für die kulturelle Identität ist die Verdichtung von Distanzen und
Zeiträumen. Die „Zeit-Raum-Verdichtung“ trägt zur Beschleunigung der Prozesse bei,
Distanzen können mühelos bewältigt werden, die Welt wird zu einem „globalen Dorf“. Doch
die Identitäten sind symbolisch in Raum und Zeit verwurzelt, der Ort steht für das Zuhause,
die Heimat, Geborgenheit und Familie, die Zeit für Vergangenheit, Ursprung, Tradition und
Gegenwart. Die Identitäten lösen sich durch die Globalisierung immer mehr von Orten,
Zeiten, Vergangenheit und Traditionen. So schafft der bestehende kulturelle Austausch
zwischen den Nationen im Zusammenhang mit dem globalen Konsumismus eine
7
vgl. Stuart Hall: Rassismus und kulturelle Identität. Argument, Hamburg, 1994. S.207
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Gemeinsamkeit bestehend aus „geteilten Identitäten“. Dieses so genannte Phänomen der
„kulturellen Homogenisierung“ verursacht heftige Spannungen zwischen dem Lokalen und
dem Globalen.9 Noch nicht wirklich absehbar ist, ob sich nationale und lokale Identitäten, im
Hinblick auf die Globalisierung, verstärken oder zurückgehen.
5 Das Globale, das Lokale und die Rückkehr der Ethnizität
Die Angst vor der kulturellen Homogenisierung , also der Auflösung von Nationalkulturen in
der spätmodernen Welt, muss laut Hall differenzierter betrachtet werden. Er hebt hier vor
allem 3 Gegentendenzen hervor.
1. Kevin Robins Beobachtungen der Faszination von Differenzen, die Vermarktung von
Ethnizität und des ´Anderseins`. Dieses vermarktete Lokale, ist aber ein Neues, durch
die Globalisierung geschaffenes `Lokales´. Hall: „wenn es auch nicht so aussehen
mag, dass die Globalisierung nationale Identitäten einfach zerstören wird, so schafft
sie doch gleichzeitig neue globale und neue lokale Identifikationen.(Hall 1994,S.213)
Die Reaktion der Stärkung lokaler Identitäten, tritt als Verteidigungsreaktion
gegenüber dem „Neuen“, „Fremden“ auf, ein Versuch frühere „Reinheit“
wiederherzustellen, das Zurück zu „Tradition“ so Robin. Hall bezeichnet diese
extremistische Bewegung als „kulturellen Rassismus“, infolge dessen es „zu einer
strategischen Rückkehr zu defensiven Identitäten in den Gemeinschaften der
Minderheiten“ kommt.(Hall 1994,S.216) Die Entstehung neuer Identitäten durch z.B.
der Zusammenfassung aller Minderheiten zu einer Gruppe, der „nicht-weißenAnderen“ , lässt eine gemeinsame „Äquivalenzkette“ (Laclau/Mouffe) der so
Ausgeschlossenen entstehen.
2. Doreen Massey spricht von der `Machtgeometrie` der, ungleich zwischen Region
sowie
auch
zwischen
verschiedenen
Bevölkerungsschichten,
auftretenden
Globalisierung.
3. Als dritte Kritik wird die Frage aufgeworfen, „ wer von der kulturellen
Homogenisierung am meisten betroffen ist“. .(Hall 1994,S.213) Globalisierung als
etwas die ganze Welt betreffende, wird bei näherer Betrachtung zu einem westlichen
8
Staritz, Niki: Von Mentalitäten und anderen Konstrukten. In Unique 09, Zeitung der ÖH Uni Wien. Wien,
2004 S.9
9
vgl. Stuart Hall: Rassismus und kulturelle Identität. Argument, Hamburg, 1994. S.212
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Phänomen, so Hall. Robins erinnert daran, dass es hier hauptsächlich um den Export
westlicher Waren, Werte, Vorzüge und Lebensweisen geht. Den ´fremden´ Kulturen
werden
westliche
Identitäten
aufgezwungen,
durch
die
in
den
globalen
Kommunikationsnetzwerken herrschende Übermacht der westlichen Gesellschaft und
Japans. Der Identitätswechsel, so Hall, ist im Zentrum des globalen Systems natürlich
höher, aber auch die Peripherie erfährt, zwar langsamer, aber dennoch die
„pluralisierende Wirkung“ .(Hall 1994,S.214)
Als Beispiel zu Punkt 3 führt Hall die Migrationswelle an, die Menschen durch die
bestehenden Ungleichheiten in den „guten“ Westen wandern läßt. Die so entstehenden
„Enklaven ethnischer Minderheiten innerhalb westlicher Nationalstaaten“(Hall 1994,S.215)
führen zur ´Pluralisierung´ der nationalen Kulturen. und Identitäten.
6 Fundamentalismus, Diaspora und Hybridität
Die Wirkung der Globalisierung auf die Identität , wie schon erwähnt, kann sich in
extremistischen Bewegungen, wie im kulturellen Rassismus zeigen, aber auch die
Möglichkeit schaffen Identität als Spiel zwischen Repräsentation und Differenz anzustreben.
Robins bezeichnet solche Menschen als „Übersetzer“. Diese, durch die postkoloniale
Migration entstandenen Verbindungen verschiedner kultureller Traditionen führt zu neuen
Formen der Identität, die der Zeit der Spätmoderne, so die Meinung vieler, weit
angemessener sind als die alten nationalen Identitäten.
Als Argumente gegen diese Hybridität, werden Unbestimmtheit und ein doppeltes
Bewusstsein impliziert.
Ein weiteres Beispiel des Versuchs „reine“ Identitäten wieder herzustellen, kann auch in der
Rückkehr des Nationalismus in Osteuropa und dem Aufstieg des Fundamentalismus gesehen
werden. Auch die Desintegration Jugoslawiens und die Unhabhängigkeitsbewegungen in
vielen ehemaligen Sowjetrepubliken, kann darauf zurück geführt werden. Ein Problem dieser
Entwicklungen innerhalb dieser Nationen ist die Diaspora, d.h. die in den neuen Grenzen
lebenden Minderheiten, die sich selbst mit anderen Kulturen identifizieren.
Der Aufstieg des Fundamentalismus, also die Gestaltung politischer Organisationsprinzipe
nach den Gesetzten des Korans, ist vor allem ausgeprägt in islamischen Ländern des
mittleren Ostens zu finden. Gründe dieser Bewegung können
Die Frage der kulturellen Identität
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
Reaktion auf forcierte westliche Modernisierung

Antwort darauf sich außerhalb der Globalisierung zu stellen

das Unvermögen islamischer Staaten, eine modernisierende Elite auszubilden
und moderne sekuläre Parteien aufzubauen sein
Aber auch Bedingungen wie weit verbreitete Armut, stellt einen Nährboden für
Fundamentalismus da.
Zusammenfassend zu den Folgen der Globalisierung spricht Hall daher von einer
„Verschiebung und Zerstreuung der Globalisierung (…) widersprüchlicher, als erwartet.“
(Hall 1994,S.222) Das Lokale ist nicht komplett dem Universalen und Kosmopolitischen
gewichen, genauso sind aber auch die Rückkehr von Nationalismus und Fundamentalismus
ein noch immer und immer stärker werdendes Problem unserer ´globalen´ Gesellschaft.
7 Identität, Medien, Medienpädagogik – eine Bewertung
Die Sozialisationsfunktion der Medien im Bezug auf unsere Identität nimmt in unserer
heutigen Gesellschaft eine große Rolle ein. Vom Standpunkt der kommunikativen Pädagogik
aus muss daher auch die Erziehung zur Kommunikationsfähigkeit beachtet werden. Denn mit
dieser Medienkompetenz erst kann der Mensch , so Baacke, „durch kommunikatives Handeln
zu sich selbst kommen…“ (zitiert nach Baacke 1973, in Burkart 2002, S. 473) Auch die
Erhaltung von Vielfalt in einem Medium wie auch die Bereitstellung vieler verschiedener
Medien in einer Gesellschaft muss gesichert werden um Plattformen für die verschiedensten
Gruppen zu garantieren. Identitäten, d.h. feste Gebilde des Verhaltens und Denkens die von
Medien kreiert werden, lässt die Gesellschaft einzelne Gruppen durch diese Vorstellungen
identifizieren. Diese Beeinflussung anderer im Bezug auf unserer Identität, aber auch die
Reflexion unser selbst in den Medien, spielt mit, im Prozess der Entwicklung unserer
Identität.
Die Frage der kulturellen Identität
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8 Literaturverzeichnis
BURKART, Roland (2202), Kommunikationswissenschaft, Böhlau Verlag – Wien
CASTELLS, Manuel (2003): Die Macht der Identität - Das Informationszeitalter,
Leske+ Budrich Opladen 2003.
GIDDENS, Anthony (1997), Soziologie, Nausner&Nausner – Wien-Graz
LAING, D. Roland (1989): Das Selbst und die Anderen, Deutscher Taschenbuch
Verlag, München 1989
STARITZ, Niki: Von Mentalitäten und anderen Konstrukten. In Unique 09, Zeitung der ÖH
Uni Wien. Wien, 2004
Die Frage der kulturellen Identität
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