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Prof. Dr. Hans-Werner Hahn – WS 2014/15:
Vorlesung: Geschichte der Weimarer Republik
4 und 5. Der Streit um die Reparationen und das Krisenjahr 1923
I. Die ersten Regelungen der Reparationsfrage
weitere Literatur:
Peter KRÜGER, Das Reparationsproblem der Weimarer Republik in fragwürdiger Sicht.
Kritische Überlegungen zur neuesten Forschung, in: VfZ 29 (1981), S. 21-47.
Die Frage der Reparationen wurde nach 1919 nicht als gemeinsame weltwirtschaftliche
Aufgabe der beteiligten Staaten begriffen, wie es der englische Nationalökonom John
Maynard Keynes gefordert hatte. Frankreich vertrat überzogene Positionen, weil es über die
Reparationen seine als unzureichend angesehen Sicherheit verbessern wollte. Die USA
bestanden auf den Rückzahlungsverpflichtungen der Alliierten (Kriegsschulden).
Deutschland verweigerte sich mit dem Hinweis auf zu hohe Lasten und die eigene
Zahlungsunfähigkeit. Störungen des internationalen Handels (Zölle) erschwerten die
Erwirtschaftung von Devisen. Nach der Bildung der Reparationskommission tagte man im
Juli 1920 in Spa unter Beteiligung Deutschlands, um über die Verteilung und Gesamthöhe
der Reparationen zu beraten.
Januar 1921: Eine Interalliierte Konferenz in Paris forderte 226 Mrd. Goldmark von
Deutschland. Nach der deutschen Ablehnung kam es im März 1921 zum Vorrücken
französischer Besatzungstruppen (Düsseldorf, Duisburg).
April 1921: Der Londoner Zahlungsplan legte einen Gesamtbetrag von 132 Mrd. Goldmark
fest, von denen Deutschland etwa 3 Mrd. pro Jahr zahlen sollte.
In der Forschung wird die Reparationslast unterschiedlich beurteilt. KRÜGER betont in
Anlehnung an Keynes gegenüber englischen und amerikanischen Historikern, dass damit
etwa 7 % des jährlichen Volkseinkommens für Reparationen zu zahlen gewesen wären. Dies
überstieg die deutsche Leistungskraft um das Dreifache. Die zeitgenössische deutsche Kritik
an den Reparationen schoss allerdings ebenfalls weit über das Ziel hinaus.
Mai 1921: Annahme des Londoner Ultimatums angesichts der drohenden Besetzung des
Ruhrgebietes, Rücktritt der Regierung Fehrenbach, neues Kabinett Wirth. Unter Joseph Wirth
und Außenminister Walter Rathenau begann nun die sog. „Erfüllungspolitik“
(Kampfbegriff der Rechten). Auch Wirth wollte die Revision des Friedensvertrages, jedoch
zunächst die auferlegten Lasten erfüllen, um Schlimmeres zu verhüten, das Vertrauen der
Kriegsgegner zu gewinnen und die deutsche Zahlungsunfähigkeit unter Beweis zu stellen.
Seine großen Hoffnungen auf die britische und amerikanische Politik erfüllten sich aber nicht
(Abtretungen in Oberschlesien 1921 trotz anders verlaufender Volksabstimmungen).
Dezember 1921: deutscher Antrag auf Zahlungsaufschub.
II. Vertrag von Rapallo
Hermann GRAML, Die Rapallo-Politik im Urteil der westdeutschen Forschung, in: VfZ 18
(1970), S. 366-391.
Bruce KENT, The Spoils of War. The Politics, Economies, and Diplomacy of Reparations
1918-1932, Oxford 1989.
Manfred ZEIDLER, Reichswehr und Rote Armee 1920-1933. Wege und Stationen einer
ungewöhnlichen Zusammenarbeit, München 1993
April 1922: Konferenz von Genua, wo alle wichtigen europäischen Staaten über Fragen der
wirtschaftlichen und politischen Nachkriegsordnung berieten (auch Russland).
16. April 1922: deutsch-russischer Vertrag von Rapallo (Georgi W. Tschitscherin, Walther
Rathenau), der gegenseitige Anerkennung sowie Verzicht auf Reparationen beinhaltete.
Motive Russlands: Furcht vor einem internationalen Finanz- und Wirtschaftskonsortium
(Poincaré-Plan), mit dem eine Wirtschaftskontrolle ausgeübt werden sollte; Verhinderung
eines großen antibolschewistischen Lagers; gemeinsame Gegnerschaft Russlands und
Deutschlands gegenüber Polen, das im polnisch-russischen Krieg von 1920 dem eigenen
Staat große Gebiete im Osten einverleibt hatte.
Motive Deutschlands: Die Rüstungskooperation zwischen Reichswehr und Roter Armee
bestand bereits seit 1920; ein Jahr später kam ein Handelsabkommen hinzu. Dennoch war
Rapallo keine deutsche Störstrategie gegen einen Ausgleich mit dem Westen und die
energische Vorbereitung einer aktiven Revisionspolitik (so die Meinung bei: GRAML). Aus
der Sicht Wirths und Rathenaus war es eher eine Defensivmaßnahme gegen die
Siegermächte. Die neuere Forschung (KRÜGER) gibt weder der Notwehrthese noch der These
einer revisionistischen Verschwörung und einseitigen Ostorientierung recht. Stattdessen gab
es auf deutscher Seite vielschichtige Motive. Insgesamt war Rapallo kein zielbewusster
Schritt Deutschlands gegen den Westen, wo der Vertrag aber zunächst so interpretiert wurde.
Dies führte zu einer Verhärtung in der Reparationsfrage und insbesondere beim französischen
Ministerpräsidenten Raymond Poincaré zu einem verschärften deutschlandpolitischen Kurs.
III. Das Ende der Erfüllungspolitik und die französische Ruhrbesetzung
Schon im Herbst 1921 war die sog. „Erfüllungspolitik“ von Wirth und Rathenau an ihre
Grenzen gestoßen, als sich Deutschland nicht in der Lage sah, den Zahlungsverpflichtungen
der Alliierten nachzukommen. Man beantragte einen Zahlungsaufschub und hoffte auf die
Unterstützung Großbritanniens (David Lloyd George). Der Abschluss des deutsch-russischen
Vertrages von Rapallo erschwerte seit Frühjahr 1922 die Chance eines reparationspolitischen
Verständigungskurses. Der französische Ministerpräsident Poincaré verstärkte nun seine
Politik der Politisierung der Reparationsfrage. Auch auf der deutschen Seite kam es durch
den Regierungswechsel vom November 1922 (Rücktritt der Regierung Wirth) zu einem
Kurswechsel. Neuer Kanzler wurde der parteilose Reeder Wilhelm Cuno, der mit einem aus
Zentrum, DDP und DVP bestehenden bürgerlichen Minderheitskabinett regierte. Unter Cuno
verhärtete sich der Widerstand gegen die alliierten Forderungen. Deutschland bat um
Zahlungsaufschub und internationale Kredite, tat aber selbst wenig, um das internationale
Klima zu verbessern.
Die Entwicklungen in Paris und Berlin führten Ende 1922 zur Eskalation des deutschfranzösischen „Kalten Krieges“. Am 27. November 1922 beschloss das französische Kabinett
unter Hinweis auf ausgebliebene deutsche Sachlieferungen die Besetzung des Ruhrgebietes.
Am 11. Januar 1923 marschierten französische und belgische Truppen in die deutsche
Industrieregion ein (Politik der „produktiven Pfänder“).
Die französische Politik wird in der Forschung unterschiedlich beurteilt. Die einen betonen,
Frankreich sei es um sein Sicherheitsbedürfnis und die Sicherstellung des
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Mächtegleichgewichts gegangen. Die anderen betonen, dass die Politik Frankreichs auch
stark von hegemonialen Bestrebungen geprägt gewesen sei.
Als Reaktion auf die Besatzung wurde auf deutscher Seite der passive Widerstand
ausgerufen, der harte französische Reaktionen hervorrief. Am 29. Januar 1923 wurde über
das besetzte Gebiet ein verschärfter Belagerungszustand verhängt, am 12. Februar sogar eine
Zollgrenze zum Reich errichtet. Hinzu trat ein allgemein hartes Vorgehen der Franzosen
gegen Unternehmer und Arbeiter im Ruhrgebiet sowie die Ausweisung von 147 000
Einwohnern.
In wirtschaftlicher Hinsicht erwies sich die Ruhrbesetzung für Frankreich als großer
Fehlschlag, weil sie die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Frankreich eher verschärfte. Weit
größere Belastungen ergaben sich jedoch für die Deutschen, da auch der passive Widerstand
enorme Kosten verursachte. Dieser Widerstand wurde zunächst von allen politischen Lagern
getragen und ließ zeitweise einen neuen Mythos von der klassenübergreifenden
„Volksgemeinschaft“ entstehen (Schlageter-Mythos). Teilweise ging der passive auch in den
aktiven, von der Reichswehr indirekt unterstützten Widerstand über. Die Erfolgsaussichten
des deutschen Widerstandes waren aber von Anfang an gering, zumal die USA und
Großbritannien trotz Kritik an der Ruhrbesetzung die deutsche Seite nicht unterstützten. Der
Inflationsprozess, der bereits seit Längerem im Gange war, erfuhr jetzt eine dramatische
Beschleunigung.
IV. Die Inflation
Literatur:
Fritz BLAICH, Der Schwarze Freitag. Inflation und Wirtschaftskrise, München 1985.
Gerald D. FELDMAN (Hg.), Die Nachwirkungen der Inflation auf die deutsche Geschichte
1924-1933, München 1985.
DERS., The Great Disorder. Politics, Economics, and Society in the German Inflation, New
York/ Oxford 1993.
Carl-Ludwig HOLTFRERICH, Die deutsche Inflation. Ursachen und Folgen in internationaler
Perspektive, Berlin/ New York 1980.
Der Widerstand gegen die Ruhrbesetzung führte schnell zum finanziellen Zusammenbruch
des Reiches, das nun jeden Versuch zur Stützung der eigenen Währung aufgeben musste. Die
Inflation vollzog sich in drei Stufen:
1. Kriegsinflation 1914-1918
2. Demobilmachungsinflation 1918-1921/22
3. Hyperinflation 1922/23
Schon die Kriegsfinanzierung hatte eine inflationierende Wirkung; die Mark von 1914 war
bereits 1918 nur noch die Hälfte wert. Nach Kriegsende setzte sich der Inflationsprozess
weiter fort, weil ein Sanierungskurs aus wirtschaftlichen, innen- und außenpolitischen
Gründen ausblieb. Diese Finanzpolitik hatte vorübergehend positive Wirkungen auf das
Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt, sie führte aber zu einem weiteren Anstieg der
Staatsschulden von 5 Mrd. (1913) über 144 Mrd. (1919) auf 469 Mrd. Mark im Jahre 1922.
Seit dem Sommer 1922 setzten dramatische Kursverluste der Mark ein. Das Vertrauen in die
Währung sank rapide, ausländisches und deutsches Kapital wurde abgezogen. Der Ruin der
deutschen Währung folgte dann mit der Ruhrbesetzung und dem passiven Widerstand.
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Entwicklung des Wechselkurses zwischen Dollar und Mark:
- Mitte 1922: 500 Mark
- Ende 1922: 7500 Mark
- Frühjahr: 1923: 20 000 Mark
- August 1923: 4,6 Mio. Mark
- November 1923: 2 Trillionen Mark
Kosten für 1 kg Roggenbrot im Verlauf des Inflationsjahres 1923:
- Januar: 163 Mark; Juli: 1895 Mark; Anfang Oktober: 1 Mio. Mark; Anfang
November: über 70 Mrd. Mark.
Folgen der Inflation:
Die wirtschaftliche Krise und die Verschlechterung der Ernährungslage führten zu Unruhen,
Plünderungen und Notkriminalität. Das gesellschaftliche Fundament der Weimarer Republik
wurde schwer erschüttert.
Verlierer der Inflation: Die Vernichtung von Kapitalbesitz traf vor allem das
Bildungsbürgertum, Angestellte und andere Teile des Mittelstandes.
Gewinner: Hypothekenschuldner, Landwirtschaft sowie die Großindustrie, die Sachgüter
billig erwerben konnte. Die Großindustrie hat die Inflation zwar nicht verursacht und nur in
begrenzter Weise manipuliert, wohl aber kräftig genutzt. Ein typischer Inflationsgewinner
war der Industrielle Hugo Stinnes (Vgl. Gerald D. FELDMAN, Hugo Stinnes. Biographie eines
Industriellen 1870-1924, München 1998.).
Die Inflation förderte den Konzentrationsprozess in der deutschen Wirtschaft, was sich zum
einen negativ auf die Flexibilität der Industrie auswirkte und zum anderen die politisch
reaktionäre Schwerindustrie auf Kosten der wachstumsintensiveren, stärker in die
Weltwirtschaft eingebundenen Branchen stärkte. Die Schwerindustrie versuchte schon im
Krisenjahr 1923, ihren Einfluss auf die Politik auszubauen. Die enormen finanziellen und
politischen Belastungen führten zunächst aber am 13. August 1923 zur Ablösung der
Regierung Cuno durch ein Kabinett unter Gustav Stresemann, das von einer großen Koalition
(DVP, DDP, Zentrum, SPD) getragen wurde.
V. Krisenstrategie der Regierung Stresemann
Die neue Regierung stand vor drei Hauptaufgaben:
1. Beendigung des kostenträchtigen und politisch aussichtslosen passiven Widerstandes,
die am 26. September 1923 gegen massiven Widerstand von rechts umgesetzt wurde.
2. Währungssanierung und wirtschaftspolitische Konsolidierung:
13. Oktober: Ermächtigungsgesetz; 15. November: Ausgabe der „Rentenmark“, die
im August 1924 wiederum durch eine neue stabile „Reichsmark“ ersetzt wurde;
Abkehr vom 8-Stunden-Tag.
3. Innenpolitische Konsolidierung:
a) Abwehr des rheinischen Separatismus (H. A. Dorten, J. F. Matthes)
b) Abwehr neuer kommunistischer Aufstandsversuche.
c) Abwehr rechter republikfeindlicher Bestrebungen, vor allem in Bayern, aber
auch im Hinblick auf General von Seeckts Diktaturpläne.
Am 3. November 1923 trat die SPD aus der Regierung Stresemann aus. Grund war deren
hartes Vorgehen gegen Sachsen (Ende Oktober Reichsexekution gegen die Regierung Erich
Zeigner) und Thüringen (von der KPD gestützte SPD-Regierung unter August Frölich) bei
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gleichzeitigem Stillhalten gegenüber den rechten republikfeindlichen Bestrebungen in
Bayern.
VI. Der Hitler-Putsch
Wichtigste Literatur zur Frühgeschichte der NSDAP:
Joachim C. FEST, Hitler. Eine Biographie, Frankfurt a. M./ Berlin/ Wien 1973 (zahlreiche
Neuaufl.).
Otto GRITSCHNEDER, Bewährungsfrist für den Terroristen Adolf H. Der Hitler-Putsch und die
bayerische Justiz, München 1990.
Ian KERSHAW, Hitler, Bd. 1: 1889-1936, Stuttgart 1998.
Peter LONGERICH, Die braunen Bataillone. Geschichte der SA, München 1989.
Hans-Ulrich THAMER, Verführung und Gewalt. Deutschland 1933-1945, 3., durchges. Aufl.,
Berlin 1992.
Bayern war seit 1919 eine Hochburg rechter Kreise. Im Krisenjahr 1923 wuchsen in Bayern
auf verschiedener Seite Putschpläne: Generalstaatskommissar Gustav von Kahr;
Reichswehrgeneral Otto Hermann von Lossow (geplanter Marsch auf Berlin). General von
Seeckt wiegelte ab, indem er gegenüber den bayerischen Putschisten auf eigene
Diktaturpläne verwies. Ein Teil der rechten Kräfte in München stellte nun die eigenen Pläne
zurück, andere Teile der „Vaterländischen Verbände“, vor allem Adolf Hitler, blieben beim
Plan eines Marsches auf Berlin nach italienischem Vorbild.
Vorgeschichte des Hitler-Putsches: 5. Januar 1919: Gründung der DAP unter Anton
Drexler, ab Januar 1920 NSDAP; Parteibeitritt Hitlers im September 1919; im Juli 1921
übernahm Hitler den Parteivorsitz; Sommer 1921: Gründung der SA.
Das Krisenjahr 1923 brachte der NSDAP einen großen Mitgliederzuwachs (ca. 50 000).
Auch außerhalb Bayerns wurde sie nun stärker wahrgenommen. Wichtigste Figuren des
Hitler-Putsches waren Ernst Pöhner (Münchener Polizeipräsident), Wilhelm Frick
(Oberamtmann der bayerischen Polizei), Ernst Röhm (Hauptmann, Freikorps-Kämpfer, SAFührer).
8. November 1923: Versammlung im Münchener Bürgerbräukeller, wo Hitler die Initiative
an sich riss und eine neue Reichsregierung ausrief. Der Marsch auf die Feldherrenhalle am
folgenden Tag scheiterte jedoch, weil Kahr und Lossow ihre Zusagen an Hitler inzwischen
zurückgezogen hatten.
Der anschließende Gerichtsprozess gegen Hitler und seine Mitputschisten geriet jedoch zur
Justizfarce, in der Hitler zwar verurteilt, die Mitverantwortung von bayerischen Politikern
und Reichswehr jedoch verschleiert wurde (vgl. GRITSCHNEIDER).
VI. Die Situation im Reich
Friedrich Ebert übertrug Hans von Seeckt in der Nacht vom 8./9. November 1923 die
vollziehende Gewalt, um die Loyalität der Reichswehr zu sichern. Durch das Losschlagen
Hitlers, dem nur einige Teile des nationalen Lagers folgten, wurden Seeckts eigene
Diktaturpläne durchkreuzt. Gegen seinen Willen wurde Seeckt nun zum Retter des Weimarer
Verfassungssystems. Für konservative Historiker (Hagen SCHULZE) zeigt der Vorgang, dass
sich die Reichswehr durchaus in die Republik habe einfügen lassen. Dieser Prozess sei aber
dann vor allem von der SPD wegen ihres grundsätzlichen Misstrauens gegen das Militär
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erschwert worden. Demgegenüber verweisen andere Historiker darauf, dass Seeckts
Stabilisierungsbeitrag nur notgedrungen erfolgte. Seeckt habe sich 1923 nicht mehr voll auf
die Reichswehr verlassen können, weil die Grenzen zur extremen Rechten fließend geworden
waren, für Seeckt aber nur eine intakte, von inneren Gegensätzen freie Reichswehr für seine
eigenen politischen Zielsetzungen von Nutzen war. Die Reichswehr blieb auch nach 1923 ein
Belastungsfaktor für die Republik, obgleich Seeckt die vollziehende Gewalt im Frühjahr
1924 problemlos zurückgab.
Ende 1923 begann schließlich die Phase einer „relativen Stabilisierung“ der Weimarer
Republik: Mit der Währungsreform und der Niederschlagung der Aufstände entspannte sich
die innenpolitische Situation; sowohl die nationalistischen Extremisten als auch die KPD
verloren an Zulauf und politischer Schlagkraft. Erschwert wurde die innenpolitische
Konsolidierung jedoch durch den endgültigen Bruch der Großen Koalition. Gegen Eberts
Willen entzog die SPD Reichskanzler Stresemann das Vertrauen. Die Gründe lagen in den
unvereinbaren Zielsetzungen von DVP (Großindustrie) und SPD (Gewerkschaften). Am 30.
November 1923 wurde ein neues Kabinett unter Wilhelm Marx (Zentrum) gebildet, das eine
Minderheitsregierung aus Zentrum, BVP, DDP und DVP darstellte und in dem Gustav
Stresemann den Posten des Außenministers bekleidete.
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