Das Dicklegen der Milch ist die Grundlage der Käseherstellung und beruht auf der Gerinnung und dem Ausfällen des Milcheiweißes (Kasein). Von dieser dickgelegten Milch scheidet sich das Käsewasser, die Molke, ab. Dabei kann Milch auf zweierlei Weise dickgelegt werden, durch die Süßgerinnung und durch die Säuregerinnung. Die Säuregerinnung wird von Milchsäurebakterien ausgelöst, die natürlicher Bestandteil der Milch sind, in größerer Menge meist jedoch noch zugesetzt werden. Bei der Süßgerinnung bedient man sich eines Enzyms aus den Mägen junger Kälber, dem Lab, ohne das das Kalb das Milcheiweiß nicht verdauen könnte. In der modernen Käseherstellung werden zumeist Lab- und Säuregerinnung kombiniert vorgenommen. Die dickgelegte Milch bildet die Gallerte – auch Dickete genannt Um Milch konzentrieren zu können, muss der in ihr enthaltene Käsestoff Kasein von den flüssigen Bestandteilen getrennt werden. Dies erreicht man durch "Dicklegen" der Milch und Abtrennen des Käsewassers (Moice) vom ausgefällten Kasein. Milch kann auf zweierlei Weise dickgelegt werden: Entweder durch das Zusammenwirken von lab und Feuer, das heißt durch Erwärmen von Milch, der Lab zugesetzt wurde, oder durch Sauerwerden. Das durch lab ausgefällte Kasein wird als "Bruch" bezeichnet. Die so bereiteten Käse heißen Labkäse. Zu diesen zählt man den Emmentaler, den Tilsiter, den Camembert, den Brie, den Romadur, um nur einige typische Vertreter zu nennen. Als Lab verwendet man in den Käsereien auch heute noch vielfach den Extrakt aus Kälbermägen. Da und dort wird aber auch das teure KäIberlab schon durch Labenzyme, die von Bakterien gebildet werden, ersetzt, ohne dass dabei die Qualität der Käse eine Einbuße erfahren würde. Man kann aber auch Pflanzenextrakte als lab verwenden. Hierzu sind nicht nur der im Altertum gebräuchliche Saft des Feigenbaumes und die Blütenblätter von Disteln, sondern auch das bei uns häufig vorkommende echte Labkraut (Galium verum) geeignet. Labkräuter wurden in Griechenland schon im Altertum von den Hirten zu Sieben verflochten, durch die sie dann die Milch gossen, um sie zum Gerinnen zu bringen. Die geheimnisvolle Wirkkraft der Labkräuter dürfte wohl Anlass für eine im früheren Mittelalter entstandene Legende gewesen sein. Dem duftigen und welchen Labkraut sagt man nach, es habe das Stroh geliefert, das die heilige Jungfrau in die Krippe legte, um das Christuskind darauf zu betten. Das "Unser Frauen Bettstroh" wurde hochverehrt. So bildete es auch Raffael auf seinem Gemälde "Madonna della casa alba" ab. Weichkäse reifen von außen nach innen, Schnitt- und Hartkäse reifen gleichmäßig durch ihre ganze Masse. Eine tage-, wochen- oder monatelange Reifung ist die Voraussetzung dafür, dass sich das sortentypische Aroma entwickeln kann. (Nur Frischkäse muss nicht reifen. Siehe Quark-Herstellung) Bei der Reifung spielen Stoffwechselvorgänge von Mikroorganismen eine bedeutende Rolle. Bei einigen Standard-Käsesorten ist eine bestimmte Reifezeit gesetzlich vorgeschrieben. Während der Reife werden die Laibe gewendet, bestrichen, gebürstet oder in Kräutern gewälzt. Ohne die Mitwirkung von Mikroorganismen - Bakterien, Schimmelpilze und Hefen - kann kein Käse entstehen. Bei den Sauermilchkäsen treten die Bakterien schon beim Dicklegen in Aktion. Man überlässt heute das Säuern der warmgelagerten Milch nicht mehr dem Zufall, sondern man gibt ihr Bakterienkulturen zu, für die die Käser den bildhaften Namen "Säurewecker" verwenden. Mit dem Zusatz dieser Kulturen erreicht man, dass die Säuerung relativ schnell abläuft und dass keine unangenehmen Aromastoffe gebildet werden. Mit der eigentlichen Käsereifung, die sich der Milchsäuregärung anschließt, finden die verschiedenartigsten Stoffumsetzungen statt. Am wichtigsten sind wohl die Umsetzungen des Kaseins und der Fette. Durch die eiweißspaltenden Enzyme der Streptokokken und Laktobazillen oder, wie wir noch sehen werden, auch anderer Mikroorganismen wird das Eiweiß im Käse in seine Bestandteile zerlegt. Hierbei werden die Kaseine über Peptone, Polypeptide und Peptide schließlich zu den Aminosäuren abgebaut. Die Aminosäuren können sich entweder im Käse anreichern oder sie können auch zu anderen Aminosäuren umgebaut werden. Auch ein Abbau der Aminosäuren zu Aminen, Fettsäuren und einer Reihe anderer Stoffe ist möglich. Einen großen Einfluss auf das Aroma der Käse übt auch der Fettabbau aus, denn die aus den Fetten abgespaltenen freien Fettsäuren sind starke Aromabilder. Damit ist auch erklärbar, dass Käse mit hohem Fettgehalt aromatischer sind als solche mit geringem. Bei manchen Käsen, so etwa beim Gestehe, entwickelt sich das typische Aroma erst bei einem Fettgehalt von über 40 Prozent. Parallel zu dem Abbau und den biochemischen Umsetzungen werden aber auch neue Stoffe aufgebaut. Die für das Werden der Käse so wichtige Reifung ist also ein hochkompliziertes Zusammenwirken der verschiedensten Enzymsysteme und somit ein wesentliches Glied in der Käseherstellung überhaupt. Reifung von außen nach innen Viele Käsesorten reifen gleichmäßig durch die im Inneren der Käse stattfindende Stoffwechselaktivität von Bakterien, bei anderen Käsearten verläuft die Reifung von außen nach innen. Letztere Art der Reifung tritt dann ein, wenn auf der Oberfläche der Käse Mikroorganismen angesiedelt sind, die Enzyme bilden. Diese Enzyme diffundieren von außen nach innen in die Käse und spalten dort die Eiweiße. Man spricht hier von Käsen mit Schmierenbildung und von solchen mit Außenschimmel. Meistens handelt es sich hier um Weichkäse, aber auch um feste Schnittkäse wie zum Beispiel den Tilsiter. Typische Schmierenkäse sind der Limburger, der Romadur, der Münster, der Livarot und der Mainzer Handkäse. Beispiele für Käse mit Außenschimmel sind der Camembert und der Brie. Dass man auf der Oberfläche der Käse die Entwicklung von Bakterien (Rotschmiere- oder Gelbschmierbakterien) oder Schimmel nicht nur duldet, sondern durch Bei Impfung sogar fördert, hat zur Folge, dass innerhalb kurzer Zeit große Mengen Eiweiß abbauender Enzyme gebildet werden, weil sich auf der Oberfläche der Käse bei ungehindertem Luftzutritt die Mikroorganismen wesentlich besser und schneller vermehren, als dies im Inneren der Fall wäre. Die eiweißspaltenden Enzyme dringen in den Käse ein, die Eiweiße werden abgebaut, und es kommt mehr oder weniger schnell zu einer Erweichung der Käsemasse. Aufgrund des heftigen Eiweißabbaus ist das Aroma bei den Schmierkäsen, aber auch bei älteren Käsen mit Außenschimmel oft kräftig. Wofür Luther schon Gespür hatte, als er sie mit Lazarus verglich ("er stinket schon"). Vom Reifegrad und dem Höhepunkt Es ist das Verdienst der Mikroben, daß Käse nicht nur ein Nahrungsmittel, sondern auch ein Genussmittel ist. Sie sorgen dafür, dass die Fülle der Aromastoffe aufgeschlossen und zugänglich gemacht wird. Käse ist ein Produkt des Lebens, sein Rohstoff entsteht in einer von Leben erfüllten und Leben spendenden Drüse, und seine Reifung erfährt er durch Kleinlebewesen. Auch Käse unterliegt dem Gesetz des ständigen Wandels, auch er strebt einem Höhepunkt zu, über den hinaus keine Steigerung mehr möglich ist. Die aktiv und schnell reifenden Weichkäse erreichen bald ihre Blüte, die aber nicht von langer Dauer ist. Der Käsefreund muss lernen, diese Käse in ihrer Vollreife zu "ernten". Man muss dabei aber nicht so übertreiben wie jener französische Baron, der um die zweite Morgenstunde von seinem Kammerdiener mit den Worten geweckt wurde: "Monsieur le Baron, notre fromage est ä point". (Herr Baron, soeben hat unser Käse seinen Höhepunkt erreicht.) Bei manchen Käsen liegt die Vollendung schon in der Schönheit der Jugend, andere erreichen ihren Höhepunkt im mittleren Alter, einige Käse jedoch kommen erst im hohen Alter zur Vollendung, wie etwa Bauerngouda, Bergkäse, Emmentaler, Sbrinz oder Parmesan. Gerade bei dieser Art Käse wird offenkundig, von wie vielen Faktoren das Gelingen abhängig ist; Herkunft, Zusammensetzung und Alter der Milch, Dicklegen der Milch, Pressen, Salzbad, Temperatur und Luftfeuchtigkeit bei der Reifung und Nachreifung. Um alle diese Faktoren in Einklang zu bringen, bedarf es der Geschicklichkeit und Kunst des Käsers. Früher waren es mehr das individuelle Gespür und die überlieferte Erfahrung als ein konkretes, naturwissenschaftliches Wissen, das das große Kunstwerk gelingen ließ oder - bei unvorhergesehenen Umständen - zum Fehlprodukt führte. Wo kommen die Löcher im Käse her? Auch die Entstehung der Löcher im Emmentaler birgt nichts Geheimnisvolles mehr. Im Frühjahr 1978 tauchten im Schwäbischen Allgäu Bilddokumente auf, die zu beweisen schienen, dass die Löcher mit Stutzen und Mörser in den Emmentaler geschossen werden. Wir sollten auch gefoppt werden, kamen aber bald dahinter, dass diese Beweismittel zur Zeit der Fasnet (am Rhein Karneval und in München Fasching) entstanden waren und sich hinter der Maske eines schlitzohrigen Käsekanoniers der Stadtpfarrer von Wangen im Allgäu verbarg. So hatten wir an dieser Story die gleiche Freude wie an dem Gerücht aus der Schweiz, dass dort eine Spezialeinheit der Eidgenössischen Artillerie zum selben Zweck eingesetzt wird. Doch wie entstehen nun wirklich die Löcher im Emmentaler? 1928 erfand Tucholsky ein Streitgespräch auf einer Abendgesellschaft, wo es nur um die Frage ging: Wo kommen die Löcher im Käse her? Am Ende war die Frage nicht beantwortet. Der turbulenten Diskussion folgten vier Privatbeleidigungsklagen, zwei umgestoßene Testamente, ein aufgelöster Soziusvertrag, drei gekündigte Hypotheken, drei Klagen um bewegliche Vermögensobjekte und eine Räumungsklage des Wirtes. Nach Tucholsky blieb auf dem Schauplatz ein trauriger Emmentaler und ein kleiner Junge zurück, der die dicken Arme zum Himmel hob und den Kosmos anklagend, weithin hallend rief: "Mama, wo kommen die Löcher im Käse her?" Man hätte diesem Jungen die Antwort geben können, denn seit 1906 ist aufgrund der Untersuchungen von Freudenreich und Olaf Jensen bekannt und seit 1921 durch die Forschungsarbeiten von Sherman endgültig abgesichert, dass Propionsäurebakterien nicht nur für das charakteristische Aroma des Emmentalerkäse, sondern auch für die Lochbildung verantwortlich sind. Die Propionsäurebakterien sind wie die Laktobazillen auf Pflanzen beheimatet, sind aber auch Bewohner des Wiederkäuermagens. In der I Rohmilch kommen sie regelmäßig, allerdings nur in geringer Zahl vor. Bezüglich ihrer Nahrungsbedürfnisse sind sie noch anspruchsvoller als die Laktobazillen. Erst wenn die Reifung im Käse schon etwas fortgeschritten ist, können sie sich vermehren. Sobald ein Emmentalerlaib etwa fünf Wochen im Gärkeller bei einer Temperatur von 22 bis 23°C gelagert hat, sind die Bedingungen für die Propionsäurebakterien so günstig geworden, dass sie beginnen können, aus Milchsäure und Glutaminsäure neben Propionsäure und Essig erhebliche Mengen an Kohlensäuregas zu bilden. Da zu diesem Zeitpunkt der Käseteig noch elastisch ist, kann die große Menge des gebildeten Gases nicht entweichen, sondern bildet im Käseteig Blasen. Es spielt sich ein ähnlicher Vorgang ab wie im Hefeteig. Da der Zeitpunkt und die Art der Lochbildung sehr stark vom Verlauf der allgemeinen Reifung der Käse abhängen, wird zu Recht bei der Beurteilung der Qualität von Emmentalerkäse der Größe, der gleichmäßigen Verteilung und der Form der Löcher große Bedeutung beigemessen. Bei der Zugabe von Propionsäurebakterien zur Kesselmilch kann durch entsprechende Dosierung die Größe der Löcher beeinflusst werden. Ein Teil der Verbraucher bevorzugt Emmentaler mit kleiner Lochung, andere dagegen - böse Zungen behaupten, hierzu gehörten die Gastronomen - Emmentaler mit großer Lochung. Der Reifevorgang, der die Löcher entstehen lässt, nennt sich Propionsäuregärung. Der Milch werden bestimmte Propionsäurebakterien zugeführt. Diese bauen die bei der Vergärung des Milchzuckers durch Milchsäurebakterien entstehende Milchsäure weiter ab zu Propionsäure, Essigsäure und CO2. Zu Beginn des Milchsäureabbaus bindet sich das CO2 mit Wasser. Ist das im Käse vorhandene Wasser mit CO2 gesättigt, wird das CO2 in Gasform frei. Durch die Rindenbildung beim Käse kann das Gas nicht mehr entweichen, es sammelt sich an schlecht verwachsenen Stellen im Käseteig und bildet Hohlräume – die Löcher im Käse. Je nachdem, wie viele Bakterien in die Milch kommen und wie der Käse gelagert wird, ergeben sich mehr oder weniger, kleinere oder größere Löcher. Größe, Form und Verteilung der Löcher geben genauestens Auskunft über den Verlauf der Reifung und somit über die Qualität des Käses. Bekannt für seine Löcher ist etwa der Emmentaler Käse. Die kleineren Löcher, etwa beim Tilsiter, entstehen bereits vor der Reifung und unterscheiden sich von oben genannten. Hier wird der Käse vor der Reifung in Formen verteilt und nur leicht angepresst. Die lockere Schichtung des Käsebruchs lässt dann die kleinen Löcher entstehen