Patientenvertretungen unterliegen im Machtpoker der

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PRESSEMITTEILUNG
Heppenheim, den 6. August 2003
Patientenvertretungen unterliegen im Machtpoker der Gesundheitsreform
Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP) sieht
Patientenvertretungen finanzstarken Lobbies von Ärzten, Kassen und Industrie
unterlegen
Versicherte und Patienten sind die Verlierer des Machtpokers um die
Gesundheitsreform. Ein Hauptgrund sind fehlende Finanzen oder Abhängigkeiten,
die es nicht erlauben, sich gegen die traditionellen Lobbies im Gesundheitswesen
durchzusetzen. Dazu kommen die bestimmende Ausrichtung der Patientengruppen
auf ein Krankheitsbild statt auf Gesundheitspolitik insgesamt sowie fehlende
Bereitschaft der Politik, Patienten als Partner anzuerkennen.
Dieses Fazit zieht der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und
Patienten (DGVP), Ekkehard Bahlo.
Interessenvertretung finanzstarker Verbände
Finanzstarken Gruppen wie den Kassenärztlichen Vereinigungen, anderen
Ärzteverbänden, den Krankenkassen oder der Industrie sind die Vertreter von
Versicherten und Patienten teilweise hoffnungslos unterlegen. Das Ergebnis der
Vereinbarungen zur Gesundheitspolitik: Patienten müssen wiederum für weniger
Leistungen mehr zahlen, zeige dies deutlich.
„Für die Industrie ist die Lobbyarbeit ein Teil ihres Geschäfts, der Hinweis auf
Arbeitsplätze erleichtert ihnen gerade jetzt diese Arbeit“, analysierte Bahlo.
„Ärzteverbände sind nicht nur kampferprobte, sondern auch finanzstarke Vertreter
ihrer Interessen gegenüber der Politik. Sie können sich eine gut organisierte und
aufwändige Öffentlichkeitsarbeit leisten. Ebenso die Krankenkassen, die sich eine
massive Vertretung ihrer Interessen zudem noch von den Beiträgen der Versicherten
und der Arbeitgeber bezahlen lassen.“
Auf diese Finanzpolster können Patientenvertretungen nicht zurückgreifen:
„In den zahlreichen Selbsthilfegruppen sind zumeist chronisch Kranke vertreten, die
finanziell selbst kaum Reserven haben. Sie sind bei ihrer täglichen Arbeit - der
Unterstützung Kranker bei der Bewältigung ihrer Krankheiten - oft genug auf die
zusätzliche finanzielle Hilfe von Unternehmen der Arzneimittel- bzw. HilfsmittelIndustrie angewiesen, die Produkte für ihren speziellen Krankheitsbereich
produzieren. Da fehlen finanzielle und personelle Ressourcen, sich auch noch gezielt
um die Gesundheitspolitik insgesamt zu kümmern.“
Förderung gegen Wohlverhalten
Eine finanzielle Förderung der Selbsthilfe durch die Krankenkassen, die das
Gesundheitsrecht vorschreibt, ist an die „Bereitschaft zur partnerschaftlichen
Zusammenarbeit“ geknüpft. Darüber entscheidet die jeweilige Kasse in eigener
Verantwortung. Eine solche Förderung bezieht sich zudem auf die
krankheitsbezogene Beratung und Betreuung einschließlich der Interessenvertretung
der von chronischer Krankheit und Behinderung Betroffenen. Dagegen sind
gesundheitspolitische Aufgaben nicht Gegenstand der Förderung. „Das heißt: bei
Protest gegen die Kassenpolitik ist die Förderung weg“, kritisierte Bahlo, der den
Kassen zudem vorwirft, die Selbsthilfe ohnehin geringer zu fördern als das Gesetz es
vorsieht.
Auch Verbraucherberatungen und Verbraucherzentralen bieten nach seiner
Einschätzung kein überzeugendes Gegengewicht, denn auch sie hängen am Tropf
staatlicher Finanzierung. Patienten könnten, wenn es gut geht, Beratung über
bestehende Regelungen im Gesundheitssystem von ihnen erwarten, nicht jedoch
eine politische Vertretung ihrer Interessen. Dafür fehle zudem die politische
Legitimation, so die DGVP.
Politische Mitwirkung unerwünscht
Entgegen allen Bekundungen, der Patient stehe im Mittelpunkt, sei kein Interesse der
Politik daran festzustellen, die Versicherten und Patienten als Partner in der
Gesundheitspolitik anzuerkennen. „Gesundheitspolitik ist noch immer paternalistisch
geprägt: die Politik, die Ärzte, die Kassen und auch die Arbeitgeber und die
Gewerkschaften – sie alle wissen am besten, was dem Patienten gut tut“ stellte
Bahlo fest.
Mit dem Hinweis auf die Vielfalt der Patientenvertretungen, auf fehlende Bündelung
der Patienteninteressen werde Patientensicht abgetan. Wer Kritik am
Gesundheitssystem übe, müsse zudem immer damit rechnen, dass man ihn
pauschal als „fremdgesteuert“ ansehe, sei es durch die Ärzte, die oft in
krankheitsspezifischen Selbsthilfegruppen vertreten sind, sei es durch die Industrie.
„Die Politik tut sich schwer, Versicherte und Patienten als neue Partner
anzuerkennen – zu berechenbar, zu klar und zu bequem sind die bisherigen
Konstellationen, in denen Gesundheitspolitik gemacht wird.“
Fazit: Patienten müssen Gesundheitspolitik zu ihrer Sache machen
Hier fordert die Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP) eine
deutliche Änderung: Die Bekenntnisse zur Rolle der Patienten als Mittelpunkt
müssten endlich auch umgesetzt werden, Mitwirkungsrechte der Versicherten und
der Patienten in der Gesundheitspolitik müssten gestärkt werden. „Sonntagsreden
und Lippenbekenntnisse hatten wir bisher genug“, so Bahlo.
Mehr Einsatz müssen jedoch nach Einschätzung der DGVP auch Patienten und
Versicherte selbst bringen. Nach Jahrzehnten der Betreuung und gutgefüllter Kassen
setze sich erst langsam die Erkenntnis durch, dass Gesundheitspolitik ein ebenso
wichtiges Thema ist wie zum Beispiel die Bildung oder die Rentenpolitik.
„Ich gehe jedoch davon aus, dass immer mehr Menschen erkennen, dass sie sich
um das Gesundheitssystem kümmern müssen, damit es ihnen wirklich nützt, wenn
sie es brauchen“, erwartet der DGVP-Präsident.
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