Lutz Läsker Aufgabe 1b Stellen Sie den Verlauf von Gesamtkosten und –erlösen in Abhängigkeit vom Komplexitätsgrad grafisch dar! Zeigen Sie in einem weiteren Schritt die Stärken und Schwächen dieser Darstellung auf! In der Literatur geht man davon aus, dass sich die Erlöse- und Kosteneffekte einer Komplexitätveränderung vereinfacht etwa so darstellen lassen wie in der beiliegenden Abbildung: Beginnt man bei der aktuellen Komplexität (relativer Wert 1), die im gewählten Beispiel sehr gering ist, so führt eine Komplexitätserhöhung zunächst zu stark ansteigenden Erlösen, die auf der einen Seite durch deutlich höhere Umsätze, zum anderen durch Skaleneffekte in der Beschaffung generiert werden. Umsatzsteigerungen lassen sich allerdings nur mit einer Vermehrung der offenen (obligatorischen und optionalen) Varianten erzielen, während sich eine steigende Anzahl verdeckter Varianten nur noch auf die Produktionsökonomie und die Beschaffung positiv auswirkt (beispielsweise durch bessere Maschinenauslastung bei Fertigung mehrer Varianten oder durch „Paketeinkäufe“), was zu einer Abnahme des Anstiegs der Erlöse welcher also mit weiter steigender Komplexität sukzessive geringer ausfällt und sich asymptotisch einem Grenzwert nähert, bei dem alle potenziellen Kunden erreicht worden sind und eine weitere Erhöhung des Umsatzes nicht mehr möglich ist (neue Varianten können nur noch eigene, bisher gefertigte Produkte kannibalisieren). Schaut man auf die Kosten einer Komplexitätserhöhung, so kann man davon ausgehen, dass diese zunächst nur moderat steigen, im Bereich höherer Komplexität allerdings „explodieren“, die Kurve also einen exponentiellen Verlauf aufweist (zu den Ursachen für den Kostenanstieg siehe Aufgabe 1.a). Hat man zwei Kurven, die vom gleichen Punkt ausgehen und eine der beiden einen degressiv steigenden, die andere hingegen einen progressiv steigenden Verlauf zeigt, so gibt es genau einen Punkt, an dem die Differenz beider maximal ist (zur Verdeutlichung ist die Abbildung im Vergleich zu der in den in der Literatur zu findenden um eine Kurve für die Differenz zwischen Erlösen und Kosten erweitert). Im gewählten Beispiel liegt dieser Punkt bei einer relativen Komplexität von 25. Hier also liegt theoretisch die optimale Komplexität. Befindet sich also die aktuelle Komplexität der Produktstruktur des Unternehmens im Bereich zwischen 1 und 24, ist eine weitere Erhöhung der Komplexität anzuraten (je niedriger der Komplexitätswert desto stärker). Bei einem Wert von über 25 sollte man keine weitere Erhöhung der Komplexität anstreben, sonder unter Umständen (vor allem bei deutlich höheren Werten, spätestens am Beginn der Kostenexplosion – im Beispiel also etwa ab Komplexitätsgrad 36) eine Verminderung der Komplexität in Angriff nehmen. Ansonsten entfernt man sich mehr und mehr von einer optimalen Komplexität und es kann (durch Extrapolation der beiden Kurven leicht zu sehen) sogar dazu kommen, dass die Kosten die Erlöse übersteigen, eine weitere Erhöhung also nicht nur eine Gewinnschmälerung sondern gar Nettoverluste verursacht. All dies klingt einleuchtend und ist sicherlich ein guter Ansatz, um Entscheidungen bezüglich einer Veränderung der Komplexität zu unterstützen. Ein großes Problem dieses Ansatzes ist jedoch, dass man die den Grafen zugrundeliegenden Funktionen nicht kennt (auch ich habe diese natürlich vollständig willkürlich gewählt, um den Grafen der von mir gewünschten –und erwarteten- Form anzupassen und diese nicht exakt sondern nur durch sehr grobe, oft stark fehlerbehaftete Näherungen ermitteln kann. Vor allem die Reaktion der Erlöse auf eine Komplexitätsveränderung ist extrem schwer vorauszusagen. So sind auch andere Verläufe als der in der Abbildung skizzierte denkbar Die Erlöse können stärker (durch die positiven Auswirkungen des Gefühls größerer Wahlfreiheit) oder schwächer (durch Unsicherheiten ob der größeren Variantenvielfalt) als erwartet ausfallen Lutz Läsker Aber auch die Kostenentwicklung infolge einer Komplexitätserhöhung ist schwer vorhersehbar, da oft die in den eher peripheren Bereichen entstehenden Kosten sich einer Berechnung zunächst entziehen. Auch geling es mit einem solchen Ansatz nicht, gewisse typische Merkmale einer Komplexitätserhöhung abzubilden. So wird etwa der sprungfixe Charakter der Kosten (etwa durch Anschaffung einer neuen Maschine, Einstellung von neuem Personal oder Schulung/ Weiterbildung der Beschäftigten, Markteinführung der neuen Produktvarianten) nicht sichtbar. Ebenso kann mit diesem Modell nicht deutlich gemacht werden, dass die auftretenden Kosten später selbst bei einer Rücknahme der Komplexitätserweiterung gar nicht (Kosten für Schulungen und zusätzliches Marketing) oder nur schwer und langfristig (nicht mehr oder nicht in dieser Ausführung benötigte Maschinen, zusätzlich eingestelltes Personal) wieder abbaubar sind. Fazit: Eine solche, sehr gründlich durchzuführende, Voranalyse der zu erwartenden Erlöseund Kosteneffekte ist eine notwendige, aber keineswegs hinreichende (in dem Sinne, dass sie zuverlässige Werte liefert, die zur Unterstützung einer Entscheidung über Komplexitätsveränderung dienen können) Bedingung.