Datum: 5. Juni 2008 Thema: Durchblutungsstörungen und Unterversorgung am Herzen Referenten: Univ.-Doz. Dr. Reinhard Moidl Herz-Gefäßchirurgisches-Zentrum, KH Hietzing Prim. Univ.-Prof. Dr. Heinz Weber 1. Medizinische Abteilung, SMZ-Ost Donauspital Wien Ass.-Prof. Dr. Friedrich Rauscha Univ.-Klinik für Innere Medizin II, AKH Wien Fast die Hälfte aller Todesfälle und jede 10. Spitalsaufnahme lassen sich in Österreich auf HerzKreislauferkrankungen zurückführen, welche im Alter zunehmen. 12.000 Österreicherinnen und Österreicher erleiden jährliche einen Herzinfarkt, der bei jedem 10. unmittelbar tödlich ausgeht. Wenn die Vorbeugung (Prävention) durch gesunden Lebensstil, Nicht-Rauchen, vernünftige Ernährung und ausreichend Bewegung sich durch den „inneren Schweinehund“ nicht so recht durchsetzen kann, dann sollte wenigstens das rechtzeitige Erkennen eines drohenden Infarktes und eine entsprechende Therapie erstrebenswert sein. Welche Symptome sind verdächtig auf eine koronare Herzerkrankung? Eine Engstelle (Stenose) in einem sog. Herzkranz-Gefäß verursacht eine Minderdurchblutung des nachgeschalteten Herzmuskels und damit einen Sauerstoffmangel. Dieser äußert sich in einem „Enge“-Gefühl des Brustkorbes („Angina pectoris“), in Schmerzen links im Brustkorb, aber auch im Magenbereich oder zwischen den Schulterblättern. Auch Zahnschmerzen können einen Sauerstoffmangel des Herzens ankündigen (sog. „Buddenbrooks-Angina“). Da der Sauerstoff-Mangel vor allem bei körperlicher und bei psychischer Belastung (Aufregung) zum tragen kommt, treten diese typischen Beschwerden demnach bei diesen Belastungen auf. Auch kaltes und windiges Wetter, eine reichliche Mahlzeit, die berühmte Zigarette können Auslöser einer Angina pectoris sein. Bei älteren Menschen, bei Frauen und bei Diabetikern sind diese Symptome leider nicht mehr ganz so typisch. Sie haben entweder keine oder falsch interpretierte Beschwerden. Atemnot kann ein Äquivalent einer Angina pectoris sein. Üblicherweise verschwinden diese Beschwerden in Ruhe bzw. bei Beruhigung wieder, um dann bei neuerlicher Belastung wieder aufzutreten. Nun ist es Zeit, seinen Hausarzt zur weiteren Diagnostik aufzusuchen! Verschwinden diese Schmerzen in Ruhe jedoch nicht, werden sie sogar noch stärker, dann ist unverzüglich die Rettung (Tel.: 144) zu rufen! Nicht zuwarten! Es besteht der Verdacht auf einen akuten Herzinfarkt! Und lieber einmal umsonst, denn ein akuter Sauerstoffmangel des Herzens ist lebensbedrohlich!! Es kann aber rasch und sicher in einer entsprechenden Einrichtung eines Krankenhauses durch einen akuten Herzkatheter (s.u.) geholfen werden. Wir wollen es aber nicht so weit kommen lassen und daher vor einem so akuten und lebensbedrohlichen Ereignis uns Gewissheit über den Zustand unserer Herzkranzgefäße verschaffen. Welche diagnostischen Methoden machen Sinn? Das (Ruhe-) EKG (Elektro-Kardiogramm) hat fast jeder zumindest einmal schon gehabt. Es ist überaus hilfreich, zeigt aber nicht immer die eventuell zugrunde liegenden Veränderungen der Herzkranzgefäße: Einerseits kann es außerhalb der Schmerzen völlig unauffällig sein, anderseits kann es durch z.B. Schenkelblock-Bilder überhaupt nichts anzeigen. Wesentlich besser gibt uns das Belastungs-EKG Auskunft, ob eine Minderdurchblutung des Herzens vorliegt. Dabei wird an einem Zimmerfahrrad alle zwei Minuten eine höhere Belastung eingestellt, bis entweder 100% der zu erwartenden Leistung erreicht ist, oder vorher wegen Müdigkeit oder Beschwerden abgebrochen wird. Manchmal wird ergänzend noch eine sogenannte Myokard-Szintigraphie (mit medikamentöser Belastung) verlangt. Bei dieser relativ teuren und strahlenintensiven Untersuchung lagert sich das radioaktive Isotop Thallium in den intakten Herzmuskel ein, in minderdurchbluteten Abschnitten jedoch nicht. Am exaktesten ist naturgemäß die Herzkatheter-Untersuchung mit der Kontrastmittel-Füllung der Herzkranzgefäße. Es ist dies eine sog. invasive Untersuchung und daher mit einer heute schon sehr niedrigen Komplikationsrate behaftet. Bei der Feststellung einer entsprechenden Stenose (s.o.) kann jedoch sofort interveniert werden und mit einem Ballon diese gedehnt werden und meist auch ein kleines Metallgitter, ein sog. Stent abgesetzt werden. Ferner hilft die Herzkatheteruntersuchung auch zu differenzieren ob überhaupt eine koronare Herzkrankheit vorliegt und, wenn ja, welches Therapieverfahren (Dehnung mit Stent oder BypassOperation) das für diesen Patienten zu empfehlende ist. Viel wird heute gesprochen über die sog. „Nicht-invasive-Angiographie“. Dieses Verfahren benötigt einen speziellen 64-Zeilen sog. Multi-Slice-Computertomographen. Auch hier wird Kontrastmittel verwendet. Die Strahlenbelastung entspricht der einer Isotopenuntersuchung bzw. einer Koronar-Dehnung (= ca. 1.000 Herz-Lungen-Röntgen-Aufnahmen). Und es kann nicht gleichzeitig interveniert werden. Somit muss, ist das Ergebnis verdächtig auf eine Stenose, erst recht ein Herzkatheter mit Interventionsbereitschaft angeschlossen werden. Die Ergebnisse sind mit dieser Methode dann gut, wenn eine koronare Herzkrankheit ausgeschlossen werden kann. Insgesamt ist das Beste zwar das Vorbeugen, die Prävention um überhaupt die Entstehung einer Atherosklerose und somit einer koronaren Herzkrankheit zu vermeiden. Ist diese dennoch nachweisbar, dann empfiehlt sich eine rechtzeitige Diagnose, noch vor Eintritt eines möglicherweise letalen Ereignisses. Denn heute stehen uns mit der Dehnung, dem Stent aber auch mit der Bypass-Operation hervorragende Therapieverfahren zur Verfügung, die neben den Medikamenten, nicht nur lebensverlängernd wirken, sondern auch eine gute Lebensqualität erhalten! Wenn es in der Brust eng wird, hilft der Herzchirurg sehr effektiv! Wenn der Durchmesser der Koronarien, der nur wenige Millimeter beträgt, bis zu siebzig Prozent eingeengt ist, beginnt das Herz bei Belastung unter Sauerstoffnot zu leiden. Die zugrunde liegende Krankheit heißt koronare Herzkrankheit = die Herzinfarkt-Krankheit. Es gibt prinzipiell drei Arten der Therapie der Herzinfarkt-Krankheit: Medikamentös - Interventionell (Ballondehnung und Stent) - Operation. Ziel der operativen Behandlung ist die Verbesserung der Durchblutung in den bedrohten Herzmuskelarealen, meist mit Hilfe von Umleitungs"brücken" (Bypässen). Entscheidendes Kriterium für die Entscheidung zur chirurgischen Behandlung ist eine für den jeweiligen Patienten bewiesene akute oder langfristige Überlegenheit gegenüber medikamentöser bzw. interventioneller Behandlung bei verschiedenen Indikationen wie z.B. ein Befall aller Gefäße nach Infarkt. Liegen Nebenerkrankungen wie Diabetes mellitus oder eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz vor, so ist die chirurgische Therapie der interventionellen deutlich überlegen. Problematisch neben der Indikationsstellung ist bisweilen der optimale Zeitpunkt der Operation. Dabei helfen neue Diagnosemethoden wie CT (Computer-Tomografie), PET (Positronenemissions-Tomografie) und MRT (Magnetresonanz-Tomografie). Operationsverfahren Üblicherweise wird die Bypass-Operation nach Anschluss des Patienten an die Herz-Lungen-Maschine am stillgelegten Herz durchgeführt. Als Alternative zur konventionellen Bypassoperation mit HerzLungen-Maschine kann bei selektierten Patienten die Operation auch ohne Einsatz der Herz-LungenMaschine ausgeführt werden. Sie erfahren Details über diese „minimal invasiven“ Verfahren wie MIDCAB-Operation (minimal invasive direkte Koronararterien-Bypassoperation), OPCAB-Methode (Bypassoperation ohne Herz-Lungen-Maschine) und da Hybridverfahren (Kombination von Bypassoperation und nachfolgender Ballondehnung PTCA). Eine spezielle Stellung nimmt die chirurgische Behandlung des akuten Herzinfarkts und der damit verbundene Komplikationen ein. Eine Akutintervention kann innerhalb der ersten Stunden nach Auftreten der Durchblutungsstörung (Ischämie) zumindest die Ausdehnung verringern, bei einem Teil der Patienten sogar die Ausbildung des Infarktes verhindern. Eher selten muss hier die Chirurgie einschreiten. Sobald jedoch frühe Komplikationen des eingetretenen Infarktes auftreten wie ventrikuläre Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien), Pumpversagen des Herzens, Septumruptur (Infarkt-Defekt der Kammerscheidewand), Papillarmuskelruptur oder Ruptur der freien Ventrikelwand, ist eine chirurgische Intervention häufig die einzige Option. Wenn ein Herz durch langdauernde Durchblutungsprobleme schwerst geschädigt ist, bleibt manchmal nur mehr der Ausweg der Transplantation oder sogar der Kunstherzersatz. Als Alternative zur Transplantation muss auch bei Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz die organerhaltende chirurgische Therapie in die Planung einbezogen werden. Selbst bei Patienten mit sehr niedriger Auswurfleistung des Herzens und diffuser Koronarsklerose lassen sich mit entsprechenden speziellen chirurgischen Techniken erhebliche Verbesserungen der Herzfunktion erzielen. So kommen neben der Aneurysmektomie, also der Ausschaltung der sackförmigen narbigen Ausbuchtung der Herzwand, unterschiedliche Ventrikelplastiken zur Anwendung, bei denen das Narbengewebe reseziert und die Geometrie der linken Herzkammer wieder hergestellt wird. Dritter therapeutischer Ansatzpunkt bei ischämisch bedingter Herzinsuffizienz ist die Reparatur der Mitralklappe. Ein weiteres, in den letzten Jahren eingeführtes Verfahren ist die Ventrikel-Verkleinerungsplastik, die sogenannte "Batista Operation". Dabei wird ein etwa keilförmiges Segment der posterioren Ventrikelwand reseziert und der Ventrikel dann wieder verschlossen. Die Herztransplantation stellt nach wie vor die einzige wirksame Methode für Patienten dar, die sich unter medikamentöser Therapie weiter in der terminalen Herzinsuffizienz (NYHA Stadium IV) befinden. In der Behandlung der Patienten mit schwerster ischämiebedingter Herzinsuffizienz kommen noch die antitachykarden Operationen zur Vermeidung der häufig begleitenden lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen hinzu. Als neues Verfahren wurde außerdem die sogenannte biventrikuläre Schrittmacherstimulation etabliert. Heute noch experimentelle Verfahren sind die Stammzelltransplantation und die therapeutische Arteriogenese (Neuzüchtung von Blutgefäßen). Der erwartete Nutzen dieser experimentellen Verfahren für den Patienten ist bis heute nicht gesichert. Ergebnisse Die aortokoronare Bypassoperation gehört heute zu den risikoarmen Eingriffen in der Herzchirurgie, obwohl das durchschnittliche Alter der Patienten gestiegen ist, und das Risikoprofil sich verändert hat. Die Operationssterblichkeit, die bei Patienten unter 75 Jahren mit guter Herz-Funktion bei geplanten Eingriffen bei 1-3% liegt, steigt bei Notfalloperationen, beim Vorliegen einer schweren Pumpstörung, Nierenfunktionsstörungen, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, peripherer Gefäßerkrankung oder Mitralklappeninsuffizienz erheblich an. Für Reoperationen ist ein etwa verdoppeltes Risiko zu erwarten. Nach misslungener Ballondehnung (Risiko 5 %) steigt das Risiko der Notoperation auf 5-10 % an. 10 Jahre nach Koronarrevaskularisation sind noch 50 % der Patienten frei von Angina pectoris, nach gleich langer medikamentöser Therapie jedoch nur 3 %. Einer typischen Komplikation des operativen Eingriffs stellen Herzinfarkte, die bei ca. 5 % der Patienten im Zusammenhang mit der Operation auftreten, dar. Bei ca. 30% der Patienten nach Bypass-Operation kommt es zu kurzzeitigen Herzrhythmusstörungen in Form von Herzrasen (Vorhofflimmern/Vorhofflattern). Die durchschnittliche 5Jahresüberlebensrate nach OP beträgt 80-95% und ist im Wesentlichen beeinflusst von Herzfunktion und Begleiterkrankungen. Bei der Hauptstammstenose wirkt die Bypassoperation lebensverlängernd. Die 5-Jahres-Bypass-Offenheitsrate beträgt nach Mammaria interna-Bypass etwa 80% bis 95%, nach aortokoronarem Venenbypass etwa 65% bis 80%. Fazit Die optimale Therapie der koronaren Herzkrankheit kann auf einer weitestgehend wissenschaftlich gesicherten Basis erfolgen. Die Behandlung erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Hausarzt, dem Kardiologen, Chirurgen, Anästhesisten und Intensivmediziner. Nur so kann eine für den Patienten maßgeschneiderte Behandlung erreicht werden, die das für ihn oder sie optimale Ergebnis erreicht. Weitere Informationen: Univ. - Doz. Dr. Reinhard Moidl Herz-Gefäßchirurgisches-Zentrum Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel Wolkersbergenstraße 1, 1130 Wien Tel: +43 1 80110 - 2390 E-Mail [email protected] Prim. Univ.- Prof. Dr. Heinz Weber 1. Medizinische Abteilung, SMZ-Ost-Donauspital Wien Langobardenstr. 122 1220 Wien Tel: +43 1 28802 – 3100 E-Mail: [email protected] Ass.- Prof. Dr. Friedrich Rauscha Univ.-Klinik für Innere Medizin II, AKH Wien Währinger Gürtel 18-20 1090 Wien Tel: +43 1 404 00 - 4614 E-Mail: [email protected]