1 Stress verändert die Gen-expression Zwischenmenschliche und organisatorische Faktoren sind inzwischen deutlich zum Krankheitsfaktor Nr. 1 'aufgestiegen', während die früher führenden Krankheitsursachen (Arbeitsstoffe, Geräte, Lärm etc.) heute nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Die Menschen müssen sich immer mehr verausgaben, doch an Unterstützung seitens der Firmen mangelt es, trotz den deutlichen Veränderungen in der Arbeitswelt (Zunahme im Dienstleistungssektor mit erhöhten klientenbezogenen Anforderungen, mit immer weniger Selbstbestimmung, ständigen technologischen Sprüngen, ständiger Verfügbarkeit, gesteigerter Produktivität und Zeitdruck) als auch gesellschaftliche Strömungen (Individualismus, Jugendwahn, Egoismus). Je mehr Arbeit in immer weniger Zeit zu erledigen ist, desto höher ist das Stressniveau. Wenn diese Konstellation über lange Zeit noch mit Ehrgeiz gepaart ist und anhält, besteht ein erhöhtes Burnout-Risiko. Wer ist nicht erschöpft , wenn man im Rad wie verrückt rennt und nirgends ankommt? Ausgebranntsein (Burnout), die Vorstufe zur Hölle (Depression Oft besteht jahrelanger Stress, der häufig sehr lange noch nicht zu einer Erkrankung führt. Meist genügt dann ein für sich betrachtet relativ kleines Ereignis, um das Fass zum Überlaufen zu bringen und Krankheiten auszulösen. Dauerstress kann sich analog zu ungelösten Traumata körperlich in Schmerzen, empfindungslosen oder hypersensitiven Bereichen, Spannungsmuster oder Blockaden zu inneren Bereichen äussern. Die Ursachen für ein Burnout liegen im Ungleichgewicht zwischen Person und Arbeits-Umwelt. Verbesserungen sind also sowohl in der Person selbst als auch in der Umgebung anzustreben. Der Arzt: „Frau Müller, Sie müssen die Bedürfnisse Ihres Mannes erkennen, Herr Müller Sie müssen die Bedürfnisse Ihrer Frau lernen zu erkennen- und beide müssen meine Bedürfnisse auch anerkennen“ Neurobiologische Entgleisung des Stresshormonsystems Chronischer Stress wird nicht selten von einem zunehmenden Gefühl des Kontrollverlustes über die Situation begleitet. In bestimmten Gehirnregionen (dem sogenannten limbischen System, das für die Regulation unserer Gefühle zuständig ist) kommt es hierbei zu einer Überaktivität des für die Emotionsregulation wichtigen Mandelkerns (Amygdala). Auf der hormonellen Ebene kommt es hierdurch zusätzlich zu einer krankmachenden, dauerhaften Aktivierung des Stresshormonsystems (Hypothalamus- Hypophysen-Nebennierenrinden-System = HPA-System). Das Gehirn verliert die Kontrolle über das Stresshormonsystem. Diese Verschiebungen in der Regulation des Stresshormonsystems sind mittlerweile nachgewiesen. Stressreaktionen werden früh geprägt. Postnatale Trennung von der Mutter erhöht die hypothalamische Corticotropin- Releasingfaktor- Genexpression (Gene werden an oder ausgeschaltet, die sonst es nicht sind , gemäss neuen Erkenntnisse aus der Epi-Genetik) und die daraus resultierenden Antworten im Hypothalamus- Hypophysen-Nebennierenrinden-System (HPA) sowie die daraus resultierenden Stress- Verhaltensweisen. Dieser Prozess kann allerdings später durch günstige Umwelteinflüsse kompensiert werden.1 Chronischer Stress führt also zur dauerhaften Überaktivität des Stress-Hormonsystems und stört den Nervenzellstoffwechsel derart, dass Produktion und Abbau der Botenstoffe aus der Balance kommen. Sie sind entweder in zu geringer Konzentration vorhanden oder die Übertragung funktioniert nicht mehr richtig . Dies wirkt sich gesundheitsschädigend aus: Ständige Erregung des Sympathikus Herz-Kreislauf-Erkrankungen Erhöhter Zuckerspiegel Leber- und andere Organerkrankungen Erhöhter Cholesterinspiegel Schlaganfallrisiko Verminderte Darmtätigkeit Magen-Darmerkrankungen Erhöhter Muskeltonus Verspannungen, Haltungs- und Gelenksschäden, Spannungskopfschmerz, Vergesslichkeit Chronische Belastung Organismus in ständiger Widerstandsbereitschaft Erschöpfung, Leistungsverlust, Schlafstörungen, Suizidgedanken 1 http://www.jneurosci.org/cgi/reprint/22/18/7840 2 Geschwächte Immunkompetenz lange Belastung Abschwächung der Parameter Gesundheitliches Risikoverhalten Teil der behavioralen Stressreaktion verstärken Risiko Stresshormone können gleichermassen mit Antidepressiva und Psychotherapien (1-3 Jahre für vollständige Heilung) reduzieren werden. Wichtig ist die Erkenntnis, dass psychische Krankheiten auf einem im Gehirn stattfindenden neurobiologischen Krankheitsgeschehen beruhen. Stress reduziert auch die Bildung neuer Nervenzellen. Bewegung ist antidepressiv und fördert die Nervenzellneubildung. Die von der Arbeit belastete Person-UmweltBeziehung muss aktiv durch kognitive und emotionale Auseinandersetzung (Psychotherapie) geändert werden, und kann auch mit dem körpereigenen „Beziehungshormon“ Oxytocin unterstützt werden. Dann entstehen wieder neue Verknüpfungen im Hirn. Die Widerstandsfähigkeit (Stress-Resilienz, erfolgreiche Stressbewältigungsfähigkeit) deren Ausprägung in frühester Kindheit geweckt wird) kann wieder steigen. So wird eine realistische Selbsteinschätzung möglich und Hilfe kann angenommen werden sowie die so wichtigen Beziehungen können wieder gepflegt werden Die Nervenzellneubildung kann zum Glück auf verschiedene Art und Weise bis ins hohe Lebensalter angeregt werden: moderater Ausdauersport (zum Beispiel Jogging, Schwimmen, Velofahren, Nordic Walking) geistige Aktivität (zum Beispiel Psychotherapie, Lernen neuer Dinge) Stressverminderung (zum Beispiel Stressbewältigungstraining, Biofeedback, 2 Antidepressiva: Alle modernen Antidepressiva erhöhen die Nervenzellneubildung auf doppelte Weise. Zum einen, weil sie die Stresshormonüberaktivität wieder normalisieren, zum anderen durch eine direkte Stimulation der Nervenzellen. Antidepressiva wirken nicht durch Erhöhung der Konzentration der Neurotransmitter (Nervenbotenstoffe Serotonin, Noradrenalin, Dopamin) sondern durch deren Verstärkung und damit einer Normalisierung der Stresshormonaktivität! Erholung ist notwendig, um Arbeitsbelastungen zu reduzieren Gerade wenn man Arbeitsbelastungen ausgesetzt ist, erholt man sich schon grundsätzlich weniger gut. Emotionale Erschöpfung, gepaart mit Zeitdruck und oder wenig positiver Freizeit macht Abschalten über die Zeit schwieriger, mit zunehmender Erschöpfung steigt die Gefahr einer negativen Spirale. Veränderungen (über ein Jahr) Zeitdruck ↑ Kein Abschalten↑ Zeitdruck & fehlendes Abschalten ↑ emotionale Erschöpfung↑ ↑ ↑ Psychosom. Beschwerden↑ ↑ kein Engagement↑ ↑ ↑ =Dis-stress Gutes Abschalten ist abhängig von Arbeitsbedingungen. Es geht eben schon darum, zu reduzieren : ob Überstunden oder andere Stressoren (das sind Anforderungen, die die eigenen Reaktionsmöglichkeiten überfordern). Personen, die sich gut erholen, werden kurz- und langfristig weniger stark von Arbeitsbelastungen beeinträchtigt. Mit Achtsamkeit und Hobbys, die einen im Moment gründlich absorbieren, geht Abschalten am besten. Weiterführende Links: http://www.burnoutexperts.ch/symposium/rueckblick-2011/referate www.stiftung-sne.ch Vorträge vom SNE Symposium 30.9.2011 zu Burnout ,/www.seelischegesundheit.ch Informationsbroschüre Burnout www.depression.ch/documents/cip_patientenbrosch_depression_d.pdf www.wimmer-partner.at/pdf.dateien/stress_burnout_depression.pdf arbeitsblaetter.stangl-taller.at/STRESS/Stress1.shtml http://www.neuro24.de/stress.htm Neben der medikamentösen Therapie werden Einzel- und Gruppentherapien und je nach Symptomatik zusätzlich körperorientierte bzw. kreativtherapeutische Verfahren, Entspannungsverfahren und Stressbewältigungstraining (zum Beispiel Biofeedback, progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Yoga, Qigong, Tai-Chi – Entspannungsverfahren) in unterschiedlicher Zusammensetzung angewendet in Absprache mit dem Patienten 2 3