14. Sonntag im Jahreskreis Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark (2 Kor 12,7-10) Liebe Schwestern und Brüder, als Jugendlicher habe ich mir den Apostel und Gemeindegründer Paulus immer so vorgestellt: -eine mächtige robuste Gestalt, wie hätte er sonst die vielen und langen Reisen durchstehen sollen. -schulterlange Haare und Bart, in der damaligen Zeit wohl so üblich. -ein Mann, der in seinen Briefen für den Glauben an Jesus Christus begeistern, aber auch mal in seinem Temperament auf den Tisch hauen konnte – Ärger gab es ja in den neu gegründeten christlichen Gemeinden, wie z. B. in Korinth, genug. „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“. Passen diese Worte von Paulus überhaupt in unser Bild, das wir von ihm haben? 1. Zur eigenen Unzulänglichkeit und Schwäche stehen Als Paulus den sogenannten Tränenbrief (2. Kor 10-13) an die korinthische Gemeinde schreibt, der eben gehörte Abschnitt ist diesem Brief entnommen, ist die Frage der Schwachheit und der Kraft besonders aktuell gewesen. In der Gemeinde ist diskutiert worden, was den echten Apostel und überhaupt die echten Christen kennzeichnet. In dieser Situation beschreibt Paulus im zweiten Korintherbrief Kapitel 12 ein chronisches körperliches Leiden: „Mir ist ein Stachel ins Fleisch gestoßen.“ Man spürt förmlich den stechenden Schmerz, der den Paulus körperlich trifft. Ein Stachel im Fleisch sind für ihn ebenso christliche Wandermissionare, er nennt sie „Superapostel“, die von außen in seine Gemeinde eingedrungen sind und schnell Anerkennung gefunden haben. Die Wanderapostel rühmen sich ihrer eigenen Offenbarungen. Weil Paulus ein ziemlich schwaches geistliches Auftreten in der Gemeinde abgibt, stellen sie seine apostolische Legitimation in Frage. Die Lage ist für Paulus nicht günstig. Er ist angeschlagen – psychisch und physisch gleichermaßen. Das weiß er und spricht auch offen in der Gemeinde darüber. Auf diese Weise unterscheidet er sich von den feindseligen „Superaposteln“, die vor Würde, Kraft und Stärke strotzen aufgrund ihrer besonderen Gottesbeziehung und innerem Reichtum. Um Beachtung und Anerkennung zu finden, setzen sich heute noch Menschen Masken auf: die Maske der Stärke, des Durchsetzungsvermögens, des Selbstbewußtseins. Es macht den Menschen langfristig kaputt, nach außen anders zu sein, als er in Wahrheit ist: „Mehr Schein als Sein.“ Viele Berufsgruppen sind dabei in Gefahr auf diese Weise unter permanenten Druck zu geraten. Paulus erkennt: „Trotz meiner besonderen Berufung von Gott, meiner Talente und Fähigkeiten, bin ich nicht Gott. Gerade weil ich dieses Apostelamt habe, bin ich mir meiner menschlichen Schwachheit und Unzulänglichkeit bewußt.“ So kann sich Paulus geben, wie er eben ist - bescheiden. Auch wenn er seinen Gegnern dadurch eine Angriffsfläche mehr bietet: Langfristig verliert Paulus nicht den Boden unter den Füßen. Er bleibt den Menschen in der Gemeinde und ihren Problemen nahe. 2. In der Schwachheit um Kraft bitten Nur wer sich seiner Schwachheit bewußt ist und sie sich eingesteht, bittet um Hilfe und Kraft. Dreimal hat Paulus Gott gebeten, ihn von seinem Leiden zu befreien: „Dreimal habe ich den Herrn angefleht, dass dieser Bote Satans von mir ablasse.“ Ich erinnere mich an kranke und alte Menschen, die ähnliche Worte wählten; Menschen, die gegen den Krebs ankämpften oder die einer Sucht verfallen sind. Auf der anderen Seite können heute viele Menschen gar nicht mehr beten und bitten: „Ich komme doch alleine zurecht. Ich brauche keinen.“ Oft ist es Stolz oder Enttäuschung: „Bisher hat sich Gott um mich auch nicht geschert.“ Dabei ist zu bedenken, dass der Mensch Gott nicht nur die Befreiung von Krankheiten und Ängsten verdankt, sondern auch das Gesundsein, d. h. das Gar-nicht-erst-krank-Werden in all den Lebensjahren. Paulus hat verstanden, wozu die Krankheit ihm dient: er soll lernen, sich nicht zu überheben und übermütig zu sein. Aber in vielen Fällen ist der Sinn des Kreuzes nicht einsehbar. Die Frage nach dem Warum und Wozu bleibt unbeantwortet. Paulus weiß in diesen schweren Stunden seines Lebens: Gerade jetzt ist er auf die Hilfe Gottes angewiesen. Ohne seinen Beistand kann er nichts tun. Auf diese Kraft Gottes vertraut er voll und ganz. 3. Die Macht Gottes erweist ihre Kraft in der Schwachheit Paulus wird nicht geheilt, aber ihm werden Trost- und Deuteworte zugesagt: „Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit.“ das heißt so viel wie: „Mehr bekommst du nicht. Mit meiner gütigen Zuwendung mußt du auskommen. Damit kannst du auskommen. Mehr ist nicht notwendig.“ Paulus bezeichnet sich als Diener Jesu Christi, in der Nachfolge des Herrn. Seine Verbundenheit mit dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus ist unübersehbar. Beide erfahren die Gnade Gottes, die Nähe Gottes: In der Schwachheit Jesu Christi am Kreuz zeigte Gott seine Macht und Stärke; Gott nahm den Tod den Stachel und erweckte Jesus zum neuen Leben. - Erst in der Schwachheit kann Paulus durch Gottes Kraft sein Apostelamt ausfüllen. So weisen die Erfolge seines Wirkens, die durch ihn geschehen sind, mehr auf Gottes große Taten hin als auf ihn. Wie viele Menschen rühmen sich heute ihrer Leistungen und werden dabei übermütig, ja arrogant, vergessen aber dabei ihren Schöpfer, auf dem alles gründet, vergessen Menschen, die den Weg mühsam bereiteten. In dieser Schwachheit, im Annehmen des Kreuzes, kann Paulus Mißhandlungen und Nöte, Verfolgungen und Ängste, größte Anstrengungen in der Gemeinde für Jesus Christus überhaupt ertragen. Er weiß, dass die Leiden und Mühen dieser Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die am Menschen offenbart werden soll.“ Liebe Schwestern und Brüder, „wenn ich schwach bin, dann ich stark“. Paulus kann das sagen, weil er Gott als den erlebt, der gerade in der Schwachheit nah ist. Er hat Mut und redet über seine Schwachheit, weil er weiss: woher er kommt und wohin er geht. Dadurch gewinnt er an Stärke, das macht ihn zum einzigartigen Apostel und Diener Jesu Christi. Trauen wir uns, schwach zu sein. Amen.