Abschnitt IV: Öffentliches Recht und Verwaltungsverfahrensrecht

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Inhaltsverzeichnis
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Abschnitt I: Das deutsche Rechtssystem .................................................................................. 7
I. Das Grundgesetz als Grundlage und Leitlinie der Staats- und Rechtsordnung ...................... 7
1. Die Grundrechte .......................................................................................................................................... 7
2. Die Verfassungsprinzipien des Art. 20 GG ................................................................................................. 7
3. Die Gesetzgebung ....................................................................................................................................... 8
4. Die Verwaltung ........................................................................................................................................... 8
5. Die Rechtsprechung .................................................................................................................................... 9
II. Die Einteilung des Rechts........................................................................................................... 10
1. Sachliche Unterteilung .............................................................................................................................. 10
2. Die Hierarchie der Rechtsnormen ............................................................................................................. 12
Abschnitt II: Der Aufbau der Gerichtsbarkeit in Deutschland ............................................. 13
I. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen .................................................................................... 13
1. Die rechtsprechende Gewalt...................................................................................................................... 13
2. Das Recht auf den gesetzlichen Richter .................................................................................................... 13
3. Die Gliederung der Gerichte nach Art. 95 GG .......................................................................................... 14
II. Die Gliederung der Gerichte nach Sachbereichen................................................................... 14
III. Die Gliederung der Gerichte nach Instanzen ......................................................................... 14
IV. Die einzelnen Gerichtsbarkeiten .............................................................................................. 15
1. Die ordentliche Gerichtsbarkeit ................................................................................................................ 15
2. Die Arbeitsgerichtsbarkeit ........................................................................................................................ 16
3. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ................................................................................................................ 16
4. Die Finanzgerichtsbarkeit ......................................................................................................................... 17
5. Die Sozialgerichtsbarkeit .......................................................................................................................... 17
6. Übersicht über die Gliederung der Gerichtsbarkeit ................................................................................... 17
Abschnitt III: Strafrecht und Strafverfahrensrecht............................................................... 18
I. Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs .................................................................................. 18
1. Der dreigliedrige Verbrechensaufbau ....................................................................................................... 18
2. Versuch und Vollendung ........................................................................................................................... 19
3. Täterschaft und Teilnahme ........................................................................................................................ 20
II. Der besondere Teil des Strafgesetzbuchs und das Nebenstrafrecht ...................................... 20
III. Das Strafverfahrensrecht ......................................................................................................... 20
1. Das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren ............................................................................................. 20
2. Das Zwischen- und Hauptverfahren .......................................................................................................... 21
3. Die Strafen ................................................................................................................................................ 22
4. Die Untersuchungshaft .............................................................................................................................. 23
5. Überblick über den Gang eines Strafverfahrens ........................................................................................ 23
Abschnitt IV: Öffentliches Recht und Verwaltungsverfahrensrecht .................................... 24
I. Grundlagen des Verwaltungsrechts ........................................................................................... 24
1. Was ist Verwaltung? ................................................................................................................................. 24
2. Eingriffs- und Leistungsverwaltung .......................................................................................................... 24
3. Bundes- und Landesverwaltung ................................................................................................................ 25
4. Rechtsgrundlagen ...................................................................................................................................... 25
5. Der Vorbehalt des Gesetzes ...................................................................................................................... 25
II. Der Behördenaufbau in Baden-Württemberg ......................................................................... 26
1. Allgemeine und besondere Verwaltungsbehörden .................................................................................... 26
2. Gliederung der allgemeinen Verwaltungsbehörden .................................................................................. 26
3. Zuständigkeiten der Verwaltungsbehörden ............................................................................................... 26
4. Übersicht über den Aufbau der allg. Verwaltungsbehörden ..................................................................... 27
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III. Die Handlungsformen der Verwaltung ................................................................................... 27
1. Öffentlich-rechtliches und privatrechtliches Handeln ............................................................................... 27
2. Der Verwaltungsakt .................................................................................................................................. 27
3. Sonstige Handlungsformen ....................................................................................................................... 28
IV. Der Erlaß eines Verwaltungsakts im Verwaltungsverfahren................................................ 28
1. Das Verwaltungsverfahren ........................................................................................................................ 28
2. Die Form des Verwaltungsaktes ............................................................................................................... 29
3. Die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes.................................................................................................... 29
4. Das Widerspruchsverfahren ...................................................................................................................... 29
5. Übersicht über das Verwaltungsverfahren ................................................................................................ 30
V. Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten......................................................................... 30
1. Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage .............................................................................................. 30
2. Die allgemeine Leistungsklage ................................................................................................................. 31
3. Zuständigkeit ............................................................................................................................................. 31
4. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes...................................................................................... 31
Abschnitt V: Zivilrecht und Zivilprozeßrecht ......................................................................... 32
I. Grundlagen des Zivilrechts ......................................................................................................... 32
II. Die Geschichte des BGB ............................................................................................................. 33
III. Der Aufbau des BGB ................................................................................................................ 33
1. Der Allgemeine Teil .................................................................................................................................. 33
2. Das Schuldrecht ........................................................................................................................................ 34
3. Das Sachenrecht ........................................................................................................................................ 35
4. Familien- und Erbrecht ............................................................................................................................. 37
IV. Weitere Rechtsgebiete des Zivilrechts ..................................................................................... 37
V. Das Zivilprozeßrecht .................................................................................................................. 38
1. Grundprinzipien des Zivilprozesses .......................................................................................................... 38
2. Klageerhebung und Versäumnisverfahren ................................................................................................ 38
3. Mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme ........................................................................................ 38
4. Urteil und Rechtsmittel ............................................................................................................................. 39
5. Das Mahnverfahren ................................................................................................................................... 39
6. Überblick über den Gang eines Zivilverfahrens ........................................................................................ 41
Abschnitt VI: Europarecht ...................................................................................................... 42
I. Entstehungsgeschichte der Europäischen Gemeinschaften ..................................................... 42
1. Die drei Ursprungsverträge ....................................................................................................................... 42
2. Die Fortsetzung des Einigungsprozesses .................................................................................................. 42
II. Die Institutionen der Gemeinschaft .......................................................................................... 42
1. Der Ministerrat .......................................................................................................................................... 42
2. Der Europäische Rat ................................................................................................................................. 43
3. Die Kommission ....................................................................................................................................... 43
4. Das Europäische Parlament ....................................................................................................................... 43
5. Die Europäische Gerichtsbarkeit ............................................................................................................... 44
6. Sonstige Institutionen ................................................................................................................................ 44
7. Überblick über die wichtigsten Institutionen der EU ................................................................................ 45
III. Rechtsquellen des Europarechts .............................................................................................. 45
1. Verordnungen............................................................................................................................................ 45
2. Richtlinien ................................................................................................................................................. 45
3. Entscheidungen ......................................................................................................................................... 46
IV. Verhältnis von Europarecht und nationalem Recht .............................................................. 46
1. Europarecht und einfaches deutsches Recht ............................................................................................. 46
2. Europarecht und deutsches Verfassungsrecht ........................................................................................... 46
V. Der Inhalt des Europarechts ...................................................................................................... 47
1. Die Grundfreiheiten der Verträge ............................................................................................................. 47
2. Das sekundäre Gemeinschaftsrecht ........................................................................................................... 48
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Abschnitt VII: Allgemeiner Teil des BGB .............................................................................. 49
I. Rechtsfähigkeit von natürlichen und juristischen Personen ................................................... 49
1. Die Rechtsfähigkeit ................................................................................................................................... 49
2. Natürliche Personen .................................................................................................................................. 49
3. Juristische Personen .................................................................................................................................. 49
II. Geschäftsfähigkeit und Deliktsfähigkeit ................................................................................... 50
1. Die Geschäftsfähigkeit .............................................................................................................................. 50
2. Die Deliktsfähigkeit .................................................................................................................................. 51
III. Willenserklärung und Rechtsgeschäft..................................................................................... 51
1. Bedeutung der Willenserklärung ............................................................................................................... 51
2. Form der Willenserklärung ....................................................................................................................... 52
3. Abgabe und Zugang von Willenserklärungen ........................................................................................... 52
4. Irrtümer bei der Abgabe einer Willenserklärung....................................................................................... 53
5. Drohung und arglistige Täuschung ........................................................................................................... 53
IV. Die Stellvertretung .................................................................................................................... 53
1. Notwendigkeit und Folgen der Stellvertretung ......................................................................................... 53
2. Voraussetzungen der Stellvertretung ........................................................................................................ 54
V. Der Vertrag ................................................................................................................................. 55
1. Begriff des Vertrages ................................................................................................................................ 55
2. Angebot und Annahme ............................................................................................................................. 55
3. Konsens und Dissens................................................................................................................................. 56
4. Vertragsschluß unter Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen................................................. 56
5. Vertragsschluss und Verbraucherschutz ................................................................................................... 57
Abschnitt VIII: Einzelne Vertragstypen ................................................................................. 59
I. Die Regelungstechnik des besonderen Schuldrechts ................................................................. 59
1. Vertragstypen und Vertragsfreiheit ........................................................................................................... 59
2. Zwingendes und disponibles Recht ........................................................................................................... 59
3. Neue Vertragstypen ................................................................................................................................... 59
II. Der Kaufvertrag ......................................................................................................................... 60
1. Der Sachkauf ............................................................................................................................................. 60
2. Der Rechts- oder Forderungskauf ............................................................................................................. 60
3. Der Kauf von Sach- und Rechtsgesamtheiten ........................................................................................... 60
III. Der Mietvertrag......................................................................................................................... 61
1. Inhalt des Mietvertrages ............................................................................................................................ 61
2. Dauer des Mietvertrages ........................................................................................................................... 61
3. Pflichten des Vermieters ........................................................................................................................... 61
4. Der Pachtvertrag ....................................................................................................................................... 61
IV. Der Leasingvertrag ................................................................................................................... 61
1. Die Funktion des Leasing .......................................................................................................................... 61
2. Rechtliche Behandlung ............................................................................................................................. 62
V. Der Dienstvertrag ....................................................................................................................... 62
1. Inhalt des Dienstvertrags ........................................................................................................................... 62
2. Dienstvertrag und Arbeitsvertrag .............................................................................................................. 62
VI. Der Werkvertrag ....................................................................................................................... 62
VII. Software-Verträge ................................................................................................................... 63
1. Rechtliche Behandlung ............................................................................................................................. 63
2. Dauerhafter Erwerb einer Software ........................................................................................................... 63
3. Zeitweise Nutzung einer Software ............................................................................................................ 63
4. Individuelle Erstellung einer Software ...................................................................................................... 63
5. Aktualisierung von Software ..................................................................................................................... 63
Abschnitt IX: Arbeitsrecht ...................................................................................................... 64
I. Funktion und Rechtsquellen des Arbeitsrechts ......................................................................... 64
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1. Funktion des Arbeitsrechts ........................................................................................................................ 64
2. Individuelles und kollektives Arbeitsrecht ................................................................................................ 64
3. Einordnung des Arbeitsrechts ................................................................................................................... 64
4. Rechtsquellen des Arbeitsrechts ................................................................................................................ 64
II. Der Begriff des Arbeitnehmers.................................................................................................. 65
III. Der Abschluß des Arbeitsvertrags ........................................................................................... 66
1. Die Anbahnung des Arbeitsvertrags.......................................................................................................... 66
2. Der Abschluß des Arbeitsvertrages ........................................................................................................... 66
IV. Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses ......................................................................................... 66
1. Arbeitsvertrag und Tarifvertrag ................................................................................................................ 66
2. Art und Ort der Tätigkeit ........................................................................................................................... 67
3. Die Vergütung ........................................................................................................................................... 67
4. Arbeitszeit, Urlaub und Entgeltfortzahlung .............................................................................................. 68
5. Wettbewerbsverbote .................................................................................................................................. 68
6. Die Arbeitnehmerhaftung .......................................................................................................................... 69
7. Ausschlussfristen und Verjährung ............................................................................................................ 69
8. Arbeitnehmererfindungen ......................................................................................................................... 70
V. Die Beendigung des Arbeitsverhältnis ...................................................................................... 70
1. Das befristete Arbeitsverhältnis ................................................................................................................ 70
2. Die ordentliche Kündigung des unbefristeten Arbeitsverhältnis ............................................................... 70
3. Die außerordentliche Kündigung des unbefristeten Arbeitsverhältnis ...................................................... 72
4. Die Änderungskündigung ......................................................................................................................... 72
VI. Das Verfahren vor den Arbeitsgerichten ................................................................................ 72
Abschnitt X: Leistungsstörungen und Gewährleistung ......................................................... 73
I. Die Beeinträchtigung einer Leistung .......................................................................................... 73
1. Die denkbaren Beeinträchtigungen ........................................................................................................... 73
2. Das Vertretenmüssen ................................................................................................................................ 73
II. Die Leistungsstörungen .............................................................................................................. 74
1. Die Unmöglichkeit .................................................................................................................................... 74
2. Verzug ....................................................................................................................................................... 75
3. Positive Forderungsverletzung (pFV) ....................................................................................................... 76
III. Die Gewährleistung ................................................................................................................... 77
1. Hintergrund des Gewährleistungsrechts .................................................................................................... 77
2. Gewährleistung im Kaufvertrag ................................................................................................................ 78
3. Gewährleistung im Mietvertrag ................................................................................................................ 79
4. Die Gewährleistung im Dienstvertrag ....................................................................................................... 79
5. Die Gewährleistung im Werkvertrag ........................................................................................................ 79
Abschnitt XI: Deliktsrecht und Produkthaftung.................................................................... 81
I. Ziel und Funktionsweise des Deliktsrechts ................................................................................ 81
1. Die Ausgleichsfunktion des Deliktsrechts ................................................................................................ 81
2. Sonstige Funktionen des Deliktsrechts? .................................................................................................... 81
3. Der begrenzte Anwendungsbereich .......................................................................................................... 82
II. Voraussetzungen eines Anspruchs aus Deliktsrecht................................................................ 82
1. Der Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB ..................................................................................................... 82
2. Der Tatbestand des § 823 Abs. 2 BGB ..................................................................................................... 83
3. Deliktische Haftung für Dritte................................................................................................................... 84
III. Gefährdungshaftung, insbesondere Produkthaftung ............................................................ 84
1. Gefährdungshaftung im BGB und in Sondergesetzen ............................................................................... 84
2. Die Produkthaftung ................................................................................................................................... 85
Abschnitt XII: Internationales Privatrecht ............................................................................ 87
I. IPR als nationales Kollisionsrecht .............................................................................................. 87
1. Anwendbarkeit des IPR............................................................................................................................. 87
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2. Funktion des IPR ....................................................................................................................................... 87
II. Die internationale Zuständigkeit der Gerichte ........................................................................ 87
1. Zuständigkeit deutscher Gerichte nach der ZPO ....................................................................................... 87
2. Zuständigkeiten der Gerichte innerhalb der EU ........................................................................................ 88
III. Das anwendbare Recht nach deutschem IPR ......................................................................... 88
1. Trennung von zuständigem Gericht und anwendbarem Recht .................................................................. 88
2. Der Grundsatz der freien Rechtswahl ....................................................................................................... 88
3. Ausnahmen vom Grundsatz der freien Rechtswahl .................................................................................. 88
4. Anwendbares Recht bei fehlender Rechtswahl ......................................................................................... 89
IV. Das UN-Kaufrecht ..................................................................................................................... 89
Abschnitt XIII: Handelsrecht ................................................................................................. 91
I. Der Kaufmannsbegriff ................................................................................................................. 91
1. Kaufmann kraft Betriebs eines Handelsgewerbes ..................................................................................... 91
2. Kaufmann kraft Eintragung ....................................................................................................................... 91
3. Kaufmann kraft Gesellschaftsform ........................................................................................................... 92
4. Der Scheinkaufmann ................................................................................................................................. 92
5. Der Unternehmer ....................................................................................................................................... 92
II. Das Handelsregister .................................................................................................................... 93
1. Eintragungsfähige und –pflichtige Tatsachen ........................................................................................... 93
2. Die Eintragung .......................................................................................................................................... 93
3. Die Wirkung der Eintragung ..................................................................................................................... 94
III. Die Firma des Kaufmanns ........................................................................................................ 95
1. Begriff der Firma ...................................................................................................................................... 95
2. Funktion der Firma .................................................................................................................................... 95
3. Die Wahl der Firma ................................................................................................................................... 96
4. Die Übertragung der Firma ....................................................................................................................... 96
IV. Die Vertretung des Kaufmanns................................................................................................ 97
1. Die Prokura ............................................................................................................................................... 97
2. Die Handlungsvollmacht ........................................................................................................................... 98
3. Die Ladenvollmacht .................................................................................................................................. 99
Abschnitt XIV: Gesellschaftsrecht ........................................................................................ 100
I. Juristische Person oder bloße Gemeinschaft? ......................................................................... 100
1. Die möglichen Alternativen .................................................................................................................... 100
2. Die Beschränkung der Haftung ............................................................................................................... 101
3. Die Flexibilität der Beteiligten ................................................................................................................ 101
II. Die Unterscheidung von Personen- und Kapitalgesellschaften ............................................ 102
1. Personengesellschaften ........................................................................................................................... 102
2. Kapitalgesellschaften .............................................................................................................................. 103
III. Die einzelnen Personengesellschaften .................................................................................... 103
1. Grundform: Die BGB-Gesellschaft ......................................................................................................... 104
2. Die offene Handelsgesellschaft (OHG) ................................................................................................... 105
3. Die Kommanditgesellschaft (KG) ........................................................................................................... 106
4. Die GmbH und Co. KG ........................................................................................................................... 106
5. Die stille Gesellschaft ............................................................................................................................. 107
IV. Die einzelnen Kapitalgesellschaften ....................................................................................... 107
1. Grundform: Der eingetragene Verein...................................................................................................... 108
2. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) .............................................................................. 108
3. Die Aktiengesellschaft (AG) ................................................................................................................... 109
4. Die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) .................................................................................... 110
5. Die eingetragene Genossenschaft (eG) ................................................................................................... 111
V. Konzernrecht............................................................................................................................. 111
VI. Überblick über die wichtigsten Gesellschaftsformen ........................................................... 111
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1. Die Personengesellschaften ..................................................................................................................... 111
2. Die Kapitalgesellschaften........................................................................................................................ 112
Abschnitt XV: Besteuerung der Gesellschaften ................................................................... 113
Abschnitt XVI: Handelsgeschäfte......................................................................................... 114
I. Das Handelsgeschäft .................................................................................................................. 114
II. Allgemeine Regeln für Handelsgeschäfte ............................................................................... 115
1. Handelsbräuche ....................................................................................................................................... 115
2. Das kaufmännische Bestätigungsschreiben ............................................................................................. 115
3. Handelsgeschäfte und AGB-Gesetz ........................................................................................................ 116
4. Der Fälligkeitszins .................................................................................................................................. 116
III. Insbesondere: Der Handelskauf............................................................................................. 117
Abschnitt XVII: Die Situation des GmbH-Geschäftsführers .............................................. 119
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Abschnitt I: Das deutsche Rechtssystem
Abschnitt I: Das deutsche Rechtssystem
I. Das Grundgesetz als Grundlage und Leitlinie der Staats- und Rechtsordnung
An der Spitze des deutschen Rechtssystems steht das Grundgesetz (GG) als die Verfassung
der Bundesrepublik Deutschland. Das GG stellt die Grundlage für alles Recht dar, indem es
regelt, welchen Inhalt das Recht haben darf, wer Gesetze erlassen darf, in welchem Verfahren
dies zu erfolgen hat, wer die Gesetze anwendet und durchsetzt und wer die Anwendung
kontrolliert. Diesen Zielen dienen insbesondere die Grundrechte und die
Verfassungsprinzipien des Art. 20 GG.
1. Die Grundrechte
Die Artikel 1-19 des Grundgesetz enthalten Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat. Diese
Rechte sind von allen Staatsgewalten zu respektieren, d.h. von der Gesetzgebung, der
Exekutive und der Rechtsprechung. Jeder staatliche Akt, der ein Grundrecht verletzt, ist
rechtswidrig und damit bei gerichtlicher Überprüfung aufzuheben.
Die wichtigsten dieser Grundrechte sind Menschenrechte, sie stehen also allen Menschen zu.
Einige andere dagegen gelten nur für deutsche Staatsbürger.
Das Leitbild der Grundrechte ist die Festlegung, daß die Würde eines jeden Menschen nach
Art. 1 GG niemals angetastet werden darf und vom Staat geschützt werden muß. Art. 1 GG
wird – wie Art. 20 GG – von der sogenannten Ewigkeitsklausel geschützt, d.h. daß seine
wesentlichen Grundzüge auch durch eine Verfassungsänderung nicht aufgehoben werden
können.
Die anderen Grundrechte gelten als spezielle Ausprägungen der Menschenwürde. Dies gilt
besonders für das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG), das
Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG), die Religions- und
Gewissensfreiheit (Art. 4 GG), sowie die Meinungs-, Presse-, Kunst- und
Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 GG). Wichtige Grundrechte sind daneben noch das Post- und
Fernmeldegeheimnis, die Unverletzlichkeit der Wohnung, die Berufsfreiheit, der Schutz des
Eigentums und das Asylrecht.
Art. 3 GG gewährleistet die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und verbietet die
Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Rasse, Religion, Meinung etc.
Die Grundrechte spielen vor allem bei Ge- und Verboten des Staates an die Bürger eine Rolle.
Bsp.: Ein Gesetz verbietet das Erscheinen von Internetzeitungen, um herkömmliche Printmedien
zu schützen. Ein solches Gesetz verstößt gegen die Presse- und Berufsfreiheit.
Probleme tauchen auf, wenn ein Verbot wiederum zum Schutz anderer Grundrechte erfolgt.
Bsp.: A betreibt eine Homepage mit pornographischem Inhalt. Die Behörde möchte ihm dies
verbieten, da das Persönlichkeitsrecht und die Menschenwürde der dargestellten Personen sowie
die Religionsfreiheit Dritter verletzt werden. A beruft sich auf die Meinungs- und Kunstfreiheit.
2. Die Verfassungsprinzipien des Art. 20 GG
Art. 20 GG enthält die wichtigsten Prinzipien, nach denen das politische und rechtliche
System der Bundesrepublik aufgebaut ist. Ebenso wie Art. 1 wird auch Art. 20 von der
Ewigkeitsklausel erfaßt.
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Abschnitt I: Das deutsche Rechtssystem
Das Bundesstaatsprinzip gewährleistet, daß die Gliederung der Bundesrepublik als
Bundesstaat, in dem Bund und Länder die staatliche Gewalt ausüben, erhalten bleibt und daß
die Bundesländer politische Mitbestimmungsrechte haben.
Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat zur Fürsorge für Hilfsbedürftige, zur
Schaffung sozialer Sicherungssysteme und zur Sicherstellung von Chancengleichheit für alle
Bürger. Das Demokratieprinzip legt fest, daß die staatliche Gewalt vom Volk ausgehen
muß.
Das Rechtsstaatsprinzip garantiert, daß Entscheidungen staatlicher Organe nur im Rahmen
des Rechts erfolgen, daß sie in effektiver Weise gerichtlich überprüfbar sind und daß
bestimmte Verfahrensregeln eingehalten werden.
Nach dem Gewaltenteilungsprinzip müssen die drei staatlichen Funktionen der
Gesetzgebung, Gesetzesausführung und Rechtsprechung von verschiedenen Organen
wahrgenommen werden.
Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist ein Unterfall des
Rechtsstaatsprinzips und legt fest, daß die Verwaltungsbehörden nur tätig werden dürfen,
wenn ein Gesetz sie dazu ermächtigt und auch nur in der dort vorgeschriebenen Art und
Weise.
3. Die Gesetzgebung
Das Grundgesetz bestimmt, wer für den Erlaß von Gesetzen zuständig ist, und wie das
Gesetzgebungsverfahren aussieht.
Die Gesetzgebungskompetenz ist das Recht, in einem bestimmten sachlichen Bereich
Gesetze erlassen zu dürfen. Da die Bundesrepublik ein Bundesstaat ist, ist diese Kompetenz
zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Dabei ist die Kompetenz der Länder vorrangig. Der
Bund kann nur Gesetze erlassen, wenn ihm das Grundgesetz die Kompetenz dazu für einen
bestimmten Bereich einräumt. Dies ist in den Art. 72-75 GG für die wichtigsten
Rechtsbereiche geschehen. Hat der Bund in diesen Bereichen Gesetze erlassen, so gehen sie
Landesgesetzen vor.
Bsp.: Im Bereich des Bürgerlichen Rechts, des Strafrechts und des Handelsrechts hat der Bund die
Gesetzgebungskompetenz. Hier können Länder keine Gesetze erlassen. Dagegen sind allein die
Länder für das Polizeirecht, das Schulwesen und für Teile des Baurechts zuständig.
Die Bundesgesetze werden vom Bundestag beschlossen. In manchen Bereichen ist die
Zustimmung des Bundesrats erforderlich, damit das Gesetz zustande kommt. In anderen
Bereichen kann der Bundesrat ein Gesetz durch seinen Einspruch nur vorübergehend
verhindern. Für Änderungen des Grundgesetzes ist eine 2/3 Mehrheit erforderlich. Haben
Bundestag und Bundesrat zugestimmt, so wird das Gesetz vom Bundespräsidenten
ausgefertigt und verkündet.
4. Die Verwaltung
Die Ausführung und Durchsetzung der Gesetze ist Aufgabe der Verwaltungsbehörden. In den
meisten Bereichen erfolgt dies durch Behörden der Länder, selbst wenn das anzuwendende
Gesetz ein Bundesgesetz ist. Einige Gesetze werden aber auch durch eine Behörde des
Bundes durchgesetzt.
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Abschnitt I: Das deutsche Rechtssystem
Bsp.: Das Umweltrecht ist in weiten Bereichen Bundesrecht, wird aber von den Landesbehörden
durchgesetzt. Die Finanzämter, die das bundeseinheitliche Steuerrecht durchsetzen, sind
Landesbehörden. Der Bundesgrenzschutz dagegen ist eine Behörde des Bundes.
Die Verwaltung ist in der Regel in obere, mittlere und untere Verwaltungsbehörden
untergliedert. Welche der drei Ebenen jeweils zuständig ist, wird in den einzelnen Gesetzen
geregelt. In Baden-Württemberg sind die Behörden wie folgt gegliedert:
obere Verwaltungsbehörden: Landesregierung und Ministerien
mittlere Verwaltungsbehörden:
Regierungspräsidien
untere Verwaltungsbehörden:
- in den Landkreisen:
- in den Stadtkreisen:
Landratsamt oder größere Gemeinden
Gemeinde
Viele Verwaltungsaufgaben werden von den Gemeinden als untere Verwaltungsbehörde
wahrgenommen. Zusätzlich regeln die Gemeinden auch eigenständig alle Angelegenheiten
der gemeindlichen Selbstverwaltung durch ihre demokratisch gewählten Organe
(Gemeinderat und Bürgermeister). Dieses Recht wird ihnen vom Grundgesetz eingeräumt.
Bsp.: Bebauungspläne werden von den Gemeinden erlassen. Dieses Recht kann ihnen auch nicht
durch Gesetz genommen werden.
5. Die Rechtsprechung
Aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung ergibt sich, daß es
unabhängige Gerichte geben muß, die die Anwendung und Auslegung des Rechts
kontrollieren. Zusätzlich wird durch Art. 19 Abs. 4 GG bestimmt, daß gegen alle Akte des
Staates, die einen Bürger in seinen Rechten verletzen, der Weg zu den Gerichten eröffnet ist.
Die Rechtsprechung erfolgt durch das Bundesverfassungsgericht, die fünf obersten
Bundesgerichte und die diesen untergeordneten Gerichte der Länder.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zwei wesentliche Aufgabenbereiche. Zum
einen entscheidet es bei Streitigkeiten zwischen verschiedenen Verfassungsorganen des
Bundes oder bei Streitigkeiten zwischen dem Bund und einem Land.
Bsp..: Der Bundestag verlangt von der Bundesregierung bestimmte Informationen, die diese nicht
herausgeben will.
Bsp.: Der Bundesrat meint, ein vom Bundestag allein erlassenes Gesetz sei zustimmungsbedürftig.
Daneben ist das Bundesverfassungsgericht das einzige Gericht, daß Gesetze für nichtig
erklären kann, wenn sie gegen das Grundgesetz verstoßen. Dies kann auf Antrag der
Bundesregierung, eines Landes oder eines Drittels der Abgeordneten des Bundestages
geschehen (abstrakte Normenkontrolle). Es kann jedoch auch ein einfaches Gericht, das eine
im konkreten Fall anzuwendende Norm für verfassungswidrig hält, diese dem
Bundesverfassungsgericht zu Überprüfung vorlegen (konkrete Normenkontrolle). Schließlich
kann sich jeder Bürger im Wege der Verfassungsbeschwerde an das
Bundesverfassungsgericht wenden, wenn er sich in einem seiner Grundrechte verletzt fühlt.
Bsp.: Der Bundestag hat ein Gesetz zum Verbot von Internetzeitungen erlassen.
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Abschnitt I: Das deutsche Rechtssystem
Das Land A meint, der Bundesrat hätte zustimmen müssen und beantragt beim BVerfG, das
Gesetz für nichtig zu erklären.
Das Amtsgericht B, daß das Gesetz anwenden muß, hält es für verfassungswidrig und legt es dem
BVerfG zur Prüfung vor.
Der Bürger C fühlt sich in seiner Pressefreiheit beeinträchtigt und erhebt Verfassungsbeschwerde.
Die obersten Bundesgerichte sind für die Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts
zuständig. Sie haben jeweils einen Sachbereich, der ihnen zugeteilt ist:
Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe / Leipzig
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Berlin
Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt
Bundessozialgericht (BSG) in Kassel
Bundesfinanzhof (BFH) in München
Nach Art. 20 Abs. 3 GG sind die Gerichte an Recht und Gesetz gebunden. Hieraus ergibt sich,
daß die vom Gesetzgeber erlassenen Gesetze der primäre Entscheidungsmaßstab sind. Anders
als im angelsächsischen case law wird in Deutschland Recht nicht durch Präzendenzfälle
geschaffen. Gleichwohl sind auch deutsche Gerichte zur Schaffung und Fortbildung von
Recht berufen, wenn es Regelungslücken gibt oder Gesetze veränderten Gegebenheiten
angepaßt werden müssen.
II. Die Einteilung des Rechts
Das Recht läßt sich nach seinem Gegenstand und seiner Stellung in der Hierarchie einteilen.
1. Sachliche Unterteilung
Die Juristen unterteilen das Recht in drei große Rechtsbereiche:
Privatrecht
öffentliches Recht
Strafrecht
Das Privatrecht enthält all die Rechtsnormen, die das Verhältnis zwischen den Bürgern
regeln. Dabei geht man davon aus, daß die beiden Parteien eines Rechtsverhältnisses sich auf
gleicher Ebene gegenüberstehen, keine von beiden also der anderen untergeordnet ist. Ein
wichtiges Element dieser theoretischen Gleichstellung ist die Vertragsfreiheit. Diese
beinhaltet die Freiheit, darüber zu entscheiden, ob man einen Vertrag eingehen will, mit wem
dies geschehen soll und Verträge beliebigen Inhalts abzuschließen. Von dem Grundsatz der
Vertragsfreiheit werden – etwa zum Schutz des typischerweise sozial schwächeren
Vertragsteils – in vielen Rechtsgebieten jedoch Ausnahmen gemacht.
Bsp.: Schließen A und B einen Mietvertrag, so steht es beiden frei, ob sie den Vertrag schließen
wollen und grundsätzlich auch welchen Inhalt sie vereinbaren. Herrscht gerade
Wohnungsknappheit, so ist diese Freiheit allerdings für den Mieter nicht viel wert. Das Mietrecht
enthält deshalb Regeln, die die schwächere Partei schützen sollen und deshalb die Vertragsfreiheit
zu einem gewissen Grad einschränken, z.B. zwingende Kündigungsfristen vorsehen.
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11
Abschnitt I: Das deutsche Rechtssystem
Der Vertrag ist das wichtigste Mittel zur Schaffung von Verpflichtungen im Privatrecht.
Daneben gibt es aber auch Rechte und Pflichten, die auf Gesetz beruhen. So etwa die Pflicht
zum Schadensersatz nach einem Unfall oder das Recht des Erben auf die Erbschaft.
Das wichtigste Gesetz des Privatrechts ist das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Es enthält
Regelungen für Rechtsverhältnisse, die jedermann betreffen, sowie grundlegende Normen,
auf die in Spezialgesetzen zurückgegriffen wird. Es ist am 01.01.1900 in Kraft getreten und
seitdem seinen wesentlichen Strukturen unverändert.
Daneben umfaßt das Privatrecht aber auch eine Vielzahl anderer Rechtsbereiche, wie etwa das
Handels- und Gesellschaftsrecht, das Arbeitsrecht, das Urheberrecht, das Versicherungsrecht
etc.
Auch das Zivilprozeßrecht, das Regelungen zu den Gerichtsverfahren in Zivilsachen enthält,
wird in sachlichem Zusammenhang mit dem Privatrecht behandelt. Bei den verschiedenen
Gesetzen, durch die gerichtliche Verfahren geregelt werden, handelt es sich "eigentlich" um
öffentlich-rechtliche Normen, da sie das Verhältnis zwischen Staat (staatlichen Gerichten)
und Bürger regeln. Aus praktischen Gründen werden jedoch in der Rechtslehre das jeweilige
materielle Recht und Prozeßrecht zusammen in einer Disziplin behandelt.
Das öffentliche Recht beschäftigt sich mit den Rechtsverhältnissen zwischen staatlichen
Körperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) und Organen und denjenigen zwischen Staat und
Bürger. Öffentlich-rechtliche Beziehungen zwischen Bürger und Staat sind oft von einem
Über- und Unterordnungsverhältnis geprägt. Der Bürger steht dem Staat nicht als gleicher
gegenüber. Der Staat kann einseitig verbindliche Anordnungen treffen. Dagegen ist der
Bürger durch die Grundrechte geschützt.
Neben dem Verfassungsrecht ist das Verwaltungsrecht der zentrale Bereich des öffentlichen
Rechts. Das allgemeine Verwaltungsrecht enthält Regeln und Prinzipien, die für alles
Handeln von Behörden gelten. Daneben sind spezielle Bereiche wie etwa das Baurecht, das
Polizeirecht oder das Umweltrecht gesondert geregelt. Einen großen Bereich nimmt auch das
Sozialrecht ein.
Das wichtigste Mittel des Verwaltungsrechts ist der Verwaltungsakt. Ein Verwaltungsakt
wird von einer Behörde erlassen, um in einem bestimmten Fall eine rechtliche Regelung zu
treffen.
Bsp.: Eine Baugenehmigung wird erteilt oder versagt, eine Geldzahlung wird festgelegt, eine
Demonstration wird verboten. Hier wird immer in einem Einzelfall eine rechtliche Regelung
getroffen. Es handelt sich um Verwaltungsakte.
Die Verwaltung wird unterschieden in Eingriffs- und Leistungsverwaltung. Die
Eingriffsverwaltung hat die Aufgabe der Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge. Sie handelt
in der Regel durch Gebote und Verbote.
Die Leistungsverwaltung dient der Daseinsvorsorge der Bürger. Sie erbringt Leistungen im
weitesten Sinne, angefangen von der Sozialhilfe bis zum Unterhalt eines Schwimmbads oder
der Organisation öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Bsp.: Das Haus des A droht einzustürzen und Passanten zu verletzen. Da A nichts unternimmt,
erläßt die Polizeibehörde einen Verwaltungsakt, der A verpflichtet, das Haus abzureißen.
Bsp.: Das BAFöG-Amt zahlt Geld an Studierende, um deren Studium zu ermöglichen.
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12
Abschnitt I: Das deutsche Rechtssystem
Das Strafrecht stellt diejenigen Verhaltensweisen, die von der Gesellschaft als verwerflich
oder schädlich angesehen werden unter Strafe. Da es dabei auch um ein Über- und
Unterordnungsverhältnis geht, handelt es sich im Grunde auch um öffentliches Recht.
Allerdings wird das Strafrecht aus praktischen und historischen Gründen gesondert behandelt
und folgt eigenen Regeln.
Das wichtigste Gesetz ist das Strafgesetzbuch (StGB). Es enthält in seinem ersten Teil die
allgemeinen Regeln, etwa über Anstiftung, Schuldfähigkeit, Notwehr o.ä.. Daran
anschließend sind im StGB die zentralen Straftatbestände enthalten. Wichtige Strafnormen
finden sich aber auch als sogenanntes Nebenstrafrecht in zahlreichen anderen zivil- und
öffentlich-rechtlichen Gesetzen, wie etwa im Aktien- oder GmbH-Recht, in Umweltgesetzen
oder Spezialgesetzen wie dem Waffengesetz.
Dem Strafrecht wird auch das Strafprozeßrecht zugerechnet, das sich mit dem Verfahren vor
Strafgerichten sowie mit dem Ablauf der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft
beschäftigt. Auch hierbei handelt es sich "eigentlich" um öffentliches Recht.
2. Die Hierarchie der Rechtsnormen
Das deutsche Recht läßt sich in drei Hierarchiestufen unterteilen:
Verfassungsrecht
einfaches Recht
Rechtsverordnungen
Das Verfassungsrecht hat vorrangige Geltung gegenüber allen anderen Rechtsnormen. Jedes
Gesetz, das gegen Verfassungsrecht verstößt, ist nichtig. Verfassungsrecht findet sich im
Grundgesetz und in den Landesverfassungen.
Das einfache Recht (Bundes- und Landesgesetze)muß mit dem Verfassungsrecht vereinbar
sein.
Rechtsverordnungen werden nicht vom Bundestag bzw. von den Landesparlamenten sondern
von den jeweiligen Regierungen erlassen. Sie bedürfen immer einer Grundlage im einfachen
Recht, das den Inhalt der Rechtsverordnung grob vorgeben muß.
Bsp.: Der Bundestag beschließt ein Gesetz, daß bestimmte schädliche Emissionen verbietet. Die
genaue Berechnung der Emissionen soll in einer Rechtsverordnung geregelt werden, die vom
Bundesumweltminister zu erlassen ist.
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13
Abschnitt II: Aufbau der Gerichtsbarkeit
Abschnitt II: Der Aufbau der Gerichtsbarkeit in Deutschland
Rechtsstreitigkeiten werden in Deutschland von Gerichten entschieden. Damit ist jedoch noch
offen, welches Gericht das im Einzelfall tut. Es wäre denkbar, nur ein einziges Gericht zu
schaffen, dessen Richter alle anfallenden Streitigkeiten entscheiden. Dies wäre jedoch höchst
unpraktikabel. Deshalb ist die Gerichtsbarkeit in Deutschland in vielfacher Hinsicht unterteilt.
Wichtig sind vor allem die Unterscheidungen nach Sachbereichen und nach Instanzen. Die
wichtigsten rechtlichen Grundlagen findet die Gerichtsbarkeit wiederum in der Verfassung.
I. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen
1. Die rechtsprechende Gewalt
Nach Art. 92 GG ist die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut. Das heißt, daß in
allen Fällen, in denen Rechtsstreitigkeiten verbindlich entschieden werden sollen, nur Richter
tätig werden können. Den Richtern ist durch das Grundgesetz eine sachliche und persönliche
Unabhängigkeit garantiert, sie sind also bei ihrer Entscheidung keinen direkten Weisungen
unterworfen.
Bsp.: Es wäre verfassungswidrig, wenn etwa ein Beamter des Justizministeriums, ein
Rechtspfleger oder ein Notar eine Rechtsstreitigkeit letztverbindlich entscheiden dürfte.
In der Regel handelt es sich um Berufsrichter, die ihre Qualifikation durch ein juristisches
Studium erhalten haben. In einigen Fällen, können aber auch ehrenamtliche Richter
mitentscheiden. Diese werden entweder als gewöhnliche Bürger oder aufgrund besonderer
Sachkenntnis in einem bestimmten Bereich (etwa dem Arbeit- oder Handelsrecht)
ausgewählt.
2. Das Recht auf den gesetzlichen Richter
Gemäß Art. 101 GG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Damit soll
verhindert werden, daß einzelne Fälle etwa aufgrund politischer Erwägungen einem
bestimmten Gericht zugewiesen werden. Deshalb folgt aus dieser Vorschrift, daß es
gesetzliche Regelungen geben muß, die genau festlegen, welcher Fall von welchem Gericht
und welchem Richter entscheiden wird. Diesen Zweck erfüllen zum einen Bundes- und
Landesgesetze, die die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts festlegen, zum anderen die
Geschäftsverteilungspläne innerhalb der Gerichte, die alle eingehenden Fälle einer Kammer
bzw. einem Richter zuweisen.
Die Zuständigkeit eines Gerichts beruht auf sachlichen, örtlichen und instanziellen Kriterien.
Innerhalb eines Gerichts werden Fälle den jeweiligen Kammern teilweise nach sachlichen
Kriterien, teilweise aber auch Anhand von Anfangsbuchstaben der Beteiligten o.ä.
zugewiesen.
Bsp.: Wenn A den B verklagt oder wenn die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den C erhebt, muß
schon vorher geregelt sein, daß die Fälle von der Kammer X beim Gericht Y entschieden werden.
Würde etwa der Gerichtspräsident den Fall einfach der Kammer Z zuweise, so läge darin ein
Verstoß gegen Art. 101 GG.
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Abschnitt II: Aufbau der Gerichtsbarkeit
3. Die Gliederung der Gerichte nach Art. 95 GG
Die grundlegende sachliche Untergliederung der deutschen Gerichte wird vom Grundgesetz
selber vorgenommen. Nach Art. 95 GG errichtet der Bund fünf oberste Bundesgerichte. Dies
sind der Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, der Bundesfinanzhof, das
Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht. Über diesen fünf steht nur noch das
Bundesverfassungsgericht, das alle Entscheidungen auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung
hin überprüfen kann.
Alle anderen Gerichte sind Gerichte der Länder. Dies macht sich vor allem dadurch
bemerkbar, daß sie von den Ländern finanziert werden. Im übrigen ist auch die Zuständigkeit
und das Verfahren der Landesgerichte im wesentlichen durch Bundesgesetze geregelt.
II. Die Gliederung der Gerichte nach Sachbereichen
Die wichtigste Untergliederung der Gerichtsbarkeit orientiert sich an sachlichen Kriterien. Je
nachdem welchem Rechtsgebiet ein Fall angehört, wird er von dem einen oder dem anderen
Gericht entschieden. Dabei entsprechen die Sachbereiche der verschiedenen Gerichte bzw.
Gerichtsbarkeiten jedoch keineswegs den drei großen Rechtsgebieten Zivilrecht, Strafrecht
und öffentliches Recht. Die Unterteilung beruht vielmehr auf historischen und politischen
Erwägungen.
Die fünf in Art. 95 GG genannten obersten Bundesgerichte stehen jeweils an der Spitze einer
Gerichtsbarkeit und sind für ein bestimmtes Rechtsgebiet zuständig.
oberstes Bundesgericht:
Gerichtsbarkeit:
betreffendes Rechtsgebiet:
Bundesgerichtshof (BGH)
ordentliche Gerichtsbarkeit
Bundesarbeitsgericht (BAG)
Arbeitsgerichtsbarkeit
Bundesverwaltungsgericht
(BVerwG)
Bundesfinanzhof (BFH)
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Bundessozialgericht (BSG)
Sozialgerichtsbarkeit
Strafrecht und Zivilrecht (ohne:
Arbeitsrecht)
individuelles
und
kollektives
Arbeitsrecht (=Zivilrecht)
Verwaltungsrecht (ohne: Steuer-,
Abgaben- und Sozialrecht)
Steuerund
Abgabenrecht
(=Verwaltungsrecht)
Sozialrecht (=Verwaltungsrecht)
Finanzgerichtsbarkeit
Bsp.: Arbeitgeber A entläßt den Arbeitnehmer B weil dieser Maschinen beschädigt hat. A verklagt
B auf Schadensersatz wegen der kaputten Maschinen; außerdem zeigt er ihn wegen
Sachbeschädigung an. Für beide Verfahren ist die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig, in letzter
Instanz also der BGH.
B meint, daß kein hinreichender Kündigungsgrund gegeben sei und verklagt A auf
Weiterbeschäftigung. Die Klage muß er vor der Arbeitsgerichtsbarkeit erheben.
Nach der Entlassung bezieht B Arbeitslosengeld. Da er meint, dieses sei falsch berechnet, klagt er
vor der Sozialgerichtsbarkeit gegen das Arbeitsamt.
C erwirbt ein Grundstück. Das Finanzamt verlangt deshalb Grunderwerbsteuer von ihm. C hält
dies für ungerechtfertigt und klagt vor dem Finanzgericht gegen den Steuerbescheid.
Die von C beantragte Baugenehmigung wird von der Baubehörde nicht erteilt. C klagt vor dem
Verwaltungsgericht auf Erlaß der Baugenehmigung.
III. Die Gliederung der Gerichte nach Instanzen
In den meisten Rechtsstreitigkeiten besteht die Möglichkeit, die erstinstanzliche Entscheidung
eines Gerichts durch eine höhere Instanz überprüfen zu lassen. So soll die gewährleistet
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15
Abschnitt II: Aufbau der Gerichtsbarkeit
werden, daß "richtige" Urteile gefällt werden. Zudem ist es nur so möglich, durch ein oberstes
Gericht eine gewisse Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren.
Die Anzahl und der Aufbau der Instanzen ist in den einzelnen Gerichtsbarkeiten
unterschiedlich geregelt und soll dort näher behandelt werden. Gemeinsam ist den
Gerichtsbarkeiten jedoch die Unterscheidung von Berufung und Revision. Dabei handelt es
sich um die beiden Möglichkeiten, die Entscheidung eines höheren Gerichts herbeizuführen.
Im Falle einer Berufung wird der gesamte Fall noch einmal neu aufgerollt, d.h. insbesondere,
daß die relevanten Tatsachen neu festgestellt und bewiesen werden müssen. Die Revision
beschränkt sich dagegen auf eine rein rechtliche Überprüfung der Vorentscheidung und geht
von den bereits getroffenen Tatsachenfeststellungen aus. Wann Berufung oder Revision
zulässig sind, ist in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten unterschiedlich geregelt. In der
Regel ist gegen die erste Entscheidung die Berufung und gegen die Berufungsentscheidung
dann die Revision möglich. Bei unbedeutenderen Fällen können aber Berufung und Revision
ganz ausgeschlossen oder an eine Zulassung im Einzelfall geknüpft sein.
IV. Die einzelnen Gerichtsbarkeiten
Welche Gerichtsbarkeit für einen Fall zuständig ist, wird durch eine Reihe von Gesetzen
geregelt. Das wichtigste darunter ist das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Auch das
Verfahrensrecht der verschiedenen Gerichtsbarkeiten ist durch je eigene Gesetze normiert.
Dabei bestehen zum Teil gravierende Unterschiede in der Art der Prozeßführung.
1. Die ordentliche Gerichtsbarkeit
Die ordentliche Gerichtsbarkeit trägt ihren Namen aus historischen Gründen. Bis Ende des 19.
Jahrhunderts bildete sie die einzige Gerichtsbarkeit in Deutschland. Die
Verwaltungsgerichtsbarkeit begann erst vor gut hundert Jahren, sich langsam zu entwickeln.
Die übrigen Gerichtsbarkeiten entstanden erst unter dem Grundgesetz.
Die ordentliche Gerichtsbarkeit stellt den wichtigsten und größten Teil der Rechtsprechung
dar. Sie ist zuständig für das gesamte Strafrecht sowie für das Zivilrecht mit Ausnahme des
Arbeitsrechts. Ihre Zuständigkeit sowie ihr Aufbau sind im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)
geregelt.
Intern ist die ordentliche Gerichtsbarkeit wiederum untergliedert in Strafkammern und
Zivilkammern. Auch innerhalb dieser zwei Bereiche bestehen noch unterschiedliche
Sachbereiche, wie etwa Kammern für Jugendstrafrecht, für Familienrecht oder für
Handelsrecht.
Die ordentliche Gerichtsbarkeit ist die einzige, die einen vierstufigen Aufbau hat, wobei
allerdings kein Verfahren diese vier Instanzen auch alle durchlaufen kann. Die unterste
Instanz ist das Amtsgericht (AG), daß sich häufig auch in kleineren Städten befindet und
somit nah am Bürger ist. Es folgen das Landgericht (LG) und das Oberlandesgericht (OLG)
sowie schließlich der Bundesgerichtshof (BGH). In der Regel beginnen Zivil- und
Strafverfahren vor dem Amtsgericht. Bei bedeutsameren Fällen, d.h. bei hohen Streitsummen
oder schweren Straftaten, können die Verfahren aber auch vor dem Landgericht oder
Oberlandesgericht beginnen.
Bsp.: A verkauft B ein Auto für DM 2000,-. Da B nicht zahlt, verklagt er ihn vor dem örtlichen
Amtsgericht (AG). Das AG verurteilt B zur Zahlung von DM 2000,-. Da B das für falsch hält, legt
er Berufung ein. Daraufhin wird der Fall vor dem Landgericht neu verhandelt. A muß also erneut
beweisen, daß das Auto tatsächlich verkauft wurde.
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16
Abschnitt II: Aufbau der Gerichtsbarkeit
Hätte das Auto weniger als DM 1500,- gekostet, wäre aufgrund des niedrigen Streitwerts
überhaupt keine Berufung möglich gewesen.
Hätte das Auto mehr als DM 10.000,- gekostet, wäre die Klage vor dem Landgericht zu erheben
gewesen. Berufungsinstanz wäre dann das Oberlandesgericht gewesen.
Das Verfahrensrecht der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist durch zwei Verfahrensgesetze
geregelt. Für die Zivilverfahren gilt die Zivilprozeßordnung (ZPO), für die Strafverfahren
die Strafprozeßordnung (StPO).
2. Die Arbeitsgerichtsbarkeit
Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist zuständig für das individuelle und kollektive Arbeitsrecht, d.h.
für alle Streitigkeiten zwischen einzelnen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie zwischen
Gewerkschaften und Arbeitgebern. Sie beschäftigt sich also mit zivilrechtlichen Fällen.
Die Arbeitsgerichtsbarkeit hat drei Instanzen. Eingangsinstanz ist das Arbeitsgericht (ArbG).
Es folgt das Landesarbeitsgericht (LAG) als Berufungs- und das Bundesarbeitsgericht
(BAG) als Revisionsinstanz.
Bsp.: Arbeitnehmer A wurde gekündigt. Er verklagt den Arbeitgeber B vor dem Arbeitsgericht
(ArbG) auf Weiterbeschäftigung und hat Erfolg. Gegen das Urteil des ArbG legt der B Berufung
vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) ein und hat Erfolg. Gegen das Urteil des LAG wiederum legt
A Revision vor dem Bundesarbeitsgericht ein.
Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit ergibt sich aus dem Arbeitsgerichtsgesetz
(ArbGG). Hier ist auch das entsprechende Verfahrensrecht geregelt.
3. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist zuständig für das Verwaltungsrecht, mit Ausnahme des
Steuer- und Abgabenrechts sowie des Sozialrechts. Klagen vor den Verwaltungsgerichten
richten sich somit immer gegen den Staat und haben etwa den Erlaß oder die Aufhebung eines
Verwaltungsaktes oder die Erbringung einer staatlichen Leistung zum Ziel. Die klagende
Partei ist in der Regel ein Bürger, manchmal aber auch ein Teil des Staates selber, etwa eine
Gemeinde oder der Gemeinderat.
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist in drei Instanzen untergliedert. Die unterste Ebene bildet
das Verwaltungsgericht (VG), bei dem auch die meisten Verfahren beginnen. Es folgen das
Oberverwaltungsgericht (OVG) und das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG).
Bsp.: Die von A beantragte Baugenehmigung wird von der Behörde nicht erteilt. Dagegen klagt A
vor dem örtlichen Verwaltungsgericht (VG). Als auch das VG die Genehmigung nicht erteilt, geht
A in die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG). Die Berufung muß allerdings vom
OVG gesondert zugelassen werden. Gegen das negative Urteil des OVG geht A in die Revision
beim Bundesverwaltungsgericht.
Die
Zuständigkeit
der
Verwaltungsgerichtsbarkeit
ergibt
sich
aus
der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Hier ist auch das entsprechende Verfahrensrecht
geregelt.
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Abschnitt II: Aufbau der Gerichtsbarkeit
4. Die Finanzgerichtsbarkeit
Die Finanzgerichtsbarkeit ist zuständig für das Steuer- und Abgabenrecht. Obwohl es sich
dabei eigentlich um Verwaltungsrecht handelt, wurde dieser Bereich von der
Verwaltungsgerichtsbarkeit abgesondert.
Die Finanzgerichtsbarkeit verfügt lediglich über zwei Instanzen. Eingangsinstanz ist das
Finanzgericht (FG), Revisionsinstanz ist der Bundesfinanzhof (BFH).
Bsp.: A hält seinen Steuerbescheid für zu hoch. Er klagt dagegen vor dem örtlichen Finanzgericht
(FG). Gegen das Urteil des FG geht er vor dem Bundesfinanzhof in Revision.
Die Zuständigkeit der Finanzgerichtsbarkeit ergibt sich aus der Finanzgerichtsordnung
(FGO). Hier ist auch das entsprechende Verfahrensrecht geregelt, das im wesentlichen der
VwGO nachempfunden ist.
5. Die Sozialgerichtsbarkeit
Die Sozialgerichtsbarkeit ist zuständig für das gesamte Sozialrecht. Auch hier handelt es sich
eigentlich um Verwaltungsrecht, das aber von der Verwaltungsgerichtsbarkeit abgesondert
wurde. In den Verfahren klagt immer ein Bürger gegen den Staat, etwa gegen das Sozialamt
oder gegen einen Sozialhilfeträger.
Auch die Sozialgerichtsbarkeit hat drei Instanzen. Eingangsinstanz ist das Sozialgericht (SG).
Es folgt das Landessozialgericht (LSG) als Berufungs- und das Bundessozialgericht (BSG)
als Revisionsinstanz.
Die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit ergibt sich aus dem Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Hier ist auch das entsprechende Verfahrensrecht geregelt.
6. Übersicht über die Gliederung der Gerichtsbarkeit
Verfassungsgerichtsbarkeit:
Bundesverfassungsgericht
Möglichkeit der Überprüfung aller Urteile auf Verfassungsmäßigkeit
Ord.
Gerichtsbark.
Arbeitsgerichtsbark.
Verwaltungsgerichts Finanzgerichtsbark. Sozialgerichtsbark.
bark.
Bundesgerichtshof
Bundesarbeitsgericht
Oberlandesgericht
Landesarbeitsgericht
Landgericht
Arbeitsgericht
Bundesverwaltungsg
ericht
Oberverwaltungsgeri
cht
Verwaltungsgericht
Amtsgericht
Bundesfinanzhof
Bundessozialgericht
Finanzgericht
Landessozialgericht
Sozialgericht
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Abschnitt III: Strafrecht und Strafverfahrensrecht
Abschnitt III: Strafrecht und Strafverfahrensrecht
Das zentrale Gesetz des Strafrechts ist das Strafgesetzbuch (StGB). Es ist unterteilt in einen
allgemeinen und einen besonderen Teil. Der allgemeine Teil enthält die generellen Regeln
und Prinzipien, die für alle Straftatbestände gelten. Der besondere Teil enthält die meisten
und wichtigsten Straftatbestände. Daneben gibt es aber auch noch Straftatbestände in
zahlreichen Einzelgesetzen.
Das Strafverfahrensrecht wird geregelt durch die Strafprozeßordnung (StPO). Sie enthält
Normen über den Gang der staatsanwaltlichen Ermittlungen, das Verfahren vor Gericht sowie
den Strafvollzug.
I. Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs
1. Der dreigliedrige Verbrechensaufbau
Die dogmatische Grundlage des Strafrechts ist der sogenannte dreigliedrige
Verbrechensaufbau. Danach kann jemand für eine Tat bestraft werden, wenn er vorsätzlich
oder fahrlässig einen Straftatbestand erfüllt hat, dies rechtswidrig war und er schuldhaft
gehandelt hat.
Tatbestandsmäßigkeit
vorsätzlich oder fahrlässig
+
Rechtswidrigkeit
+
Schuld
Tatbestandsmäßigkeit heißt, daß alle Elemente eines Straftatbestands aus dem besonderen
Teil oder aus einem anderen Gesetz verwirklicht sein müssen.
Bsp.: Nach § 223 StGB wird wegen Körperverletzung bestraft, wer "eine andere Person körperlich
mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt". Dieser Tatbestand hat zwei Elemente: "eine
andere Person" und "körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt".
A schlägt dem B aus Wut ein blaues Auge. Damit hat A den B (= "eine andere Person") verletzt (=
"körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt"). A hat also beide Elemente des
Tatbestands erfüllt.
Es genügt aber nicht, wenn alle Elemente eines Tatbestands erfüllt sind. Wenn A aus
Versehen stolpert und dem B dabei ein blaues Auge schlägt, hat er zwar auch beide Elemente
des § 223 StGB erfüllt, ist deswegen aber nicht gleich nach dieser Norm strafbar. Hinzutreten
muß immer noch, daß der Täter die Tat vorsätzlich begeht.
Vorsatz wird definiert als "Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung". Der Täter
muß also die Tat entweder wollen oder er muß wissen, daß er die Tat begeht, obwohl er es
eigentlich gar nicht will.
Bsp.: Wenn A dem B aus Wut ein blaues Auge schlägt, dann will er genau den Tatbestand des §
223 StGB verwirklichen. Wenn A dagegen den B nur schlägt, um dessen häßliche Sonnenbrille
endlich zu zerstören, dann will er den B eigentlich nicht verletzen, weiß aber, daß er es tut und
nimmt es in Kauf, um ein anderes Ziel, nämlich die kaputte Sonnenbrille, zu erreichen. A hat in
beiden Fällen vorsätzlich gehandelt.
Das Tatbestandselement des Vorsatzes wird in den Straftatbeständen des besonderen Teils nie
erwähnt, ist aber trotzdem immer erforderlich. Wer nicht vorsätzlich handelt, macht sich nicht
strafbar, es sei denn, daß fahrlässiges Handeln in einem gesonderten Tatbestand ausdrücklich
auch unter Strafe gestellt ist.
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19
Abschnitt III: Strafrecht und Strafverfahrensrecht
Bsp.: Für die Körperverletzung ist das in § 229 StGB geschehen: "Wer durch Fahrlässigkeit die
Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird ... bestraft."
Fahrlässigkeit wird definiert als "Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt".
Es wird also das Verhalten des Täters verglichen mit dem Verhalten, daß in einer
entsprechenden Situation von einem fiktiven Durchschnittsbürger verlangt würde.
Bsp.: A fährt bei Dunkelheit, schlechter Sicht und Nässe schnell in eine Kurve und verursacht
dadurch einen Unfall, bei dem der B verletzt wird. Hat A die Geschwindigkeitsbegrenzung
mißachtet, so ist schon dies ein Zeichen dafür, daß er nicht mit der erforderlichen Sorgfalt
gefahren ist. Auch wenn er sie aber beachtet hat, kann sein Verhalten angesichts der gegebenen
Bedingungen nicht sorgfaltsgemäß gewesen sein. A macht sich ggf. nach § 229 StGB (fahrlässige
Körperverletzung), nicht aber nach § 223 StGB (vorsätzliche Körperverletzung) strafbar.
Rechtswidrig ist eine Tat immer dann, wenn ein Tatbestand vorsätzlich oder ggf. fahrlässig
erfüllt wurde und keine Rechtfertigungsgründe vorliegen. Dies entspringt dem Gedanken, daß
die Straftatbestände des besonderen Teils Verhaltensweisen beschreiben, die in der Regel
moralisch geächtet und deshalb rechtswidrig sind. Die Tatbestandsmäßigkeit indiziert damit
im Regelfall die Rechtswidrigkeit. In Einzelfällen kann aber aufgrund besonderer Umstände
doch erlaubt sein, was den objektiven und subjektiven Tatbestand einer Strafrechtsnorm
erfüllt. Die wichtigsten Rechtfertigungsgründe sind Notwehr, Notstand, Nothilfe und
(wirksame) Einwilligung des Verletzten.
Bsp.: Wenn A dem B ein blaues Auge schlägt, weil ihn dieser gerade berauben will, so handelt er
in Notwehr, d.h. zur Abwehr eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs gegen sich oder einen
anderen.
Wenn A in einsamer Gegend die Tür des Autos von B aufbricht, um einen schwer Verletzten ins
Krankenhaus zu fahren, so handelt er im Notstand, d.h. zur Abwendung einer gegenwärtigen nicht
anders behebbaren Gefahr (= weitere Gesundheitsbeschädigung oder Tod), die das von A
beeinträchtigte Interesse (= kaputte Autotür) wesentlich überwiegt. A ist nicht wegen
Sachbeschädigung strafbar.
Wenn Arzt A dem B den Blinddarm entfernt, so erfüllt er zwar den Tatbestand der
Körperverletzung, handelt aber mit Einwilligung des Verletzten und deshalb nicht rechtswidrig.
Schuldhaft ist die Tat, wenn dem Täter sein Verhalten vorwerfbar ist. Dies kann aus
verschiedenen Gründen manchmal nicht der Fall sein. Zum einen ist die Schuld
ausgeschlossen, wenn der Täter aufgrund seiner geistigen Entwicklung oder seines geistigen
Zustands nicht in der Lage ist, das Unrecht der Tat zu erkennen. So handeln etwa Kinder
unter 14 Jahren und geistig Kranke schuldlos. Zum anderen kann die Schuld aufgrund
besonderer Umstände, etwa eines Irrtums des Täters oder einer extremen Zwangslage
ausgeschlossen sein.
Bsp.: Wenn A dem B in der irrigen Annahme, er werden von diesem angegriffen, ein blaues Auge
schlägt, so handelt er zwar nicht in Notwehr und deshalb rechtswidrig, er handelt aber schuldlos,
weil man ihm sein rechtswidriges Verhalten nicht vorwerfen kann.
2. Versuch und Vollendung
Der Gesetzestext des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches nennt die Tatbestandsmerkmale
vollendeter Straftaten, d.h. die Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale. Eine Tat kann aber auch
nur versucht werden. Dies ist der Fall, wenn der Täter die Ausführung der Tat beginnt, dann
aber scheitert, freiwillig aufhört oder an der weiteren Ausführung gehindert wird. Der
Versuch ist nicht immer strafbar, sondern nur bei Verbrechen und bei Vergehen, bei denen
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20
Abschnitt III: Strafrecht und Strafverfahrensrecht
dies ausdrücklich angeordnet ist. Verbrechen sind Straftaten, die mit mindestens einem Jahr
Freiheitsstrafe bedroht sind, Vergehen sind dagegen alle leichteren Straftaten.
Bsp.: Totschlag wird mit mindestens 5 Jahren Freiheitsentzug bestraft. Der Versuch ist deshalb
strafbar. Körperverletzung hat keine Mindeststrafe. Es handelt sich also um ein Vergehen. Der
Versuch ist trotzdem strafbar, weil dies ausdrücklich angeordnet wird.
Wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat abbricht und damit ihre Vollendung verhindert,
begeht zwar einen Versuch, wird aber trotzdem nicht bestraft (strafbefreiender Rücktritt vom
Versuch).
3. Täterschaft und Teilnahme
Wer sämtliche Tatbestandsmerkmale eines Straftatbestandes durch eigenes Handeln erfüllt, ist
unproblematisch als Täter zu behandeln. Häufig werden Straftaten aber auch von mehreren
arbeitsteilig begangen. Wenn alle den Taterfolg wollen und nach einem gemeinsamen Plan
handeln (Vorsatz), sind alle Beteiligten Täter (= Mittäter). Es können aber auch Personen im
Hintergrund beteiligt sein, indem sie entweder den Täter zur Tat veranlassen (= Anstifter)
oder ihm bei der Tat helfen (= Gehilfe).
Bsp.: Wer den Täter für die Tat bezahlt, ist Anstifter. Wer dem Täter Einbruchswerkzeuge
verkauft, ist Gehilfe, da er kein weiteres Interesse an der Tat hat. Wer dagegen die Werkzeuge
besorgt, um am Gewinn beteiligt zu sein, ist Täter, auch wenn er beim Einbruch selber nicht dabei
ist.
II. Der besondere Teil des Strafgesetzbuchs und das Nebenstrafrecht
Der besondere Teil des StGB enthält in den §§ 80-358 die wesentlichen Straftatbestände. Die
wichtigsten der 30 Abschnitte dieses Teils sind die folgenden: Straftaten gegen die öffentliche
Ordnung; Geldfälschung; Aussagedelikte; Sexualstraftaten; Beleidigung; Straftaten gegen das
Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Freiheit; Diebstahl, Unterschlagung und Raub;
Betrug, Untreue und Urkundenfälschung; Insolvenz- und Wettbewerbsstraftaten;
Sachbeschädigung; gemeingefährliche Straftaten; Umweltstraftaten und Straftaten im Amt.
Auch in anderen Gesetzen finden sich aber wichtige Strafvorschriften. So enthält etwa das
Aktien- oder GmbH-Recht Straftatbestände für das Verschweigen oder Fälschen bestimmter
Angaben, für Fehlverhalten bei hohen Verlusten oder für Verletzungen der
Geheimhaltungspflicht.
III. Das Strafverfahrensrecht
Ein Strafverfahren ist in drei Abschnitte untergliedert. Es beginnt mit dem
Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft. An dieses schließt sich ein Zwischenverfahren
an, daß schließlich bei hinreichendem Tatverdacht in das Hauptverfahren vor Gericht mündet.
Dieses endet dann entweder mit einer Verurteilung oder mit dem Freispruch.
1. Das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren
Wird der Staatsanwaltschaft durch eine Strafanzeige des Verletzten oder – in aller Regel –
durch Beobachtungen der Polizei eine möglicherweise strafbare Handlung bekannt, prüft sie,
ob bei Bestätigung der vorliegenden Informationen eine Verurteilung in Betracht kommt
(Anfangsverdacht). Bejaht sie diese Frage, leitet sie durch eine Eingangsverfügung das
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Abschnitt III: Strafrecht und Strafverfahrensrecht
Ermittlungsverfahren ein. Bei Offizialdelikten kann sie dies ohne weiteres; bei
Antragsdelikten (z.B. Körperverletzung) ist hierfür ein Strafantrag des Verletzten notwendig,
wenn nicht ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Bei
bestimmten Delikten (z.B. Beleidigung) kann die Staatsanwaltschaft trotz Vorliegen eines
Anfangsverdachts und Strafantrags die Aufnahme von Ermittlungen mangels öffentlichen
Interesses an der Strafverfolgung ablehnen und den Geschädigten auf den Privatklageweg
verweisen. Dann befindet er sich selbst in der Rolle des Anklägers bei Gericht.
Obwohl an sich die Staatsanwaltschaft für die Strafverfolgung zuständig ist, wird in der
Praxis der Großteil der Ermittlungsarbeit von der Polizei geleistet, die dafür über den
besseren Apparat und die bessere Ausstattung verfügt. Allerdings bleibt die Polizei dabei
immer Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft und übermittelt dieser am Ende einen
Ermittlungsbericht, aufgrund dessen die Staatsanwaltschaft über das weitere Vorgehen
entscheidet.
Das Ermittlungsverfahren endet durch die Abschlußverfügung der Staatsanwaltschaft. Diese
kann – je nach Ergebnis der Ermittlungen – unterschiedlich ausfallen.
Ergeben die Ermittlungen, daß sich der Anfangsverdacht nicht bestätigt hat, wird das
Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Bestätigt sich der Verdacht, muß die
Staatsanwaltschaft – mit denselben Überlegungen wie ein Richter – die Tat bewerten. Liegt
nur eine geringe Schuld des Beschuldigten vor, kann das Ermittlungsverfahren nach
§ 153 StPO eingestellt werden. Ist die Schuld so gering, daß sie durch eine Auflage
(Handlungen des Beschuldigten oder Bezahlung eines Geldbetrages) beseitigt werden kann,
wird nach § 153a StPO eingestellt.
Kommt eine Einstellung aufgrund der Schwere der Schuld nicht in Betracht, bleiben immer
noch zwei Möglichkeiten. In Fällen schwererer Kriminalität erhebt die Staatsanwaltschaft
Anklage bei dem zuständigen Gericht. Bei leichteren Straftaten (Verhängung einer Geldstrafe
oder Freiheitsstrafe von höchstens einem Jahr zur Bewährung). kann ohne eine
Hauptverhandlung ein Strafbefehl von der Staatsanwaltschaft beantragt und von dem
zuständigen Gericht erlassen werden. Akzeptiert der Angeklagte diesen Strafbefehl, steht er
einem Strafurteil gleich. Andernfalls der Anklageerhebung.
Spätestens vor Abschluß des Ermittlungsverfahrens dem Beschuldigten Gelegenheit gegeben
werden, sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern. Bei schwerwiegenden
Straftaten muß ihm ein Verteidiger zur Seite stehen. Wählt er sich nicht selber einen
Verteidiger oder kann er sich keinen leisten, so wird ein Pflichtverteidiger bestellt. Allerdings
kann der Beschuldigte auch schon während des Ermittlungsverfahrens einen Verteidiger
wählen.
2. Das Zwischen- und Hauptverfahren
Das zuständige erstinstanzliche Gericht ist je nach der Höhe der drohenden Strafe entweder
das Amts- oder das Landgericht. Das Gericht entscheidet in einem Zwischenverfahren
darüber, ob auch seiner Ansicht nach ein hinreichender Tatverdacht besteht. Ist dies der Fall,
so wird die Klage der Staatsanwaltschaft zugelassen bzw. der Strafbefehl erlassen und das
Hauptverfahren eröffnet. Andernfalls wird die Anklage nicht zugelassen und der
Staatsanwaltschaft Gelegenheit gegeben, vor einer erneuten Anklageerhebung weitere
Ermittlungen anzustellen.
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Abschnitt III: Strafrecht und Strafverfahrensrecht
Zur öffentlichen Hauptverhandlung werden der Angeklagte, sein Verteidiger, die Zeugen
und Sachverständigen geladen. Die Hauptverhandlung ist grundsätzlich öffentlich und
mündlich. Sie wird vom vorsitzenden Richter geleitet. Er hat die Aufgabe, in der
Beweisaufnahme den relevanten Sachverhalt umfassend zu ermitteln. Dies unterscheidet den
Strafprozeß grundlegend vom Zivilprozeß, in dem die Parteien den Gang und den Gegenstand
der Verhandlung bestimmen.
Am Ende der Hauptverhandlung würdigt das Gericht die erhobenen Beweise. Es ist dabei frei,
d.h. es liegt in seinem Ermessen, dem einen Zeugen zu glauben und dem anderen nicht. Bei
Zweifeln hat es allerdings zugunsten des Angeklagten zu entscheiden ("in dubio pro reo").
Hält das Gericht nach der Beweiswürdigung die Schuld des Angeklagten für erwiesen, so
erfolgt die Verurteilung. Andernfalls ergeht ein Freispruch.
Gegen das Urteil können der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel einlegen.
Gegen Urteile der Amtsgerichte sind Berufung zum Landgericht und Revision zum
Oberlandesgericht möglich. Gegen Urteile der Landgerichte kann nur Revision zum
Bundesgerichtshof eingelegt werden.
3. Die Strafen
Bei einer Verurteilung wird dem Betroffenen eine Strafe auferlegt. Grundsätzlich gibt es drei
Arten von Strafen: Freiheitsstrafe, Geldstrafe und Vermögensstrafe.
b) Die Freiheitsstrafe ist entweder zeitig oder lebenslänglich. Die zeitige Freiheitsstrafe kann
zwischen 1 Monat und 15 Jahren betragen. Allerdings werden Strafen unter 6 Monaten
aufgrund kriminalpolitischer Erwägungen selten verhängt und dann meist zur Bewährung
ausgesetzt. Lebenslange Freiheitsstrafe hat keine zeitliche Obergrenze. Nach etwa 15 Jahren
muß jedoch die Möglichkeit einer Haftentlassung überprüft werden.
Geldstrafe wird in bis zu 360 Tagessätzen verhängt. Die Höhe eines wird durch das Gericht
bestimmt; sie hängt von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters ab.
Bei Fällen schwerer Kriminalität kann daneben noch eine Vermögensstrafe verhängt werden,
die den erzielten Gewinn abschöpfen soll.
Freiheitsstrafen von bis zu einem, ausnahmsweise von bis zu zwei Jahren können zur
Bewährung ausgesetzt werden. Dies geschieht, wenn zu erwarten ist, daß schon die
Verurteilung allein dem Täter zur Warnung dient. Außerdem sind die Persönlichkeit des
Täters, sein Verhalten nach der Tat, etwaige Wiedergutmachung, aber auch das öffentliche
Strafinteresse zu berücksichtigen. Freiheitsstrafen unter einem Jahr sollen in der Regel zur
Bewährung ausgesetzt werden. Bei Freiheitsstrafen über zwei Jahren ist keine
Bewährungsstrafe möglich. Wird der Täter während der Bewährungszeit wieder straffällig
oder verstößt er gegen Weisungen und Auflagen, kann die Strafaussetzung zur Bewährung
widerrufen werden.
Neben den eigentlichen Strafen können noch Nebenstrafen verhängt werden. Dies sind
insbesondere das Fahrverbot oder die Einziehung bei der Tat benutzter oder durch sie
erlangter Gegenstände. Bei Jugendlichen tritt an die Stelle der normalen Strafe eine besondere
Jugendstrafe.
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23
Abschnitt III: Strafrecht und Strafverfahrensrecht
4. Die Untersuchungshaft
Während des ganzen Strafverfahrens ist es möglich, den Beschuldigten in Untersuchungshaft
zu nehmen. Da dies ein schwerer Grundrechtseingriff ist und der Beschuldigte aufgrund der
Unschuldsvermutung vor einem rechtskräftigen Urteil als unschuldig anzusehen ist, ist die
Verhängung der Untersuchungshaft an strenge Voraussetzungen gebunden. Zum einen muß
ein dringender Tatverdacht gegen den Beschuldigten bestehen, also eine Verurteilung sehr
wahrscheinlich sein. Zum anderen muß ein Haftgrund vorliegen. Ein solcher besteht bei
Flucht- oder Verdunkelungsgefahr sowie bei Gefahr der Wiederholung einer schweren
Straftat. Die Untersuchungshaft darf in der Regel nicht länger als 6 Monate dauern.
5. Überblick über den Gang eines Strafverfahrens
Anfangsverdacht
Ermittlungsverfahren
bei mangelndem Tatverdacht:
Einstellung des Verfahrens
bei hinreichendem Tatverdacht:
Einstellung wegen Geringfügigkeit der Schuld mit oder
ohne Auflage, Strafbefehlsantrag oder Erhebung der
öffentlichen Anklage,
Zwischenverfahren, Prüfung der Klage durch das Gericht (Amts- oder Landgericht)
bei mangelndem Tatverdacht:
bei hinreichendem Tatverdacht:
Ablehnung der Eröffnung des Verfahrens
Erlaß des Strafbefehls oder Zulassung der Anklage
Hauptverfahren
Bei Strafbefehl
bei Einspruch des Angeklagten
Vorbereitung der Hauptverhandlung
öffentliche Hauptverhandlung
Verurteilung, Freispruch oder Einstellung wegen Geringfügigkeit der Schuld mit oder ohne Auflage
Berufung beim Landgericht oder Revision beim OLG oder BGH
Vollstreckungsverfahren (Beitreibung einer Geldstrafe oder Vollstreckung der Freiheitsstrafe)
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Abschnitt IV: Öffentliches Recht
Abschnitt IV: Öffentliches Recht und Verwaltungsverfahrensrecht
Das öffentliche Recht umfaßt all diejenigen Rechtsnormen, die das Verhältnis von
Staatsorganen untereinander oder das Verhältnis zwischen Bürger und Staat zum Gegenstand
haben.
Der bedeutsamste, aber auch kleinste Teil des öffentlichen Rechts ist das Verfassungsrecht,
(vgl. Abschnitt I). Der weitaus größere und praktisch relevantere Teil ist das
Verwaltungsrecht. Es umfaßt das materielle Verwaltungsrecht, das regelt, in welchen
Bereichen und zu welchen Zielen die Verwaltung tätig werden kann, was sie dabei darf,
welche Mittel sie einsetzen kann etc. Eng damit verwoben ist das
Verwaltungsverfahrensrecht, welches die zuständige Stelle innerhalb der Verwaltung
festlegt und die notwendigen formellen Schritte sowie die Einflußmöglichkeiten des Bürgers
beschreibt. Schließlich enthält das Verwaltungsrecht auch das Verwaltungsprozeßrecht, das
die Möglichkeiten des Rechtsschutzes gegen Verwaltungshandeln sowie den Ablauf der
Verfahren vor den Verwaltungsgerichten normiert.
I. Grundlagen des Verwaltungsrechts
1. Was ist Verwaltung?
Der Begriff der Verwaltung ist außerordentlich weit. Er umfaßt eine Vielzahl staatlicher
Institutionen, angefangen von den Bundes- und Landesministerien, über Regierungspräsidien,
Landratsämter und Gemeinden mit ihren zahlreichen Behörden (Baubehörde,
Ausländerbehörde, Meldebehörde etc.), bis hin zu Universitäten, öffentlich-rechtlichen
Rundfunksendern, Polizei, Bundesgrenzschutz, Feuerwehr und TÜV. Vor der Privatisierung
gehörten auch Bahn und Post zur staatlichen Verwaltung.
Bsp.: Wenn das Bundesumweltministerium Atomtransporte genehmigt, handelt es ebenso als
Verwaltung wie der Polizist, der den Verkehr regelt, das Landratsamt, das eine Baugenehmigung
erteilt, der TÜV, der ein Auto zuläßt oder die ARD, die ein Fernsehprogramm ausstrahlt.
2. Eingriffs- und Leistungsverwaltung
Die wichtigste Unterscheidung ist diejenige zwischen Eingriffs- und Leistungsverwaltung.
Die Eingriffsverwaltung tritt mit Ge- und Verboten an den Bürger heran und greift damit in
seine grundrechtlich geschützte Freiheitssphäre ein. Sie dient in der Regel dazu, im weitesten
Sinne Gefahren für die Allgemeinheit oder einzelne zu vermeiden oder zu bekämpfen.
Bsp.: Das Haus des A droht einzustürzen und gefährdet deshalb die Passanten. Die Baubehörde
zwingt A, das Haus zu sanieren oder abzureißen (Gebot).
Das Kraftwerk des B stößt zuviel Schadstoffe aus und gefährdet damit die Umwelt und die
Gesundheit der Anwohner. Die Umweltbehörde verbietet den weiteren Betrieb des Kraftwerks
(Verbot).
Die Leistungsverwaltung hat dagegen die Aufgabe, Daseinsfürsorge für die Bürger zu
betreiben, d.h. Leistungen zu erbringen, ohne die das Leben in unserer Gesellschaft nicht oder
nur mit größerem Aufwand möglich wäre. Dies geschieht durch Geld- oder Sachleistungen
oder durch das Unterhalten öffentlicher Einrichtungen und Infrastruktur.
Bsp.: Zur Leistungsverwaltung zählt die Gewährung von Sozialhilfe, die Vermittlung von
Arbeitsplätzen, der Unterhalt von Schulen, Krankenhäusern, Straßen, Universitäten,
Rundfunkanstalten, Kindergärten, Fußballplätzen etc.
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Abschnitt IV: Öffentliches Recht
3. Bundes- und Landesverwaltung
Der Großteil der Verwaltungsbehörden sind Behörden der Länder. Sie sind für die
Durchsetzung des Landesrechts sowie des überwiegenden Teils des Bundesrechts zuständig.
Der Bund bedient sich also der Landesbehörden für seine eigenen Zwecke. Nur in wenigen
Bereichen verfügt er über eine eigene Verwaltung.
Bsp.: Die Regierungspräsidien, Landratsämter und Gemeinden sind Landesbehörden. Sie wenden
aber auch das Bundesimmissionsschutzgesetz an. Bundeseigene Verwaltungen sind etwa das
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, die Bundeswehrverwaltung oder die
Bundesfinanzverwaltung.
4. Rechtsgrundlagen
Anders als im Straf- und Zivilrecht gibt es im Verwaltungsrecht kein zentrales Gesetz, das die
wesentlichen Rechtsnormen enthält. Insbesondere das allgemeine Verwaltungsrecht, das die
generellen Regeln des Verwaltungshandelns beinhaltet, ist über mehrere Gesetze verstreut
und teilweise gar nicht gesetzlich geregelt. Das besondere Verwaltungsrecht umfaßt die
zahlreichen einzelnen Sachbereiche, in denen die Verwaltung tätig wird, etwa das
Polizeirecht, das Baurecht, das Umweltrecht etc. Auch hier finden sich immer mehrere
Einzelgesetze.
Hinzu kommt, daß die Rechtsgrundlagen des Verwaltungsrechts aus Bundes- und
Landesrecht bestehen. Je nachdem welche Verwaltung tätig wird, ist entweder das
Bundesverwaltungsverfahrensgesetz
(BVwVfG)
anzuwenden
oder
das
Landesverwaltungsverfahrensgesetz des handelnden Landes. Allerdings entsprechen sie die
Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder weitgehend. Das Prozeßrecht ist
durch die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bundeseinheitlich geregelt. Das besondere
Verwaltungsrecht ist dagegen häufig wieder Landesrecht, so etwa das Polizeirecht, das
Kommunalrecht und Teile des Baurechts.
5. Der Vorbehalt des Gesetzes
Der wichtigste Grundsatz des Verwaltungsrechts ist der Vorbehalt des Gesetzes. Er besagt,
daß die Verwaltung nur in Rechte des Bürgers eingreifen darf, wenn sie durch ein Gesetz
dazu ermächtigt wurde (Ermächtigungsgrundlage). Dies ergibt sich sowohl aus dem
Rechtsstaatsprinzip als auch aus den Grundrechten, in die nur aufgrund eines Gesetzes
eingegriffen werden darf. Das Gesetz muß sowohl beinhalten, zu welchem Zweck die
Verwaltung tätig werden soll, als auch welche Mittel sie dabei einsetzen darf.
Bsp.: Nach dem Polizeigesetz soll die Polizei zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
tätig werden und darf dazu alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen.
Häufig wird der Verwaltung durch das Gesetz ein Ermessensspielraum eingeräumt. D.h.,
daß in einem bestimmten Fall sowohl die eine als auch die andere Maßnahme rechtmäßig
wäre und es der Verwaltung obliegt, zu entscheiden, welche Maßnahme zweckmäßiger ist.
Die Verwaltung muß dann allerdings alle relevanten Faktoren, insbesondere die Grundrechte
des Betroffenen in ihre Entscheidung mit einbeziehen und bei gleicher Zweckmäßigkeit
zweier Maßnahmen diejenige wählen, die für den Betroffenen am wenigsten belastend ist
(Verhältnismäßigkeitsprinzip).
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Abschnitt IV: Öffentliches Recht
Bsp.: A möchte eine Demonstration veranstalten. Die Polizei fürchtet gewaltsame
Ausschreitungen. Sie hat zu prüfen, wie diese Gefahr zu bannen ist (großes Polizeiaufgebot,
bestimmte Streckenführung, Verbot der Demonstration). Dabei muß sie berücksichtigen, daß die
Demonstration durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit geschützt ist. Nur wenn alle
milderen Mittel voraussichtlich nicht wirken werden, darf die Demonstration verboten werden.
II. Der Behördenaufbau in Baden-Württemberg
1. Allgemeine und besondere Verwaltungsbehörden
In Baden-Württemberg sind die Behörden in allgemeine und besondere Verwaltungsbehörden
sowie nach verschiedenen Ebenen untergliedert. Die allgemeinen Verwaltungsbehörden
sind für die wichtigsten Aufgaben zuständig und intern wieder in verschiedene Sachbereiche
unterteilt. Die besonderen Verwaltungsbehörden werden jeweils für spezielle Bereiche
errichtet, wie etwa die Schulverwaltung oder die Forstverwaltung.
2. Gliederung der allgemeinen Verwaltungsbehörden
Die allgemeinen Verwaltungsbehörden sind untergliedert in oberste Verwaltungsbehörden
(Landesregierung und Ministerien), mittlere Verwaltungsbehörden (Regierungspräsidien) und
untere Verwaltungsbehörden (in den Landkreisen Landratsamt oder Gemeinde, in den
Stadtkreisen Gemeinde). Die Gemeinden bzw. ihre Bürgermeisterämter erfüllen dabei eine
Doppelfunktion. Sie sind sowohl staatliche als auch kommunale Verwaltungsbehörde. In
letzterer Funktion nehmen sie die durch das Grundgesetz geschützte Aufgabe der
kommunales Selbstverwaltung wahr.
3. Zuständigkeiten der Verwaltungsbehörden
Welche Behörde für einen bestimmten Sachbereich zuständig ist, wird im Einzelnen per
Gesetz bestimmt. Im allgemeinen sind zunächst die Landratsämter bzw. Gemeinden
zuständig. Sie unterliegen aber der Dienst- und Fachaufsicht der jeweils höheren Behörde.
Die Dienstaufsicht kontrolliert das Handeln der niedrigeren Behörde auf seine
Rechtmäßigkeit hin, die Fachaufsicht auf seine Zweckmäßigkeit in Fällen von
Ermessensentscheidungen.
Die höheren Behörden sind auch zuständig für das Widerspruchsverfahren gegen
Entscheidungen der nachgeordneten Behörde (Widerspruchsbehörde).
Bsp.: A möchte in Freiburg eine Demonstration veranstalten. Die Polizei fürchtet gewaltsame
Ausschreitungen. Zuständig für die Entscheidung über ein Verbot der Demonstration ist die Stadt
Freiburg (das Bürgermeisteramt). Das Regierungspräsidium Freiburg sowie das Innenministerium
können einschreiten, wenn ihrer Ansicht nach die Entscheidung der Stadt Freiburg rechtswidrig
oder nicht zweckmäßig ist. Wenn A gegen das Verbot der Stadt Freiburg Widerspruch einlegt,
entscheidet das Regierungspräsidium Freiburg als nächsthöhere Behörde.
Wenn A die Demonstration in Lörrach veranstalten möchte, entscheidet zunächst die Gemeinde
Lörrach. Das Landratsamt Lörrach, das Regierungspräsidium Freiburg und das Innenministerium
üben die Dienst- und Fachaufsicht aus. Das Landratsamt Lörrach ist Widerspruchsbehörde.
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Abschnitt IV: Öffentliches Recht
4. Übersicht über den Aufbau der allg. Verwaltungsbehörden
oberste Verwaltungsbehörden:
Landesregierung und Ministerien
Dienst- und Fachaufsicht
mittlere Verwaltungsbehörden:
Regierungspräsidium
Dienst- und Fachaufsicht
untere Verwaltungsbehörden:
oder größere Gemeinden
Widerspruchsbehörde
Landkreise: Landratsamt
Stadtkreise: Gemeinde
Widerspruchsbehörde
III. Die Handlungsformen der Verwaltung
1. Öffentlich-rechtliches und privatrechtliches Handeln
Die Handlungsform der Verwaltung bestimmt sich zunächst nach dem zugrundeliegenden
Rechtsgebiet. Die Verwaltung kann öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich handeln.
Öffentlich-rechtlich handelt sie, wenn sie Rechtsnormen nutzt, die nur den Staat berechtigen
oder verpflichten. Privatrechtlich handelt sie, wenn sie Rechtsnormen nutzt, die für alle
Bürger gelten.
Bsp.: Wenn die Gemeinde eine Demonstration verbietet, dann tut sie das auf der Grundlage des
Polizeigesetzes, das nur den Staat zu bestimmten Handlungen berechtigt. Sie handelt öffentlichrechtlich.
Wenn die Gemeinde Bürobedarf einkauft, dann geschieht dies auf der Grundlage des BGB, also
des für alle Bürger geltenden Privatrechts. Sie handelt genauso privatrechtlich wie jeder andere
auch.
Die Unterscheidung ist wichtig, da sich unterschiedliche Folgen daran knüpfen. Bei
öffentlich-rechtlichem Handeln kann die Verwaltung durch den Erlaß eines Verwaltungsakts
alleine verbindliche Entscheidungen treffen und diese durchsetzen, ohne gerichtliche Hilfe in
Anspruch nehmen zu müssen. Es ist der Bürger, der sich vor den Verwaltungsgerichten gegen
die Entscheidung wehren muß.
Bei privatrechtlichem Handeln ist die Verwaltung auf einen Vertragsschluß angewiesen.
Wenn es Probleme bei der Vertragsdurchführung gibt, muß sie genau wie jeder andere vor
den ordentlichen Gerichten klagen und kann dort verklagt werden.
2. Der Verwaltungsakt
Die wichtigste öffentlich-rechtliche Handlungsart der Verwaltung ist der Verwaltungsakt
(Verwaltungsakt). Als Verwaltungsakt wird jede Entscheidung einer Behörde bezeichnet, die
diese zur Regelung eines Einzelfalls im Bereich des öffentlichen Rechts trifft und die
unmittelbare Rechtswirkung nach außen hat. Die große Masse des Verwaltungshandelns
geschieht durch Verwaltungsakt.
Bsp.: Ein Verwaltungsakt ist etwa eine Baugenehmigung, ein Gebührenbescheid, eine
Abrißverfügung, aber auch das Winken eines Verkehrspolizisten oder die polizeiliche
Aufforderung, eine Versammlung aufzulösen.
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Abschnitt IV: Öffentliches Recht
Kein Verwaltungsakt ist dagegen der Erlaß eines Bebauungsplans oder einer Polizeiverordnung,
die die Straßenmusik auf einem bestimmten Platz verbietet. Hier handelt es sich um abstraktgenerelle und nicht um Einzelfallregelungen.
Auch eine interne Neuordnung der Geschäftsbereiche einer Verwaltung ist kein Verwaltungsakt,
da die Außenwirkung fehlt.
Der Abschluß eines Vertrages ist kein Verwaltungsakt, da dies nicht im Bereich des öffentlichen
Rechts geschieht.
3. Sonstige Handlungsformen
Neben dem Verwaltungsakt hat die Verwaltung noch die Möglichkeit des Handelns durch
Realakt, durch Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrags sowie durch Erlaß eines Plans
oder einer abstrakt-generellen Regelung. Diese Handlungsformen sind aber praktisch von
geringerer Bedeutung.
Bsp.: Realakt heißt tatsächliches Tun, wie etwa der Abriss eines Gebäudes oder das Abschleppen
eines Autos. Ein Plan ist etwa der Bebauungs- oder der Flächennutzungsplan.
IV. Der Erlaß eines Verwaltungsakts im Verwaltungsverfahren
1. Das Verwaltungsverfahren
Der Verwaltungsakt wird in einem Verwaltungsverfahren erlassen. Ein solches Verfahren ist
grundsätzlich nicht förmlich sondern läßt der Verwaltung einen großen Spielraum und hat das
Ziel, möglichst einfach, schnell und effektiv zu einem Ergebnis zu kommen.
Das Verfahren beginnt entweder auf Antrag, oder wenn die Behörde es für erforderlich hält.
An dem Verfahren sind die Behörde, ggf. der Antragsteller und Antragsgegner, der Adressat
des Verwaltungsaktes sowie ggf. weitere Personen beteiligt, deren rechtliche Interessen durch
den Verwaltungsakt berührt werden.
Im Verwaltungsverfahren hat die Behörde den Sachverhalt zu erforschen und alle relevanten
Informationen herbeizuziehen. Dazu kann sie Auskünfte einholen, Beweise erheben,
Urkunden einsehen sowie Zeugen und Sachverständige hören.
Bsp.: Durch den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für ein Großkraftwerk wird ein
Verwaltungsverfahren eröffnet. Beteiligt sind neben der Behörde und dem Antragsteller auch
sämtliche Anwohner, die durch mögliche Emissionen betroffen wären. Da die Behörde u.U.
umfangreiche Untersuchungen über Umweltverträglichkeiten etc. anstellen muß, kann das
Verfahren lange dauern.
Ein Verwaltungsverfahren liegt aber auch vor, wenn die Polizei beschließt, eine Versammlung
aufzulösen. Beteiligt sind dann alle Demonstranten. Die Sachverhaltsermittlung muß u.U. sehr
schnell gehen.
Das wichtigste Recht der Beteiligten besteht darin, daß die Behörde sie anzuhören hat, bevor
sie einen Verwaltungsakt erläßt, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift. Allerdings kann
die Anhörung unterbleiben, wenn die Entscheidung schnell gefällt werden muß oder der
Antragsteller alle notwendigen Angaben in seinem Antrag gemacht hat. Zudem kann die
Anhörung auch in einem späteren gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden.
Neben dem Anhörungsrecht haben die Beteiligten in einem gewissen Rahmen auch
Akteneinsichtsrechte.
Bsp.: Vor der Entscheidung, eine Versammlung aufzulösen, kann die Polizei nicht alle Beteiligten
anhören, da dafür keine Zeit ist.
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Abschnitt IV: Öffentliches Recht
2. Die Form des Verwaltungsaktes
Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, mündlich oder in anderer Form erlassen werden. Wenn
er schriftlich erlassen wird, soll er in der Regel mit einer Begründung versehen sein. Der
Verwaltungsakt ist dem Betroffenen bekannt zu geben. Dies geschieht meist durch
Zustellung, seltener auch durch öffentliche Bekanntmachung.
Bsp.: Eine Baugenehmigung wird zumeist schriftlich erteilt und per Post zugestellt. Die
Aufforderung, eine Versammlung aufzulösen, erfolgt mündlich. Die Aufforderung, zur
Verkehrskontrolle beiseite zu fahren, geschieht durch Lichtzeichen oder winken. Es handelt sich
jeweils um Verwaltungsakte.
3. Die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes
Ein Verwaltungsakt wird sofort wirksam und ist damit, wenn er nicht befolgt wird, sofort
vollstreckbar. Hierin zeigt sich der Unterschied zwischen öffentlich-rechtlichem und
privatrechtlichem Handeln. Die Behörde muß nicht erst ein rechtskräftiges Urteil erklagen
und dieses dann vom Gerichtsvollzieher vollstrecken lassen. Sie kann sich selber eine
vollstreckbare Rechtsposition verschaffen.
Der von einem Verwaltungsakt betroffene Bürger kann jedoch gegen den Verwaltungsakt
Widerspruch einlegen oder vor den Verwaltungsgerichten klagen. Tut er dies, so hat es
aufschiebende Wirkung, der Verwaltungsakt wird also gewissermaßen ausgesetzt. Allerdings
entfällt die aufschiebende Wirkung, wenn es sich um einen Kostenbescheid oder um
unaufschiebbare Anordnungen von Polizeivollzugsbeamten handelt oder wenn die Behörde
die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet hat, weil ein besonderes öffentliches Interesse daran
besteht.
Bsp.: Die Aufforderung der Polizei, zur Verkehrskontrolle an die Seite zu fahren, wird nicht
dadurch unwirksam, daß man aus dem Autofenster "Widerspruch" schreit.
Wenn dagegen A gegen die sein baufälliges Haus betreffende Abrißverfügung Widerspruch
einlegt, ist die Verfügung zunächst nicht vollstreckbar. Die Behörde kann also mit dem Bagger
nicht anrücken, bis über den Widerspruch entschieden wurde. Besteht allerdings wegen der akuten
Gefahr für die Passanten ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung, so kann die
Behörde die sofortige Vollstreckbarkeit erklären. Wird dann nach Abriss des Hauses der
Verwaltungsakt von der Widerspruchsbehörde aufgehoben, so kommt allenfalls noch eine
Entschädigung in Betracht.
4. Das Widerspruchsverfahren
Das Widerspruchsverfahren ist eine Besonderheit des Verwaltungsrechts gegenüber den
anderen Rechtsbereichen. Es ist in den meisten Fällen notwendig, bevor eine Klage vor den
Verwaltungsgerichten zulässig ist und hat den Zweck, der Verwaltung vor dem Tätigwerden
eines Gerichts noch mal eine interne Überprüfung der Recht- und Zweckmäßigkeit des
Erlasses bzw. der Ablehnung eines Verwaltungsakts zu ermöglichen.
Widerspruch kann jeder einlegen, der durch den Erlaß oder die Ablehnung eines
Verwaltungsaktes möglicherweise in seinen Rechten verletzt ist.
Bsp.: A hat für sein Grundstück eine Baugenehmigung beantragt und erhalten. Nachbar B meint,
daß das geplante Gebäude zu nah an seinem Grundstück stehen würde. Er legt Widerspruch gegen
die Baugenehmigung ein.
C hat eine Gaststättenlizenz beantragt. Die Behörde lehnt die Erteilung der Lizenz ab. Auch
hiergegen muß C Widerspruch einlegen.
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Abschnitt IV: Öffentliches Recht
Der Widerspruch muß innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts
schriftlich bei der Behörde eingelegt werden, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Diese Frist
verlängert sich allerdings auf ein Jahr, wenn auf dem Verwaltungsakt keine
Rechtsbehelfsbelehrung abgedruckt ist, die die Frist und die zuständige Behörde enthält.
Wird die Einmonatsfrist versäumt, so ist der Verwaltungsakt in der Regel bestandskräftig und
kann nicht mehr vor Gericht angegriffen werden.
Über den Widerspruch entscheidet in der Regel die nächsthöhere Behörde. Sie kann den
Verwaltungsakt aufheben, abändern oder bestätigen. Hat der Widerspruch Erfolg, so trägt die
Behörde die notwendigen Auslagen des Widerspruchsführers und ihre eigenen Kosten. Hat er
keinen Erfolg, so hat der Antragsteller meistens die Kosten des Widerspruchverfahrens zu
tragen.
5. Übersicht über das Verwaltungsverfahren
Beginn durch Antrag oder auf Initiative der Verwaltung
Sachverhaltsermittlung, ggf. Anhörung der Betroffenen, ggf. Akteneinsicht der Beteiligten
Erlaß oder Ablehnung des Verwaltungsakts
max. 1 Monat
Widerspruch gegen Erlaß oder Ablehnung
wenn nicht vorläufig vollstreckbar: aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
Entscheidung der Widerspruchsbehörde
Verwaltungsakt wird aufgehoben
Verwaltungsakt wird bestätigt oder abgeändert
max. 1 Monat
Klage vor den Verwaltungsgerichten
V. Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten
Die Verwaltungsgerichte bieten Rechtsschutz gegen alle Arten des Verwaltungshandelns bzw.
der Untätigkeit der Verwaltung. Die drei wichtigsten Klagearten sind die Anfechtungs-, die
Verpflichtungs- und die allgemeine Leistungsklage.
1. Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage
Diese beiden Klagearten richten sich auf Aufhebung eines erlassenen bzw. auf Erlaß eines
abgelehnten Verwaltungsaktes. Der Klage muß jeweils das oben beschriebene
Widerspruchsverfahren vorausgehen. Andernfalls ist die Klage unzulässig. Die Klage muß
innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchbescheids erhoben werden.
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Abschnitt IV: Öffentliches Recht
2. Die allgemeine Leistungsklage
Diese Klage kann sich auf die Vornahme sämtlichen Verwaltungshandelns richten, das nicht
im Erlaß eines Verwaltungsakts besteht. Insbesondere kann so die Zahlung von Geld verlangt
werden.
3. Zuständigkeit
Zuständig ist das Verwaltungsgericht. Gegen seine Entscheidung kann Berufung beim
Oberverwaltungsgericht sowie dann Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt
werden.
Wichtig ist, daß die Verwaltungsgerichte das Verwaltungshandeln nur auf seine
Rechtmäßigkeit, nicht aber auf seine Zweckmäßigkeit hin überprüfen können. Hatte die
Verwaltung also einen Ermessensspielraum, so prüft das Gericht lediglich, ob alle relevanten
Faktoren berücksichtigt wurden, ob die gewählte Maßnahme den gewünschten Zweck
erreichen kann und ob sie das mildeste Mittel ist.
4. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
Zunehmend wichtiger wird im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der einstweilige
Rechtsschutz. Damit läßt sich immer dann in relativ kurzer Zeit ein vorläufiges Urteil
erreichen, wenn die Durchsetzung eines Rechts des Antragstellers durch Zeitablauf gefährdet
wird.
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Abschnitt V: Zivilrecht und Zivilprozeßrecht
Abschnitt V: Zivilrecht und Zivilprozeßrecht
Das Zivilrecht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen den Bürgern. Damit ist es das
umfangreichste, komplexeste und dynamischste Rechtsgebiet, da es die meisten der rechtlich
geregelten Bereiche des menschlichen Lebens erfaßt.
Das wichtigste Gesetz des Zivilrechts ist das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Es enthält
diejenigen Regelungen, die für alle Bürger relevant sind. Daneben gibt es noch zahllose
Einzelgesetze, die jeweils bestimmte Bereiche zum Gegenstand haben, etwa eine bestimmte
Berufsgruppe oder einen speziellen Wirtschaftszweig. Hier ist das wichtigste Gesetz
wiederum das Handelsgesetzbuch (HGB), das das Recht der Kaufleute enthält. Allerdings
kommen all diese Einzelgesetze immer nur im Zusammenspiel mit dem BGB zur Anwendung
und sind allein häufig gar nicht brauchbar.
Rechtsstreitigkeiten im Bereich des Zivilrechts werden im Zivilprozeß vor den ordentlichen
Gerichten ausgetragen. Die rechtliche Grundlage für diese Verfahren bildet die
Zivilprozeßordnung (ZPO).
I. Grundlagen des Zivilrechts
Das Zivilrecht basiert auf dem Gedanken, daß alle Menschen in Gleichheit und Freiheit
miteinander leben und keiner dem anderen gegenüber gegen seinen Willen zu etwas
verpflichtet ist. Verpflichtungen können somit nur auf freiwilliger Basis entstehen. Die
Selbstbindung hat dabei in der Regel den Zweck, daß auch ein anderer sich zu einem
bestimmten Verhalten verpflichtet. Da beide Parteien sich nur verpflichten, wenn für sie der
Vorteil aus der Verpflichtung des anderen höher ist als der Nachteil durch die eigene, liegt das
Ergebnis im beiderseitigen Interesse und ist damit nach liberalem Rechtsverständnis gerecht.
Bsp.: A verpflichtet sich zur Zahlung des Kaufpreises nur deshalb, weil B sich dann auch zur
Übergabe der von A gewünschten Kaufsache verpflichtet. A wird das nicht tun, wenn die
Kaufsache für ihn weniger wert ist, als der Preis, den er dafür zahlt. Will einer von beiden den
Vertrag nicht, so sind sie gegenseitig zu nichts verpflichtet.
Deshalb ist das wichtigste Instrument des Zivilrechts der Vertrag, der eine im Verhältnis
zwischen zwei oder mehr Parteien freiwillig eingegangene gegenseitige Verpflichtung
darstellt. Zum Abschluß eines solchen Vertrages ist niemand verpflichtet. Auch der Inhalt
eines Vertrages steht im Belieben der Vertragsparteien. Diesen Grundsatz bezeichnet man als
Vertragsfreiheit. Er bildet die Grundlage des liberalen Zivilrechts und ist durch das
Grundgesetz geschützt.
Allerdings ist das Bild der gleichberechtigten und freien Vertragspartner häufig nur eine
Fiktion. Tatsächlich bestehen vielfältige Zwänge und soziale Differenzen zwischen den
Menschen, die es dem Schwächeren unmöglich machen, seine Interessen in den
Vertragsverhandlungen wirksam zur Geltung zu bringen.
Bsp.: In Zeiten von Wohnungsknappheit stehen sich Vermieter und Wohnungssuchender nicht
gleichberechtigt gegenüber. Schließen sie einen Vertrag, so wird das Interesse des Vermieters
stärker zur Geltung kommen.
Aus diesem Grund ist das Prinzip der Vertragsfreiheit in vielen Bereichen eingeschränkt.
Meist geschieht das dadurch, daß bestimmte Vertragsinhalte verboten und andere zwingend
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Abschnitt V: Zivilrecht und Zivilprozeßrecht
vorgeschrieben werden. Seltener wird auch die eine Vertragspartei zum Abschluß eines
Vertrages gezwungen (sog. Kontrahierungszwang).
Bsp.: Schließen A und B einen Mietvertrag, so können sie keine unangemessen kurzen
Kündigungsfristen vereinbaren. Selbst wenn beide es wollen. Tun sie es, so sind die
entsprechenden Vertragsklauseln unwirksam und werden durch das Mietrecht des BGB ersetzt.
Anbieter von wichtigen Dienstleistungen im Bereich der Daseinsvorsorge (Strom, Wasser,
Telephon etc.) haben häufig Monopole in ihrem Bereich. Sie können nicht frei darüber
entscheiden, ob sie mit einem bestimmten Bürger einen Vertrag abschließen wollen oder nicht. Sie
sind zum Vertragsschluß gezwungen.
II. Die Geschichte des BGB
Das deutsche Zivilrecht geht, ebenso wie in den meisten kontinentaleuropäischen Ländern,
auf das römische Recht zurück. Diese Rechtsmasse wurde gegen Ende des römischen Reichs
zusammengefaßt und schriftlich festgehalten, verschwand dann für viele Jahrhunderte und
tauchte etwa im 13. Jahrhundert wieder auf. Es konnte sich im Laufe des Mittelalters und der
frühen Neuzeit in ganz Europa durchsetzen, da es ein hochentwickeltes Recht darstellte, das
einer komplexen Wirtschaft gewachsen war und dem grenzüberschreitenden Handel eine
einheitliche Rechtsgrundlage bot.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wuchs in Deutschland insbesondere aufgrund des
zunehmenden Handels zwischen den verschiedenen deutschen Staaten das Bedürfnis nach
einem einheitlichen Gesetzbuch. Es dauerte allerdings lange, bis im Kaiserreich endlich ein
hinreichend starker politischer Wille da war, der 1896 zur Verabschiedung des BGB führte.
Die Grundlage war das römische Recht in seiner durch die europäische Rezeption veränderten
Form. Am 1.1.1900 trat das BGB in Kraft. Es ist seitdem in seiner Systematik und in vielen
wichtigen Bereichen im wesentlichen unverändert geblieben. Seine Abstraktheit und
Komplexität haben sich als flexibel genug erwiesen, um mit den völlig veränderten
wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen der heutigen Gesellschaft angemessen
umzugehen. Nur politisch brisante Teile, wie etwa das Miet- und Familienrecht, wurden den
veränderten Gegebenheiten angepaßt, neue Bereiche (Reisevertragsrecht) aufgrund der
veränderten Lebensbedingungen eingefügt.
III. Der Aufbau des BGB
Das BGB besteht aus fünf Büchern: einem Allgemeinen Teil, dem Schuldrecht, Sachenrecht,
Familienrecht und Erbrecht.
1. Der Allgemeine Teil
Der Allgemeine Teil des BGB enthält diejenigen Regelungen, die für alle Teile des BGB
relevant sind und auf die immer wieder zurückgegriffen wird. Dieses Aufbauprinzip des BGB
wird als "vor die Klammer ziehen" bezeichnet. Es zieht sich durch das ganze BGB und hat
zum Ziel, all diejenigen Fragen und Probleme, die in unterschiedlichen Bereichen und
Zusammenhängen gleichermaßen auftauchen, durch eine allgemeine Regelung zu lösen.
Damit werden Einheitlichkeit geschaffen und widersprüchliche Ergebnisse vermieden.
Es sind im wesentlichen zwei Fragen, die solchermaßen abstrakt im allgemeinen Teil geregelt
sind: Welche Personen können im Rechtsverkehr Träger von Rechten und Pflichten sein?
Und: Wie können diese Personen im Rechtsverkehr handeln?
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Abschnitt V: Zivilrecht und Zivilprozeßrecht
Daneben gibt es noch eine Reihe einzelner Regelungen, etwa zur Berechnung von Terminen,
zum Lauf von Fristen und zur Verjährung von Ansprüchen.
Bsp.: Wenn A und B einen Kaufvertrag schließen wollen, dann finden sich die speziellen Regeln
über den Kauf im Schuldrecht. Wie aber generell ein Vertrag zustande kommt ist im Allgemeinen
Teil geregelt.
Auch wenn A und B Kaufleute sind und deshalb Handelsrecht auf sie anwendbar ist, gelten die
Regeln des Allgemeinen Teils über den Vertragsschluß.
Im Einzelnen wird auf den Inhalt des Allgemeinen Teils im Abschnitt VII eingegangen.
2. Das Schuldrecht
Das Schuldrecht enthält das Recht der Schuldverhältnisse. Als Schuldverhältnis bezeichnet
man jedes Rechtsverhältnis zwischen zwei Personen, aufgrund dessen die eine Person von der
anderen eine bestimmte Leistung verlangen kann.
Bsp.: A und B schließen einen Kaufvertrag über einen Computer zum Preis von DM 4.000,-.
Damit besteht zwischen ihnen ein Schuldverhältnis. Der Verkäufer A kann vom Käufer B eine
Leistung, nämlich die Zahlung von DM 4.000,- verlangen. Ebenso kann B von A die Übergabe des
Computers verlangen.
Auch das Schuldrecht ist wiederum in einen allgemeinen und einen besonderen Teil
untergliedert. Der Allgemeine Teil gilt für alle Schuldverhältnisse. Er enthält insbesondere
Regeln über die Leistungsstörungen, d.h. für alle Fälle in denen eine Leistung gar nicht oder
zu spät erbracht wurde. Daneben gibt es noch Vorschriften etwa zu den Fragen wo die
Leistung zu erbringen ist, wann die Verpflichtung zur Leistung endet oder wie zu verfahren
ist, wenn die Leistung an mehrere Personen erbracht werden soll.
Bsp.: A vereinbart mit dem Architekten B, dessen Computer bis zum 31. Oktober mit einer
Software für statische Berechnungen auszustatten. Wegen Arbeitsüberlastung kann A diesen
Termin nicht einhalten. Architekt B kann deshalb Aufträge im Wert von DM 10.000,- nicht
annehmen. Ob A diesen Schaden zu ersetzen hat, ergibt sich aus dem Allgemeinen Schuldrecht.
Der Besondere Teil des Schuldrechts enthält eine Reihe von unterschiedlichen
Schuldverhältnissen mit jeweils eigenen Regeln. Diese Spezialregeln ergänzen den
Allgemeinen Teil des BGB und den Allgemeinen Teil des Schuldrechts und treten manchmal
an deren Stelle.
Bsp.: A kauft bei B per Telephon einen Computer für DM 4.000,-. Sie vergessen zu vereinbaren,
ob A den Computer bei B holen oder B ihn zu A bringen soll. Diese Frage ist im allgemeinen
Schuldrecht geregelt und nicht im Kaufrecht.
Nach acht Monaten stellt A fest, daß der Computer einen Fehler auf der Festplatte hat. Er will
deshalb sein Geld zurück. B beruft sich auf die Verjährungsfristen des Kaufrechts, die für solche
Fälle sechs Monate betragen. A meint, es gälten die Verjährungsfristen des Allgemeinen Teils des
BGB, die 30 Jahre betragen. Vor Gericht wird B Recht behalten. Die spezielleren Regeln des
Kaufrechts gehen hier vor.
Im besonderen Schuldrecht unterscheidet man vertragliche Schuldverhältnisse, die auf
freiwilliger Vereinbarung der Parteien beruhen, und außervertragliche Schuldverhältnisse,
die ohne Zutun der Parteien zustande kommen.
Bsp.: Der Kaufvertrag zwischen A und B begründet ein vertragliches Schuldverhältnis. Wenn A
dagegen versehentlich einen Unfall verursacht, bei dem das Auto des B zerstört wird, so schuldet
A dem B Schadensersatz in Höhe des Wertes eines vergleichbaren neuen Wagens. Diese
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Abschnitt V: Zivilrecht und Zivilprozeßrecht
Verpflichtung kommt zustande, ohne daß A dies will. Es handelt sich deshalb um ein
außervertragliches Schuldverhältnis.
Das Recht der vertraglichen Schuldverhältnisse enthält Vorschriften zu einer Reihe von
häufig vorkommenden Vertragstypen, wie etwa dem Kaufvertrag, Mietvertrag,
Dienstvertrag oder Werkvertrag. Da die Vertragsfreiheit jedoch den Parteien die Möglichkeit
eröffnet, frei über den Inhalt eines Vertrages zu entscheiden, ist die Liste der Vertragstypen
im Besonderen Schuldrecht nicht abschließend. Man kann auch Verträge abschließen, die dort
nicht erwähnt sind.
Bsp.: Der häufig vorkommende Leasingvertrag etwa ist bisher nicht im BGB geregelt, da er erst in
den letzten Jahrzehnten entstanden ist. Man kann jedoch auch völlig neue Verträge erfinden.
Im Gegensatz dazu ist die Liste der außervertraglichen Schuldverhältnissen abschließend im
BGB sowie in einigen Nebengesetzen enthalten. Da außervertragliche Schuldverhältnisse
nicht auf einer freiwilligen Entscheidung des Verpflichteten beruhen, müssen sie ausdrücklich
im Gesetz geregelt sein. Der wichtigste Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse ist
das Recht der unerlaubten Handlungen. Es enthält Schadensersatzansprüche für die
Verletzung bestimmter Rechtsgüter oder für den Verstoß gegen bestimmte Rechtsnormen.
Im Einzelnen wird auf den Inhalt des Schuldrechts in den Abschnitten VIII, X und XI
eingegangen.
3. Das Sachenrecht
Das Sachenrecht enthält Regeln über das Rechtsverhältnis zwischen Personen und Sachen.
Sachen sind alle beweglichen und unbeweglichen körperlichen Gegenstände.
Bsp.: Bei einem Computer oder einem Grundstück handelt es sich um Sachen. Ein
Computerprogramm ist dagegen keine Sache, da es nicht körperlich ist. Ebenso wenig ein
Patentrecht oder eine Forderung gegen eine andere Person.
Das wichtigste und umfassendste Recht an einer Sache ist das Eigentum. Der Eigentümer
kann mit einer Sache tun oder lassen was er will, solange er nicht Rechte Dritter oder Gesetze
verletzt.
Bsp.: Der Eigentümer eines Autos kann dieses in der Garage verrosten lassen oder täglich zum
Fahren nutzen. Er darf allerdings in Ortschaften nicht 180 km/h fahren. Dieses Recht umfaßt das
Eigentum nicht, weil andere Gesetze entgegenstehen.
Vom Eigentum zu unterscheiden ist der Besitz. Wenn der allgemeine Sprachgebrauch beide
Begriffe auch meist synonym benutzt, bedeuten sie juristisch etwas völlig anderes. Besitzer
einer Sache ist derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft ausübt, der die Sache also
gewissermaßen in der Hand hat und sie kontrolliert. Das muß nicht immer der Eigentümer
sein. Eigentum und Besitz können auseinanderfallen und tun dies auch häufig.
Bsp.: A ist Eigentümer eines Autos. Solange er das Auto fährt oder es in seiner Garage steht, ist er
auch Besitzer des Autos. Wenn er das Auto aber an B vermietet, ist B Besitzer. Auch wenn das
Auto von C aus der Garage gestohlen wird, ist C Besitzer, obwohl er natürlich nicht Eigentümer
wird und den Wagen an A zurückgeben muß.
Wichtig sind die Vorschriften über den Übergang des Eigentums von einer Person auf die
andere. Dieser Eigentumsübergang setzt bei beweglichen Sachen in der Regel zwei
Rechtshandlungen voraus: 1. einen Vertrag zwischen Eigentümer und Erwerber über den
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Abschnitt V: Zivilrecht und Zivilprozeßrecht
Eigentumsübergang (die sog. dingliche Einigung) und 2. die Übergabe der Sache. Bei
Grundstücken muß zu dem Vertrag statt der Übergabe die Eintragung des Eigentumswechsels
ins Grundbuch (Auflassung) hinzukommen.
Bsp.: A ist Eigentümer eines Autos, das Eigentum des B werden soll. Erforderlich ist eine
Einigung zwischen A und B über den Eigentumsübergang und die Übergabe des Autos von A an
B. Solange das Auto noch bei A in der Garage steht, ist B noch nicht Eigentümer geworden.
Die Regeln über den Eigentumsübergang basieren auf dem sogenannten
Abstraktionsprinzip. Dabei handelt es sich um eine Eigenart der deutschen Rechts.
Nach dem Abstraktionsprinzip unterscheidet man streng zwischen dem schuldrechtlichen
Verpflichtungsgeschäft und dem sachenrechtlichen Verfügungsgeschäft. Bei beiden handelt
es sich um Verträge. Das Verpflichtungsgeschäft beinhaltet jedoch nur die Verpflichtungen
der beiden Parteien zur Erbringung einer bestimmten Leistung. Es bildet damit die rechtliche
Grundlage für die Leistungserbringung, ändert aber nichts an den Eigentumsverhältnissen.
Das Verfügungsgeschäft führt dagegen nicht zu Verpflichtungen der Parteien sondern nur zu
einer Veränderung in den Eigentumspositionen. Es stellt damit die Erfüllung der
Verpflichtungen der Parteien dar.
Bsp.: A verkauft B am 1. Oktober einen Computer zum Preis von DM 4000,-. Da der Computer
noch nicht auf Lager ist, soll er erst am 10. Oktober an B geliefert werden. Auch soll B erst dann
zahlen.
Bei dem Vertrag handelt es sich um ein Verpflichtungsgeschäft. A wird zur Übereignung des
Computers an B, B zur Zahlung von DM 4000,- an A verpflichtet. Die Eigentumslage ändert sich
aber nicht. A bleibt Eigentümer des Computers, B Eigentümer der DM 4000,-.
Am 10. Oktober liefert A den Computer an B aus. B übergibt ihm dafür DM 4000,-. Rechtlich
werden hier wieder zwei Verträge geschlossen: jeweils ein Vertrag über den Übergang des
Eigentums an dem Computer und an den Geldscheinen. Insgesamt bedarf es also dreier Verträge,
um das Geschäft zwischen A und B abzuwickeln.
Die drei Verträge können auch zusammenfallen. Wenn C am Kiosk eine Zeitung kauft dann
werden auch hier rechtlich drei Verträge geschlossen: ein Verpflichtungsgeschäft, ein
Verfügungsgeschäft über die Zeitung und eines über das Geld.
Das Abstraktionsprinzip ist auch wichtig zum Verständnis der beiden Rechtsinstitute
Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung. Bei beiden handelt es sich um Mittel zur
Sicherung von Geldforderungen, die vom BGB nicht vorgesehen sind und sich erst später
entwickelt haben.
Der Eigentumsvorbehalt dient dem Verkäufer von beweglichen Sachen zur Sicherung seiner
Kaufpreisforderung, wenn der Käufer nicht sofort bezahlt. Dabei wird die Einigung über den
Eigentumsübergang von der Bedingung abhängig gemacht, daß der Käufer den Kaufpreis
vollständig zahlt. Solange das nicht geschieht, wird die Einigung nicht wirksam und der
Verkäufer bleibt Eigentümer der Ware. Fällt der Käufer dann in Insolvenz, kann der
Verkäufer sich die Ware, die noch sein Eigentum ist, zurückholen oder den Erlös aus ihrer
Verwertung verlangen. Er ist damit gegenüber anderen Gläubigern privilegiert, die nur einen
kleinen Anteil ihrer Forderungen aus der Insolvenzmasse erhalten.
Bsp.: Wenn im obigen Fall der Computer sofort von A geliefert wird, B aber erst später zahlen
kann, dann tut A gut daran, einen Eigentumsvorbehalt zu vereinbaren. Er bleibt dann Eigentümer
des Computers und kann auf diesen zugreifen, wenn B nicht zahlen sollte.
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Abschnitt V: Zivilrecht und Zivilprozeßrecht
Die Sicherungsübereignung ist ein Kreditsicherungsmittel. Sie ermöglicht es Unternehmern,
Kredite zur Finanzierung von Betriebsmittel auch dann aufzunehmen, wenn keine
Sicherheiten (etwa in Form von Immobilien) vorhanden sind.
Der Unternehmer leiht sich von einem Kreditgeber Geld zum Kauf der benötigten
Gegenstände. Zur Sicherheit für den Kredit werden die erworbenen Gegenstände an den
Kreditgeber übereignet, bleiben jedoch beim Kreditnehmer, der sie zum Betrieb seines
Unternehmens nutzt und so das geliehene Geld wieder erwirtschaften kann. Der Kreditgeber
ist dann Eigentümer der Gegenstände, der Kreditnehmer nur Besitzer. Die Situation ähnelt der
einer unentgeltlichen Leihe. Im Insolvenzfall kann der Kreditgeber direkt auf sein Eigentum
zurückgreifen. Zahlt der Kreditnehmer den Kredit ab, so fallt das Eigentum an den
Gegenständen an ihn zurück.
Bsp.: Wenn im obigen Fall der B kein Geld hat, um den Computer zu bezahlen, kann er sich um
das Darlehen einer Bank bemühen. Diese wird allerdings eine Kreditsicherheit verlangen. Mangels
anderer Vermögenswerte kommt dafür nur der Computer selbst in Betracht. Diesen benötigt B
jedoch zum Betrieb seines Unternehmens. Deshalb wird der Computer der Bank nur zur Sicherheit
übereignet, verbleibt aber beim B, der ihn weiter nutzen kann. Zahlt B den Kredit zurück, wird der
Computer wieder sein Eigentum.
Neben dem Eigentum an einer Sache gibt es noch beschränkte Rechte an einer Sache. Der
Inhaber eines solchen Rechts an einer Sache kann also nicht alles mit einer Sache tun sondern
nur bestimmte Dinge. Die wichtigsten beschränkten Rechte an einer Sache sind die Hypothek
und die Grundschuld. Beide können nur an Grundstücken bestehen. Genau wie
Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung dienen auch sie dem Zweck, eine Forderung,
die der Inhaber der Hypothek oder Grundschuld gegen eine andere Person hat, zu sichern.
Wenn auf die Forderung nicht bezahlt wird, kann der Inhaber der Hypothek oder Grundschuld
das Grundstück zwangsweise versteigern lassen und sich aus dem Erlös den Betrag nehmen,
der ihm zusteht.
Bsp.: A hat dem B eine Computeranlage im Wert von DM 20.000,- verkauft und geliefert. Da B
nicht gleich zahlen kann, wird dem A eine Grundschuld an einem Grundstück des B bestellt. Dies
geschieht durch einen Vertrag zwischen A und B und durch die Eintragung der Grundschuld ins
Grundbuch. Wenn B die DM 20.000,- nicht zahlt, kann A das Grundstück zwangsweise
versteigern lassen.
4. Familien- und Erbrecht
Die letzten beiden Bücher des BGB sind für das Wirtschaftsleben wenig
Familienrecht enthält Regeln über die Eheschließung, die Wirkungen der
Verhältnis zwischen den Ehegatten sowie über das Eltern-Kind Verhältnis.
regelt die gesetzliche Erbfolge sowie die Möglichkeiten und
Testamentserrichtung.
relevant. Das
Ehe und das
Das Erbrecht
Folgen der
IV. Weitere Rechtsgebiete des Zivilrechts
Das BGB stellt nur den Kern des Zivilrechts dar. Daneben gibt es noch zahlreiche weitere
Rechtsbereiche mit eigenen gesetzlichen Grundlagen. Zu nennen sind etwa das Handels- und
Gesellschaftsrecht mit dem Handelsgesetzbuch, dem GmbH-Gesetz und dem Aktiengesetz
(vgl. Abschnitt XIII ff.). Ebenfalls ins Zivilrecht gehört das Arbeitsrecht, das größtenteils im
Arbeitsgesetzbuch geregelt ist (vgl. Abschnitt IX). In das BGB hinein wirken das Gesetz über
die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. Abschnitt VII) und das Produkthaftungsgesetz
(vgl. Abschnitt XI).
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Abschnitt V: Zivilrecht und Zivilprozeßrecht
V. Das Zivilprozeßrecht
Das Zivilprozeßrecht enthält zunächst die Regeln über den Ablauf der Verfahren vor den
Zivilgerichten, in denen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines geltend gemachten
Anspruchs entschieden wird (sog. Erkenntnisverfahren). Daneben umfaßt das
Zivilprozeßrecht auch die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung, durch die das
gerichtliche Urteil ggf. gegen den Willen der Verurteilten durchgesetzt wird.
1. Grundprinzipien des Zivilprozesses
Zivilverfahren unterscheiden sich von Verfahren vor den Straf- oder Verwaltungsgerichten
durch die wesentlich dominierendere Rolle der Parteien. Sie sind es, die den Prozeß beginnen,
seinen Inhalt und Umfang bestimmen und alle notwendigen Beweise beibringen müssen.
Die klagende Partei behauptet in der Klageschrift einen bestimmten Sacherhalt, begründet
darauf eine entsprechende Rechtsfolge und stellt die Anträge, die zur Verwirklichung dieser
Rechtsfolge notwendig sind. In der Regel lautet der Antrag auf Verurteilung der anderen
Partei zu einer bestimmten Leistung. Die beklagte Partei antwortet auf die Klageschrift
meistens, indem sie den behaupteten Sachverhalt bestreitet, entsprechend eine andere
Rechtsfolge ableitet und den Antrag stellt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht ist nun an diesen Sachverhaltsvortrag und an die gestellten Anträge gebunden. Es
kann nur darüber entscheiden, ob sich das von einer Partei behauptete tatsächliche Geschehen
wirklich so zugetragen hat und es kann den Anträgen der Parteien folgen oder sie ablehnen.
Das Gericht kann nicht von sich aus Nachforschungen über andere Aspekte des Sachverhalts
anstellen oder gänzlich anders entscheiden als von den Parteien beantragt. Wenn es die
Notwendigkeit weiterer Nachforschungen oder eines bestimmten Antrags sieht, kann es die
Parteien nur darauf hinweisen, daß es sinnvoll wäre, sich entsprechend zu verhalten.
Bsp.: A behauptet, daß B ihm aus einem Kaufvertrag DM 2000,- schulde. Er trägt vor, der Vertrag
sei zu einem bestimmten Tag in seinem Geschäft geschlossen worden und beantragt die
Verurteilung des B zur Zahlung von DM 2000,-. B bestreitet das und beantragt Klageabweisung.
Das Gericht darf nicht untersuchen, ob der Kaufvertrag vielleicht per Telephon zustande kam.
Ebenso wenig darf es B verurteilen, die Kaufsache zurück zu geben. Es ist an den Antrag des A,
der auf Zahlung lautet, gebunden.
2. Klageerhebung und Versäumnisverfahren
Ein Zivilverfahren beginnt in der Regel durch die Klageerhebung seitens einer Partei. Die
Klageschrift wird der beklagten Partei zugestellt. Diese hat dann zwei Wochen Zeit, zu
erklären, ob sie sich gegen die Klage verteidigen will. Erfolgt während dieser Frist keine
Erklärung, so ergeht, wenn die von dem Kläger vorgetragenen Tatsachen den Antrag
schlüssig begründen, auf Antrag des Klägers ein Versäumnisurteil, aus dem der Kläger
vollstrecken kann. Das Versäumnisurteil enthält keine eigentliche Entscheidung über den
geltend gemachten Anspruch sondern beruht allein darauf, daß der Vortrag in der Klageschrift
als richtig unterstellt wird, weil die beklagte Partei nicht fristgerecht reagiert hat. Nur
ausnahmsweise kann die Versäumung der Frist nachträglich entschuldigt werden.
3. Mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme
Erklärt der Beklagte, daß er sich verteidigen wolle, so muß er innerhalb einer weiteren vom
Gericht zu bestimmenden Frist eine Klageerwiderung einreichen. Das Gericht bereitet dann
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39
Abschnitt V: Zivilrecht und Zivilprozeßrecht
eine mündliche Verhandlung vor, in der über den geltend gemachten Anspruch entschieden
wird.
Dazu muß über alle Tatsachen, die für die Entscheidung relevant und zwischen den Parteien
streitig sind, Beweis erhoben werden. Dies kann durch Zeugenaussagen,
Sachverständigengutachten, Urkunden, Inaugenscheinnahme oder Parteivernehmung der
Gegenseite geschehen. Auf der Grundlage der erhobenen Beweise bildet sich das Gericht ein
Urteil über das tatsächliche Geschehen
Wo allerdings die Beweise kein Urteil zulassen, da entscheidet die Beweislast. Wenn eine
Partei die Beweislast für eine bestimmte Tatsache trägt, dann muß sie das Gericht von ihrer
Version des Geschehens überzeugen. Gelingt ihr das nicht, so entscheidet das Gericht zu
Gunsten der anderen Partei. In der Regel trägt eine Partei immer die Beweislast für alle
Behauptungen, die für sie günstig sind. Allerdings gibt es hierzu eine Reihe von Ausnahmen.
Die Verteilung der Beweislast ist häufig entscheidend für den Ausgang eines Prozesses.
Bsp.: Wenn A behauptet, B schulde ihm Geld aus einem Kaufvertrag und B bestreitet, daß
überhaupt ein Kaufvertrag geschlossen wurde, so trägt A die Beweislast für den Abschluß des
Vertrages. Wenn B dagegen behauptet, er habe schon lange gezahlt, so trägt B dafür auch die
Beweislast.
4. Urteil und Rechtsmittel
Im Anschluß an die mündliche Verhandlung ergeht das Urteil. Gegen dieses sind
verschiedene Rechtsmittel möglich, je nachdem vor welchem Gericht der Prozeß begonnen
hat. Für Verfahren mit einem Streitgegenstand bis DM 10.000,- ist in erster Instanz das
Amtsgericht zuständig und gegen das Urteil ist allein die Berufung vor dem Landgericht
möglich. Bei höheren Streitwerten beginnt der Prozeß vor dem Landgericht und es sind
Berufung vor dem Oberlandesgericht sowie dann Revision zum Bundesgerichtshof, wenn sie
zugelassen wird, gegeben.
Wird kein Rechtsmittel eingelegt oder ist keines mehr möglich, so wird das Urteil
rechtskräftig. Es kann dann im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden.
5. Das Mahnverfahren
Das Mahnverfahren stellt eine besondere Verfahrensart dar. Es wurde eingeführt, um dem
Gläubiger für Forderungen, denen der Schuldner nichts entgegenzusetzen hat, schnell die
Zwangsvollstreckung zu ermöglichen. Das Mahnverfahren ist jedoch nur zulässig bei
Geldforderungen die nicht von einer Gegenleistung abhängig sind oder deren Gegenleistung
bereits erbracht wurde.
Bsp.: A verkauft B einen Computer und liefert diesen sofort aus. B, der zwei Wochen nach
Lieferung zahlen soll, tut dies nicht. A kann nun wegen seiner Forderung ein Mahnverfahren
einleiten.
Ist allerdings vereinbart, daß B zwei Wochen nach Vertragsschluß zahlen und A erst danach
liefern soll, so kann A, wenn B nicht zahlt, kein Mahnverfahren einleiten, da er seine eigene
Leistung noch nicht erbracht hat.
Das Mahnverfahren wird durch Antrag des Gläubigers eingeleitet. Das Gericht stellt dann
dem Schuldner einen Mahnbescheid zu mit der Aufforderung, innerhalb von zwei Wochen zu
zahlen oder Widerspruch einzulegen. Geschieht beides nicht, so erläßt das Gericht einen
Vollstreckungsbescheid, aus dem der Gläubiger vollstrecken kann. Ähnlich wie beim
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Abschnitt V: Zivilrecht und Zivilprozeßrecht
Versäumnisurteil prüft das Gericht auch hier nicht, ob der geltend gemachte Anspruch
wirklich berechtigt ist.
Legt der Schuldner Widerspruch ein, so muß der Gläubiger seinen Anspruch begründen und
es folgt ein normales Verfahren mit mündlicher Verhandlung.
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Abschnitt V: Zivilrecht und Zivilprozeßrecht
6. Überblick über den Gang eines Zivilverfahrens
Erhebung der Klage beim zuständigen Gericht:
bis DM 10.000,- Streitwert: Amtsgericht
über DM 10.000,- Streitwert: Landgericht
Zustellung der Klage beim Beklagten
max. 2 Wochen
Erklärung der Verteidigungsbereitschaft
bei Fristversäumnis
Versäumnisurteil
Zwangsvollstreckung
max. 2 Wochen
Klageerwiderung
Vorbereitung der mündlichen Verhandlung
mündliche Verhandlung
Urteil
Rechtsmittel eingelegt:
vom Amtsgericht:
Berufung zum Landgericht
vom Landgericht:
Berufung zum OLG
kein Rechtsmittel eingelegt
Zwangsvollstreckung
Revision zum BGH
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42
Abschnitt VI: Europarecht
Abschnitt VI: Europarecht
Das Europarecht ist eine Rechtsordnung eigener Art, die die nationalen Rechtsordnungen der
Mitgliedsstaaten der EU zunehmend durchdringt und überwölbt. Es entsteht im
zusammenwirken der nationalen Regierungen sowie durch Rechtsetzungsakte der
unterschiedlichen Institutionen der EU.
I. Entstehungsgeschichte der Europäischen Gemeinschaften
1. Die drei Ursprungsverträge
Die europäische Union beruht bis heute auf drei völkerrechtlichen Verträgen, die in den
fünfziger Jahren geschlossen wurden und auf der Erkenntnis beruhten, daß nur ein
zusammenwachsendes Europa die wirtschaftliche und politische Stabilität der Region sichern
könne.
Der erste der drei Verträge wurde am 18. April 1951 unterzeichnet und bildet die Grundlage
für die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, sogenannte Montanunion).
Er sollte die wegen ihrer militärischen Bedeutung als besonders wichtig angesehenen
Bereiche der Kohle- und Stahlproduktion vereinheitlichen.
Nachdem der Versuch der Gründung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG)
gescheitert war, wurden am 25. März 1957 die beiden römischen Verträge unterzeichnet. Es
handelte sich um den Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWGVertrag), der einen gemeinsamen europäischen Markt errichtete, und den Vertrag über die
Europäische Atomgemeinschaft (Euratom-Vertrag), der die gemeinsame friedliche Nutzung
der Kernenergie zum Ziel hatte. Die drei Verträge verfügten über gemeinsame Organe, die
ihre Umsetzung überwachen sollten.
2. Die Fortsetzung des Einigungsprozesses
Der nächste große Schritt auf dem Weg der europäischen Einigung war die Einheitliche
Europäische Akte von 1986, die insbesondere die Errichtung des Binnenmarktes einläutete.
Schließlich wurden die drei ursprünglichen Verträge durch den Maastrichter Vertrag und
den Vertrag von Amsterdam grundlegend überarbeitet. Die beiden Verträge brachten die
Begründung der Europäischen Union als politischer Gemeinschaft, die verstärkte
Zusammenarbeit in den Bereichen der Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Innen- und
Rechtspolitik, die Einleitung der Wirtschaft- und Währungsunion, eine Ausweitung der
Kompetenzen von Europäischem Parlament und Europäischem Gerichtshof, sowie eine
Ausdehnung der Kompetenzen der Gemeinschaft auf weitere Politikbereiche.
Trotz der zahlreichen Veränderungen beruht die Europäische Union auch heute noch im
wesentlichen auf den drei Ursprungsverträgen, die rechtlich immer noch getrennte Verträge
und damit getrennte Gemeinschaften darstellen.
II. Die Institutionen der Gemeinschaft
1. Der Ministerrat
Der Ministerrat ist das wichtigste Entscheidungs- und Rechtsetzungsgremium der EU. Er
besteht aus jeweils einem Vertreter der Mitgliedsländer. In der Regel handelt es sich um die
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43
Abschnitt VI: Europarecht
für das jeweilige Sachgebiet zuständigen Fachminister der nationalen Regierungen. Je nach
Bedeutung des Gegenstands entscheidet der Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit oder
einstimmig. Der Ministerrat erläßt, teilweise unter Mitwirkung anderer Organe, die
Rechtsakte der EU und beschließt gemeinsam mit dem Parlament über den Haushalt.
2. Der Europäische Rat
Der Europäische Rat besteht aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten. Er hat
insbesondere die Aufgabe, allgemeine politische Leitlinien festzulegen und politische Impulse
zu geben.
3. Die Kommission
Die Kommission ist die zentrale Institution der EU und in Ansätzen einer Regierung
vergleichbar. Anders als der Ministerrat, der zwar ein EU-Organ ist aber aus Vertretern der
nationalen Regierungen besteht, sind die Mitglieder der Kommission primär für Europa tätig
und damit weniger Interessenkonflikten ausgesetzt.
Die Kommission besteht aus ihrem Präsidenten und maximal 20 Kommissaren. Der Präsident
wird von den Mitgliedsstaaten benannt und sodann vom Parlament gewählt. Er ernennt im
Einvernehmen mit den Mitgliedsstaaten die Kommissare. Schließlich bedarf das gesamte
Gremium der Zustimmung durch das Parlament.
Die Kommission gilt als die "Hüterin der Verträge". Sie ist also dafür zuständig, die
Einhaltung der drei Gründungsverträge sowie des auf Grundlage der Verträge erlassenen
Gemeinschaftsrechts zu überwachen. Wenn sie Anzeichen für Rechtsverstöße sieht, kann sie
vor dem Europäischen Gerichtshof Klage erheben.
Eigene Entscheidungskompetenzen hat die Kommission nur in wenigen Bereichen, so etwa
bei der Genehmigung von Beihilfen und Subventionen. Allerdings wirkt die Kommission
maßgeblich bei der Rechtsetzung durch den Ministerrat mit. Ohne einen Vorschlag der
Kommission kann der Rat nicht beschließen und in der Regel entspricht der Vorschlag auch
inhaltlich dem späteren Rechtsetzungsakt.
4. Das Europäische Parlament
Das Europaparlament ist die Vertretung der Völker der Mitgliedsstaaten. Es wird seit 1979
alle fünf Jahre direkt von den Bürgern gewählt und umfaßt maximal 700 Abgeordnete. Da
den einzelnen Mitgliedsstaaten feste Abgeordnetenzahlen zugewiesen werden, stellt das
Europäische Parlament keine repräsentative Vertretung der europäischen Wähler dar (auf
einen Abgeordneten aus Luxemburg entfallen deutlich weniger Wähler als auf einen aus der
Bundesrepublik Deutschland).
Trotz einiger Verbesserungen im Amsterdamer Vertrag sind die gesetzgeberischen
Befugnisse des Parlaments immer noch begrenzt. Es hat keine Initiativ- sondern lediglich in
einigen Bereichen Mitbestimmungsrechte. Allerdings kann das Parlament die Kommission
auffordern, Vorschläge zu bestimmten Fragen zu erarbeiten.
Daneben kann das Parlament durch die Ausübung von Anhörungs- und Kontrollrechten
Einfluß nehmen. In einigen Bereichen ist die erfolgte Anhörung Voraussetzung für die
Wirksamkeit von Rechtsakten des Rates.
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Abschnitt VI: Europarecht
Der Haushalt der EU wird gemeinsam von Rat und Parlament beschlossen, wobei der
Vorschlag vom Rat ausgeht, das Parlament aber den Haushalt ganz ablehnen oder in einigen
Punkten selbständig abändern kann.
Die Kommission bedarf nicht nur zu ihrer Ernennung der Zustimmung des Parlaments
sondern kann auch durch ein Mißtrauensvotum des Parlaments zum Rücktritt gezwungen
werden. Zudem ist die Kommission verpflichtet, Fragen des Parlaments zu beantworten.
Schließlich hat das Parlament noch Kontrollrechte bei der Ausführung des Haushaltsplans
und es besteht die Möglichkeit, Ausschüsse zur Untersuchung von Rechtsverstößen
einzusetzen.
5. Die Europäische Gerichtsbarkeit
Die Gerichtsbarkeit auf europäischer Ebene wird durch den Europäischen Gerichtshof
(EuGH) und das ihm untergeordnete Gericht erster Instanz ausgeübt. Die Existenz eines
einheitlichen Gerichts der Gemeinschaft war und ist von großer Bedeutung für den
Integrationsprozeß, da der euch in der Regel zugunsten der weitreichenden und effektiven
Geltung des Europarechts urteilt.
Der EuGH besteht aus 13 Richtern, die auf sechs Jahre gewählt sind. Unterstützt wird das
Gericht von sechs Generalanwälten, die Stellungnahmen zu den Verfahren abgeben, denen
das Gericht häufig folgt.
Der EuGH entscheidet in verschiedenen Verfahren über mögliche Verstöße gegen
europäisches Recht. Zunächst einmal kann er von der Kommission oder einem Mitgliedsstaat
angerufen werden, wenn diese der Meinung sind, ein Staat habe eine Vertragsverletzung
begangen. Sodann entscheidet das Gericht auf Antrag eines Staates, der Kommission, des
Rates oder eines Bürgers über Rechtsverstöße durch die Organe der EU. Diese Verfahrensart
ist besonders wichtig zum Schutz der Rechte von Bürgern etwa im Landwirtschaft- oder
Wettbewerbsrecht. Schließlich haben die nationalen Gerichte das Recht und in
letztinstanzlichen Verfahren sogar die Pflicht, Rechtsfragen, die die Auslegung von
Gemeinschaftsrecht betreffen, dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen.
Das Gericht erster Instanz wurde errichtet, um den EuGH zu entlasten und eine vertikale
Gliederung der europäischen Gerichtsbarkeit einzuleiten. Es ist in bestimmten Bereichen, wie
etwa Streitigkeiten zwischen der EU und ihren Bediensteten als erste Instanz zuständig.
6. Sonstige Institutionen
Neben den Genannten bestehen noch weitere, weniger wichtige Institutionen der EU. Zu
nennen sind hier der Wirtschaft- und Sozialausschuß und der Ausschuß der Regionen, die
jeweils eine beratende Funktion haben, die Europäische Zentralbank, die die Währungspolitik
festlegt, sowie der Rechnungshof, der die Haushaltseinnahmen und –ausgaben auf ihre
Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit hin überprüft.
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Abschnitt VI: Europarecht
7. Überblick über die wichtigsten Institutionen der EU
Europäischer Rat
politische Initiativen
Frage- und Kontrollrechte
Mißtrauensvotum
Europ. Parlament
Ministerrat
Anhörungsrecht
Kommission
Vorschläge
EuGH
Kontrolle auf
Rechtmäßigkeit
teilw. Mitbestimmung
Rechnungshof
Vorschlag
Zentralbank
Zustimmung
Kontrolle
Haushaltsplan
Rechtsetzung
Entscheidungen
Währungspol.
III. Rechtsquellen des Europarechts
Das Europarecht wird unterschieden in primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht. Das
primäre Gemeinschaftsrecht findet sich in den drei Gründungsverträgen in ihrer jeweils
geänderten Form. Es ist gewissermaßen das Verfassungsrecht der EU. Das sekundäre
Gemeinschaftsrecht stellen all diejenigen Rechtsnormen dar, die aufgrund der im primären
Recht enthaltenen Kompetenzzuweisungen von den Organen der EU erlassen wurden. Hierzu
gibt es im wesentlichen drei verschiedene Arten von Rechtsquellen: Verordnungen,
Richtlinien und Entscheidungen.
1. Verordnungen
Verordnungen sind abstrakt-generelle Regelungen, die für alle Mitgliedsstaaten sowie für die
Bürger verbindlich sind und unmittelbar gelten, also keiner Umsetzungsakte durch die
Mitgliedsstaaten bedürfen.
2. Richtlinien
Richtlinien haben die Vereinheitlichung der europäischen Rechtsordnungen zum Ziel. Dazu
werden bestimmte gesetzgeberische Ziele vorgegeben. Es wird jedoch den einzelnen
Mitgliedsstaaten überlassen, wie sie diese Ziele gesetzestechnisch durch Änderungen der
nationalen Rechtsordnung erreichen.
Die Richtlinien sind deshalb auch zunächst nicht für die Bürger sondern nur für die
Gesetzgebungsorgane der Mitgliedsstaaten verbindlich. Diesen werden bestimmte Fristen
auferlegt, innerhalb derer die Richtlinie in nationales Recht umzuwandeln ist. Erfolgt dies
nicht rechtzeitig, so wird das betreffende Land in der Regel vor dem EuGH verklagt. Nach der
Rechtsprechung des EuGH können sich die Bürger allerdings in bestimmten Fällen auch
direkt auf die Richtlinie berufen, wenn der betreffende Staat sie nicht rechtzeitig umsetzt.
Zudem kann der Staat sich bei Verzögerungen der Transformation schadensersatzpflichtig
machen.
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Abschnitt VI: Europarecht
Bsp.: Das deutsche Produkthaftungsgesetz entspringt etwa einer EU-Richtlinie. Diese hatte nur das
Ziel einer Haftung des Herstellers für bestimmte Fehler seiner Produkte angegeben. Die konkrete
Umsetzung blieb dem Bundestag überlassen.
Aufgrund dieses indirekten Gesetzgebungsverfahrens ist häufig nicht erkennbar, welche Teile
des deutschen Rechts letztlich aus dem Europarecht stammen. Die Bedeutung des
Europarechts wird so nur auf den zweiten Blick deutlich.
3. Entscheidungen
Entscheidungen sind Rechtshandlungen zur Regelung von Einzelfällen. Sie sind somit dem
deutschen Verwaltungsakt vergleichbar. Die Entscheidungen sind nur für den jeweiligen
Adressaten verbindlich und sie gelten unmittelbar, ohne die Notwendigkeit innerstaatlicher
Umsetzungsakte.
Bsp.: Die Gewährung von Beihilfen etwa durch ein deutsches Bundesland bedarf der
Genehmigung durch die EU-Kommission. Die Entscheidung über diese Genehmigung wirkt
unmittelbar gegenüber dem Unternehmen, das die Beihilfe bekommen soll.
IV. Verhältnis von Europarecht und nationalem Recht
1. Europarecht und einfaches deutsches Recht
Es ist heute anerkannt, daß das Europarecht dem einfachen Recht der Mitgliedsstaaten
vorgeht. Dies ergibt sich aus der in den Gründungsverträgen enthaltenen Kompetenz zur
verbindlichen Rechtsetzung durch die Organe der EU. Zudem handelt es sich bei den
Gründungsverträgen sowie bei dem auf diesen beruhenden Sekundärrecht um supranationales
Recht, das also über dem nationalen Recht steht.
Deutsches Recht, das mit europäischen Rechtsnormen nicht vereinbar ist, ist damit ungültig
und darf von deutschen Gerichten und Behörden nicht angewandt werden.
Demokratietheoretisch läßt sich dies dadurch rechtfertigen, daß der deutsche Gesetzgeber
durch die Ratifikation der Gründungsverträge und ihrer Änderungen seine
Gesetzgebungskompetenz in bestimmten Bereichen auf die europäischen Organe übertragen
hat. Nur in diesen Bereichen kann denn auch das Europarecht dem deutschen Recht vorgehen.
In allen anderen Bereichen bleibt die Gesetzgebungskompetenz beim Bundestag. Dieser
Grundsatz nennt sich "Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung".
2. Europarecht und deutsches Verfassungsrecht
Ein schwieriges und bis heute nicht endgültig geklärtes Problem ist das Verhältnis von
Europarecht und deutschem Verfassungsrecht, insbesondere das Verhältnis zu den
Grundrechten. Daran geknüpft ist die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht
Entscheidungen des EuGH trotz dessen alleiniger Kompetenz in Fragen des Europarechts auf
ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten hin überprüfen darf.
Grundsätzlich geht das Europarecht auch dem nationalen Verfassungsrecht vor. Allerdings
kann der Bundestag den europäischen Organen nicht die Kompetenz zum Erlaß eines
Rechtsakts überlassen, den der Bundestag selber nicht erlassen dürfte.
Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt entschieden, daß es Rechtsakte der EU solange
nicht auf ihre Vereinbarkeit mit den deutschen Grundrechten hin überprüft, als die EU und die
Rechtsprechung des EuGH einen Grundrechtsschutz gewähren, der dem deutschen generell
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Abschnitt VI: Europarecht
vergleichbar ist. Zwar enthalten die EU-Verträge bisher kaum Grundrechte, aber die EU hat
sich zur Achtung der Grundrechte in der Europäischen Menschenrechtskonvention
verpflichtet und der EuGH wendet diese sowie die in den Verfassungen der Mitgliedsstaaten
gemeinsam enthaltenen Grundrechte als europäisches Recht an. Eine Grundrechtscharta der
EU ist derzeit in Vorbereitung.
Bsp.: Der EuGH hatte einen Fall zu entscheiden, in dem sich ein deutsches Unternehmen gegen
die Durchsuchung seiner Büroräume durch Beamte der EU-Kommission ohne richterlichen
Durchsuchungsbefehl wehrte. Der EuGH wies die Klage ab, da sich das Grundrecht auf
Unverletzlichkeit der Wohnung nach den Verfassungen der Mitgliedsstaaten nur auf die
Privatwohnung beziehe. Am Maßstab der deutschen Grundrechte wäre die Durchsuchung dagegen
verfassungswidrig gewesen.
V. Der Inhalt des Europarechts
1. Die Grundfreiheiten der Verträge
Neben den Regelungen zum institutionellen Aufbau, den Kompetenzen, Verfahren etc. der
EU bilden die vier Grundfreiheiten bis heute den wichtigsten Teil der Gemeinschaftsverträge.
Sie bilden die Grundlage des gemeinsamen Marktes und haben das Zusammenwachsen der
europäischen Wirtschaften ermöglicht. Die Grundfreiheiten sind Rechte, die jedem Bürger
zustehen und deren Realisierung vor dem EuGH eingeklagt werden kann. Es handelt sich um
die Freiheit des Waren- und Personenverkehrs sowie des Dienstleistungs- und
Kapitalverkehrs.
Die Freiheit des Warenverkehrs beinhaltet ein Verbot der mengenmäßigen Beschränkung
des Handels zwischen Mitgliedsstaaten, ein Verbot der Gewährung von Beihilfen sowie ein
Verbot der Erhebung von Steuern und Zöllen auf Einfuhren bzw. der steuerlichen
Begünstigung von Ausfuhren. Dadurch soll sichergestellt werden, daß Waren aus dem einen
Mitgliedsland in allen anderen Mitgliedsländern frei und zu gleichen Bedingungen mit den
einheimischen Produkten konkurrieren können.
Eine Einschränkung der Freiheit des Warenverkehrs durch ein Mitgliedsland ist nur unter
strengen Kriterien zu rechtfertigen. Als Rechtfertigungsgründe sind anerkannt die Lauterkeit
des Handelsverkehrs, der Verbraucher-, Umwelt- und Gesundheitsschutz, der Schutz der
öffentlichen Sittlichkeit sowie des gewerblichen und kommerziellen Eigentums.
Bsp.: In Deutschland bestand ein Gesetz, nachdem Bier nur dann unter dieser Bezeichnung
verkauft werden durfte, wenn es dem deutschen Reinheitsgebot entsprach. Der EuGH sah in dieser
Vorschrift einen Verstoß gegen die Freiheit des Warenverkehrs, da sie einen Wettbewerbsnachteil
für ausländische Biere darstellte. Der Verstoß sei auch nicht durch den Verbraucher- oder
Gesundheitsschutz gerechtfertigt, da der Käufer ja auf die Zusammensetzung des Biers
hingewiesen werden könne.
Die Freiheit des Personenverkehrs umfaßt die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, das
Niederlassungsrecht der selbständigen Gewerbetreibenden, der Freiberufler und
Gesellschaften sowie die Freizügigkeit von Touristen, Studierenden etc. Die Freizügigkeit
von Personen innerhalb der EU kann nur eingeschränkt werden, wenn es zum Schutz vor
Kriminalität, vor Störungen der öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit sowie der
öffentlichen Gesundheit erforderlich ist.
Bsp.: Der Informatiker A aus Lörrach bewirbt sich auf eine freie Stelle bei einem
Softwareunternehmen in Mulhouse. Er darf gegenüber seinen französischen Mitbewerbern nicht
benachteiligt werden.
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Abschnitt VI: Europarecht
Sein Kollege B möchte in Mulhouse selber ein Softwareunternehmen gründen. Er darf nicht durch
steuerliche Vorschriften o.ä. daran gehindert werden.
Rechtsanwalt C aus Mulhouse möchte in Freiburg tätig werden. Bei solchen geschützten freien
Berufen bestehen immer noch Schwierigkeiten, da häufig die Vergleichbarkeit der Qualifikationen
nicht geklärt ist. U.U. muß C Kenntnisse im deutschen Recht nachweisen.
Die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs betrifft die grenzüberschreitende Erbringung von
Leistungen gegen Entgelt, soweit die Leistung nicht in Waren- oder Kapitalverkehr besteht
und der Dienstleistende sich nicht in dem betreffenden Land niederläßt.
Bsp.: Versicherungsmakler A aus Freiburg verkauft einem Kunden in Mulhouse eine
Versicherungspolice oder einem Kunden in Freiburg die Police eines französischen
Versicherungsunternehmens.
Die Freiheit des Kapitalverkehrs schützt jede Transaktion von Sach- oder Geldkapital von
einem Mitgliedsland ins andere. Dadurch soll es Kapitalgebern und –nehmern ermöglicht
werden, ihr Kapital jeweils dort anzulegen bzw. aufzunehmen, wo sie die besten Bedingungen
finden .
2. Das sekundäre Gemeinschaftsrecht
Das sekundäre Gemeinschaftsrecht findet sich in den Verordnungen, Richtlinien und
Entscheidungen, die aufgrund der Gemeinschaftsverträge ergangen sind. Diese Rechtsmasse
ist mittlerweile so umfangreich, daß sie gar nicht im Überblick dargestellt werden kann. Einer
ihrer wichtigsten Gegenstände ist der Verbraucherschutz. So gehen etwa das
Produkthaftungsgesetz, das Verbraucherkreditgesetz, das Gesetz über Haustürgeschäfte sowie
Regelungen zu Pauschalreisen auf EU-Richtlinien zurück. Erst kürzlich wurde die
Fernabsatzrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt, die Regelungen zum Abschluß von
Verträgen im Wege der Telekommunikation enthält. Auch das Gesellschaftsrecht befindet
sich auf dem Weg der Vereinheitlichung durch das Europarecht.
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49
Abschnitt VII: Allgemeiner Teil des BGB
Abschnitt VII: Allgemeiner Teil des BGB
Der Allgemeine Teil des BGB enthält im wesentlichen Regelungen zu zwei grundlegenden
Bereichen. Zunächst geht es um die Rechtssubjekte, d.h. um die Personen, die im
Rechtsverkehr in irgendeiner Form auftreten können. Dabei sind insbesondere die juristischen
Personen und die Fälle beschränkter Handlungsfähigkeit etwa bei Kindern zu behandeln.
Sodann befaßt sich der Allgemeine Teil mit der Frage, wie Personen überhaupt im
Rechtsverkehr handeln können. Hier geht es um das sogenannte Rechtsgeschäft und
insbesondere um den Vertrag.
I. Rechtsfähigkeit von natürlichen und juristischen Personen
1. Die Rechtsfähigkeit
Rechtsfähigkeit bezeichnet die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten sein zu können.
Da das Recht nur von Rechten und Pflichten handelt, kann nur derjenige aktiv am
Rechtsverkehr teilnehmen, der auch rechtsfähig ist. Mit der Rechtsfähigkeit verknüpft ist die
Fähigkeit, im eigenen Namen vor Gericht zu klagen und verklagt zu werden. Allerdings
beinhaltet die Rechtsfähigkeit nicht notwendig auch die Fähigkeit, die Rechtshandlungen
selber vornehmen zu können. Häufig sind es andere, die für die rechtsfähige Person handeln.
Bsp.: Tiere sind nicht rechtsfähig. Sie können nicht aktiv am Rechtsverkehr teilnehmen sondern
allenfalls Gegenstand rechtlicher Normen sein, etwa indem Eigentum an ihnen besteht oder indem
sie gegen Mißhandlungen geschützt werden. Bei einem Verstoß gegen das Tierschutzgesetz kann
auch nicht etwa der Tierschutzbund im Namen des Tieres klagen, sondern die Staatsanwaltschaft
verfolgt die Mißhandlung als Straftat.
2. Natürliche Personen
Rechtsfähig ist zunächst einmal jeder Mensch. Des ergibt sich schon aus der Menschenwürde
in Art. 1 Grundgesetz. Man spricht hier von natürlichen Personen. Gemäß § 1 BGB beginnt
die Rechtsfähigkeit mit der Vollendung der Geburt. Auch Säuglinge können damit Träger von
Rechten und Pflichten sein. In einigen Fällen spricht man selbst Embryonen nachträglich
bestimmte Rechte zu, wenn sie lebend geboren werden.
Bsp.: Wenn die Mutter kurz nach der Geburt ihres Kindes stirbt, kann das Kind sie beerben. Es ist
damit Träger von Rechten, etwa als Eigentümer des geerbten Hauses. Als solcher kann das Kind
bspw. von den Nachbarn verklagt werden, wenn ein Baum auf dem Grundstück zu hoch ist.
3. Juristische Personen
Wesentlich schwieriger zu erläutern ist die Rechtsfähigkeit von juristischen Personen, denn
dabei handelt es sich im Grunde um theoretische Konstrukte, denen unter bestimmten
Voraussetzungen Rechtsfähigkeit verliehen wird. Das Zivilrecht kennt juristische Personen in
Form von Vereinen, Personen- oder Kapitalgesellschaften. Es handelt sich also immer
entweder um einen Zusammenschluß von Personen oder um eine Ansammlung von Kapital,
denen gesonderte Rechtsfähigkeit verliehen wird. Im öffentlichen Recht treten noch
Anstalten, Körperschaften und Sondervermögen des öffentlichen Rechts hinzu.
Der Idealtypus der juristischen Person ist für das BGB der eingetragene Verein. Er ist im
Allgemeinen Teil geregelt. Die anderen juristischen Personen, wie etwa die Stiftung, die
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Abschnitt VII: Allgemeiner Teil des BGB
GmbH oder die Aktiengesellschaft, sind teilweise in anderen Gesetzen geregelt aber an den
Verein angelehnt (vgl. Abschnitt XIII ff).
Da eine juristische Person nur ein Rechtskonstrukt ist, kann sie zwar Träger von Rechten und
Pflichten sein, kann aber natürlich nicht selber handeln. Dafür benötigt sie Organe, d.h.
Menschen oder Gruppen von Menschen, die im Namen der juristischen Person
Rechtshandlungen vornehmen. Beim Verein ist dieses Organ der Vorstand. Die
Rechtshandlungen der Organe wirken dann ausschließlich für und gegen die juristische
Person und nicht für und gegen denjenigen, der sie tatsächlich vorgenommen hat. Das gleiche
gilt auch, wenn ein Organ der juristischen Person in Ausübung seiner Tätigkeit durch eine
unerlaubte Handlung bei einem Dritten einen Schaden verursacht hat. Diesen Schaden muß
die juristische Person ersetzen.
Bsp.: A, B und C bilden gemeinsam den Vorstand eines Tennisvereins. Mit einem
Bauunternehmer schließen sie einen Vertrag über die Errichtung eines neues Sandplatzes. Der
Vertrag gibt nur dem Verein das Recht, die Errichtung des Platzes zu verlangen und verpflichtet
nur den Verein zur Zahlung des vereinbarten Preises.
Wenn A, B und C den Bauunternehmer fahrlässig nicht darauf hinweisen, daß auf dem Bauplatz
giftige Stoffe lagern, und der Bauunternehmer dadurch Gesundheitsschäden erleidet, so muß der
Verein dafür Schadensersatz leisten. Der Verein kann allenfalls im Nachhinein das Geld von A, B
und C ersetzt verlangen.
II. Geschäftsfähigkeit und Deliktsfähigkeit
1. Die Geschäftsfähigkeit
Von der Rechtsfähigkeit ist die Geschäftsfähigkeit zu unterscheiden. Sie beinhaltet die
Fähigkeit, Rechtshandlungen wirksam vornehmen zu können, insbesondere sich selber durch
eine Rechtshandlung verpflichten zu können.
Da das Zivilrecht auf dem Gedanken basiert, daß der Mensch grundsätzlich nur in Folge
seiner eigenen freien und rationalen Entscheidung Verpflichtungen gegenüber Dritten
unterworfen werden darf, kann nur derjenige geschäftsfähig sein, der auch die geistigen
Möglichkeiten zu freier und rationaler Entscheidung hat.
Deshalb sind nach dem BGB Kinder unter sieben Jahren und geistig Kranke geschäftsunfähig.
Sie können durch eigene Rechtshandlungen für sich keine Rechte oder Pflichten herbeiführen.
Bsp.: Der geistig Kranke A möchte ein Haus bauen. Da er nach außen hin unauffällig auftritt,
schließt der Bauunternehmer B mit ihm einen Werkvertrag und errichtet ein Haus. Nach Abschluß
der Bauarbeiten verlangt er Bezahlung. Der Betreuer des A verweigert zu Recht die Bezahlung. A
muß die vertragliche Leistung nicht erbringen, da er den Vertrag gar nicht wirksam abschließen
konnte. Allerdings muß er den Vorteil ausgleichen, um den er bereichert sein könnte. Den
möglicherweise entstehenden Schaden bürdet das Gesetz dem B auf, um den geistig kranken A zu
schützen.
Neben der völligen Geschäftsunfähigkeit kennt das BGB auch noch die beschränkte
Geschäftsfähigkeit. Sie gilt für Jugendliche zwischen sieben und siebzehn Jahren.
Wer beschränkt geschäftsfähig ist, kann sich ebenfalls nicht durch eigene Rechtshandlungen
verpflichten. Er kann jedoch Rechtshandlungen vornehmen, durch die er zu keiner
Gegenleistung verpflichtet wird. Außerdem sind alle seine Rechtshandlungen wirksam, wenn
sie mit vorheriger Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter erfolgen oder im Nachhinein
genehmigt werden.
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Abschnitt VII: Allgemeiner Teil des BGB
Bsp.: A will seinem 16-jährigen Neffen B einen Computer schenken. Dazu ist ein
Schenkungsvertrag zwischen A und B notwendig. Diesen Vertrag kann B abschließen, da er
dadurch zu nichts verpflichtet wird und nur einen Vorteil davon hat.
A kann auch als Vertreter eines Erwachsenen für diesen Rechtshandlungen vornehmen, da er
selber daraus nicht verpflichtet wird.
Wenn A sich dagegen ohne Einwilligung seiner Eltern in einem Computerladen mit neuester
Technik eindeckt und mit dem Verkäufer vereinbart erst zu einem späteren Zeitpunkt zu zahlen,
haben die Eltern die Wahl. Sie können das Geschäft genehmigen, dann wird es wirksam. Sie
können aber auch die Bezahlung des Kaufpreises verweigern, weil A sich dazu allein nicht
wirksam verpflichten konnte.
Wirksam können beschränkt geschäftsfähige Kinder und Jugendliche auch sie verpflichtende
Rechtsgeschäfte abschließen, wenn sie die von Ihnen geschuldete Leistung aus ihnen hierfür
überlassenen Mitteln zu erbringen in der Lage sind (Taschengeldparagraph).
2. Die Deliktsfähigkeit
Die Deliktsfähigkeit spielt eine Rolle im Recht der unerlaubten Handlungen. Dieser Teil des
Schuldrechts gibt Schadensersatzansprüche für die Verletzung bestimmter Rechtsgüter.
Allerdings muß derjenige, der die Verletzung begeht auch deliktsfähig sein. Wer nicht
deliktsfähig ist, muß keinen Schadensersatz leisten. Allenfalls können die
Aufsichtspflichtigen sich schadensersatzpflichtig machen.
Die Grenzen liegen hier ähnlich wie bei der Geschäftsfähigkeit. Kinder unter sieben Jahren
und geistig Kranke sind nicht deliktsfähig. Jugendliche zwischen sieben und achtzehn sind in
Bezug auf eine Tat deliktsfähig, wenn sie aufgrund ihrer geistigen Entwicklung in der Lage
sind, das Unrecht der Tat zu erkennen.
Bsp.: Wenn der 5-jährige A hinter einem Ball auf die Straße läuft und dadurch den vorbei
fahrenden B zu einer scharfen Kurve zwingt, bei der mehrere Autos beschädigt werden, so ist A
nicht für den Schaden verantwortlich. Allerdings sind die Eltern u.U. haftbar, wenn sie A nicht
ausreichend beaufsichtigt haben.
Wenn A nicht 5 sondern 7 Jahre alt ist, wäre zu prüfen, ob er die nötige Einsichtsfähigkeit hatte,
um zu erkennen, wie unvorsichtig er gehandelt hat. Das ist bei einem 7-jährigen wohl zweifelhaft,
bei einem 17-jährigen wäre die Einsichtsfähigkeit aber sicher gegeben.
III. Willenserklärung und Rechtsgeschäft
1. Bedeutung der Willenserklärung
Der Kern der sogenannten Rechtsgeschäftslehre des BGB ist die Willenserklärung. Um ihre
Bedeutung zu erkennen, muß man sich wieder vergegenwärtigen, daß die Verpflichtungen des
Zivilrechts in der Regel auf der freien Willensentscheidung des Verpflichteten beruhen.
Deshalb kommt der Erklärung dieses Willens und den Regeln über die Wirksamkeit und
Auslegung der Erklärung besondere Bedeutung zu. Die Willenserklärung ist das Instrument,
mit dem natürliche Personen im Rechtsverkehr für sich oder für andere (natürliche und
juristische Personen) handeln.
Bsp.: Wenn A und B einen Vertrag über eine Kaufsache schließen, tun sie dies dadurch, daß jeder
von ihnen eine Willenserklärung abgibt mit dem Inhalt: "Ich will mit A bzw. B einen Kaufvertrag
über die Sache X zum Preis Y schließen."
Wenn C im Gewühl der Börse Aktien zum Verkauf anbieten will, tut er dies durch eine
Willenserklärung mit dem Inhalt: "Ich, C, will die Aktie X zum Preis Y verkaufen."
Wenn D seinem Mieter kündigen will tut er dies durch eine Willenserklärung mit dem Inhalt: "Ich,
D, kündige hiermit meinem Mieter X zum Zeitpunkt Y."
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Abschnitt VII: Allgemeiner Teil des BGB
2. Form der Willenserklärung
Eine Willenserklärung kann in der Regel in jeder beliebigen Form mündlich, schriftlich, per
Email, durch Handschlag, Nicken oder in anderer Form abgegeben werden. Es genügt dabei
jedes Verhalten, das einen bestimmten Willen erkennbar zum Ausdruck bringt. Nur
ausnahmsweise bestehen Formvorschriften.
Bsp.: In der Börse oder auf einer Versteigerung können Gebote durch Handzeichen abgegeben
werden. Es handelt sich um Willenserklärungen. Ebenso wenn ich beim Einkauf die Waren auf das
Transportband lege. Der Inhalt der Erklärung wird hier jeweils durch das Verhalten in einem
bestimmten sozialen Kontext deutlich.
Die Kündigung des D an seinen Wohnungsmieter muß dagegen schriftlich erfolgen. Dies hat den
Zweck, die Beweisbarkeit im Streitfall zu erleichtern. Der Kaufvertrag über ein Grundstück muß
vor einem Notar beurkundet werden, um sicherzustellen, daß beide Vertragsparteien über die
Bedeutung ihrer Erklärungen belehrt und vor Übereilung geschützt werden.
In aller Regel ist ein aktives Verhalten erforderlich, damit man von einer Willenserklärung
sprechen kann. Nur in wenigen Ausnahmefällen kann Schweigen oder Nichtstun die
Bedeutung einer Willenserklärung haben, wenn dies in einer bestimmten Branche so üblich
ist.
Bsp.: A bestellt per Fax ein Hotelzimmer. Da er keine Antwort erhält, reist er ohne weitere
Ankündigung an. Hier gilt das Schweigen des Hoteliers als Bestätigung der Buchung, da nach dem
Verkehrsbrauch andernfalls eine Nachricht zu erwarten gewesen wäre.
Unter Kaufleuten besteht der Brauch, nach Geschäftsverhandlungen den Inhalt der Vereinbarung
in einem Schreiben noch einmal festzuhalten (sog. kaufmännisches Bestätigungsschreiben).
Widerspricht die andere Seite dem Schreiben nicht, so gilt der Inhalt als vereinbart, auch wenn der
Inhalt von Schreiben und Vereinbarung voneinander abweichen.
3. Abgabe und Zugang von Willenserklärungen
Damit eine Willenserklärung wirksam wird, muß sie vom Erklärenden abgegeben worden und
beim Empfänger zugegangen sein. Abgabe heißt, daß der Erklärende die Erklärung bewußt
(mit dem Willen, etwas zu erklären) und in Richtung des Empfänger in den Verkehr gebracht
haben muß. Zugang bedeutet, daß die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers
gelangt ist, daß dieser unter normalen Umständen von ihr Kenntnis nehmen kann.
Bsp.: A hat im Internet die Homepage eines Reisebüros gefunden. Er wählt eine Reise aus und gibt
seine Adresse und Kreditkartennummer ein. Bevor er aber die Reise bucht, möchte er noch einmal
überprüfen, ob die Insel Sylt wirklich, wie er vermutet, in der Karibik liegt. Beim Blättern im
Schulatlas berührt A versehentlich und ohne es zu merken die Maustaste, wodurch seine Buchung
abgeschickt wird. Nachdem A festgestellt hat, daß Sylt doch nicht in der Karibik liegt, ändert er
seine Reisepläne und schaltet überstürzt den Computer aus. Als der Reisepreis von seinem Konto
abgebucht wird, behauptet er, die Reise nie gebucht zu haben. Wenn es ihm gelingt, das
Mißgeschick vor Gericht zu beweisen, wird er Recht bekommen. Da er die Buchung nicht bewußt
abgeschickt hat liegt keine wirksame Willenserklärung vor.
Abwandlung 1: A hat die Buchung bewußt abgeschickt und merkt erst hinterher, wo Sylt
tatsächlich liegt. Er nutzt deshalb das vom Reisebüro eingeräumte einwöchige Widerrufsrecht.
Seine Email erreicht die Mailbox des Reisebüros aber nicht rechtzeitig, da sie einem Datenstau im
Internet zum Opfer gefallen ist. A muß die Reise zahlen, da sein Widerruf erst mit Zugang beim
Reisebüro wirksam wird. Er trägt das Risiko der Verspätung auf dem Transportweg.
Abwandlung 2: Die Email des A erreicht die Mailbox des Reisebüros rechtzeitig, wird dort aber
nicht rechtzeitig bearbeitet, da das Computersystem für einige Tage streikt. In diesem Fall muß A
nicht zahlen. Für die Wirksamkeit des Widerrufs genügt der rechtzeitige Zugang. Es ist nicht
erforderlich, daß der Empfänger auch Kenntnis vom Inhalt der Erklärung nimmt. Das Risiko, dies
ausnahmsweise nicht zu können, trägt der Empfänger.
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Abschnitt VII: Allgemeiner Teil des BGB
4. Irrtümer bei der Abgabe einer Willenserklärung
Neben der unbeabsichtigten Abgabe einer Willenserklärung können auch Irrtümer in Bezug
auf den Inhalt der Erklärung zu Problemen führen. Dabei sind drei Konstellationen denkbar.
Der Irrtum kann zunächst darin liegen, daß der Erklärende versehentlich etwas anderes von
sich gibt als er eigentlich will (Erklärungsirrtum). Sodann ist es denkbar, daß der Erklärende
das sagt, was er sagen will, daß es aber etwas anderes bedeutet als er denkt (Inhaltsirrtum).
Schließlich kann die Erklärung auch noch auf einem Irrtum in Bezug auf ihre Motive beruhen
(Motivirrtum).
Bsp.: Bei der Auswahl seines Reiseziels auf der Homepage klickt A versehentlich nicht auf "Sylt"
sondern auf das direkt darunter stehende "Syrien". Mit Absendung der Bestellung erklärt er
deshalb etwas anderes als er eigentlich will (Erklärungsirrtum).
Als Reisepreis ist der erstaunlich billige Betrag von 499,- genannt. In der Annahme, es handele
sich um DM schickt A die Bestellung ab. Bei genauerem Hinsehen hätte er jedoch erkennen
können, daß die Preise ausdrücklich in Euro angegeben waren. A schickt somit genau die
Erklärung, die er abschicken wollte, erklärt damit aber etwas anderes als er denkt (Inhaltsirrtum).
Wenn A bei Absendung der Bestellung davon ausgeht, Sylt läge in der Karibik, so irrt er nicht in
Bezug auf den Inhalt der Erklärung. Allerdings beruht die Erklärung auf einem Irrtum in seinen
Motiven (Motivirrtum).
Wenn bei Abgabe der Willenserklärung ein Irrtum vorliegt, so ändert das zunächst nichts an
der Wirksamkeit der Erklärung. Allerdings kann der Erklärende die Erklärung u.U. wieder
aus der Welt schaffen, indem er sie sofort nach Erlangung der Kenntnis von seinem Irrtum
anficht. Er muß dann aber den Schaden ersetzen, der einem anderen dadurch entstanden ist,
daß er auf die Erklärung vertraut hat.
Bsp.: Wenn A versehentlich die Reise nach Syrien gebucht hat, so kann er dies anfechten, sobald
er von seinem Irrtum erfährt. Er muß dann allerdings dem Reisebüro den Schaden ersetzen, der
etwa dadurch entstanden ist, daß bereits ein Flug und ein Hotelzimmer für A reserviert wurden, die
nun nicht mehr anderweitig vergeben werden können.
5. Drohung und arglistige Täuschung
Eine Willenserklärung ist auch dann anfechtbar, wenn sie auf der Drohung oder arglistigen
Täuschung einer anderen Person beruht. Dann muß der Anfechtende auch keinen
Schadensersatz leisten.
Bsp.: A zwingt B mit vorgehaltener Pistole zum Abschluß eines Vertrages. B kann den
Vertragsschluß anfechten.
Gebrauchtwagenhändler C verkauft dem D einen Wagen, von dem er wider besseren Wissens
behauptet, er sei erst 20.000 km gefahren. Als sich herausstellt, daß der Wagen schon 80.000 km
gefahren ist, ficht C den Vertragsschluß an.
IV. Die Stellvertretung
1. Notwendigkeit und Folgen der Stellvertretung
Im Normalfall handelt eine Person für sich selbst. Die rechtlichen Folgen ihres Handelns
treffen nur sie selber.
Es gibt allerdings eine Reihe von Konstellationen, in denen ein Bedürfnis danach besteht, daß
eine Person für eine andere handelt, daß also die Rechtshandlungen der einen Person nur die
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Abschnitt VII: Allgemeiner Teil des BGB
andere berechtigen und verpflichten. Die handelnde Person vertritt dann die letztlich
betroffene Person. Man spricht deshalb von Stellvertretung.
Bsp.: Wenn A als Stellvertreter des B einen Computer kauft, dann ist nur B zur Zahlung des
Kaufpreises verpflichtet und nur B kann von A die Lieferung des Computers verlangen.
Ein Bereich in dem die Stellvertretung unverzichtbar ist, ist das bereits erwähnte Handeln von
Organen für juristische Personen (gesetzliche Vertretung). Ebenso wichtig ist aber die
Vertretung der Kinder durch ihre Eltern. Da Minderjährige häufig nicht selber wirksame
Rechtshandlungen vornehmen können, müssen die Eltern die Möglichkeit haben, für ihre
Kinder im Rechtsverkehr tätig werden zu können.
Schließlich verlangt auch das Wirtschaftsleben die Möglichkeit der Stellvertretung. Ein
Kaufmann, der ein großes Unternehmen führt, kann nicht alle Geschäfte selber abschließen.
Er bedient sich deshalb seiner Angestellten, die in seinem Namen für ihn tätig werden.
Bsp.: Für den minderjährigen A soll eine Aktie abgeschlossen werden. Da dieses Geschäft auch
eine Verpflichtung (Bezahlung des Kaufpreises) mit sich bringt, kann A nicht allein handeln.
Seine Eltern schließen deshalb den Vertrag in seinem Namen ab.
Kaufmann B führt ein Unternehmen mit 20 Filialgeschäften. In all diesen Filialen schließen seine
Angestellten in seinem Namen Geschäfte ab.
2. Voraussetzungen der Stellvertretung
Damit eine Stellvertretung wirksam zustande kommt, müssen zwei Kriterien erfüllt sein. Es
muß deutlich werden, daß der Handelnde nicht in eigenem sondern in fremden Namen
handelt. Dies kann ausdrücklich geschehen ("Ich kaufe im Namen von X ..."), es kann sich
aber auch aus den Umständen ergeben.
Bsp.: Die Angestellten in den Filialen des B erklären nicht immer ausdrücklich, daß sie für den B
tätig werden. Es ergibt sich aber aus den Umständen, daß sie nicht für sich selber sondern für den
Inhaber des Unternehmens handeln.
Weiter muß der Handelnde im Rahmen seiner Vertretungsmacht handeln. Es kann nicht sein,
daß eine Person ohne jeglichen Rechtsgrund eine andere zu etwas verpflichten kann. Es
bedarf dafür einer bestimmten Rechtsmacht, der sog. Vertretungsmacht.
Die Vertretungsmacht kann entweder auf Gesetz oder auf einer Willenserklärung des
Vertretenen beruhen. Gesetzliche Vertretungsmacht haben etwa die Eltern für ihre Kinder
oder der Betreuer für einen geistig Kranken. In den meisten anderen Fällen wird die
Vertretungsmacht durch eine Willenserklärung erteilt. Man spricht dann von Vollmacht.
Bsp.: Den Angestellten in den Filialen des B wurde zumindest konkludent durch Abschluß ihres
Arbeitsvertrages die Vollmacht erteilt, im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs Geschäfte für den
B zu tätigen.
Eine Vollmacht kann sowohl umfassend sein, d.h. sich auf alle denkbaren Geschäfte
beziehen. Sie kann aber auch auf ein bestimmtes Geschäft oder eine Art von Geschäften
beschränkt sein. Eine Ausnahme bildet die Prokura im Handelsrecht. Sie ist eine besondere
Vollmacht, die grundsätzlich alle im Rahmen des Handelsgewerbes üblicherweise anfallenden
Geschäfte umfaßt und nicht beschränkt werden kann (vgl. Abschnitt XIII, IV.).
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Abschnitt VII: Allgemeiner Teil des BGB
Bsp.: Wenn A seinen Freund B bittet, für ihn in der Stadt gegen Rechnung ein bestimmtes Buch
für einen Preis von maximal DM 40,- zu kaufen, so hat B Vollmacht nur für genau dieses
Geschäft. Kauft er ein Buch für DM 50,-, so ist A nicht zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet.
Eine Vollmacht kann jederzeit formlos erteilt und wieder entzogen werden. Wurde die
Vollmacht allerdings nicht gegenüber dem Vertreter sondern gegenüber eine Dritten erteilt
("Herr A handelt für mich"), muß sie auch diesem gegenüber widerrufen werden. Wurde eine
Vollmachtsurkunde ausgestellt, bleibt die Vollmacht bestehen, bis die Urkunde zurück
gegeben wurde.
Bsp.: Kaufmann A hat seinem Angestellten B eine Vollmachtsurkunde ausgestellt. Nachdem B bei
A Waren gestohlen hat, kündigt A ihm fristlos. B weigert sich aber die Vollmachtsurkunde
herauszugeben. Solange er sie hat und sie nicht in einem förmlichen Verfahren für kraftlos erklärt
wurde, kann B für den A wirksam Geschäfte abschließen.
Wenn der Handelnde entweder nicht erkennbar im Namen des Vertretenen auftritt oder ohne
bzw. außerhalb seiner Vertretungsmacht handelt, so wird der Vertretene nicht berechtigt und
verpflichtet, es sei denn daß er das Geschäft genehmigt. Tut er es nicht, so treffen die
Rechtsfolgen des Handelns den Stellvertreter selber. Er muß den Vertrag erfüllen oder
Schadensersatz leisten.
Bsp.: Wenn B entgegen der Anweisung ein Buch für DM 50,- kauft, so kann A dieses Geschäft
genehmigen. Tut er es nicht, muß B das Buch bezahlen.
V. Der Vertrag
1. Begriff des Vertrages
Wie oben bereits erwähnt ist der Abschluß von Verträgen das wichtigste und in der Praxis
häufigste Instrument, durch das Personen im Zivilrecht handeln können. Er beinhaltet in der
Regel Pflichten für beide Parteien, die die eine Partei eingeht, damit die jeweils andere dies
auch tut (gegenseitiger Vertrag). Die Parteien müssen sich also über den Inhalt des Vertrages
einig sein. Deshalb wird der Vertragsschluß definiert als zwei sich inhaltlich deckende und
mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen.
Bsp.: Wenn A erklärt "ich kaufe für DM 100,-" und B entgegnet "ich verkaufe für DM 200,-", so
liegt keine inhaltliche Deckung vor und es ist kein Vertrag zustande gekommen.
Wenn C dem D am 1. Oktober schreibt "ich kaufe Ware X für DM 500,-" und D unabhängig
davon ebenfalls am 1. Oktober dem C schreibt "ich verkaufe Ware X für DM 500,-", dann liegt
zwar eine inhaltliche Übereinstimmung vor, die beiden Willenserklärungen wurden aber nicht mit
Bezug aufeinander abgegeben. Es ist kein Vertrag zustande gekommen.
2. Angebot und Annahme
Die beiden Willenserklärungen werden als Angebot und Annahme bezeichnet. Das Angebot
ist die zeitlich erste Erklärung. Wer einem anderen ein Angebot zum Vertragsschluß macht,
ist an dieses gebunden. Er kann also nicht ohne weiteres wieder von seiner Willenserklärung
abrücken. Allerdings kann man die Gebundenheit ausschließen oder dem anderen eine Frist
setzen, bis zu der das Angebot angenommen werden muß. Wenn beides nicht geschieht, bleibt
der Antragende so lange an den Antrag gebunden, bis nach den regelmäßigen Umständen mit
einer Antwort zu rechnen ist. Diese Umstände ergeben sich etwa aus den Postlaufzeiten und
der Bedeutung des Gegenstandes. Wird der Antrag gegenüber einem Anwesenden oder per
Telefon gemacht, so kann er nur sofort angenommen werden.
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Abschnitt VII: Allgemeiner Teil des BGB
Bsp.: A bietet dem B am 1. Oktober per Fax eine Ladung Obst zum Preis von DM 1.000,- an,
lieferbar zum 10. Oktober. Die Antwort des B geht am 8. Oktober bei A ein. Zu diesem Zeitpunkt
hat A das Obst bereites anderweitig verkauft. B meint aber, der Vertrag sei zustande gekommen
und verlangt das Obst bzw. Schadensersatz für entgangenen Gewinn. Die Antwort des B kam
jedoch zu spät. Nach den Umständen (Verderblichkeit der Ware, bestimmter Liefertermin) war am
8. Oktober nicht mehr mit einer Antwort zu rechnen. Das Angebot war schon erloschen.
Anders wäre es, wenn A dem B nicht Obst sondern 400 Computer zum Stückpreis von DM 3.500,angeboten hätte. Hier muß man dem B eine längere Annahmefrist einräumen.
3. Konsens und Dissens
In der Regel läßt sich der Inhalt von Angebot und Annahme klar bestimmten und damit auch
die Frage beantworten, ob inhaltlich ein Konsens vorliegt. Manchmal treten jedoch Probleme
auf. Der Inhalt einer oder beider Erklärungen kann unklar sein und es können Diskrepanzen
zwischen dem erklärten und dem tatsächlich gewollten auftreten. Als Grundregel gilt:
Entscheidend ist, was die Parteien übereinstimmend gewollt haben, unabhängig davon, was
objektiv erklärt wurde. Durfte allerdings die eine Partei die Erklärung der anderen Partei
aufgrund der Umstände in einem bestimmten Sinne verstehen, so gilt dieser Sinn, auch wenn
die erklärende Partei etwas anderes gemeint hat (objektiver Empfängerhorizont).
Bsp.: A und B schließen schriftlich einen Kaufvertrag über einen Computer mit 4 MB Festplatte.
Gemeint ist aber von beiden eine 4 GB Festplatte. Mit diesem Inhalt ist der Vertrag auch
geschlossen worden.
C will bei D 40 Computer bestellen. Er ist jedoch unkonzentriert und schreibt versehentlich 400. D
bestätigt die Bestellung. Der Vertrag ist über 400 Computer zustande gekommen, obwohl C dies
gar nicht gewollt hat. C kann seine Erklärung nur anfechten (Erklärungsirrtum), muß dann aber
unter Umständen den Vertrauensschaden ersetzen.
Schwierigkeiten entstehen, wenn sich weder das von den Parteien wirklich Gemeinte noch
das objektiv Erklärte inhaltlich decken. Man spricht dann von Dissens. Betrifft der Dissens
nur einen Nebenpunkt und haben die Parteien diesen Dissens gar nicht bemerkt, so kann der
Vertrag trotzdem wirksam sein, wenn nach dem hypothetischen Willen der Parteien
anzunehmen ist, daß sie den Vertrag auch ohne eine Einigung über diesen Punkt geschlossen
hätten. Andernfalls ist der Vertrag nicht zustande gekommen.
Bsp.: A aus Köln schreibt an B in Berlin: "Bestelle 40 Computer zum Preis von DM 3000,-.
Lieferung an mein Geschäft in Rothenburg." B schreibt zurück: "Lieferung nach Rothenburg
erfolgt am 1. Oktober." Nachher stellt sich heraus, daß beide verschiedene Rothenburgs meinten.
Auch objektiv sind beide Erklärungen mehrdeutig, da sich keine Anzeichen für das eine oder
andere Rothenburg ergeben. Es liegt also keine inhaltliche Übereinstimmung vor. Das Gericht
muß prüfen, ob die Parteien nach ihrem hypothetischen Willen trotzdem an dem Vertrag festhalten
wollen, was man hier angesichts der untergeordneten Frachtkosten vermuten wird.
4. Vertragsschluß unter Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen
In vielen Wirtschaftsbereichen ist es seit langem üblich dem Vertragsschluß die Allgemeinem
Geschäftsbedingungen (AGB) einer oder beider Parteien zugrunde zu legen. Diese Praxis
kann leicht zu Benachteiligungen der einen Partei führen, da diese nicht in der Lage ist, auf
den Inhalt der AGB Einfluß zu nehmen. Um hier Mißbräuchen vorzubeugen wurde das
Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) erlassen. Soweit dieses
anwendbar ist, sind die einem Vertrag zugrunde gelegten AGB einer doppelten Prüfung zu
unterziehen. Zum einen müssen die AGB bestimmten äußerlichen Anforderungen genügen,
um überhaupt Teil des Vertrages zu werden. Zum anderen findet auch eine inhaltliche
Kontrolle statt.
Berufsakademie Lörrach – Recht
57
Abschnitt VII: Allgemeiner Teil des BGB
Als Allgemeine Geschäftsbedingungen bezeichnet man Regelungen, die von dem Verwender
für eine wiederholte Verwendung bestimmt sind. Damit ist nicht nur das "Kleingedruckte" als
AGB anzusehen, sondern auch "ganze" Verträge wie der Standard-Arbeitsvertrag eines
Unternehmens, Formularmietverträge oder ein immer wieder von einem Bauträger
verwandter Kaufvertrag über Eigentumswohnungen.
AGB werden nur dann Bestandteil des Vertrages, wenn der Verwender der AGB die andere
Partei ausdrücklich auf sie hinweist, die andere Partei in zumutbarer Weise die Möglichkeit
hat sich Kenntnis vom Inhalt der AGB zu verschaffen und mit diesem Inhalt einverstanden
ist. Ausnahmsweise kann der ausdrückliche Hinweis auch durch Aushang am Ort des
Vertragsschlusses erfolgen, wenn es anders mit vertretbarem Aufwand nicht möglich ist.
Wurden individuelle Vereinbarungen getroffen, die von den AGB abweichen, gehen diese
Individualabreden immer vor.
Bsp.: Das Reisebüro A vertreibt Reisen über das Internet. Der Hinweis auf die dabei zu Grunde
gelegten AGB befindet sich auf der Homepage nicht auf der Startseite sondern nur unter dem Link
"Nützliche Informationen". Damit fehlt der ausdrückliche Hinweis. Die AGB sind nicht
Bestandteil des Vertrages geworden.
Automechaniker B benutzt bei der Annahme von Reparaturaufträgen ein Formular, auf dessen
Rückseite die AGB abgedruckt sind. Ein Hinweis auf der Vorderseite fehlt aber. Auch hier sind
die AGB nicht Bestandteil des Vertrages geworden.
Abwandlung: Das Formular des B enthält auf der Vorderseite einen Hinweis. Die AGB schließen
die Haftung für leichte Fahrlässigkeit aus. Außerdem bestimmen sie: "Vereinbarungen, die von
diesen AGB abweichen, bedürfen der Schriftform." C bringt seinen Wagen zur Reparatur und
vereinbart mit B mündlich, daß auch für leichte Fahrlässigkeit gehaftet werde. Diese Vereinbarung
geht dem Haftungsausschluß und auch dem Schriftformerfordernis in den AGB vor.
Wenn die AGB Bestandteil des Vertrages geworden sind, stellt sich die Frage, ob sie auch
inhaltlich wirksam sind. Das AGB-Gesetz enthält einen umfassenden Katalog unzulässiger
Klauseln. Generell sind Klauseln nur wirksam, wenn sie nicht eine Partei unangemessen
benachteiligen und nicht zu sehr von den gesetzlichen Regeln abweichen.
Bsp.: Unzulässig sind etwa Klauseln, die die Haftung für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz
ausschließen oder die die gesetzlichen Gewährleistungsfristen verkürzen.
Das AGB-Gesetz gilt allerdings im wesentlichen für Verträge mit Verbrauchern. Für AGB die
gegenüber einer in Ausübung ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelnden
Person verwendet werden, gilt das AGB-Gesetz nur eingeschränkt. Die Inhaltskontrolle ist
dann deutliche großzügiger, da Gewerbetreibende aufgrund ihrer größeren geschäftlichen
Erfahrung als weniger schutzwürdig angesehen werden.
5. Vertragsschluss und Verbraucherschutz
Durch eine Reihe von Einzelgesetzen, die alle auf Richtlinien der Europäischen Union
zurückgehen, ist der Schutz von Verbrauchern beim Vertragsschluss mit einem Unternehmer
deutlich ausgebaut worden. Die wichtigsten Gesetze sind hier das Verbraucherkreditgesetz,
das Haustürwiderrufsgesetz und das erst seit Juli 2000 geltende Fernabsatzgesetz.
Das Verbraucherkreditgesetz (VerbrKrG) gilt für Kredit- und Kreditvermittlungsverträge
sowie Verträge über die regelmäßige Lieferung von Sachen. Das Haustürwiderrufsgesetz
(HaustürWG) soll den Verbraucher schützen, wenn er durch einen überraschenden Besuch zu
Hause oder auf einer "Kaffeefahrt" zum Vertragsschluss überredet wurde. Das
Fernabsatzgesetz (FernAbsG) schließlich betrifft Verträge, die innerhalb eines auf den
Berufsakademie Lörrach – Recht
58
Abschnitt VII: Allgemeiner Teil des BGB
Fernabsatz gerichteten Vertriebssystems im Wege der Fernkommunikation, d.h. per Brief,
Telefon, E-mail etc geschlossen wurden.
Bsp.: A nimmt bei der Bank B einen Kredit auf, erhält von seinem Gläubiger C einen mit 4 %
verzinsten Zahlungsaufschub, kauft bei D ein Auto unter Vereinbarung von Ratenzahlung und
bestellt beim Verlag E eine Tageszeitung. Es ist jeweils das VerbrKrG anwendbar.
Eines Vormittags erhält A Besuch von F, der dem A nach einigem belanglosen Geplänkel die
Vorzüge eines solarbetriebenen Toasters erläutert. A ist begeistert und kauft den Toaster sofort.
Hier ist das HaustürWG anwendbar.
Schließlich möchte A, der die überfüllten Kaufhäuser leid ist, sich im Internet einen neuen
Drucker kaufen. Auf der Homepage des G, der einen Versandhandel für Computerzubehör
betreibt, findet er ein günstiges Angebot und bestellt den Drucker sofort per E-mail. Hier ist das
FernAbsG einschlägig.
Der Schutz des Verbrauchers wird im wesentlichen dadurch erreicht, daß ihm das Recht
eingeräumt wird, innerhalb einer Frist von zwei Wochen vom Vertrag zurückzutreten. Auf
dieses Recht muß der Verbraucher jeweils gesondert hingewiesen werden. Andernfalls
beginnt die Frist nicht zu laufen. Zudem trägt der Unternehmer die Kosten für den Versand
und die Rücknahme der Ware sowie das Risiko, daß die gelieferte Sache beim Verbraucher
durch Zufall beschädigt oder zerstört wird.
Bsp.: Verliert A in obigem Beispiel schnell die Lust an seiner Tageszeitung, so kann er die
Bestellung innerhalb von zwei Wochen widerrufen. Wenn ihn der Verlag E nicht auf diese
Möglichkeit hingewiesen hat, so kann A auch noch innerhalb eines Jahres widerrufen.
Auch die Bestellung des Druckers kann A innerhalb von zwei Wochen widerrufen. G muß dann
die Kosten der Rücksendung tragen. A kann selbst dann widerrufen und sein Geld zurück
verlangen, wenn der Drucker bei ihm aufgrund eines unvorhersehbaren Wasserrohrbruchs zerstört
wurde.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
59
Abschnitt VIII: Einzelne Vertragstypen
Abschnitt VIII: Einzelne Vertragstypen
I. Die Regelungstechnik des besonderen Schuldrechts
1. Vertragstypen und Vertragsfreiheit
Der besondere Teil des Schuldrechts enthält Regelungen zu einer Reihe unterschiedlicher
Vertragsarten. Es handelt sich dabei um diejenigen Typen von Verträgen, die der Gesetzgeber
aufgrund ihrer Häufigkeit für besonders regelungsbedürftig hielt. Die Einordnung eines
Vertrages in eine Kategorie erfolgt aufgrund der sogenannten vertragstypischen Leistung, die
dem Vertrag seinen Charakter gibt. Welche der beiden Leistungen dies ist, ist normalerweise
leicht festzustellen, da die eine Vertragspartei in der Regel nur zur Zahlung von Geld
verpflichtet ist.
Bsp.: Beim Kauf ist die vertragstypische Leistung die Übereignung einer Sache, beim Werkvertrag
die Herstellung eines Werks, beim Dienstvertrag die Leistung von Diensten. Die Gegenleistung
besteht hier immer in der Zahlung von Geld. Selbst beim Darlehen ist leicht erkennbar, daß das
Bereitstellen von Kapital die eigentlich charakteristische Leistung ist und die Rück- bzw.
Zinszahlung nur die Gegenleistung.
Die Liste umfassend geregelter Vertragstypen im besonderen Schuldrecht ist jedoch nicht
abschließend. Es steht den Parteien eines Vertrages frei, "ihren" Vertrag inhaltlich zu
gestalten. Sie können sowohl einen Vertrag abschließen, der nicht in eine der im BGB
genannten Kategorien paßt, als auch von den gesetzlichen Regelungen eines bestimmten
Vertragstyps abweichen oder Elemente verschiedener Vertragstypen mischen. In letzterem
Fall spricht man von typengemischten Verträgen.
Bsp.: Vermieter A und Mieter B schließen einen Mietvertrag. Sie können vereinbaren, daß B nicht
nur Miete zahlen sondern auch noch regelmäßig den Garten des A pflegen muß. Der Vertrag
enthält damit sowohl Elemente eines Miet- als auch eines Dienstvertrages.
2. Zwingendes und disponibles Recht
Abweichungen von den gesetzlichen Regelungen eines Vertragstyps sind allerdings nur so
weit möglich, wie die entsprechenden Normen disponibles und kein zwingendes Recht sind.
Disponibel sind diejenigen Regelungen, die das Gesetz nur für den Fall vorsieht, daß die
Vertragsparteien zu dem entsprechenden Punkt keine Vereinbarung getroffen haben. Das
Gesetz füllt damit gewissermaßen nur die Lücke aus. Dagegen handelt es sich um zwingendes
Recht, wenn der Gesetzgeber durch die Regelung entweder eine Vertragspartei oder aber auch
unbeteiligte Dritte schützen will. Um welche Art von Rechtsnorm es sich jeweils handelt,
muß im Einzelfall ermittelt werden.
Bsp.: Wer im Kaufhaus ein Kleidungsstück erwirbt, vereinbart in der Regel nicht ausdrücklich,
was im Falle von Mängeln geschehen soll. Hier springt das Gesetz ein, wenn es später darüber
zum Streit kommt. Haben die Parteien aber eine Vereinbarung getroffen, so geht diese, wenn sie
ihrerseits wirksam ist (AGBG), vor.
In einem Mietvertrag können dagegen die gesetzlichen Kündigungsfristen nicht zu Ungunsten des
Mieters verändert werden. Hierbei handelt es sich zum Schutz des Mieters um zwingendes Recht.
3. Neue Vertragstypen
Die Vertragstypen des BGB sind hinreichend flexibel gestaltet, um auch neue Vertragstypen,
die aufgrund geänderter wirtschaftlicher Gegebenheiten entstanden sind, zu erfassen. Es sind
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60
Abschnitt VIII: Einzelne Vertragstypen
deshalb nur wenige Fälle denkbar, in denen ein Vertrag nicht durch die Kategorien des BGB
angemessen geregelt wird.
II. Der Kaufvertrag
Der Kaufvertrag ist in der Praxis der häufigste Vertragstyp und stellt im BGB gewissermaßen
das Paradebeispiel für die Regelung vieler Probleme dar. Er ist einheitlich für ganz
unterschiedliche Kaufgegenstände geregelt.
1. Der Sachkauf
Bei Normalfall des Kaufvertrags verpflichtet sich die eine Partei zur Übergabe und
Übereignung einer Sache, die andere Partei zur Zahlung des Kaufpreises. In der Regel
bedeutet dies, daß der Verkäufer dem Käufer das Eigentum an der Kaufsache übertragen und
ihm den Besitz an der Sache verschaffen muß. Der Eigentumsübergang erfolgt dabei in der in
Abschnitt V dargestellten Weise durch Einigung und Übergabe. Verschaffung des Besitzes
heißt, daß der Käufer die Sache tatsächlich in Händen halten muß.
Bsp.: A erwirbt beim Autohändler B einen Neuwagen. Da B diesen noch zu Ausstellungszwecken
benötigt, bleibt der Wagen zunächst bei B. Der Kaufvertrag ist damit seitens des B noch nicht
erfüllt. Selbst wenn A schon Eigentümer geworden ist (was möglich ist), bleibt B verpflichtet, dem
A den Besitz an dem Wagen zu verschaffen.
2. Der Rechts- oder Forderungskauf
Gegenstand eines Kaufvertrages können aber nicht nur Sachen (d.h. körperliche Gegenstände)
sein. Auch Rechte können durch einen Kaufvertrag verkauft werden. Dabei ist der Verkäufer
dann nur verpflichtet, dem Käufer das Recht zu übertragen.
Bsp.: A ist Inhaber einer Lebensversicherung, die in einem Jahr zu Auszahlung fällig wird. Da er
bereits jetzt Geld braucht, verkauft er die Forderung aus dem Versicherungsvertrag an den B, der
ihm dafür 90 % der Versicherungssumme bezahlt.
Als Forderungskauf läßt sich auch das sogenannte Factoring betrachten. Dabei handelt es
sich um einen Vertragstyp, der nicht im BGB geregelt ist. Er hat zum Inhalt, daß die eine
Partei der anderen (dem Factor) alle ihre ausstehenden Forderungen verkauft und dieser die
Forderungen dann eintreibt. Dadurch erhält der Forderungsverkäufer sofort Geld und muß
seine Forderungen nicht erst mühsam eintreiben.
Bsp.: A ist Inhaber eines Computerhandels. Er verkauft sämtliche Forderungen, die er gegen seine
Kunden hat, an den Factor B für 80 % ihres Nennbetrages. Dadurch erhält er sofort Geld, trägt
nicht das Risiko der Uneintreibbarkeit der Forderungen und kann auf eine eigene Mahnabteilung
in seinem Unternehmen verzichten.
3. Der Kauf von Sach- und Rechtsgesamtheiten
Schließlich können auch sogenannte Sach- und Rechtsgesamtheiten Gegenstand eines
Kaufvertrages sein. Dies ist etwa der Fall beim Verkauf eines Unternehmens, einer Arztpraxis
o.ä.. Der Kaufgegenstand setzt sich dann jeweils aus einer Gesamtheit von Sachen
(Immobilien, Maschinen etc.), Rechten (Lizenzen, Patenten etc.) und sonstigen
Vermögenswerten (Kundenstamm, Geschäftsidee etc.) zusammen.
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61
Abschnitt VIII: Einzelne Vertragstypen
III. Der Mietvertrag
1. Inhalt des Mietvertrages
Durch den Mietvertrag wird die eine Partei verpflichtet, der anderen Partei zeitweise den
Gebrauch einer Sache zu überlassen. Die andere Partei zahlt dafür einen Mietzins.
Gegenstand der Miete können nur bewegliche und unbewegliche Sachen, dagegen aber keine
Rechte sein.
2. Dauer des Mietvertrages
Ein Mietvertrag kann entweder für eine bestimmte Zeit oder unbefristet abgeschlossen
werden. Bei fehlender Befristung endet der Vertrag durch die Kündigung einer Partei. Für die
Kündigung können bestimmte Formen oder Fristen vereinbart werden. Bei Mietverträgen
über Wohnraum, bestehen solche Fristen und Kündigungshindernisse aus sozialen Gründen
von Gesetzes wegen.
3. Pflichten des Vermieters
Ein wichtiges Charakteristikum des Mietvertrages ist, daß der Vermieter zur Instandhaltung
der Sache während der Mietzeit verpflichtet ist. Es genügt also nicht, wenn er die Sache
einmal im vertragsgemäßen Zustand übergibt. Es ist allerdings möglich, vertraglich zu
vereinbaren, daß der Mieter für bestimmte Instandhaltungen selber verantwortlich ist.
Bsp.: A mietet bei B eine Druckmaschine, um eine Zeitung herauszugeben. Nach einem Jahr ist
die Maschine so weit abgenutzt, daß einzelne Farben nicht mehr paßgenau gedruckt werden. B ist
verpflichtet, die Maschine wieder in einen funktionsfähigen Zustand zu versetzen.
4. Der Pachtvertrag
Ein der Miete ähnlicher Vertragstyp ist die Pacht. Sie unterscheidet sich von der Miete in
zwei Punkten. Zum einen steht dem Mieter nur der Gebrauch der Mietsache zu, während der
Pächter auch ein Recht auf die Erzeugnisse der Pachtsache hat. Zum anderen können
Gegenstand eines Pachtvertrages nicht nur Sachen sondern auch Rechte sein.
Bsp.: Winzer A schließt mit dem Weinbergbesitzer B einen Vertrag über die zeitweise
Überlassung des Weinbergs. Es handelt sich um einen Pachtvertrag, da A nicht nur den Besitz an
dem Weinberg erhalten soll, sondern auch dessen Erzeugnisse.
C will ein Unternehmen zur Herstellung von Arzneimitteln betreiben. Er mietet von D
Geschäftsräume und von E Maschinen. Mit F schließt er einen Vertrag zur Nutzung eines Patents
an einem Medikament. Es handelt sich um einen Pachtvertrag, da ein Patent ein Recht und keine
Sache ist und C auch die Erzeugnisse des Patents (d.h. die Medikamente) zustehen sollen.
IV. Der Leasingvertrag
1. Die Funktion des Leasing
Auch beim Leasingvertrag handelt es sich, ähnlich wie beim Factoring, um einen Vertragstyp,
der im BGB nicht vorgesehen ist, jedoch durch die Kategorien des BGB angemessen zu
erfassen ist.
Die typische Situation stellt sich folgendermaßen dar: Der Leasingnehmer braucht ein
bestimmtes Wirtschaftsgut, hat aber kein Eigenkapital, um es zu bezahlen. Der Leasinggeber
verfügt zwar nicht über das Wirtschaftsgut, dafür aber über Kapital. Der Leasingnehmer sucht
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
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Abschnitt VIII: Einzelne Vertragstypen
deshalb das benötigte Wirtschaftsgutbei einem Verkäufer aus und der Leasinggeber erwirbt
es. Der Leasinggeber ist damit also Eigentümer des Wirtschaftsguts. Sodann wird das
Wirtschaftsgut dem Leasingnehmer gegen ein Entgelt zum Gebrauch überlassen (verleast).
Es kann auch vorkommen, daß der Leasinggeber das Wirtschaftsgut bereits als Eigentümer
hat und direkt verleast oder daß der Leasingnehmer selber das Wirtschaftsgut zunächst als
Eigentümer hat, es dann aber an den Leasinggeber verkauft, um es anschließend wieder
zurück zu leasen (sale and lease back).
Den Hintergrund dieser Konstellationen stellen jeweils der Finanzierungsbedarf und
steuerliche Vorteile dar.
2. Rechtliche Behandlung
Rechtlich ähnelt das Leasing einem Mietvertrag und wird bei Bedarf auch teilweise so
behandelt. Da dem Leasing jedoch normalerweise Allgemeine Geschäftsbedingungen
zugrunde liegen, werden die meisten Probleme durch Parteivereinbarung und nicht durch
Gesetz geregelt. So haftet der Leasinggeber etwa normalerweise nicht für Mängel der Ware,
sondern tritt stattdessen dem Leasingnehmer alle aufgrund von Mängeln entstehenden
Ansprüche gegen den Verkäufer ab.
Bsp.: Unternehmer A (Leasingnehmer) sucht sich bei Verkäufer B eine EDV-Anlage aus. Diese
wird von der Bank C (Leasinggeber) erworben und dann an A verleast. A kann die Anlage nun in
seinem Betrieb nutzen und zahlt regelmäßig ein Entgelt an die Bank C.
Bald zeigt sich aber, daß die EDV-Anlage zu dem vereinbarten Zweck nicht geeignet ist und A
möchte sie wieder los werden. Er wendet sich an C. Die C verweist jedoch auf die dem
Leasingvertrag zugrunde liegenden AGB, denen zufolge die C für Mängel der geleasten Sache
nicht haftet, dafür aber alle Ansprüche gegen den Verkäufer B abgetreten wurden. A kann deshalb
die EDV-Anlage an B zurück geben, die C erhält den Kaufpreis zurück und A seine Leasingraten.
V. Der Dienstvertrag
1. Inhalt des Dienstvertrags
Durch den Dienstvertrag verpflichtet sich die eine Partei zur Erbringung von Diensten, die
andere zur Zahlung einer Vergütung. Es kann sich dabei um Dienste aller Art handeln.
Wichtig ist jedoch, daß der Dienstverpflichtete niemals den Erfolg seiner Dienste schuldet
sondern immer nur die sorgfältige Ausführung, d.h. die Tätigkeit als solche.
Bsp.: Der Arzt schuldet nicht die Heilung sondern nur die den Regeln der ärztlichen Kunst
entsprechende Heilbehandlung. Der Anwalt schuldet nicht das Obsiegen vor Gericht sondern nur
die sorgfältige Prozeßführung. Auch wenn der Patient nicht wieder gesund wird oder der Mandant
seinen Prozeß verliert, haben der Arzt bzw. der Anwalt ihre Pflichten (meist) ordnungsgemäß
erfüllt und können Bezahlung verlangen.
2. Dienstvertrag und Arbeitsvertrag
Um einen Dienstvertrag handelt es sich auch bei Arbeitsverträgen zwischen Arbeitgebern und
abhängig Beschäftigten (Arbeitnehmern). Hier treten neben das BGB jedoch noch die
ergänzende Vorschriften arbeitsrechtlicher Spezialgesetze (bspw. KündigungsschutzG,
MutterschutzG, JugendarbeitsschutzG, BundesurlaubsG etc.).
VI. Der Werkvertrag
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
63
Abschnitt VIII: Einzelne Vertragstypen
Der Werkvertrag bildet das "Gegenstück" zum Dienstvertrag. Hier wird gerade nicht nur eine
bestimmte Tätigkeit, sondern ein Erfolg geschuldet. Der Werkunternehmer kann also nur
Vergütung verlangen, wenn er das Werk erfolgreich vollendet hat.
Bsp.: Wer sich zur Herstellung einer Maschine verpflichtet, muß diese so konstruieren, daß sie
funktioniert. Es genügt nicht, die Arbeiten sorgfältig ausgeführt zu haben.
VII. Software-Verträge
1. Rechtliche Behandlung
Auch Verträge die in irgendeiner Form Software zum Gegenstand haben, sind natürlich nicht
vom BGB geregelt, da sich diese Problematik vor hundert Jahren noch nicht stellte.
Allerdings lassen sich auch hier die verschiedenen denkbaren Konstellationen durch die
Vertragstypen des BGB erfassen.
2. Dauerhafter Erwerb einer Software
Erwirbt jemand eine Diskette oder ein ähnliches Trägermedium, auf dem ein
Standardprogramm (beispielsweise Microsoft WORD) zur dauerhaften Nutzung durch den
Erwerber gespeichert ist, so handelt es sich um einen Kaufvertrag. Ist das Programm zum
Zeitpunkt des Erwerbs fehlerhaft, so kann es zurückgegeben werden.
3. Zeitweise Nutzung einer Software
Wird dagegen die Lizenz zur Nutzung einer Software nur für eine bestimmte Zeit erteilt
(beispielsweise DATEV-Programme), so liegt ein Mietvertrag vor. Der Lizenzgeber ist dann
verpflichtet, das Programm in Stand zu halten, d.h. zum Beispiel die Kompatibilität mit
anderen Programmen zu gewährleisten oder notwendige Anpassungen vorzunehmen (etwa die
Änderung des Umsatzsteuersatzes).
4. Individuelle Erstellung einer Software
Soll eine Software spezielle für einen Nutzer entwickelt werden, so liegt ein Werkvertrag vor.
Er füllt das Programm nicht die vereinbarten Funktionen, kann der Hersteller keine Vergütung
verlangen.
5. Aktualisierung von Software
Ist eine Software bereits in Betrieb und soll sie nach dem Vertrag regelmäßig an den Stand
der Technik angepaßt werden, so handelt es sich in der Regel um einen Dienstvertrag. Der
Dienstverpflichtete wird nicht garantieren wollen, daß er die Software, die gar nicht von ihm
entwickelt wurde, immer dem neuesten Stand anpassen kann.
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64
Abschnitt IX: Arbeitsrecht
Abschnitt IX: Arbeitsrecht
I. Funktion und Rechtsquellen des Arbeitsrechts
1. Funktion des Arbeitsrechts
Das Arbeitsrecht regelt umfassend das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern.
Dabei hat es insbesondere im Auge, dass der Arbeitnehmer meist wirtschaftlich unterlegen ist
und sich in eine Situation der Abhängigkeit vom Arbeitgeber begibt. Aufgrund dieser
Tatsache ist der Arbeitnehmer besonders schutzbedürftig und bedarf der Fürsorge durch die
Rechtsordnung. Mit den entsprechenden Regelungen realisiert der Staat deshalb einerseits das
Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes. Andererseits ist aber auch immer die grundrechtlich
geschützte Berufsfreiheit des Arbeitgebers zu beachten, die beeinträchtigt würde, wenn
arbeitsrechtliche Regelungen seine Dispositionsfreiheit in Bezug auf die Beschäftigung von
Arbeitnehmern zu sehr einschränken würden.
2. Individuelles und kollektives Arbeitsrecht
Das Arbeitsrecht wird unterschieden in das individuelle und das kollektive Arbeitsrecht. Das
kollektive Arbeitsrecht hat das Verhältnis zwischen den Tarifparteien zum Gegenstand, also
etwa die Zulässigkeit von Streiks oder Aussperrungen. Das individuelle Arbeitsrecht dagegen
bezieht sich auf das einzelne Arbeitsverhältnis, also die Rechtsbeziehung zwischen einem
konkreten Arbeitnehmer und einem konkreten Arbeitgeber.
3. Einordnung des Arbeitsrechts
Historisch hat sich das (individuelle) Arbeitsrecht aus dem Schuldrecht entwickelt.
Schließlich stellt jeder Arbeitsvertrag auch einen Dienstvertrag im Sinne des BGB dar und in
einigen Punkten bildet auch das BGB noch die Grundlage für die Behandlung
arbeitsrechtlicher Probleme. Allerdings sind im Laufe der Zeit eine Reihe besonderer Gesetze
hinzugetreten, so dass sich das Arbeitsrecht inzwischen zu einem eigenen Rechtsbereich
entwickelt hat. Zu großen Teilen gehört dieser Rechtsbereich dem Zivilrecht an. Der einzelne
Arbeitnehmer muss also seine Rechte selber geltend machen. Einige Gesetze, insbesondere
die Regelungen zum Mutter-, Arbeitsplatz- und Jugendschutz, zählen jedoch zum öffentlichen
Recht. Hier greift also der Staat, ggf. im Wege von Bußgeldern, ein, um die entsprechenden
Vorschriften durchzusetzen.
4. Rechtsquellen des Arbeitsrechts
Anders als das sonstige Zivilrecht, dessen Rechtsquellen im wesentlichen auf Gesetz und
Vertrag beschränkt sind, verfügt das Arbeitsrecht über eine Vielzahl möglicher Rechtsquellen.
An der Spitze der Pyramide steht natürlich auch hier das Gesetz, mit seinen zwingenden oder
dispositiven Regelungen. Es folgen dann die für das Arbeitsrecht typischen Rechtsquellen
Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, die zwar ursprünglich zwischen den Tarifparteien
auf überbetrieblicher bzw. betrieblicher Ebene ausgehandelt werden, dann aber unter
bestimmten Voraussetzungen Gesetzeskraft erlangen können und somit generell für alle ihnen
unterfallenden Arbeitsverhältnisse gelten.
Weiterhin stellen betriebliche Übung und betriebliche Einheitsregelung Rechtsquellen dar,
die jedoch keine Gesetzeskraft erlangen sondern rein schuldrechtlich nur zwischen den
Beteiligten wirken. Eine betriebliche Übung liegt dabei dann vor, wenn der Arbeitgeber sich
drei mal in einer bestimmten Weise verhalten hat, etwa durch freiwillige Geldzahlungen für
besondere Leistungen.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
65
Abschnitt IX: Arbeitsrecht
Schließlich steht am Ende der Rechtsquellenpyramide der einzelne Arbeitsvertrag. Dieser
wiederum enthält ein Direktionsrecht des Arbeitgebers, also die Befugnis, dem
Arbeitnehmer im Einzelfall zu sagen, welche konkreten Tätigkeiten er zu übernehmen hat.
Grundsätzlich gelten all diese Rechtsquellen in der genannten Reihenfolge. Allerdings besteht
zu Gunsten des Arbeitnehmers der Grundsatz, dass er sich immer auf diejenige Regelung zu
einer bestimmten Frage berufen kann, die für ihn am günstigsten ist (Günstigkeitsprinzip).
II. Der Begriff des Arbeitnehmers
Ob für eine Person die Regeln des Arbeitsrechts gelten, hängt davon ab, ob sie Arbeitnehmer
ist. Die Definition des Arbeitnehmerbegriffs ist deshalb von entscheidender Bedeutung.
Allerdings verwenden auch andere Rechtsbereiche, insbesondere das Steuer- und
Sozialversicherungsrecht den Begriff des Arbeitnehmers. Die jeweilige Bedeutung deckt sich
weitgehend, kann im Einzelfall aber auch voneinander abweichen.
Bsp.: Studenten in ihren Nebenjobs sind arbeitsrechtlich Arbeitnehmer, erfahren steuer- und
sozialversicherungsrechtlich aber eine andere Behandlung.
Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts ist, wer aufgrund privatrechtlichen Vertrags zur
Arbeit im Dienste eines anderen verpflichtet ist.
Diese Definition muß im wesentlichen zweierlei leisten. Zum einen grenzt sie den
Arbeitnehmer ab vom Beamten, da dieser nicht aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags
sondern aufgrund hoheitlicher Ernennung tätig ist.
Ist die Unterscheidung insoweit noch einfach, so stellen sich mehr Schwierigkeiten bei der
Abgrenzung zum selbständig Tätigen. Auch Anwälte, Steuerberater, Architekten etc. sind
aufgrund privatrechtlichen Vertrags verpflichtet, einem anderen (dem Gläubiger) Dienste zu
leisten. Trotzdem sind sie natürlich keine Arbeitnehmer. Bei der Feststellung, ob eine Person
als Arbeitnehmer oder als Selbständiger für ihren Gläubiger tätig wird, kommt es nicht darauf
an, welche Bezeichnung die Parteien gewählt oder was sie gewollt haben. Vielmehr ist
aufgrund der tatsächlichen Umstände zu ermitteln, ob der Schuldner dem Gläubiger seine
Arbeitskraft überlässt, damit die eigene Dispositionsfreiheit verliert und deshalb besonders
schutzbedürftig ist. Wesentliche Kriterien sind dabei, ob der Schuldner fachlich, örtlich und
zeitlich weisungsgebunden und in den Betrieb eines anderen eingebunden ist (dann
Arbeitnehmer) oder ob er im wesentlichen selber darüber entscheiden kann, wie, wann und
wo er seiner Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger nachkommt (dann Selbständiger).
Bsp.: Student A arbeitet Abends in einer Kneipe, um sein Studium zu finanzieren. Ob er hinter der
Theke, in der Küche oder bei der Bedienung tätig wird, entscheidet der Arbeitgeber. Damit ist A
Arbeitnehmer.
B und C arbeiten in einem Gymnasium. B ist Lehrer und damit (im Regelfall) Beamter. Das
Arbeitsrecht greift hier nicht ein. C ist Hausmeister und wird damit aufgrund eines privatrechtlichen
Vertrages tätig. C ist also Arbeitnehmer.
D schreibt regelmäßig Artikel für die Badische Zeitung. An seine Aufträge gelangt er, indem er in der
Redaktion anruft und fragt, welche Themen gerade anstehen. Wenn ihm das Thema nicht gefällt oder er
zu dem Termin keine Zeit hat, lehnt er ab. Damit ist D nicht weisungsgebunden und deshalb nicht
Arbeitnehmer sondern freier Mitarbeiter. Nach einiger Zeit schließt D mit der Badischen Zeitung einen
Vertrag, dass er ab sofort mindestens 4 Artikel pro Woche schreiben muß. Für kurzfristige Aufträge der
Redaktion hat er sich bereit zu halten. Damit ist D weisungsgebunden und deshalb Arbeitnehmer
geworden.
Neben den eigentlichen Arbeitnehmern gibt es auch noch arbeitnehmerähnliche Personen.
Dies sind Personen, die zwar nicht die Definition des Arbeitnehmers erfüllen, jedoch
aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von einem Arbeitgeber vergleichbar
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
66
Abschnitt IX: Arbeitsrecht
schutzbedürftig sind (bspw. Heimarbeiter). Diese Gruppe ist jedoch nur dann relevant, wenn
sie gesondert im Gesetz erwähnt wird.
Davon zu unterscheiden sind die sogenannten Scheinselbständigen. Hier kann die
Einordnung in Arbeitnehmer/Selbständiger im Einzelfall schwierig sein. Zudem sind
Scheinselbständige sozialversicherungspflichtig und da der Arbeitnehmer diese Beiträge
abzuführen hat, ist es ratsam, den jeweiligen Status durch eine Rückfrage beim Arbeitsamt
bzw. der Landesversicherungsanstalt klären zu lassen.
III. Der Abschluß des Arbeitsvertrags
Der Arbeitsvertrag ist zunächst einmal ein normaler. Wie er wirksam abgeschlossen werden
kann, ergibt sich deshalb grundsätzlich aus dem BGB. Bezüglich der Situation im Vorfeld des
Vertragsschlusses und der Form des Arbeitsvertrags ist hier aber auf einige wichtige Punkte
hinzuweisen.
1. Die Anbahnung des Arbeitsvertrags
Im Vorfeld des Abschlusses eines Arbeitsvertrages sind zwei Punkte in Bezug auf ein
Vorstellungsgespräch von Bedeutung. Zum einen hat der (potentielle) Arbeitgeber die
Vorstellungskosten zu ersetzen, wenn das Vorstellungsgespräch auf seine Einladung hin statt
gefunden hat. Zum anderen finden sich Einschränkungen in Bezug auf die Fragen, die im
Vorstellungsgespräch gestellt werden dürfen. Normalerweise führt eine falsche Antwort auf
eine Frage im Vorfeld eines Vertrages dazu, dass der Vertrag wegen arglistiger Täuschung
anfechtbar ist. Im Arbeitsrecht gilt dies aber nur insoweit, als die Frage zulässig war. Zulässig
sind nur solche Frage, die einen für das Arbeitsverhältnis relevanten Bereich betreffen. Im
übrigen hat der (potentielle) Arbeitnehmer ein Recht zur Lüge.
2. Der Abschluß des Arbeitsvertrages
Ein Arbeitsvertrag kann grundsätzlich formfrei abgeschlossen werden. Nur befristete
Arbeitsverträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
Allerdings ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, den wesentlichen Inhalt des
Arbeitsvertrags schriftlich festzuhalten, dieses Dokument zu unterzeichnen und dem
Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen.
IV. Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses
Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergibt sich aus der oben dargestellten Pyramide von
Rechtsquellen.
1. Arbeitsvertrag und Tarifvertrag
Neben Vertrag und Gesetz hat der Tarifvertrag eine entscheidende Bedeutung für den Inhalt
des Arbeitsverhältnisses. Tarifverträgen werden abgeschlossen zwischen den Gewerkschaften
und den Arbeitgeberverbänden. Sie können auf drei Wegen Bedeutung für das einzelne
Arbeitverhältnis erlangen.
Zunächst gelten Tarifverträge automatisch für diejenigen Arbeitsverhältnisse, bei denen beide
Seiten tarifgebunden sind, d.h. wo Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils Mitglied der
Gewerkschaft bzw. des Arbeitgeberverbands sind, die den Tarifvertrag abgeschlossen haben.
Dann können abgeschlossene Tarifverträge dadurch Gültigkeit für alle Arbeitsverhältnisse
erlangen, dass der Bundesarbeitsminister sie für allgemeinverbindlich erklärt. Diese Erklärung
erfolgt dann, wenn die durch einen bestimmten Tarifvertrag bereits gebundenen Arbeitgeber
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
67
Abschnitt IX: Arbeitsrecht
mindestens 50 % der in einer Branche tätigen Arbeitnehmer beschäftigen. Mit der
Allgemeinverbindlicherklärung bekommt der Tarifvertrag Gesetzeskraft.
Schließlich können die Parteien eines Arbeitsverhältnisses auch ausdrücklich im
Arbeitsvertrag auf einen bestimmten Tarifvertrag Bezug nehmen und diesen dadurch zum
Inhalt der individuellen vertraglichen Vereinbarung machen.
2. Art und Ort der Tätigkeit
Insbesondere für die Fragen, die nicht verallgemeinerungsfähig sind, hat der Arbeitsvertrag
eine wesentliche Bedeutung. Dies gilt etwa für die Art und den Ort der Tätigkeit. Hier ist zu
beachten, dass das die konkreten Pflichten des Arbeitnehmers bestimmende Direktionsrecht
des Arbeitgebers desto weiter ist, je ungenauer die Bestimmungen des Arbeitsvertrags sind.
Der Ort der Tätigkeit kann vereinbart werden. Sofern eine Versetzungsklausel vereinbart
wurde, kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsort zuweisen, sofern dies
dem Arbeitnehmer zumutbar ist.
3. Die Vergütung
Beim Arbeitsverhältnis steht der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers immer die
Vergütungspflicht des Arbeitgebers gegenüber. Sofern eine Vergütung nicht ausdrücklich
vereinbart wurde, ergibt sich schon aus dem BGB, dass die übliche Vergütung als vereinbart
gilt, sofern die entsprechende Tätigkeit normalerweise nur gegen Vergütung erbracht wird. In
den allermeisten Fällen wird aber eine Vergütung im Arbeitsvertrag festgelegt oder ergibt sich
aus einem anwendbaren Tarifvertrag.
In der Regel ist eine Vereinbarung über die Vergütung auf den Bruttolohn gerichtet. Die vom
Arbeitnehmer zu zahlende Lohnsteuer wird dann zwar vom Arbeitgeber direkt an das
Finanzamt abgeführt, gleichwohl aber vom auszuzahlenden Lohn abgezogen. Auch die
Sozialabgaben werden vom Arbeitgeber abgeführt, anders als die Lohnsteuer aber auch je zur
Hälfte vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer getragen.
Bsp.: Arbeitnehmer A verdient Brutto DM 4000,-. Er ist in Höhe von DM 700,- lohnsteuerpflichtig und
für ihn sind DM 1000,- Sozialabgaben zu zahlen. Der Arbeitnehmer erhält DM 2800,- ausgezahlt. Der
Arbeitgeber muß selber DM 500,- an Sozialabgaben zahlen und führt DM 1200,- Lohnsteuer und
Sozialabgaben für den Arbeitnehmer an das Finanzamt bzw. die entsprechenden Versicherungen ab.
Ausnahmsweise werden auch einmal Nettolöhne vereinbart. Dann kann der Arbeitgeber
Lohnsteuer und Sozialabgaben auch nicht teilweise vom Lohn abziehen, trägt also
insbesondere das Risiko einer Erhöhung der entsprechenden Steuern und Abgaben.
Zulagen und Gratifikationen für besondere Ereignisse oder Leistungen sind meist im
Individualvertrag oder Tarifvertrag vorgesehen (etwa Weihnachts- oder Urlaubsgeld,
Erschwerniszulage etc.). Zulässig ist die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts, der es
ermöglicht, die entsprechenden Leistungen wieder zu streichen. Ebenso sind
Rückzahlungsklauseln für den Fall der Kündigung o.ä. grundsätzlich zulässig und
insbesondere beim Weihnachtsgeld sowie bei Umzugs- und Fortbildungskosten auch üblich.
Allerdings müssen diese Klauseln angesichts der Höhe des Betrags und der Dauer der
Tätigkeit verhältnismäßig sein.
Der Anspruch auf bestimmte Zulagen kann aber auch aus betrieblicher Übung entstehen.
Gewährt etwa der Arbeitgeber drei mal ohne Widerrufsvorbehalt eine Zulage für eine
bestimmte Arbeit, so haben alle Arbeitnehmer einen Anspruch auf diese Zulage, wenn sie
diese Arbeit verrichten.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
68
Abschnitt IX: Arbeitsrecht
Auch die verschiedenen Formen der Naturalvergütung stellen einen Teil der Vergütung dar.
Dies ist insbesondere wichtig für die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Einordnung.
Bsp.: der Firmenwagen, der auch privat genutzt werden darf; der Kasten Bier, den eine Brauerei
monatlich ihren Arbeitnehmern aushändigt.
Für Überstunden, die vom Arbeitgeber angeordnet sind, kann entweder ein Freizeitausgleich
oder eine Vergütung vereinbart werden. Liegt keine Vereinbarung vor, so besteht gleichwohl
ein Anspruch auf die übliche Vergütung, sofern nicht sowieso ein überdurchschnittlicher
Lohn gezahlt wird, der entsprechende Mehrarbeit erwarten lässt.
4. Arbeitszeit, Urlaub und Entgeltfortzahlung
Dauer und Lage der Arbeitszeit ergeben sich in der Regel aus Vereinbarung oder Tarifvertrag,
bezüglich der Lage auch häufig aus Betriebsvereinbarungen. Das Arbeitszeitgesetz enthält
bestimmte Beschränkungen, etwa für die Sonntagsarbeit.
Auch der Urlaubsanspruch ergibt sich aus Vertrag, Tarifvertrag oder Gesetz, wobei der
gesetzliche Mindesturlaub bei Vollzeitbeschäftigung 24 Tage im Jahr und bei
Teilzeitbeschäftigung entsprechend weniger beträgt. Nicht verbrauchter Urlaub kann jeweils
bis Ende März des Folgejahres verbraucht werden. Bei einer Beendigung des
Arbeitsverhältnisses ist der Resturlaub zwingend zu vergüten.
Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers bleibt bestehen, wenn dieser seiner Tätigkeit aus
Gründen nicht nachgehen kann, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen, etwa bei
Stromausfall, unwirksamer Aussperrung o.ä.. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer gegen
seinen Willen freigestellt wird.
Darüber hinaus bleibt der Vergütungsanspruch unter bestimmten Voraussetzungen auch dann
bestehen, wenn der Grund für die Verhinderung beim Arbeitnehmer liegt. Dies ist zum einen
dann für einen Zeitraum von maximal sechs Wochen der Fall, wenn der Arbeitnehmer infolge
von Krankheit arbeitsunfähig ist, dies unverzüglich dem Arbeitgeber anzeigt und innerhalb
von drei Tagen nachweist. Zum anderen dann, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen, die in
seiner Person liegen, die er aber nicht verschuldet hat, für einen nicht erheblichen Zeitraum
der Arbeit fernbleiben muß. Letzteres liegt etwa vor, wenn Kinder des Arbeitnehmers
erkranken, wichtige Familienfeiern anstehen o.ä..
5. Wettbewerbsverbote
Während des Arbeitsverhältnisses ist es dem Arbeitnehmer verboten, im Wettbewerb zu
seinem Arbeitgeber einer Tätigkeit nachzugehen. Dies soll insbesondere verhindern, dass der
Arbeitnehmer Kenntnisse aus dem Arbeitsverhältnis nutzt, um ein ähnliches Produkt in
Konkurrenz zu dem Arbeitgeber selber auf den Markt zu bringen.
Nach Ende des Arbeitsverhältnisses gilt dieses Wettbewerbsverbot nicht automatisch, sondern
nur dann wenn es wirksam vereinbart wurde. Voraussetzung dafür ist, dass die Vereinbarung
schriftlich erfolgte, dass sie eine Entschädigung mindestens in der Höhe des letzten Entgelts
vorsieht, nicht länger als zwei Jahre gilt, berechtigten Interessen des Arbeitgebers dient und
das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unbillig erschwert.
Bsp.: A verkauft Teppiche über seine Homepage >www.billige-teppiche.de<. Für die Gestaltung der
Homepage ist sein Angestellter B zuständig. Da B sich auch die betriebliche Organisation selber
zutraut, gründet er ebenfalls einen Teppichhandel unter >www.billigere-teppiche.de<. Eine solche
Konkurrenztätigkeit ist unzulässig.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
69
Abschnitt IX: Arbeitsrecht
Als B dies erfährt, kündigt er sein Angestelltenverhältnis, um seinen eigenen Teppichhandel
fortzuführen und den von A verlangten Schadensersatz wieder herein zu bekommen. Dies ist zulässig,
sofern nichts anderes vereinbart wurde.
6. Die Arbeitnehmerhaftung
Zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gelten grundsätzlich die allgemeinen vertraglichen
Sorgfaltspflichten. D.h. dass der Arbeitnehmer seine Pflichten ordnungsgemäß und mit
Rücksicht auf die Interessen und Rechtsgüter des Arbeitgebers zu erfüllen hat und bei
schuldhafter Schlechtleistung dem Arbeitgeber aus positiver Forderungsverletzung auf
Schadensersatz haftet (vgl. unten Abschnitt X, II, 3.).
Dieser allgemeine zivilrechtliche Grundsatz, nach dem jeder für den Schaden haftet, den er
pflichtwidrig und schuldhaft verursacht hat, wird im Arbeitsrecht aber eingeschränkt. Grund
dafür ist, dass der Arbeitgeber die Betriebsmittel stellt und für die Arbeitsorganisation
verantwortlich ist. Deshalb kann nie ausgeschlossen werden, dass auch der Arbeitgeber einen
Verursachungsanteil an dem entstandenen Schaden hat. Zudem ist jede Tätigkeit
(insbesondere angesichts des strengen Sorgfaltsmaßstabs des Zivilrechts) in irgendeiner Form
gefahrenträchtig und dieses Betriebsrisiko soll der Arbeitgeber tragen.
Deshalb haftet der Arbeitnehmer dann überhaupt nicht, wenn er einen Schaden leicht
fahrlässig verursacht hat. Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden von Arbeitnehmer und
Arbeitgeber anteilig getragen. Nur bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz haftet der
Arbeitnehmer vollständig alleine.
Bsp.: Arbeitnehmer A hat bei der Arbeit am Computer durch Flüchtigkeit eine Tastenkombination
gedrückt, die einen völligen Absturz herbeiführt und eine teure Neuinstallation durch einen Fachmann
erforderlich macht. Hier liegt leichte Fahrlässigkeit vor. Der Arbeitgeber hat den ganzen Schaden zu
tragen.
Arbeitnehmer B hat über eine Diskette einen Virus eingeschleppt, weil er nur einen veralteten
Virenscanner benutzt hat. Hier liegt mittlere Fahrlässigkeit vor. Der Schaden wird geteilt.
Arbeitnehmer C hat eine mit Viren verseuchte E-Mail geöffnet, obwohl bereits im Betrieb vor diesem
Typ E-Mail gewarnt wurde. Es liegt grobe Fahrlässigkeit (oder sogar Vorsatz) vor. C trägt den Schaden
allein.
Wenn der Arbeitnehmer gegenüber einem Dritten für einen Schaden haftbar ist (insbesondere
aus Delikt) so gelten die gerade dargelegten Grundsätze nur mittelbar. Der Arbeitnehmer muß
dem Dritten den Schaden voll ersetzen. Soweit er aber nach dem oben gesagten gegenüber
dem Arbeitgeber gar nicht oder nur begrenzt haften würde, kann der Arbeitnehmer vom
Arbeitgeber dasjenige wieder ersetzt verlangen, was er dem Dritten geleistet hat.
Bsp.: A ist als Fahrradbote im Betrieb des B tätig. Bei einer seiner Fahrten verursacht er durch leichte
Fahrlässigkeit einen Unfall, bei dem der C einen Schaden erleidet. C kann von A den gesamten Schaden
ersetzt verlangen. Da A aber im Verhältnis zu B bei leichter Fahrlässigkeit überhaupt nicht haften
würde, kann er bezüglich des ganzen Betrags bei B Regreß nehmen.
Bei Personenschäden innerhalb des Betriebs und auf dem Weg zur bzw. von der Arbeit gilt
noch eine Sonderregelung der gesetzlichen Unfallversicherung. Danach haften Arbeitnehmer
und Arbeitgeber jeweils nur bei vorsätzlicher Herbeiführung von Personenschäden an
Kollegen bzw. Arbeitnehmern. Bei nur fahrlässiger Herbeiführung greift die
Unfallversicherung ein.
7. Ausschlussfristen und Verjährung
Häufig werden in Arbeits- oder Tarifverträgen Ausschlussfristen für Ansprüche aus dem
Arbeitsverhältnis vereinbart. Nach deren Ablauf können ausstehende Lohn-, Urlaubs- oder
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
70
Abschnitt IX: Arbeitsrecht
Schadensersatzansprüche o.ä. nicht mehr geltend gemacht werden. Im übrigen gilt eine
gesetzliche Verjährungsfrist von zwei Jahren.
8. Arbeitnehmererfindungen
Erfindungen, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsverhältnis macht und die patentoder gebrauchsmusterfähig sind, stehen grundsätzlich dem Arbeitgeber zur Verwertung zu.
Dies gilt auch für Computerprogramme, die im Rahmen einer Auftragsarbeit entstehen,
obwohl Computerprogramme nicht patent- oder gebrauchsmusterfähig sind sondern dem
Urheberrechtsgesetz unterfallen. Danach hat der Arbeitnehmer aber zumindest einen
Anspruch auf Namensnennung. Hiervon abweichende Regelungen im Arbeitsvertrag sind
aber zulässig.
V. Die Beendigung des Arbeitsverhältnis
1. Das befristete Arbeitsverhältnis
Ein Arbeitsverhältnis kann unbefristet oder befristet sein. Unbefristete Arbeitsverhältnisse
können nur durch Kündigung beendet werden, befristete enden (auch) mit Zeitablauf.
Da der Arbeitgeber durch eine Befristung die Regelungen zum Kündigungsschutz umgehen
könnte, sind befristete Arbeitsverhältnisse jedoch nur dann zulässig, wenn das
Kündigungsschutzgesetz auf das entsprechende Arbeitsverhältnis nicht anwendbar ist (vgl.
unten 2.) und ein sachlicher Grund für die Befristung vorliegt. Sind diese beiden
Voraussetzungen nicht gegeben, so gilt das Arbeitsverhältnis automatisch als unbefristet.
Bsp.: Ein sachlicher Grund ist etwa, dass der Arbeitgeber eine Vertretung für eine vorübergehend
erkrankte oder beurlaubte Arbeitskraft benötigt.
Hat Arbeitgeber A den Arbeitnehmer B unter dem Vorwand einer Vertretung befristet eingestellt und
liegt ein Vertretungsbedarf überhaupt nicht vor, so gilt das Arbeitsverhältnis des B unbefristet.
2. Die ordentliche Kündigung des unbefristeten Arbeitsverhältnis
Wegen der gerade genannten engen Voraussetzungen sind die meisten Arbeitsverhältnisse
unbefristet. Sie können also nur durch Kündigung oder Auflösungsvertrag beendet werden.
Kündigung und Auflösungsvertrag bedürfen immer der Schriftform.
Daneben kann die Zulässigkeit einer Kündigung bez. ihrer Gründe und der Fristen auch noch
weiteren Einschränkungen unterliegen, die sich aus dem Arbeits- oder Tarifvertrag sowie dem
Gesetz ergeben können. Hier ist zu unterscheiden nach der ordentlichen und der
außerordentlichen Kündigung (zu letzterer vgl. unten 3.).
Eine ordentliche Kündigung ist zunächst einmal immer an bestimmte Fristen gebunden, die
sich aus verschiedenen Rechtsquellen ergeben können und deren Länge im wesentlichen
davon abhängt, wie lange der Arbeitnehmer bereits beschäftigt war.
Ob die Kündigung seitens des Arbeitgebers daneben auch auf bestimmte Kündigungsgründe
beschränkt ist, hängt davon ab, ob das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Dies ist
immer dann der Fall, wenn ein Arbeitnehmer bereits mindestens sechs Monate angestellt ist
und der Betrieb, in dem er tätig ist, mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt. Dabei werden
Teilzeitarbeitskräfte bei einer wöchentlichen Arbeitszeit bis zu 20 Stunden mit 0,5, bei bis zu
30 Stunden mit 0,75 gerechnet.
Bsp.: Arbeitnehmer A ist seit acht Monaten bei der X-GmbH vollzeitbeschäftigt. In dem Betrieb sind
seit drei Monaten außerdem noch B und C ebenfalls vollzeit-, sowie D mit 25 Wochenstunden und E, F
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71
Abschnitt IX: Arbeitsrecht
und G mit 18 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt. Der Betrieb hat also 5,25 Arbeitnehmer. Das
Kündigungsschutzgesetz ist auf A anwendbar. Nicht aber auf alle anderen, da diese noch keine sechs
Monate beschäftigt waren.
Wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet kann die ordentliche Kündigung nur
aus drei Kündigungsgründen erfolgen:
1. Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt ein schuldhaftes Fehlverhalten des
Arbeitnehmers voraus. Allerdings muß vor der Kündigung zunächst wegen des gleichen
Fehlverhaltens eine Abmahnung mit Kündigungsandrohung erfolgt sein.
Bsp.: Arbeitnehmer A ist mehrfach verspätet zur Arbeit erschienen und deshalb vom Arbeitgeber
abgemahnt worden. Darüber erbost, verbreitet A verleumderische Gerüchte über seine Vorgesetzten.
Eine Kündigung aus diesem Grund ist allerdings erst zulässig, wenn auch wegen der Verleumdungen
eine Abmahnung erfolgt ist. Kommt A dagegen erneut verspätet zur Arbeit, ist eine sofortige (aber
befristete) Kündigung möglich.
2. Eine personenbedingte Kündigung knüpft dagegen an in der Person des Arbeitnehmers
liegende und von diesem nicht verschuldete Gründe an. Solche Gründe liegen etwa dann vor,
wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Erkrankung auf seinem alten Arbeitsplatz nur noch
eingeschränkt arbeitsfähig ist und auch keine anderen Einsatzmöglichkeiten bestehen.
3. Eine betriebsbedingte Kündigung kommt dann in Betracht, wenn aufgrund einer
unternehmerischen Entscheidung Arbeitsplätze in einem Betrieb entfallen, für die betroffenen
Arbeitnehmer keine andere Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf anderen Arbeitsplätzen des
Betriebs besteht und innerhalb des jeweiligen Tätigkeitsbereichs unter mehreren
Arbeitnehmern derjenige ausgewählt wurde, für den eine Kündigung am sozialverträglichsten
ist.
Bsp.: A, B, C und D sind bei einem Softwareentwickler beschäftigt. A, B und C arbeiten als
Informatiker in der Abteilung für Computerspiele. D ist in dieser Abteilung für die Schreibarbeiten und
Organisation zuständig. Da der Markt für Computerspiele rapide eingebrochen ist, werden zwei
Arbeitsplätze in der Abteilung gestrichen. Einer im Bereich der Entwickler, einer bei Schreibarbeiten
und Organisation. A ist 30, alleinstehend und seit 2 Jahren beschäftigt. B ist 45, hat fünf Kinder und ist
seit 1 ½ Jahren im Betrieb. C ist ebenfalls 45, verheiratet und seit 3 Jahren angestellt. D schließlich ist
50, zwei Kinder und seit 5 Jahren beschäftigt. A und D werden gekündigt.
Die Kündigungen sind nur zulässig, wenn keine anderen Einsatzmöglichkeiten im Unternehmen
bestehen. Bezüglich der Sozialverträglichkeit ist A im Vergleich zu allen B und C weniger betroffen. D
ist zwar schwerer betroffen als C, jedoch findet ein Vergleich nur zwischen vergleichbaren
Aufgabenbereichen statt.
Eine Veräußerung des Betriebs ist kein Kündigungsgrund sondern führt vielmehr dazu, dass
die Arbeitsverhältnisse auf den neuen Betriebsinhaber übergehen. Außerdem gilt, dass eine
Kündigung immer nur das letzte Mittel sein darf.
Ob
eine
Kündigung den
genannten
Voraussetzungen
genügt,
wird
im
Kündigungsschutzprozeß geprüft. Die Kündigungsschutzklage muß der Arbeitnehmer
innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erheben. Tut er dies nicht, so wird
die Kündigung wirksam.
Eine Kündigung kann jedoch auch noch aus anderen Gründen unzulässig und damit
unwirksam sein. Dies gilt insbesondere bei den Personengruppen, für die ein besonderer
Kündigungsschutz
besteht,
also
etwa
Frauen
im
Mutterschutz
und
betriebsverfassungsrechtliche Funktionsträger (Betriebsräte etc.).
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
72
Abschnitt IX: Arbeitsrecht
3. Die außerordentliche Kündigung des unbefristeten Arbeitsverhältnis
Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist unabhängig von den oben für die ordentliche
Kündigung genannten Voraussetzungen immer dann möglich, wenn die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses bei Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht mehr zumutbar ist.
Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer schuldhaft schwere
Vertragsverletzungen begeht, die das Vertrauen des Arbeitgebers oder das Betriebsklima
zerstören. Allerdings ist eine außerordentliche Kündigung dann nur zulässig, wenn sie
innerhalb von zwei Wochen nach Eintritt des betreffenden Ereignis erfolgt.
Bsp.: Straftaten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber. Gewalttätigkeiten gegenüber Kollegen.
Permanente und erhebliche Verspätungen.
Auch gegen die außerordentliche Kündigung ist innerhalb von drei Wochen die
Kündigungsschutzklage zu erheben.
4. Die Änderungskündigung
Durch das Kündigungsschutzgesetz ist das Arbeitsverhältnis nicht nur in seinem Bestand
sondern auch inhaltlich geschützt. Der Arbeitgeber kann inhaltliche Änderungen des
Arbeitsverhältnis nur dadurch erreichen, dass er eine Änderungskündigung ausspricht. Dabei
handelt es sich entweder um eine Kündigung verbunden mit dem Angebot zum Abschluß
eines neuen Arbeitsvertrags oder um eine Kündigung, die durch die Ablehnung des
geänderten Arbeitsvertrags aufschiebend bedingt ist.
Der Arbeitnehmer kann entweder die Änderung akzeptieren, sie unter Vorbehalt annehmen
oder ganz ablehnen. In den beiden letzten Fällen kann er innerhalb von drei Wochen
Änderungsschutzklage erheben. Das Arbeitsgericht stellt dann fest, ob die
Änderungskündigung gerechtfertigt ist.
VI. Das Verfahren vor den Arbeitsgerichten
Der Aufbau der Arbeitsgerichtsbarkeit wurde bereits oben in Abschnitt II, IV, 2. erläutert. Die
Arbeitsgerichte sind zuständig für alle Verfahren, die im Zusammenhang mit dem
Arbeitsverhältnis stehen.
Das Prozessrecht entspricht grundsätzlich dem Zivilprozessrecht, weist aber einige
Besonderheiten auf. So ist etwa eine schnelle und obligatorische Güteverhandlung vor Beginn
des Prozesses vorgesehen, in der eine Einigung der Parteien erreicht werde soll.
Bei Kündigungsschutzklagen ist keine anwaltliche Vertretung erforderlich. Andererseits
werden in der ersten Instanz aber auch die Anwaltskosten selbst für die obsiegende Partei
nicht ersetzt.
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73
Abschnitt X: Leistungsstörung / Gewährleistung
Abschnitt X: Leistungsstörungen und Gewährleistung
I. Die Beeinträchtigung einer Leistung
1. Die denkbaren Beeinträchtigungen
Wenn jemand aufgrund eines vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnis zur Erbringung
einer bestimmten Leistung verpflichtet ist, so besteht immer die Gefahr, dass diese Leistung
bzw. die Möglichkeit diese Leistung zu erbringen in irgendeiner Form beeinträchtigt wird.
Denkbar ist zunächst, dass die Erbringung der Leistung von Anfang an unmöglich war oder
später unmöglich wird. Ist dies nicht der Fall, so kann die Leistung doch zu spät erbracht
werden, weil der betreffende Schuldner zu einer früheren Leistung nicht in der Lage oder
nicht Willens war. Schließlich ist noch möglich, dass die Leistung zwar zum richtigen
Zeitpunkt erbracht wird, nicht jedoch in der richtigen Art und Weise. Es kann beispielsweise
eine mangelhafte oder falsche Sache geliefert oder eine Reparatur unsachgemäß ausgeführt
werden.
In all diesen Fällen entstehen mitunter enorme Schäden, die oft weit über das eigentliche
Geschäft hinausgehen. Das BGB enthält Regelungen, die das Risiko einer solchen
Beeinträchtigung zwischen den Parteien verteilen. Im Bereich des Allgemeinen Schuldrechts
spricht man von Leistungsstörungen. Es handelt sich um Beeinträchtigungen, die bei allen
Leistungen auftreten können. Im Besonderen Schuldrecht gibt es spezielle Vorschriften zu
den Beeinträchtigungen, die bei den jeweils typischen Leistungen der verschiedenen
Vertragstypen üblicherweise entstehen können. Hier spricht man von Gewährleistung.
Bsp.: A produziert Computer. Dazu bezieht er von B einen bestimmten Chip, der nur von diesem
hergestellt wird. Die Fabrik des B brennt ab. Deshalb kann B den Chip nicht mehr liefern und die
Produktion des A kommt zeitweise zum Erliegen, bis A einen neuen Lieferanten gefunden hat, der
vergleichbare Chips produziert. Wegen der Verzögerung kann A einen vom Architekten C bestellten
Computer nicht rechtzeitig liefern. Nachdem der Computer endlich geliefert wurde, muss C neues
Personal einstellen, um die Pläne für das Haus des D rechtzeitig fertig stellen zu können. Aufgrund der
Eile unterläuft C ein Planungsfehler, so dass bei dem fertigen Haus eine Decke einstürzt und ein
wertvolles Klavier zerstört sowie den D verletzt. Können die Beteiligten jeweils Schadensersatz von
ihrem Schuldner verlangen?
2. Das Vertretenmüssen
Das wichtigste Kriterium, nach dem das Risiko einer Beeinträchtigung der Leistung zwischen
den Parteien verteilt wird, ist das sog. Vertretenmüssen. Zu vertreten hat man normalerweise,
wenn also keine Sonderregeln eingreifen, Vorsatz und Fahrlässigkeit. Diese beiden Begriffe
haben im wesentlichen die gleiche Bedeutung wie im Strafrecht (vgl. dort Abschnitt III, I 1.).
Meist hat diejenige Partei, die eine bestimmte Beeinträchtigung vorsätzlich oder fahrlässig
verursacht hat, auch den entsprechenden Schaden zu tragen. Auch Schäden, die niemand zu
vertreten hat, die also auf Zufall beruhen, muss aber jemand tragen. Hier weist das BGB das
Risiko meist der Partei zu, die näher an der entsprechenden Leistung steht.
Bsp.: Hat im obigen Beispiel der B seine Fabrik absichtlich niedergebrannt (Vorsatz) oder hat er
aufgrund von Nachlässigkeit die Brandschutzvorkehrungen nicht regelmäßig überprüft (Fahrlässigkeit),
so hat er es zu vertreten, dass er den A nicht mehr beliefern kann und muss dem A Schadensersatz
leisten.
Angenommen die Fabrik ist nicht abgebrannt, der B hat die Chips geliefert, diese sind aber aufgrund
eines von B nicht erkennbaren Fehlers unbrauchbar. In diesem Fall hat keiner die Beeinträchtigung der
Leistung zu vertreten, gleichwohl muss B neue funktionstüchtige Chips liefern. Das Risiko, dass seine
Leistung aufgrund Zufalls mangelhaft ist, muss er tragen.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
74
Abschnitt X: Leistungsstörung / Gewährleistung
In sehr vielen Fällen des Wirtschaftslebens handelt nicht der eigentliche Schuldner selber,
sondern ein Angestellter, ein Gehilfe oder ein Vertreter. Offensichtlich ist dies bei juristischen
Personen, die selber überhaupt nicht handeln können. Dementsprechend werden die
Beeinträchtigungen der Leistung dann auch meist nicht vom eigentlichen Schuldner sondern
von der zur Erfüllung der Verpflichtungen herangezogenen Person, dem sog.
Erfüllungsgehilfen verursacht. Es wäre unsachgemäß, wenn der Schuldner sich seiner
Haftung entziehen könnte, indem er behauptet, nicht er sondern der Gehilfe habe die
Beeinträchtigung vorsätzlich oder fahrlässig verursacht. Deshalb haftet man auch für das
Handeln seiner Gehilfen.
Bsp.: Werden die von B zu liefernden Chips nicht bei dem Brand zerstört, sondern bei der Auslieferung
per LKW aufgrund eines vom Fahrer verursachten Unfalls, so ist es unerheblich, ob der B selber oder
ein Angestellter hinter dem Steuer saß. B haftet in beiden Fällen gleichermaßen.
II. Die Leistungsstörungen
Das Recht der Leistungsstörungen umfasst die Fälle, in denen eine Leistung nicht mehr
erbracht werden kann oder verspätet erbracht wird. Daneben werden auch bestimmte Fälle der
mangelhaften Erbringung der Leistung geregelt.
1. Die Unmöglichkeit
Eine Leistung ist dann unmöglich, wenn sie entweder von niemandem mehr erbracht werden
kann (objektive Unmöglichkeit) oder gerade vom Schuldner nicht mehr erbracht werden kann
(subjektive Unmöglichkeit). An das Vorliegen objektiver oder subjektiver Unmöglichkeit
knüpft das Gesetz unterschiedliche Rechtsfolgen. Welcher Fall vorliegt, hängt meist davon
ab, ob eine ganz bestimmte Sache geschuldet wird, von der es nur ein Stück gibt, oder eine
bestimmte Art von Sache, von der viele gleichwertige Exemplare vorhanden sind.
Bsp.: Computerhändler A verkauft dem Architekten B am Telephon einen gebrauchten Computer, den
er besonders günstig abzugeben hat. Als er ihn dem B liefern will, wird er in einen Unfall verwickelt,
bei dem der Computer völlig zerstört wird. Hier ist die von A zu erbringende Leistung (Lieferung des
Computers) objektiv unmöglich, da niemand mehr in der Lage wäre, diesen speziellen Computer zu
liefern.
Wenn A dem B nicht einen bestimmten gebrauchten Computer verkauft hat, sondern einen Computer
aus dem neuesten Katalog seines Lieferanten, so tritt keine objektive Unmöglichkeit ein, da ja
zumindest der Lieferant noch in der Lage wäre, einen solchen Computer zu liefern. Jedoch liegt
subjektive Unmöglichkeit vor, wenn der A keinen solchen Computer mehr auf Lager hat und sich auch
keinen besorgen kann.
Unmöglichkeit kann jedoch auch bei anderen Leistungspflichten entstehen. C vereinbart mit
Automechaniker D, dass dieser einige Kleinigkeiten am Wagen des C reparieren soll. Auf dem Weg zur
Werkstatt wird C in einen Unfall verwickelt und erleidet Totalschaden. Die Reparatur des Wagens ist
dem D damit objektiv unmöglich geworden.
Wenn eine Leistung objektiv oder subjektiv unmöglich geworden ist, so entfällt auch die
Pflicht, diese Leistung zu erbringen. Es wäre unsinnig, eine solche Leistungspflicht noch
aufrecht zu erhalten. Fraglich ist jedoch, was mit der Gegenleistung geschieht und wer einen
ggf. auftretenden Schaden tragen muss.
Bsp.: In obigem Beispiel verlangt der A Bezahlung des zerstörten Computers, B verlangt
Schadensersatz, da er mangels Computer keine Aufträge annehmen konnte.
Auch der Mechaniker D verlangt seinen Werklohn für die nicht vorgenommene Reparatur.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
75
Abschnitt X: Leistungsstörung / Gewährleistung
Hier kommt es ganz wesentlich auf das Vertretenmüssen an. Wer es zu vertreten hat, dass die
Leistung unmöglich wird, der hat auch den Schaden zu tragen. D.h., dass der Schuldner, der
vorsätzlich oder fahrlässig die Unmöglichkeit der Leistung verursacht, auch seine
Gegenleistung nicht erhält. Hat der Gläubiger die Unmöglichkeit vorsätzlich oder fahrlässig
verursacht, so muss er die Gegenleistung erbringen, obwohl er die eigene Leistung nicht
erhält. Auch wenn keiner die Unmöglichkeit zu vertreten hat, entfällt jedoch die Pflicht zur
Gegenleistung. Den Nachteil trägt damit der Schuldner, da es ja seine Leistung ist, die nicht
mehr erbracht werden kann.
Bsp.: Wie oben: A verkauft dem B einen gebrauchten Computer. Wird der Computer bei der
Auslieferung durch einen von A verursachten Unfall zerstört, so muss der B den Kaufpreis nicht zahlen.
Das gleiche gilt, wenn der Unfall nicht von A sondern durch einen vom Himmel fallenden Meteoriten
verursacht wurde. Auch dann muss B nicht zahlen.
Hat der C den Unfall auf dem Weg zur Werkstatt verursacht, so muss er dem D den für die Reparatur
vereinbarten Lohn zahlen. Schlägt dagegen hier der Meteorit ein, so entfällt auch die Zahlungspflicht
des C.
Wer die Unmöglichkeit zu vertreten hat, der muss auch alle weitergehenden Schäden tragen,
die durch die Unmöglichkeit der Leistung ausgelöst werden.
Bsp.: Wie oben: Hat A den Unfall verursacht und kann B, weil er den Computer nicht erhält, Aufträge
nicht annehmen, so muss A dem B den Verdienstausfall ersetzen. Hat A den Unfall dagegen nicht
verursacht, so muss er dem B auch die weitergehenden Schäden nicht ersetzen. B muss dann zwar den
Computer nicht bezahlen, bleibt aber auf seinem Verdienstausfall sitzen.
Ausnahmsweise hat man auch eine Unmöglichkeit zu vertreten, obwohl man sie nicht
vorsätzlich oder fahrlässig verursacht hat. Dies ist der Fall, wenn nicht eine bestimmte Sache
verkauft wurde, sondern nur eine der Gattung nach bestimmte Sache. Hier garantiert der
Verkäufer unausgesprochen, dass er dafür einsteht, die Sache irgendwie zu beschaffen.
Gelingt ihm dies nicht, so muss er den Schaden tragen.
Bsp.: Wie oben: A verkauft dem B einen Computer aus dem Katalog seines Lieferanten. Hier wird nicht
ein bestimmten Computer geschuldet, sondern nur eine bestimmte Art von Computer, eine Gattung.
Wird der Computer bei dem Meteoriteneinschlag zerstört und kann A keinen anderen besorgen, so muss
er dem B den Verdienstausfall ersetzen.
2. Verzug
Schäden können auch dadurch entstehen, dass eine Leistung zu spät erbracht wird. Diese
Schäden hat der Schuldner unter bestimmten Voraussetzungen zu tragen. Liegen diese
Voraussetzungen vor, so spricht man von Verzug des Schuldners.
Unabdingbar ist in jedem Fall, dass der Schuldner die Verspätung zu vertreten hat, d.h. er sie
vorsätzlich oder fahrlässig verursacht hat. Beruht die Verspätung nur auf Zufall, so bleibt der
Gläubiger auf seinem Schaden sitzen.
Bsp.: A soll dem Autohersteller B am 1.10. Schrauben einer bestimmten Art für dessen Fabrikation
liefern. A liefert erst am 3.10. Die Produktion des A kam zwischenzeitlich zum Erliegen. Beruht die
Verspätung darauf, dass A zu viele Aufträge angenommen hatte und deshalb früher nicht liefern konnte,
so hat A den Schaden des B zu ersetzen. Beruhte die Verspätung dagegen darauf, dass völlig
überraschend einige Fernfahrer die Autobahn blockierten, so muss B den Schaden selber tragen.
Neben dem Vertretenmüssen ist vor allem der Zeitpunkt wichtig, in dem der Verzug eintritt.
Bis vor kurzem gab es hier zwei Möglichkeiten. Entweder der Zeitpunkt, in dem die Leistung
erbracht werden sollte, ist genau bestimmt, dann tritt in diesem Moment Verzug ein, wenn der
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76
Abschnitt X: Leistungsstörung / Gewährleistung
Schuldner nicht leistet. Oder der Zeitpunkt ist nicht bestimmt, dann bedarf es einer Mahnung
des Gläubigers, d.h. eines Hinweises darauf, dass die Leistung jetzt endlich zu erbringen ist.
Wird auch auf die Mahnung hin nicht geleistet obwohl die Leistung bereits fällig wäre, so tritt
der Verzug ein.
Seit Frühjahr 2000 gibt es einen dritten Weg, auf dem Verzug eintreten kann. Wenn nur Geld
geschuldet wird, so tritt der Verzug automatisch 30 Tage nach Zugang einer Rechnung oder
Zahlungsaufforderung ein. Eine weitere Mahnung ist dann nicht mehr erforderlich.
Bsp.: A bestellt bei B am 15.9. einen neuen PC. Dieser soll am 1.10. geliefert werden. B liefert jedoch
an diesem Tag nicht. Hat er die Verspätung zu vertreten, so tritt Verzug ein.
Abwandlung: A und B vereinbaren kein Datum für die Lieferung, B sagt nur baldige Lieferung zu. Als
B am 1.11. immer noch nicht geliefert hat, schreibt A ihm, es werde mit der Lieferung langsam Zeit, da
er den Computer dringend brauche. Trotzdem liefert B erst einen Monat später. Damit ist B ab dem
1.11. in Verzug.
C hat für den D ein Haus errichtet. Nach Abnahme des Gebäudes stellt C am 1.10. eine Rechnung. D
zahlt nicht. Ab dem 1.11. ist D dann automatisch in Verzug.
Der Verzug hat vier verschiedene Folgen. Zunächst hat der Schuldner den Schaden zu
ersetzen, der durch die Verspätung der Leistung eintritt. Bei Geldschulden wird dieser
Schaden durch das Gesetz pauschaliert: der Geldbetrag wird während des Verzugs verzinst
und zwar mit einem Satz, der 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Diskontsatz liegt.
Daneben tritt für den Schuldner eine Haftungsverschärfung ein, d.h. der Schuldner hat eine
während des Verzugs eintretende Unmöglichkeit auch dann zu vertreten, wenn er diese nicht
vorsätzlich oder fahrlässig verursacht hat. Schließlich kann der Gläubiger dem Schuldner
androhen, dass er die Leistung nicht mehr annehmen werden und bei fortgesetzter
Nichtleistung dann von dem Vertrag zurücktreten.
Bsp.: A hat bei B ein Auto gekauft und versehentlich einen um DM 5.000,- zu hohen Kaufpreis bezahlt.
B schuldet dem A also das Auto und DM 5.000,-. Mit beiden Verpflichtungen ist er seit dem 1.10. in
Verzug. A, der beruflich auf ein Auto angewiesen ist, muss sich einen Mietwagen nehmen. Zudem wird
am 10.10. der von A gekaufte Wagen bei B von einem Meteoriten zerstört. B muss dem A die Kosten
des Leihwagens ersetzen. Er hat die Unmöglichkeit der Lieferung des verkauften Wagens zu vertreten.
Die DM 5.000,- sind zu verzinsen. A kann nach entsprechender Androhung von dem Kaufvertrag
zurücktreten.
3. Positive Forderungsverletzung (pFV)
Neben den Fällen, dass eine Leistung nicht oder zu spät erbracht wird, sind auch sonstige
Fälle der Verletzung einer Leistungspflicht denkbar. Hier geht es vor allem um die Verletzung
von Nebenpflichten, d.h. solcher Verpflichtungen, die nicht den eigentlichen Kern des
Vertrages ausmachen sondern nur der ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung sowie dem
Schutz des Vertragspartners dienen. Die denkbaren Fallgestaltungen sind hier äußerst
vielseitig.
Bsp.: A soll auf dem Computer des B ein Programm installieren. Er tut dies ordnungsgemäß, verseucht
dabei aber die Festplatte des Computers mit Viren.
C hat bei D eine gläserne Lampe bestellt, die D ihm zuschicken soll. D verpackt die Lampe
ungenügend, so dass sie beim Transport kaputt geht. Beim Öffnen des Pakets verletzt sich C an den
Glassplittern.
E hat im Kaufhaus des F eingekauft. Auf dem Weg zum Ausgang stolpert er über einen Gegenstand,
den ein Angestellter des F achtlos hat stehen lassen, und verletzt sich beim Sturz.
In all diesen Fällen haben A, D und F eine vertragliche Nebenpflicht verletzt.
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Abschnitt X: Leistungsstörung / Gewährleistung
Die Verletzung einer solchen Nebenpflicht führt immer dann zu einem
Schadensersatzanspruch des Vertragspartners, wenn die Verletzung vorsätzlich oder
fahrlässig begangen wurde. Gegenüber einem allgemeineren Schadensersatzanspruch aus
unerlaubter Handlung (vgl. Abschnitt XI) hat der Anspruch aus Positiver
Forderungsverletzung den Vorteil, dass zum einen die Sorgfaltsmaßstäbe strenger sind, vor
allem aber, dass ausnahmslos für das Verschulden von Gehilfen gehaftet wird.
Bsp.: In letztgenannten Beispiel hat E neben dem Anspruch aus pFV gegen F auch einen Anspruch aus
unerlaubter Handlung gegen den Gehilfen. Dieser Anspruch ist jedoch häufig nichts wert, da der
Gehilfe nicht zahlen kann. Auch gegen F besteht u.U. ein Anspruch aus unerlaubter Handlung, wenn F
selber bei der Auswahl oder Anleitung des Gehilfen unsorgfältig gehandelt hat. Dies wird häufig nicht
nachweisbar sein.
Ein Fall von Positiver Forderungsverletzung liegt u.U. auch dann vor, wenn die Hauptleistung
des Vertrages zwar erbracht wurde, die Leistung jedoch mangelhaft ist und der Schuldner dies
zu vertreten hat. Bezüglich der Mangelhaftigkeit der Leistung selber greifen die besonderen
Regeln der Gewährleistung. Entstehen durch den Mangel aber auch weitere Schäden, so greift
die pFV.
Bsp.: A liefert dem Arzt B auf dessen Bestellung hin eine Abrechnungssoftware. Diese ist jedoch mit
den sonstigen Programmen auf dem Rechner des B inkompatibel und vernichtet sämtlich Daten des
letzten Quartals. B kann deshalb seine Abrechnung nicht durchführen. Um eine mangelfreie Software
zu bekommen oder aber den Kaufpreis zurück zu erhalten, muss sich B auf das Gewährleistungsrecht
stützen. Ersatz für die Schäden, die durch die Vernichtung der Daten entstanden sind, bekommt B aber
nur, wenn eine pFV vorliegt. Hierfür muss der A die Mangelhaftigkeit der Software zu vertreten haben,
d.h. er muss etwa die Inkompatibilität mit den sonstigen Programmen des B gekannt haben.
III. Die Gewährleistung
1. Hintergrund des Gewährleistungsrechts
Anders als im Recht der Leistungsstörungen, das die Verteilung des Risikos für auftretende
Schäden zum Ziel hat, geht es im Gewährleistungsrecht vorrangig darum, die
Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung zu erhalten. Es wird jeweils für die
einzelnen Vertragstypen im Besonderen Schuldrecht bestimmt, was Inhalt der
Leistungspflichten ist und inwieweit der Verkäufer, Vermieter, Werkunternehmer etc. für die
Mangelfreiheit seiner Leistung einzustehen hat. Bleibt die tatsächlich erbrachte Leistung
hinter diesem Maßstab zurück, so ist die Gleichwertigkeit im Austauschverhältnis gestört und
muss wieder hergestellt werden. Hierfür sieht das BGB grundsätzlich drei Möglichkeiten vor:
- die mangelhafte Leistung kann nachgebessert oder neu erbracht werden (Reparatur, erneute
Lieferung etc.),
- die Gegenleistung, d.h. der Kaufpreis, Mietzins, Werklohn etc. kann entsprechend
vermindert werden (sog. Minderung),
- der Vertrag kann komplett rückgängig gemacht werden (sog. Wandlung).
Da es nicht um den Ausgleich von Schäden sondern nur um die Aufrechterhaltung der
Gleichwertigkeit beider Leistungen geht, erfordert das Gewährleistungsrecht auch kein
Vertretenmüssen. Der Verkäufer, Vermieter etc. hat für die Mangelhaftigkeit der Kauf- oder
Mietsache einzustehen, selbst wenn er überhaupt nichts für den Mangel kann. Dies erklärt
auch, warum im obigen Beispiel bezüglich der mangelhaften Software Gewährleistungsrecht
greift, bezüglich der weiteren Schäden aber das Recht der Leistungsstörungen.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
78
Abschnitt X: Leistungsstörung / Gewährleistung
Wofür im Einzelnen Gewähr zu leisten ist und welche Rechte der Vertragspartner hat,
bestimmt sich nach dem Vertragstyp und ist deshalb mit Bezug auf diese darzustellen.
2. Gewährleistung im Kaufvertrag
Das Kaufrecht unterscheidet zwischen Rechtsmängeln und Sachmängeln. In Bezug auf beide
hat der Verkäufer für die Mangelfreiheit einzustehen.
Rechtsmängel liegen vor, wenn die verkaufte Sache mit dem Recht eines Dritten belastet ist,
das gegen den Käufer geltend gemacht werden kann. Die Rechtsmängel erfahren eine
spezielle Behandlung und sind praktisch von geringerer Bedeutung.
Bsp.: A verkauft dem B einen Computer. Dieser war dem D gestohlen worden, B kann deshalb kein
Eigentum erwerben. Damit ist der Computer mit dem Recht eines Dritten belastet. Es liegt ein
Rechtsmangel vor.
Praktisch bedeutsamer sind die Sachmängel. Ein Sachmangel liegt vor, wenn die verkaufte
Sache im Moment der Lieferung an den Käufer von der im Vertrag vereinbarten
Beschaffenheit abweicht und damit ihr Wert oder ihre Tauglichkeit gemindert ist.
Welche Beschaffenheit die Sache haben soll, kann ausdrücklich vereinbart werden, kann sich
aber auch aus dem im Verkehr üblichen ergeben.
Bsp.: A kauft bei dem Computerhändler B eine Software, die er ausdrücklich für seinen Macintosh
verwenden will. Ist die Software nur auf einem PC verwendbar, so ist die Kaufsache mangelhaft, da sie
nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat und damit für den Käufer untauglich ist.
Kauft A bei B einen Computer, so ist unausgesprochen vereinbart, dass der Computer etwa einen
Druckerausgang hat. Ist dies nicht der Fall, so liegt ein Sachmangel vor.
Ist die Sache mit einem Sachmangel behaftet, so hat der Käufer normalerweise zwei
Möglichkeiten. Er kann den Kaufpreis in dem Verhältnis mindern, in dem auch die Sache
weniger wert ist. Er kann aber auch die Wandlung erklären und damit den ganzen Vertrag
rückabwickeln. Dagegen hat der Käufer beim Stückkauf keinen Anspruch auf eine
mangelfreie Sache. Dies beruht auf der Erwägung des Gesetzgebers, dass der Verkäufer
selber nicht Produzent ist und die Sache deshalb vielleicht kein zweites mal hat.
Anders ist dies beim sog. Gattungskauf, bei dem nicht eine bestimmte Sache, sondern eine bestimmte
Art von Sache verkauft ist. Hier hat der Käufer neben Wandlung und Minderung auch einen Anspruch
auf Lieferung einer mangelfreien Sache. Schließlich ist davon auszugehen, dass es eine solche Sache
noch häufig gibt und der Verkäufer sich zumindest eine neue besorgen kann.
Bsp.: A bestellt bei B einen Computer einer bestimmten Marke. Bei dem gelieferten Computer ist die
Festplatte defekt. A hat dann einen Anspruch auf Lieferung eines neuen Computers.
Hat A dagegen einen bestimmten gebrauchten Computer im Laden des B gekauft, kann A nur den
Vertrag wandeln.
Eine Besonderheit gilt für den Fall, dass der Verkäufer eine bestimmte Eigenschaft der
Kaufsache ausdrücklich zugesichert hat oder dass er den Käufer arglistig über eine
Eigenschaft getäuscht hat. In beiden Fällen besteht auch ein Schadensersatzanspruch gegen
den Verkäufer. Allerdings ist die Zusicherung nicht schon bei einer bloßen Beschreibung der
Kaufsache sondern nur dann anzunehmen, wenn der Verkäufer erkennbar die Garantie für das
Vorliegen einer bestimmten Eigenschaft übernehmen wollte.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
79
Abschnitt X: Leistungsstörung / Gewährleistung
Die Gewährleistungsrechte des Käufers unterliegen einer besonders kurzen Verjährung von
nur 6 Monaten. Tritt ein Mangel der Kaufsache erst nach Ablauf dieser Zeit auf, so bleibt der
Käufer auf seinem Schaden sitzen.
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind Gewährleistungsrechte nur in sehr geringem
Rahmen einschränkbar.
3. Gewährleistung im Mietvertrag
Der Vermieter übernimmt in sehr hohem Maße die Gewähr für die Mangelfreiheit der
Mietsache. Er muss die Sache mangelfrei übergeben und in mangelfreiem Zustand halten.
Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so muss der Mieter nur einen niedrigeren oder gar keinen
Mietzins zahlen.
Das Mietrecht enthält auch einen Anspruch des Mieters auf Ersatz aller Schäden, die dadurch
entstehen, dass die Mietsache von Anfang an mangelhaft war oder später durch Vorsatz oder
Fahrlässigkeit des Vermieters mangelhaft geworden ist.
Bsp.: A mietet bei B ein Auto. Noch vor der ersten Fahrt stellt sich heraus, dass die Bremsen nicht
funktionieren. A muss den Mietzins nicht zahlen. B hat ihm auch die Mehrkosten zu ersetzen, die durch
die kurzfristige Anmietung eines anderen Wagens entstehen.
Wird der Defekt nicht schon vorher festgestellt und verursacht der A aufgrund der defekten Bremsen
einen Unfall, so muss B den gesamten Schaden tragen. Dies gilt unabhängig davon, ob B den Defekt
der Bremsen erkennen konnte oder nicht. Hier zeigt sich der Unterschied zum Kaufvertrag, wo der
Verkäufer nur bei Möglichkeit der Kenntnis vom Mangel auf Schadensersatz haftet.
4. Die Gewährleistung im Dienstvertrag
Das Dienstvertragsrecht kennt keine eigenen Regeln zur Gewährleistung. Erbringt der
Dienstpflichtige die Dienste nicht, so hat er auch keinen Anspruch auf Vergütung, sofern
nicht die Schutzregeln des Arbeitsrechts eingreifen.
Erbringt der Dienstpflichtige die Dienste nicht oder nur mangelhaft und hat er dies zu
vertreten, so haftet er auf Schadensersatz.
5. Die Gewährleistung im Werkvertrag
Das Werkvertragsrecht wiederum hat umfangreiche und komplizierte Regeln zur
Gewährleistung. Der Grundgedanke ist dabei, dass dem Werkunternehmer vorrangig die
Möglichkeit gegeben werden soll, das Werk nachzubessern und dadurch Fehler zu beseitigen.
Deshalb hat der Besteller bei Mängeln des Werks zunächst einen Anspruch auf
Nachbesserung. Nimmt der Werkunternehmer die Nachbesserung nicht vor, so muss der
Besteller ihm eine angemessene Frist setzen, bis zu der die Nachbesserung zu erfolgen hat.
Erst wenn dies innerhalb der Frist nicht geschieht, kann der Besteller den Werkvertrag
wandeln oder den Werklohn mindern. Er kann aber auch die Nachbesserung auf Kosten des
Werkunternehmers selber vornehmen bzw. durch einen anderen vornehmen lassen.
Bsp.: A hat B mit der Installation einer neuen Software beauftragt. Nach Beendigung der Arbeiten stellt
A fest, dass die Software nicht ordnungsgemäß läuft. Er muss nun zunächst den B zur Nachbesserung
unter Setzung einer Frist auffordern. Erst wenn B darauf nicht reagiert, kann A den Vertrag wandeln
oder die Nachbesserung durch den D auf Kosten des B vornehmen lassen.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
80
Abschnitt X: Leistungsstörung / Gewährleistung
Hat der Werkunternehmer die Mangelhaftigkeit de Werks zu vertreten, so muss er auch einen
darauf beruhenden Schaden beim Besteller ersetzen.
Ebenso wie im Kaufrecht sind auch im Werkvertragsrecht die Verjährungsfristen sehr kurz.
Sie betragen im Normalfall 6 Monate, für Arbeiten an Gründstücken ein Jahr, bei Bauwerken
5 Jahre.
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81
Abschnitt XI: Deliktsrecht und Produkthaftung
Abschnitt XI: Deliktsrecht und Produkthaftung
Verträge schaffen Rechtsbeziehungen zwischen einer begrenzten Zahl von Personen, meist
sogar nur zwischen zwei Parteien. Es handelt sich deshalb um eine rechtliche
Sonderbeziehung. Diese Sonderbeziehung setzt sich auch dann fort, wenn bei der Abwicklung
des Vertrages etwas schief läuft und dadurch Schäden entstehen. Schäden können jedoch
nicht nur im Verhältnis von Vertragspartner entstehen, sondern auch zwischen völlig
„unverbundenen“ Menschen. Hier bedarf es einer allgemeinen Regelung, die besagt, wer
solche Schäden zu tragen hat. Dieser Aufgabe dient das sog. Deliktsrecht oder Recht der
unerlaubten Handlungen.
Das Produkthaftungsrecht stellt einen Sonderbereich des Deliktsrecht dar und regelt das
Verhältnis zwischen dem Hersteller eines Produkts und dem Konsumenten, bei dem infolge
eines Fehlers des Produkts ein Schaden entstanden ist.
I. Ziel und Funktionsweise des Deliktsrechts
1. Die Ausgleichsfunktion des Deliktsrechts
Ziel des Deliktsrechts ist es, immer dann einen Ausgleich zu schaffen, wenn eine Person
bestimmte Rechtsgüter einer anderen Person verletzt und dadurch einen Schaden verursacht
hat. Es geht also nur um Schadensersatzansprüche. Immer soll der Zustand hergestellt
werden, der ohne das schädigende Ereignis bestünde. Soweit das aus tatsächlichen Gründen
nicht möglich ist, soll wenigstens ein wirtschaftlicher Ausgleich geschaffen werden.
Bsp.: A stiehlt dem B das Auto. Der Schadensersatzanspruch ist hier auf die Herausgabe des Autos
gerichtet. Wird das Auto bei A zerstört, so ist die Herstellung des vorherigen Zustands nicht mehr
möglich, A muss dem B deshalb den Wert des Autos ersetzen. Ist B gezwungen, sich kurzfristig einen
Mietwagen zu nehmen, so muss A ihm auch diese Kosten ersetzen, da nur so wirtschaftlich der Zustand
geschaffen werden kann, der Bestünde, wenn A den Wagen nicht gestohlen hätte.
2. Sonstige Funktionen des Deliktsrechts?
Neben der Ausgleichsfunktion erfüllt das Deliktsrecht auch eine gewisse
Abschreckungsfunktion, um Rechtsgutsverletzungen schon von vornherein zu verhindern.
Dagegen verfolgt das Deliktsrecht nicht das Ziel, die Rechtsgutsverletzung durch eine Strafe
zu sanktionieren. Diese Aufgabe übernimmt das Strafrecht. Auch die Abschöpfung der durch
eine unerlaubte Handlung erzielten Gewinne wird vom Deliktsrecht in den allermeisten Fällen
nicht angestrebt.
Bsp.: A verursacht aufgrund völlig überhöhter Geschwindigkeit einen Verkehrsunfall, bei dem B nur
durch sein blitzartiges Ausweichen um ein Haar einer schweren Verletzung entgeht. Das Auto des B
wird lediglich leicht beschädigt und kann für nur DM 200,- repariert werden. A kann die Geschichte
seiner rasanten Fahrt für DM 3000,- der lokalen Boulevardpresse verkaufen.
B hat hier nur einen Schadensersatzanspruch gegen A aus unerlaubter Handlung in Höhe von DM 200,-.
Dass A mutwillig das Leben anderer Menschen gefährdet und das Auto des B beschädigt hat, wird nur
durch das Strafrecht geahndet. Auch das Honorar von DM 3000,- kann B jedenfalls nicht aus
Deliktsrecht von A verlangen.
Eine gewisse Ausnahme von diesem Grundsatz bildet das Schmerzensgeld bei körperlichen
Verletzungen. Das Schmerzensgeld dient nicht dem Ausgleich wirtschaftlicher Verluste
sondern nur der Genugtuung des Opfers. In letzter Zeit hat sich eine weitere Ausnahme
entwickelt bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
82
Abschnitt XI: Deliktsrecht und Produkthaftung
Bsp.: Zahnarzt A führt eine Zahnbehandlung bei B unsachgemäß durch. Dadurch entsteht bei B eine
schmerzhafte Entzündung und eine erneute Behandlung ist notwendig. A muss dem B sowohl die
Kosten der neuen Behandlung ersetzen als auch ein angemessenes Schmerzensgeld zahlen.
Die Boulevardzeitung Z druckt ein gefälschtes Interview mit der Prinzessin C von M. Dies stellt eine
Verletzung der Persönlichkeitsrechte der C dar. Der Schadensersatzanspruch wird hier unabhängig von
wirtschaftlichen Verlusten der C so hoch bemessen, dass sich ein solches Verhalten für die
Boulevardpresse wirtschaftlich nicht lohnt.
3. Der begrenzte Anwendungsbereich
Das Deliktsrecht kann nicht einen Ausgleich für sämtliche Schädigungen darstellen, die
Menschen einander zufügen. Wäre dies der Fall, so würde etwa das gesamte Wirtschaftsleben
erstickt, da freie Konkurrenz notwendig immer auch zu wirtschaftlichen Schäden zumindest
einiger Beteiligter führt. Zudem werden Schädigungen häufig als zur Verfolgung bestimmter
Interessen legitim angesehen.
Bsp.: A und B haben unabhängig voneinander eine revolutionäre Idee zum Verkauf von Duftstoffen
über das Internet. Sie nehmen beide hohe Kredite auf, um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. A ist
jedoch der geschicktere Händler, erobert den Markt für sich und treibt B in den Ruin. Damit verursacht
A bei B einen Schaden. Nach den Gesetzen der Marktwirtschaft handelt es sich dabei aber um einen
normalen Vorgang.
Die Stiftung Warentest veröffentlicht die korrekten Ergebnisse eines Tests des von C hergestellten
Produkts X. Daraufhin gehen die Absatzzahlen rapide zurück, C hat also einen Schaden. Das von der
Stiftung Warentest verfolgte Interesse des Verbraucherschutzes ist aber legitim.
Deshalb sind deliktische Schadensersatzansprüche nach dem BGB in drei Richtungen
beschränkt. Erforderlich ist zunächst, dass bestimmte Rechtsgüter verletzt werden und nicht
lediglich irgendwelche Vermögensinteressen. Sodann muß die Verletzung rechtswidrig sein,
d.h. sie muß eine unerlaubte Handlung darstellen. Schließlich wird genau wie im Recht der
Leistungsstörungen grundsätzlich nur schuldhaftes, also vorsätzliches oder fahrlässiges
Verhalten erfaßt (vgl. Abschnitt X I 2.).
II. Voraussetzungen eines Anspruchs aus Deliktsrecht
1. Der Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB
§ 823 Abs. 1 BGB ist der wichtigste Tatbestand des Deliktsrechts. Er normiert die drei gerade
genannten Beschränkungen:
§ 823 Abs. 1 BGB: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die
Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen
zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“
Neben den fünf genannten Rechtsgütern (Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit und
Eigentum) werden noch einige andere als geschützt angesehen, etwa Hypotheken, Patent- und
Urheberrechte, der Besitz, Namensrechte oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Nur bei
einer
Verletzung
dieser
Rechtsgüter
kommt
überhaupt
ein
deliktischer
Schadensersatzanspruch in Betracht.
Bsp.: A schlägt B zusammen (Körper, Gesundheit), sperrt ihn dann ein (Freiheit) und nimmt sein Auto
mit (Eigentum, Besitz). A nutzt ohne Erlaubnis des B dessen Patent zur Herstellung eines Produkts. A
zündet das Haus des B an, das mit einer Hypothek zugunsten des C belastet ist. A betreibt eine
Homepage unter dem Namen der weltweit tätigen B-GmbH (Namensrecht). B bzw. C haben hier
jeweils Schadensersatzansprüche aus Delikt gegen den A.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
83
Abschnitt XI: Deliktsrecht und Produkthaftung
Dagegen ist insbesondere das Vermögen als solches nicht durch § 823 Abs. 1 BGB geschützt.
Das Vermögen umfasst die Gesamtheit aller vermögenswerten Rechte, also neben dem
Eigentum an Sachen auch schuldrechtliche Forderungen, Gewinnaussichten, einen
Kundenstamm o.ä.. Hier kommen jedoch Ersatzansprüche aus anderen Gründen in Betracht.
Bsp.: D unterbietet dauernd die Preise des E und treibt diesen damit in den Ruin. D täuscht E über seine
Zahlungsfähigkeit und erhält daraufhin ein Darlehen, das er nicht zurückzahlen kann. D legt der Bank
des E gefälschte Schecks vor und erhält daraufhin Geld vom Konto des E. D zerstört das Auto, das E
bei X gekauft aber noch nicht geliefert bekommen hat; X hat kein weiteres Auto dieser Marke auf Lager
und kann den E deshalb nicht beliefern.
In all diesen Fällen hat E keinen Anspruch aus § 823 Abs. I gegen D, da keines der dort genannten
Rechtsgüter sondern nur das Vermögen verletzt ist.
Auch wenn eines der genannten Rechtsgüter verletzt ist, muß die verletzende Handlung noch
rechtswidrig sein. Das ist in der Regel der Fall, kann aber ausnahmsweise auch einmal
anders sein, etwa wenn der Betreffende in Notwehr oder Notstand gehandelt hat und dadurch
gerechtfertigt ist (vgl. zu dem gleichen Problem im Strafrecht Abschnitt III I 1.).
Bsp.: Auf dem Grundstück des A steht ein Baum, der auf das Haus des B zu fallen droht. Als sich
während einer längeren Abwesenheit des A die Situation verschärft, fällt B den Baum des A. B hat
damit das Eigentum des B verletzt, er ist aber durch Notstand gerechtfertigt und handelt nicht
rechtswidrig. Er muß keinen Ersatz nach § 823 Abs. 1 BGB leisten.
Schließlich muß die verletzende Handlung auch vorsätzlich oder fahrlässig gewesen sein.
Wenn Vorsatz vorliegt stellen sich zumeist keine Probleme. Praktisch relevant ist aber
insbesondere die Fahrlässigkeit, da deren Anwendungsbereich sehr ausgeweitet wurde. Dies
gilt vor allem für das Unterlassen von Schutzmaßnahmen in Bereichen, in denen einer Person
eine sogenannte Verkehrssicherungspflicht auferlegt wird. Solche Pflichten werden immer
dann angenommen, wenn jemand einen Verkehr eröffnet, Gefahren für einen bestehenden
Verkehr schafft oder für die Überwachung solcher Gefahren verantwortlich ist. Die
Verletzung solcher Verkehrssicherungspflichten begründet in aller Regel einen
Fahrlässigkeitsvorwurf und damit, wenn jemand dadurch verletzt wird, eine
Schadensersatzpflicht.
Bsp.: A eröffnet ein Warenhaus. Eine der Zugangstreppen hat einen außergewöhnlich glatten Belag auf
dem B zu Fall kommt und sich verletzt. A hat einen Verkehr (Warenhaus) eröffnet und muß deshalb
dafür Sorge tragen, daß die Zugangswege gefahrlos passiert werden können. Diese Pflicht hat er
widerrechtlich und fahrlässig verletzt. Er muß dem B seinen Schaden ersetzen.
C hat den Auftrag bekommen unter einem öffentlichen Fußweg Rohre zu verlegen. Er unterlässt es, die
Baugrube durch Warnlampen zu kennzeichnen. Eines Nachts stürzt D in die Grube und verletzt sich. C
hat eine Gefahr für den Verkehr geschaffen (Baugrube) und war deshalb verpflichtet, die nötigen
Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Dies hat er widerrechtlich und fahrlässig unterlassen. Er muß damit
dem D seinen Schaden ersetzen.
E ist Mediziner und hat in seinem Arbeitszimmer zahllose Medikamentenproben. Während der
Geburtstagsfeier seiner 4-jährigen Tochter lässt er die Tür des Zimmers offen stehen. Die Kinder kosten
daraufhin von den Medikamenten und ziehen sich schwere gesundheitliche Schäden zu. E war für die
Überwachung der gefährlichen Medikamente verantwortlich. Dies hat er widerrechtlich und fahrlässig
unterlassen. Er muß den Schaden ersetzen.
2. Der Tatbestand des § 823 Abs. 2 BGB
Neben dem § 823 Abs. 1 BGB spielt auch dessen Absatz 2 noch eine bedeutende Rolle.
Danach hat auch derjenige einen Schaden zu ersetzen, der widerrechtlich und vorsätzlich oder
fahrlässig gegen ein Gesetz verstoßen hat, das den Schutz eines anderen bezweckt. Wann ein
solches Schutzgesetz vorliegt, ist immer im Einzelfall zu prüfen. Schutzgesetze finden sich
nicht nur im Zivilrecht sondern auch etwa im Strafrecht, im Baurecht, im
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
84
Abschnitt XI: Deliktsrecht und Produkthaftung
Straßenverkehrsrecht etc.. Über diese Gesetze sind dann auch andere als die in Absatz 1
genannten Rechtsgüter, insbesondere auch das Vermögen geschützt.
Bsp.: A täuscht B über seine Zahlungsfähigkeit und erhält daraufhin ein Darlehen, das er nicht
zurückzahlen kann. Hier liegt bei B ein Vermögensschaden vor, den er nicht nach § 823 Abs. 1 BGB
ersetzt bekommt. A hat jedoch den Tatbestand des § 263 StGB (Betrug) erfüllt. § 263 StGB ist ein
Gesetz, das den Schutz des Vermögens des B gegen bestimmte Angriffe bezweckt. Damit hat B einen
Schadensersatzanspruch gegen A aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB.
C unterbietet dauernd die Preise des D und treibt diesen damit in den Ruin. § 823 Abs. 1 BGB greift
nicht ein, da nur ein Vermögensschaden vorliegt. Wenn das Verhalten des C aber gegen das Gesetz
gegen den unlauterer Wettbewerb (UWG) verstößt, kann sich eine Schadensersatzpflicht aus § 823 Abs.
2 BGB in Verbindung mit dem UWG ergeben.
3. Deliktische Haftung für Dritte
Wie im Recht der Leistungsstörungen wird auch im Recht der unerlaubten Handlungen unter
bestimmten Voraussetzungen für das Handeln Dritter gehaftet. Hier spricht man allerdings
nicht von Erfüllungsgehilfen sondern von Verrichtungsgehilfen, da es nicht um die Erfüllung
von Verbindlichkeiten sondern ganz allgemein um die Vornahme von Verrichtungen geht.
Anders als im Vertragsrecht wird jedoch nicht immer für das Verschulden Dritter gehaftet,
sondern nur wenn die betreffende Person unsorgfältig ausgewählt oder angeleitet wurde.
Bsp.: A führt auf einer öffentlichen Straße Bauarbeiten aus. Der bei ihm angestellte Kranführer B
beschädigt bei der Arbeit das parkende Auto des C. B war von A als ungelernte Kraft eingestellt und
nicht in das Steuern eines Krans eingewiesen worden. A muß C den Schaden ersetzen, da er den B
unsorgfältig ausgewählt und eingewiesen hat.
III. Gefährdungshaftung, insbesondere Produkthaftung
1. Gefährdungshaftung im BGB und in Sondergesetzen
Normalerweise sind deliktische Schadensersatzansprüche nur dann gegeben, wenn die
verletzende Handlung schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig war. In manchen Bereichen
werden Schadensersatzansprüche jedoch auch dann gewährt, wenn die verletzende Handlung
nicht schuldhaft war. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn eine Handlung generell
gefährlich ist, gleichzeitig aber auch so nützlich, dass man sie nicht grundsätzlich verbieten
will. Der Betreffende darf also gefährliche Handlungen vornehmen, soll dafür aber dann,
wenn sich die Gefährlichkeit einmal realisiert, auch den Schaden tragen und zwar unabhängig
davon, ob ihm im Einzelfall ein unsorgfältiges Verhalten nachgewiesen werden kann. Ein
solcher Nachweis ist nämlich häufig kaum zu leisten. Man spricht hier von
Gefährdungshaftung.
Eine solche Haftung sieht das BGB etwa für Tierhalter vor. Ein weitaus wichtigerer Bereich
ist aber das Straßenverkehrsrecht. Hier haftet der Halter eines Kraftfahrzeugs in sehr vielen
Fällen unabhängig davon, ob er selber oder ein anderer Fahrer des Wagens sich unsorgfältig
verhalten hat.
Einer Gefährdungshaftung unterliegen auch die Betreiber von Eisenbahnen, elektrischen
Leitungen, Flugzeugen, Atomkraftwerken etc.. Ebenso haften die Hersteller von
Arzneimitteln verschuldensunabhängig.
Bsp.: A ist Eigentümer eines KFZ. Er verleiht dieses an den seit 30 Jahren unfallfrei fahrenden B, der
aufgrund einer leichten Unachtsamkeit einen Unfall verursacht, bei dem das Auto des C beschädigt
wird.
Abwandlung: A ist selber gefahren und der Unfall trat aufgrund eines dem A überhaupt nicht
erkennbaren und bisher nie aufgetretenen Fehlers der Bremsen ein.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
85
Abschnitt XI: Deliktsrecht und Produkthaftung
In beiden Fällen hat der A nicht fahrlässig gehandelt. Gleichwohl muß er wegen der
Gefährdungshaftung des Straßenverkehrsrechts den Schaden tragen.
2. Die Produkthaftung
Der wichtigste Bereich der Gefährdungshaftung ist jedoch die Produkthaftung. Hier geht es
immer darum, dass jemand (der Hersteller) ein Produkt in den Verkehr gebracht hat, das dann
beim Käufer zu Schäden führte. Da das Produkt meistens über einen Zwischenhändler
erworben wird, zwischen Hersteller und Käufer damit zumindest dann keine direkten
vertraglichen Beziehungen bestehen, wenn nicht ein Garantievertrag abgeschlossen wurde,
kommt für einen Schadensersatzanspruch nur das Deliktsrecht in Betracht. Die Probleme, die
sich hier stellen, sind meist beweistechnischer Natur. Es ist für den Käufer des Produkts
häufig unmöglich, zu beweisen, dass der bei ihm entstandene Schaden gerade auf einem
Fehler des Produkts beruht und der Hersteller diesen Fehler rechtswidrig und schuldhaft
herbeigeführt hat.
Bsp.: A kauft einen Kasten Mineralwasser. Als er einen Monat später eine Flasche öffnen will,
zerspringt diese aufgrund eines haarfeinen Risses im Glas in tausend Teile und verletzt dabei den A.
Nach Deliktsrecht müsste nun der A dem Hersteller des Mineralwassers nachweisen, dass der Riss im
Glas bestand und dass er vom Hersteller widerrechtlich und schuldhaft herbeigeführt wurde. Dies ist so
gut wie unmöglich.
Die Rechtsprechung des BGH hat deshalb schon lange die Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB
erweitert und arbeitet nunmehr mit einer Beweislastumkehr. Der Käufer muß danach nur noch
beweisen, dass das Produkt mit einem Fehler behaftet war und dass dieser aus der
Organisationssphäre des Herstellers stammt. Rechtswidrigkeit und Fahrlässigkeit werden
danach vermutet. Das auf dem Prinzip der Verschuldenshaftung beruhende Deliktsrecht
wurde damit im Sinne einer Gefährdungshaftung umgestaltet.
Daneben wurden umfangreiche Pflichten entwickelt, deren Nichtbeachtung durch den
Hersteller in der Regel einen Schadensersatz begründet, ohne dass im einzelnen nachgewiesen
werden muß, dass der Schaden gerade auf der Pflichtverletzung beruht und dass der Hersteller
auch fahrlässig gehandelt hat. Danach haftet der Hersteller wenn:
1. das Produkt generell nicht nach dem Stand der Technik konstruiert ist
(Konstruktionsfehler),
2. einzelne Stücke eines generell einwandfreien Produkts mangelhaft hergestellt sind
(Produktionsfehler),
3. das Produkt zwar einwandfrei ist, die dem Verbraucher gegebene Anleitung aber nicht auf
die richtige Verwendung oder die bestehenden Gefahren hinweist (Anleitungsfehler), oder
4. sich im Nachhinein Gefahren des Produkts bei der Verwendung zeigen, der Hersteller das
bemerken konnte und nicht durch öffentliche Warnungen oder Rücknahmeaktionen dagegen
angegangen ist (Verletzung der Produktbeobachtungspflicht).
Bsp.: Wenn der Hersteller der Limonadenflaschen in obigem Beispiel in seinem Produktionsprozess
kein Verfahren eingebaut hat, um Risse in den Flaschen etwa durch Ultraschall o.ä. zu entdecken, so
wird vermutet, dass er den Fehler fahrlässig verursacht hat.
Die Firma H stellt Motorräder her. Die Firma B vertreibt Lenkerverkleidungen für die Motorräder der
Firma H. Es stellt sich heraus, dass durch die Verwendung dieser Lenkerverkleidungen erhöhte
Unfallgefahren entstehen. H hätte dies erkennen können, versäumt es aber, öffentlich auf die Gefahren
hinzuweisen. A erleidet mit seinem Motorrad der Firma H, das mit der Lenkerverkleidung der B
versehen war, einen Unfall, der vermutlich auf die Lenkerverkleidung zurückzuführen ist. H muß A den
Schaden ersetzen, obwohl das entsprechende Produkt gar nicht von H hergestellt war.
Obstbauer D kauft von E ein Pflanzenschutzmittel. Dieses ist aber gegen neu aufgetretene Schädlinge
unwirksam, was E aufgrund eingegangener Reklamationen hätte wissen müssen. E unterlässt es, den D
vor der Gefahr zu warnen. Die gesamte Ernte des D wird von Schädlingen befallen und verdirbt. Auch
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
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Abschnitt XI: Deliktsrecht und Produkthaftung
die Unwirksamkeit ist ein Fehler des Produkts, auf den E hätte hinweise müssen. E muss D den Schaden
ersetzen.
Aufgrund einer Richtlinie der EU wurde 1990 das Produkthaftungsgesetz erlassen. Dieses
geht teilweise über die bisherige Rechtsprechung hinaus, bleibt in manchen Aspekten aber
auch dahinter zurück, so dass nunmehr das Produkthaftungsgesetz und die auf § 823 Abs. 1
BGB basierende Rechtsprechung nebeneinander gelten.
Nach dem Produkthaftungsgesetz haften der Hersteller eines Produkts sowie derjenige, der
ein Produkt in den Bereich der EU importiert hat, verschuldensunabhängig für die Fehler
eines von ihnen in Verkehr gebrachten Produkts. Wird aufgrund des Fehlers ein Mensch
getötet oder verletzt oder eine Sache beschädigt, so müssen sie den Schaden ersetzen. Eine
Ausnahme gilt nur dann, wenn der Hersteller nachweisen kann, dass der Fehler erst nach
Inverkehrbringen entstanden ist, oder dass der Fehler nach dem Stand von Wissenschaft und
Technik nicht erkennbar war.
Gegenüber der Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB ist das Produkthaftungsgesetz nachteilig,
weil es eine Selbstbeteiligung von DM 1125,- sowie Haftungshöchstgrenzen vorsieht und
kein Schmerzensgeld gewährt.
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Abschnitt XII: Internationales Privatrecht
Abschnitt XII: Internationales Privatrecht
I. IPR als nationales Kollisionsrecht
1. Anwendbarkeit des IPR
Internationales Privatrecht (IPR) kommt immer dann zur Anwendung, wenn das
Rechtsverhältnis zwischen zwei Personen in irgendeiner Form Verbindungen zu mehr als
einem Land hat. Dies kann etwa der Fall sein, weil die Parteien unterschiedlicher Nationalität
sind, weil ein Vertrag grenzüberschreitend abgeschlossen wurde, weil er ein im Ausland
liegendes Grundstück betrifft oder eine im Ausland zu erbringende Leistung zum Gegenstand
hat.
Bsp.: Im Extremfall kann ein Rechtsverhältnis Berührungen mit einer ganzen Reihe von Ländern haben.
Etwa wenn ein Deutscher und ein Italiener einen Kaufvertrag geschlossen haben, der ein in Frankreich
liegendes Grundstück zum Gegenstand hat und nach dem der Kaufpreis auf ein Schweizer Konto
gezahlt werden soll.
2. Funktion des IPR
Die Bezeichnung Internationales Privatrecht ist dabei in doppeltem Sinne irreführend. Zum
einen handelt es sich nicht um internationales Recht, sondern um nationales Recht, das
allerdings teilweise auf internationale Vereinbarungen zurückgeht. In Deutschland findet sich
das IPR im wesentlichen im Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB). Daneben greifen
teilweise völkerrechtliche Verträge, die dann für ihren Anwendungsbereich dem EGBGB
vorgehen.
Vor allem aber stellt das IPR nicht wirklich eine Privatrechtsordnung dar, sondern lediglich
ein Regelsystem, das angibt, welches nationale Privatrecht im konkreten Fall Anwendung
findet. Das IPR hat also keine eigenen materiellen Inhalte. Man spricht deshalb von
Kollisionsrecht.
Bsp.: Der Deutsche A und der Schweizer B haben einen Kaufvertrag geschlossen. Sie streiten darüber,
in welchem Umfang der Verkäufer haftet. Das IPR bestimmt nun nicht, dass der Verkäufer im Umfang
XY haftet, sondern es wird nur angeordnet, ob auf die Streitigkeit nun das deutsche oder das
schweizerische Kaufrecht Anwendung findet.
II. Die internationale Zuständigkeit der Gerichte
Der Frage, ob in einem konkreten Fall die eine oder andere Rechtsordnung anzuwenden ist,
geht aber logisch die Frage voraus, welches Gericht über die Anwendbarkeit zu entscheiden
hat.
1. Zuständigkeit deutscher Gerichte nach der ZPO
Dies bestimmt sich in Deutschland, von einigen Sonderregeln abgesehen, im wesentlichen
durch eine analoge Anwendung der Regeln über die örtliche Zuständigkeit. Wenn ein
deutsches Gericht nach den Regeln der Zivilprozeßordnung örtlich zuständig ist, dann sind
deutsche Gerichte auch international zuständig. Die örtliche Zuständigkeit kann sich aus dem
Wohnort bzw. Sitz der Parteien, aus dem Ort der Leistungserbringung oder (zwischen
Kaufleuten) auch aus Parteivereinbarung ergeben.
Bsp.: A aus Freiburg hat bei B in Basel ein Auto gekauft. A zahlt den Kaufpreis nicht. B will A deshalb
verklagen. Nach der ZPO ist in der Regel das Gericht am Wohnsitz des Beklagten zuständig, hier also
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Abschnitt XII: Internationales Privatrecht
das Amts- oder Landgericht in Freiburg. Damit sind deutsche Gerichte auch international für den Fall
zuständig. Ein andere, nach dem deutschen IPR zu entscheidende Frage ist, ob deutsches oder
schweizerisches Privatrecht Anwendung findet.
2. Zuständigkeiten der Gerichte innerhalb der EU
Innerhalb der Europäischen Union besteht ein Abkommen über Gerichtsstände und
Vollstreckung (EuGVÜ), das regelt, die Gerichte welches Landes für eine Rechtsstreitigkeit
zuständig sind. Welches Gericht innerhalb Deutschlands dann zuständig ist, ergibt sich aber
immer noch aus der ZPO. Zudem sind die Anknüpfungspunkte des EuGVÜ der ZPO sehr
ähnlich. Grundsätzlich ist in dem Land zu klagen, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat
oder in dem die vertragsmäßige Leistung erbracht werden soll. Bei Klagen die ein Grundstück
betreffen, sind immer die Gerichts des Landes zuständig, in dem das Grundstück liegt.
Abweichende Vereinbarungen sind möglich, allerdings nicht gegenüber einem Verbraucher.
Bsp.: A aus Freiburg bestellt per Internet bei dem Möbelhaus B in Colmar ein neues Sofa. Auf der
Homepage von B wird ausdrücklich auf Allgemeine Geschäftsbedingungen verwiesen, nach denen für
alle Klagen aus dem Kaufvertrag französische Gerichte zuständig sind. Kurz darauf widerruft A seine
Bestellung. B meint, A müsse zahlen und erhebt Klage vor einem Gericht in Colmar. Das Gericht wird
sich für nicht zuständig erklären. Nach dem EuGVÜ ist im Heimatland des Beklagten zu klagen. Die
abweichende Vereinbarung in den AGB ist gegenüber einem Verbraucher unwirksam. Zuständig sind
nach dem EuGVÜ deutsche Gerichte und zwar nach der ZPO das Amtsgericht Freiburg.
III. Das anwendbare Recht nach deutschem IPR
1. Trennung von zuständigem Gericht und anwendbarem Recht
Ist die Zuständigkeit eines bestimmten deutschen Gerichts gegeben, so hat dieses nach den
Regeln des deutschen IPR über das anwendbare Recht zu entscheiden. Auch wenn es zu dem
Ergebnis kommt, dass ausländisches Recht anwendbar ist, gibt es den Fall nicht etwa an ein
Gericht des betreffenden Staates ab, sondern entscheidet selber nach den Regeln des
ausländischen Rechts. Die Frage nach dem zuständigen Gericht und die nach der
anwendbaren Rechtsordnung sind also streng zu trennen.
Das deutsche IPR im EGBGB enthält jeweils gesonderte Regelungen für das Familien- und
Erbrecht, das Sachenrecht sowie für gesetzliche und vertragliche Schuldverhältnisse. Im
Wirtschaftsleben relevant sind vor allem die Bestimmungen dazu, welches Recht bei
vertraglichen Schuldverhältnissen Anwendung findet. Hier gelten zwei grundlegende Regeln.
2. Der Grundsatz der freien Rechtswahl
Zunächst einmal können die Parteien frei vereinbaren, welche nationale Rechtsordnung
Anwendung finden soll. Sie sind dabei nicht auf die Rechtsordnungen der Länder beschränkt,
mit denen der Vertrag irgendwelche Berührungspunkte hat, sondern können auch jede andere
Rechtsordnung wählen.
Bsp.: Großbäckerei A in Freiburg kauft bei Kornhändler B in Chicago Weizen ein. Dabei wird die
Anwendbarkeit englischen Rechts vereinbart. Dies ist aufgrund der Bedeutung der Londoner Kornbörse
in dieser Branche üblich.
3. Ausnahmen vom Grundsatz der freien Rechtswahl
Der Grundsatz der freien Rechtswahl hat allerdings einige Ausnahmen. Sofern ein Vertrag ein
in Deutschland liegendes Grundstück zum Gegenstand hat, bemessen sich die
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89
Abschnitt XII: Internationales Privatrecht
Formwirksamkeit des Vertrages und die Eigentumslage am Grundstück allein nach deutschem
Recht. Auch die zwingenden Regelungen des deutschen Arbeitsrechts können nicht
umgangen werden, wenn der Arbeitnehmer gewöhnlich in Deutschland arbeitet.
Bsp.: A aus Freiburg verkauft an B aus Basel ein in Lörrach liegendes Grundstück. In dem schriftlichen
Vertrag wird die Anwendbarkeit französischen Rechts vereinbart. B klagt nun vor dem Amtsgericht
Lörrach auf Übereignung des Grundstücks. Das Amtsgericht wird die Klage abweisen, da nach
deutschem Recht ein Kaufvertrag über ein Grundstück der notariellen Beurkundung bedarf.
Vor allem aber kann bei einem Vertrag mit einem Verbraucher, bei dem Angebot oder
Annahme in Deutschland erklärt wurden, nicht von den zwingenden deutschen Vorschriften
zum Verbraucherschutz abgewichen werden. Deshalb ist zwar grundsätzlich eine
Rechtswahlvereinbarung selbst in AGB auch gegenüber einem Verbraucher möglich ist. Ob
aber die AGB wirksam in den Vertrag einbezogen wurden und ob die Regelungen des
Vertrages oder des ausländischen Rechts u.U. unwirksam sind, beurteilt sich nach dem
deutschen AGBG.
Bsp.: A bestellt aufgrund eines ihm zugeschickten Kataloges bei dem türkischen Großhändler B einen
Teppich. In dem Katalog waren auf der letzten Seite AGB enthalten, nach denen ausschließlich
türkisches Recht Anwendung finden und außerdem jegliche Gewährleistung ausgeschlossen sein soll.
Da der Teppich mangelhaft ist, verweigert A die Kaufpreiszahlung. B verklagt ihn vor einem deutschen
Gericht und verweist auf den Gewährleistungsausschluss in den AGB. Es ist jedoch zunächst nach dem
deutschen ABGB zu prüfen, ob die AGB wirksam geworden sind (vgl. Abschnitt VII V 4.). Ist dies der
Fall, so ist eigentlich türkisches Recht anwendbar. Wenn dieses einen völligen
Gewährleistungsausschluß zulässt, ist dieser trotzdem wegen Verstoß gegen das deutsche AGBG
unwirksam.
4. Anwendbares Recht bei fehlender Rechtswahl
Haben die Parteien keine Rechtswahl getroffen, so ist nach dem deutschen IPR das Recht des
Landes anwendbar, mit dem der Vertrag die engsten Verbindungen aufweist. In zwei Fällen
greifen für die Beurteilung der engsten Verbindung Vermutungsregeln.
Zum einen besteht die engste Verbindung im Zweifel zu dem Land, in dem die Partei, die die
für den Vertrag charakteristische Leistung erbringen muß, ihren gewöhnlichen Aufenthalt
bzw. ihre Hauptverwaltung hat. Die charakteristische Leistung ist dabei jeweils die
Leistungen des Verkäufers, des Vermieters, des Werkunternehmers etc..
Hat der Vertrag ein Recht an einem Grundstück zum Gegenstand, so besteht im Zweifel die
engste Verbindung zu dem Land, in dem das Grundstück liegt.
Diese beiden Vermutungen sind aber widerleglich, wenn sich aus den Gesamtumständen des
Vertrages etwas anderes ergibt.
Bsp.: A aus Freiburg möchte in Lörrach eine Fabrikhalle errichten und beauftragt den B aus Basel mit
den Ausschachtungsarbeiten. Da B die für den Vertrag charakteristische Leistung erbringt, würde die
Vermutung hier dafür sprechen, daß Schweizer Recht anwendbar ist. Soll B allerdings nach dem
Vertrag mit anderen Bauunternehmen aus Lörrach gemeinsam für die rechtzeitige Fertigstellung haften
und zudem in DM bezahlt werden, so könnte die Vermutung widerlegt sein, so daß deutsches Recht zur
Anwendung käme.
Auch wenn keine Rechtswahlvereinbarung getroffen wurde, greifen natürlich die Regeln des
Verbraucherschutzes. Deshalb ist immer dann, wenn ein Verbraucher im Land seines
gewöhnlichen Aufenthalts einen Vertrag abgeschlossen hat, das Recht dieses Landes
anwendbar, auch wenn eine engere Beziehung zu einem anderen Land besteht.
IV. Das UN-Kaufrecht
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
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Abschnitt XII: Internationales Privatrecht
Das UN-Kaufrecht ist in einem völkerrechtlichen Vertrag enthalten, der mittlerweile von den
meisten Industriestaaten ratifiziert worden ist. Anders als das IPR ist das UN-Kaufrecht kein
Kollisionsrecht sondern enthält tatsächlich umfangreiche materielle Regelungen über
gewerbliche Kauf- und Werklieferungsverträge, die immer dann greifen, wenn die
Vertragsparteien in verschiedenen Vertragsstaaten ihre Niederlassung haben oder wenn nach
dem IPR eines Landes das UN-Kaufrecht Anwendung findet.
Allerdings kommt auch das UN-Kaufrecht nicht als internationales Recht zur Anwendung
sondern in seiner in die nationalen Rechtsordnungen transformierten Form. Für Deutschland
bedeutet dies, daß immer dann, wenn bei einem Kaufvertrag die Parteien ihre Niederlassung
oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Staaten haben und aufgrund von
Parteivereinbarung oder aus sonstigen Gründen deutsches Recht anwendbar ist, das UNKaufrecht zum Zuge kommt. Eine Parteivereinbarung, nach der deutsches Recht gelten soll,
führt also nicht zur Anwendbarkeit von BGB-Kaufrecht sondern, sofern ein internationaler
Bezug vorliegt, von UN-Kaufrecht, da dieses deutsches Recht geworden ist. Allerdings
können die Parteien die Anwendbarkeit von UN-Kaufrecht explizit ausschließen, so daß dann
wiederum das normale BGB-Kaufrecht gilt.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
91
Abschnitt XIII: Handelsrecht
Abschnitt XIII: Handelsrecht
Das Handelsrecht ist ein sog. Sonderprivatrecht, d.h. es handelt sich um Privatrecht, das für
einen bestimmten Lebens- oder Wirtschaftsbereich gilt. Damit findet grundsätzlich auch hier
das BGB als das zentrale Gesetz des Privatrechts Anwendung, sofern eben das
Handelsgesetzbuch (HGB) keine Sonderregeln enthält.
Der Anwendungsbereich des HGB und damit auch des Handelsrechts ist im wesentlichen
beschrieben durch den Kaufmannsbegriff. Wer Kaufmann ist, auf den findet das HGB
Anwendung. Das Handelsrecht ist deshalb das Sonderprivatrecht der Kaufleute, ihrer
Gesellschaften, Geschäfte und Handlungsformen.
I. Der Kaufmannsbegriff
Wer Kaufmann im Sinne des HGB ist, wird direkt am Anfang des Gesetzes in einem
abschließenden Katalog beschrieben. Es sind dort mehrere Kategorien zu unterscheiden.
Wenn eine natürliche oder juristische Person einer dieser Kategorien unterfällt, ist sie
Kaufmann.
1. Kaufmann kraft Betriebs eines Handelsgewerbes
Die wichtigste Kategorie des Kaufmannsbegriffs knüpft an die Tätigkeit der Person an.
Danach ist jeder Kaufmann, der ein Handelsgewerbe betreibt. Der Begriff des Gewerbes
wiederum ist definiert als eine selbständige Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und mit
Gewinnerzielungsabsicht aber nicht als freier Beruf betrieben wird.
Damit sind zunächst ausgeschlossen all diejenigen, die nicht auf eigenes Risiko und in
persönlicher Unabhängigkeit eigenständig am Markt auftreten, d.h. die Arbeitnehmer und
Beamten. Sodann genügt es nicht, nur gelegentlich einmal Geschäfte zu tätigen, sondern es
bedarf dabei einer hinreichenden Regelmäßigkeit. Weiterhin muß zumindest die Absicht
vorliegen, Gewinn zu erzielen, was allerdings weder durch permanente Verlustgeschäfte noch
durch einen gleichzeitig verfolgten gemeinnützigen Zweck ausgeschlossen wird. Schließlich
sind (überwiegend aus historischen Gründen) die Freiberufler aus dem Kaufmannsbegriff
ausgenommen. Freiberufler sind insbesondere Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater,
Ärzte, Architekten, Wissenschaftler und Künstler.
Bsp.: A verkauft jeden Tag im Geschäft des X Brötchen. B will auf dem Flohmarkt seine alten Comics
verkaufen. Die Kirchengemeinde K vermietet ihren Gemeindesaal häufig zum Selbstkostenpreis an
Jugendgruppen.
Es handelt sich jeweils nicht um den Betrieb eines Gewerbes.
Selbst wenn all diese Voraussetzungen vorliegen, muß noch nicht notwendig ein
Handelsgewerbe vorliegen. Ein Gewerbe ist nur dann ein Handelsgewerbe, wenn es so groß
ist, dass es einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert und
wenn es nicht im Bereich der Land- oder Forstwirtschaft tätig ist.
Bsp.: Bauer A hält hundert Kühe, deren Milch er an eine Molkerei verkauft. Außerdem baut er Gemüse
an, das er jeden Samstag auf dem Wochenmarkt verkauft. A ist kein Kaufmann. Der Verkauf der Milch
hätte zwar eine hinreichende Größe, erfolgt aber im Rahmen der Landwirtschaft. Beim Verkauf auf dem
Wochenmarkt handelt es sich um ein Kleingewerbe.
2. Kaufmann kraft Eintragung
Wer ein Gewerbe betreibt und unter einer Firma im Handelsregister eingetragen ist, ist immer
Kaufmann. Damit können auch die gerade beschriebenen Kleinstbetriebe und die Betriebe der
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92
Abschnitt XIII: Handelsrecht
Land- und Forstwirtschaft die Kaufmannseigenschaft erlangen. Wichtig ist aber weiterhin,
dass es sich überhaupt um ein Gewerbe handelt.
Bsp.: Der Bauer A aus obigem Beispiel lässt sich unter der Firma „Grün und Gesund - A“ im
Handelsregister eintragen. Damit ist er Kaufmann.
Der Rechtsanwalt B wird aufgrund eines Versehens ins Handelsregister eingetragen. B ist gleichwohl
nicht Kaufmann, da er keine Gewerbe betreibt.
3. Kaufmann kraft Gesellschaftsform
Schließlich unterfallen auch alle Handelsgesellschaften zwingend dem Kaufmannsbegriff,
unabhängig davon, ob sie juristische Person sind oder nicht (vgl. Abschnitt XIV).
Handelsgesellschaften sind alle Gesellschaften, die ins Handelsregister eingetragen sind, d.h.
die offene Handelsgesellschaft (OHG), Kommanditgesellschaft (KG), Aktiengesellschaft
(AG), Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und die Kommanditgesellschaft auf
Aktien (KGaA). Außerdem auch die eingetragene Genossenschaft (eG). Dagegen ist die
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft) nicht Kaufmann, da sie keine Gewerbe
betreibt und damit auch nicht ins Handelsregister eingetragen werden kann.
4. Der Scheinkaufmann
Wer Scheinkaufmann ist, der ist nicht Kaufmann im Sinne des HGB, er wird aber in manchen
Beziehungen so behandelt. Dieses Rechtsinstitut dient dem Verkehrsschutz, das heißt dem
Schutz derjenigen, die darauf vertrauen, dass jemand, der wie ein Kaufmann auftritt, auch
Kaufmann ist. Deshalb ist Scheinkaufmann derjenige, der bei seinen Geschäftspartnern durch
ihm zurechenbares Verhalten den Eindruck erweckt, dass er Kaufmann sei. Wenn die
Geschäftspartner dann in diesem Vertrauen Dispositionen treffen, bei deren rechtlicher
Bewertung das HGB ihnen günstig ist, dann wird der Handelnde als Kaufmann angesehen.
Bsp.: A möchte seinen Wagen bei B reparieren lassen. Um eine möglichst zügige Reparatur zu
bekommen, behauptet er wahrheitswidrig, der Wagen werde von seinen 30 Mitarbeitern im
Außendienst dringend benötigt, um Kundenbesuche tätigen zu können. B verwendet daraufhin bei der
Entgegennahme des Auftrags ein Formular, das für die Verwendung gegenüber Kaufleuten bestimmt ist
und in den AGB die Haftung für grobe Fahrlässigkeit ausschließt.
Nachdem A den Wagen wieder abgeholt hat erleidet er einen Unfall, weil der B aufgrund grober
Fahrlässigkeit die Bremsen falsch eingestellt hat. A verlangt von B Schadensersatz. B beruft sich auf
den Haftungsausschluß. Dem hält A zutreffend entgegen, in AGB können man gegenüber
Nichtkaufleuten die Haftung für grobe Fahrlässigkeit nicht ausschließen.
A ist hier schuldhaft wie ein Kaufmann aufgetreten. Daran muss er sich festhalten lassen. Er ist
Scheinkaufmann und der Haftungsausschluß bez. grober Fahrlässigkeit ist gegenüber Kaufleuten
zulässig.
5. Der Unternehmer
Vom Begriff des Kaufmanns ist der Begriff des Unternehmers abzugrenzen. Während der
Kaufmannsbegriff der deutschen Rechtstradition entspringt und vor allem auf der
Unterscheidung von handwerklichen/gewerblichen Berufen einerseits und freien Berufen
andererseits beruht, entstammt der Begriff des Unternehmers dem Europarecht und ist vor
allem über das Verbraucherschutzrecht in das deutsche Recht gelangt. Unternehmer ist jede
natürliche oder juristische Person bzw. Personengesellschaft, die in Ausübung ihrer
gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Damit sind also neben den
Kaufleuten auch die freien Berufe von der Definition umfasst. Zudem wird nicht nach dem
Umfang der beruflichen Tätigkeit differenziert.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
93
Abschnitt XIII: Handelsrecht
Bsp.: Ärzte, Rechtsanwälte und Steuerberater sind keine Kaufleute, unterliegen also nicht dem
Handelsrecht. Sofern sie aber in Bezug auf ihren Beruf handeln, sind sie Unternehmer und unterliegen
im Rechtsverkehr mit Verbrauchern den Verbraucherschutzgesetzen (etwa AGBG, VerbrKrG,
HaustürWG etc.).
II. Das Handelsregister
Das Handelsregister ist ein öffentliches Register (ähnlich dem Grundbuch), das beim
Amtsgericht geführt wird. Es hat verschiedenen Funktionen. Zum einen erleichtert es den
Zugang zu Informationen über Tatsachen, die im Handelsverkehr wichtig sind und schafft
zugleich eine auch rechtlich verlässliche Grundlage. Damit dieser Funktion genüge getan
werden kann, hat jeder ein Recht auf kostenlose Einsicht in das Handelsregister. Daneben
ermöglicht es eine staatliche Kontrolle über die Tatsachen (bzw. deren Voraussetzungen), die
in das Register eingetragen werden sollen. Durch diese höhere Gewähr für die Richtigkeit der
im Handelsregister enthaltenen Tatsachen wird dem Betroffenen der Beweis bezüglich dieser
Tatsachen erleichtert. Schließlich können bestimmte Rechtshandlungen (beispielsweise die
Gründung einer GmbH) nur wirksam werden, wenn sie in das Handelsregister eingetragen
werden.
1. Eintragungsfähige und –pflichtige Tatsachen
Nur bestimmte Tatsachen können überhaupt in das Handelsregister eingetragen werden. In
den meisten Fällen eintragungsfähiger Tatsachen besteht zugleich auch eine Pflicht zur
Eintragung. Dagegen können einige wenige und gesetzlich extra erwähnte Tatsachen auch
freiwillig eingetragen werden.
Eintragungspflichtig sind etwa die Firma und der Ort der Niederlassung eines Kaufmanns
sowie die Erteilung von Prokura. Handelsgesellschaften sind zu ihrer Gründung in das
Handelsregister einzutragen und müssen dabei etwa ihr Stammkapital, die Namen ihrer
Gesellschafter, ihren Sitz, ihre Vertreter (Vorstand oder Geschäftsführer) sowie ihren
Geschäftsgegenstand angeben.
Sofern der Pflicht zur Eintragung nicht nachgekommen wird, kann das Gericht entweder die
Eintragung durch Zwangsgelder erzwingen oder aber die gewünschten Rechtsfolgen treten
nicht ein. So kann etwa eine GmbH oder AG nur durch Eintragung wirksam gegründet
werden.
Bsp.: A betreibt ein größeres Handelsgewerbe unter dem Namen „XY-Dienstleistungen“ und hat den B
zu seinem Prokuristen bestellt. Beides ist nicht ins Handelsregister eingetragen. Als das Amtsgericht
davon erfährt, fordert es A unter Androhung von DM 2000,- Zwangsgeld zur Eintragung auf.
2. Die Eintragung
Eintragungen in das Handelsregister erfolgen in der Regel auf Antrag des Betroffenen sowie
in Ausnahmefällen auch von Amts wegen. Der Antrag muß in öffentlich beglaubigter Form
erfolgen, d.h. die Identität des Antragstellers muß von einem Notar überprüft worden sein.
Das Registergericht prüft, ob alle Eintragungsvoraussetzungen vorliegen. Außerdem wird,
sofern entsprechende Anhaltspunkte vorliegen, auch die inhaltliche Richtigkeit der
einzutragenden Tatsachen überprüft.
Bsp.: Die X-OHG möchte ihre Gesellschafter ins Handelsregister eintragen lassen. Sie benennt A, B
und C als die Gesellschafter. Der Registerrichter entnimmt aus den Unterlagen jedoch, dass es noch
einen weiteren Gesellschafter D gibt. Die Eintragung wird deshalb erst vorgenommen, wenn dies
überprüft und ggf. korrigiert wurde.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
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Abschnitt XIII: Handelsrecht
Nach der Eintragung erfolgt eine Bekanntmachung des Registers im Bundesanzeiger sowie in
einem anderen Blatt, häufig einer lokalen Tageszeitung o.ä..
3. Die Wirkung der Eintragung
Aufgrund der gerichtlichen Überprüfung der einer Eintragung zugrunde liegenden Umstände
bietet das Handelsregister eine hohe Gewähr für seine inhaltliche Richtigkeit. Auf diese
Richtigkeit kann man im Rechtsverkehr grundsätzlich vertrauen. Dadurch wird der
Rechtsverkehr zwischen Kaufleuten wesentlich erleichtert, weil sich die Geschäftspartner
nicht jedes Mal darüber versichern müssen, ob die Umstände, die für ein Geschäft relevant
sind, auch tatsächlich vorliegen.
Bsp.: A will im Namen der B-GmbH bei Kaufmann C etwas kaufen. Hier ist es für C etwa wichtig, ob
der A eigentlich befugt ist, für die B-GmbH zu handeln, wie hoch das Stammkapital der B-GmbH ist,
wo diese ihren Sitz hat etc..
Wenn A für die D-OHG handelt, ist es für C von Interesse, wer Gesellschafter der OHG ist. Dann lässt
sich nämlich ermitteln, ob diese im Notfall solvent sind und für die OHG haften können.
Dieser durch das Handelsregister bewirkte besondere Vertrauensschutz wird als dessen
Publizitätswirkung bezeichnet. Man unterscheidet negative und positive Publizität.
Die negative Publizität besagt, dass eintragungspflichtige Tatsachen, die (noch) nicht in das
Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht wurden, gegenüber einem Dritten, der diese
Tatsachen nicht kennt, auch keine Wirkung erlangen können. Damit können Kaufleute also in
den Geschäftsbeziehungen untereinander darauf Vertrauen, dass eine bestimmte, einmal
bestehende Rechtslage auch weiterhin besteht, solange sie nicht aus dem Handelsregister
etwas anderes ergibt. Wichtig ist allerdings, dass nur das Vertrauen in eintragungspflichtige
Tatsachen geschützt ist.
Bsp.: P war lange Zeit als im Handelsregister eingetragener Prokurist für den Kaufmann A tätig
gewesen und hatte in diesem Zusammenhang häufig Geschäfte mit dem Kaufmann B vorgenommen.
Wegen einer Unterschlagung des P widerruft A am 1.3. die Prokura und meldet den Widerruf zur
Eintragung ins Handelsregister an. Trotzdem kauft P am 8.3. im Namen des A bei B Waren ein. B hatte
zu diesem Zeitpunkt schon Gerüchte über eine Entlassung des P gehört, denen er aber keinen Glauben
schenkt, da P noch als Prokurist im Handelsregister eingetragen ist. Der Widerruf wird erst am 1.4.
eingetragen.
B kann hier von A den Kaufpreis verlangen. Zwar hatte P aufgrund des Widerrufs der Prokura
eigentlich keine Vertretungsmacht mehr für A, darauf kann A sich aber nicht berufen, da der Widerruf
noch nicht eingetragen war. Anders wäre es nur, wenn A den B ausdrücklich über die Entlassung des P
informiert hätte.
In der Konsequenz dieser negativen Publizität gilt jedoch zugunsten des
Eintragungspflichtigen auch, dass dessen Geschäftspartner sich auf ihr Vertrauen in das
Vorliegen bestimmter Tatsachen dann nicht berufen können, wenn diese im Gegensatz zu
wirklich eingetragenen Tatsachen stehen. Die Geschäftspartner sollten also den Inhalt des
Handelsregisters kennen, da sie sich ggf. auf den Anschein anderslautender Tatsachen nicht
berufen können.
Bsp.: Im obigen Beispiel wurde der Widerruf der Prokura eingetragen, bevor P das Geschäft mit B
vorgenommen hat. B hatte jedoch auf die Prokura des P vertraut, weil er von anderen Geschäftspartnern
gehört hatte, an den Gerüchten um eine Entlassung des P sei nichts dran. Hierauf kann B sich jedoch
nicht berufen, da dies im Gegensatz zu der aus dem Handelsregister erkennbaren Rechtslage steht. B
kann deshalb den Kaufpreis von A hier nicht verlangen.
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Abschnitt XIII: Handelsrecht
Die positive Publizität stellt das Gegenstück zur negativen dar. Während es bei der negativen
Publizität um das Vertrauen in das Nichtvorliegen nichteingetragener Tatsachen geht, schützt
die positive Publizität das Vertrauen darin, dass eingetragene und bekannt gemachte
Tatsachen auch wirklich vorliegen. Der Eintragungspflichtige kann sich also nicht auf die
Unrichtigkeit einer bekannt gemachten Tatsachen berufen, es sei denn der andere hatte
Kenntnis von der Unrichtigkeit.
Bsp.: Kaufmann A hat den P zu seinem Prokuristen bestellt. Aufgrund eines Schreibfehlers wird in dem
Antrag zur Eintragung aber nicht der P sondern der X als Prokurist genannt. Der X wird dann auch ins
Handelsregister eingetragen und das (damit unrichtige) Register wird bekannt gemacht. Daraufhin
schließt Kaufmann B einen Kaufvertrag mit dem X, der im Namen des A auftritt. Auf die
Kaufpreisforderung des B hin, stellt A sich auf den Standpunkt, der X habe nicht für ihn handeln
können, da nicht dieser sondern der P zum Prokuristen bestellt worden sei.
Dieser Einwand ist dem A durch die positive Publizität des Handelsregisters abgeschnitten. B durfte auf
die Prokura des X vertrauen, obwohl diese unrichtig eingetragen worden ist. Das selbe würde übrigens
auch gelten, wenn der Fehler nicht schon im Antrag enthalten sondern erst durch ein Versehen des
Registerbeamten aufgetreten ist.
III. Die Firma des Kaufmanns
1. Begriff der Firma
Die Firma ist der Name, unter dem ein Kaufmann seine Geschäfte betreibt, seine Unterschrift
abgibt sowie klagen und verklagt werden kann.
Entgegen dem normalen Sprachgebrauch ist „Firma“ also nicht gleichbedeutend mit
„Unternehmen“, insbesondere ist die Firma kein Rechtssubjekt. Ebenso wenig ist die Firma
der Name des Unternehmens als solchem, also der Gesamtheit von Betriebsmitteln, Personal,
Ideen, Kundenstamm etc., mit deren Hilfe der Unternehmensträger am Wirtschaftsverkehr
teilnimmt. Vielmehr ist die Firma nur ein Name unter dem der Unternehmensträger auftritt.
Unternehmensträger kann dabei sowohl ein Einzelkaufmann als auch eine
Handelsgesellschaft (ggf. also auch eine juristische Person) sein. Bei einer Gesellschaft stellt
die Firma den einzigen Name dar, der Einzelkaufmann dagegen hat natürlich neben der Firma
noch einen bürgerlichen Namen. Damit kann die Handelsgesellschaft auch nur unter ihrer
Firma auftreten, der Einzelkaufmann dagegen kann auch bei Handelsgeschäften wahlweise
seine Firma oder seinen bürgerlichen Namen nutzen.
Bsp.: Der Einzelkaufmann Max Mayer betreibt einen Handel mit Computerzubehör. Er hat sich die
Firma „Max Mayer Computer Equipment e.K.“ gegeben. Damit hat er nicht etwa ein neues
Rechtssubjekt dieses Namens geschaffen. Vielmehr sind hier zu unterscheiden:
1. die natürliche Person Max Mayer als Unternehmensträger, d.h. als Träger aller das Unternehmen
betreffenden Rechte und Pflichten,
2. das Unternehmen als solches, d.h. die Betriebsräume, die Waren, der Kundenstamm, besondere
Vertriebsstrategien, der gute Ruf etc.,
3. die Firma „Max Mayer Computer Equipment e.K.“ als der Name, unter dem Max Mayer auftritt,
wenn er sein Unternehmen im Wirtschaftsverkehr nutzt.
2. Funktion der Firma
Die Firma hat verschiedene Funktionen. Sie kennzeichnet ihren Träger im Handelsverkehr,
gibt
Informationen
über
den
Unternehmensträger
und
das
Unternehmen
(Geschäftsgegenstand, Rechtsform ...), kann eine besonders werbewirksame Formulierung
haben und schließlich mit einem besonders guten Ruf verbunden sein.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
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Abschnitt XIII: Handelsrecht
3. Die Wahl der Firma
Der Kaufmann ist verpflichtet sich eine Firma zu geben und diese im Handelsregister
eintragen zu lassen. Eine Firma besteht immer aus dem Firmenkern und einem
Rechtsformzusatz. Bei der Wahl des Firmenkerns besteht inzwischen relativ große Freiheit.
Der Kaufmann kann sowohl seinen bürgerlichen Namen als auch eine Beschreibung seines
Geschäftsgegenstands als auch einen Phantasienamen wählen.
Bsp.: Max Mayer kann als Firmenkern etwa wählen: „Max Mayer“ oder „Computer Equipment“ oder
„Virtual Future“.
Allerdings findet die freie Wahl des Firmenkerns seine Grenze an zwei Grundsätzen. Zum
einen darf die Firma nicht solcherart gestaltet sein, dass sie die jeweils angesprochenen
Verkehrskreise über wesentliche geschäftliche Verhältnisse irreführt. Zum anderen muß die
Firma eine Unterscheidungskraft besitzen, d.h. sie muß sowohl generell eine gewisse
Charakteristik haben als auch konkret von bereits in dem jeweiligen Bezirk eingetragenen
Firmen unterscheidbar sein.
Bsp.: Max Mayer könnte als Firmenkern nicht „Max Mayer Gebrauchtwagenhandel“ führen, weil dies
irreführend wäre. Er dürfte auch nicht lediglich den Begriff „Future“ wählen, weil dabei eine generelle
Unterscheidungskraft fehlt. Wenn es vor Ort bereits eine Firma „Virtual Future and Reality“ gibt, dürfte
er als Firmenkern nicht „Virtual Future or Reality“ wählen, da damit die Unterscheidbarkeit von der
anderen Firma nicht gegeben wäre.
Vorgeschrieben ist auch, dass die Firma neben dem Firmenkern auch einen Rechtsformzusatz
enthalten muß. Für den Einzelkaufmann kommen hier die Kürzel „e.K.“, „e.Kfm.“ oder
„e.Kfr.“
in
Betracht
(eingetragener
Kaufmann/eingetragene
Kauffrau).
Die
Handelsgesellschaften haben ihre jeweilige Rechtsform anzugeben, als OHG, KG, GmbH und
Co. KG, AG, GmbH, etc.
4. Die Übertragung der Firma
Die Firma kann grundsätzlich vom Inhaber auf einen anderen übertragen werden. Bedarf
hierfür besteht etwa, wenn ein Unternehmen verkauft oder vererbt wird oder wenn bei einer
Personenhandelsgesellschaft ein Gesellschafter ein- bzw. austritt.
Der neue Firmenträger kann die Firma unverändert fortführen. Er kann jedoch auch durch
einen Zusatz die Übertragung deutlich machen („Erben“, „ehemals“ ...). Eine Anpassung der
Firma an die neuen Verhältnisse ist zwingend erforderlich, wenn sonst gegen das
Irreführungsverbot verstoßen würde oder der Rechtsformzusatz fasch wäre.
Bsp.: Dr. Sommer verkauft sein Unternehmen „Dr. Sommer Beziehungsberatung e.K.“ an den
Nichtakademiker Winter. Würde Winter nun die Firma weiterhin unter Nennung des akademischen
Titels führen, würden die Kunden über eine Qualifikation des Unternehmensträgers getäuscht. Deshalb
ist eine Anpassung an „Sommer Beziehungsberatung e.K.“ erforderlich.
Würde Winter sein Unternehmen weiter an eine GmbH verkaufen, so müsste die Firma geändert werden
in „Sommer Beziehungsberatung GmbH“, weil sonst der Rechtsformzusatz falsch wäre.
Eine Firma kann niemals allein, sondern immer nur in Verbindung mit dem jeweiligen
Handelsgewerbe übertragen werden. Dadurch soll der Zusammenhang zwischen der Firma
und dem Unternehmen geschützt und eine Irreführung des Verkehrs verhindert werden.
Andererseits kann ein Unternehmen durchaus ohne die Firma verkauft werden. Der
Firmenträger kann dann die Firma bei der Führung eines anderen Unternehmens weiter
benutzen.
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Abschnitt XIII: Handelsrecht
Bsp.: Max Mayer betreibt einen gutgehend Handel mit Computerzubehör unter der Firma „Computer
Equipment e.K.“. Der X ist an dieser Firma wegen des Werbeeffekts interessiert. Mayer will zwar sein
Unternehmen nicht verkaufen, glaubt aber, dass er auch unter einer neuen Firma erfolgreich sein
könnte, und will deshalb auf das lukrative Angebot des X eingehen. Ein solches Geschäft wäre
unzulässig.
Dagegen wäre es möglich, dass Mayer sein Unternehmen (also Geschäftsräume, Waren etc.) an X
verkauft, die Firma aber behält und mit ihrer Hilfe ein neues Unternehmen aufbaut (also neue Räume
mietet, Waren kauft, Personal einstellt etc.).
IV. Die Vertretung des Kaufmanns
Sofern ein Handelsgeschäft eine bestimmte Größe übersteigt, kann es nicht mehr von einer
einzigen Person geführt werden. Der Einzelkaufmann bedarf dann also der Hilfe von
Angestellten. Auch eine Handelsgesellschaft bedarf neben ihrem Geschäftsführer/Vorstand
u.U. noch weiterer für sie handelnden Personen.
Sofern sich die Tätigkeit dieser Hilfspersonen auf rein tatsächliche Tätigkeiten beschränkt, ist
dies rechtlich nicht sonderlich problematisch.
Bsp.: Der Gehilfe, der die Waren aus dem Lager in das Geschäft trägt. Der angestellte Automechaniker,
der die Wagen der Kunden repariert.
Schwieriger wird es dann, wenn die Hilfsperson auch im Rechtsverkehr für den Kaufmann
tätig wird, insbesondere also, wenn sie für den Kaufmann Verträge abschließt. Das
Instrument, das dies ermöglicht, ist die Stellvertretung. Diese wurde bereits Allgemeinen Teil
des BGB erläutert (vgl. Abschnitt VII, IV.). Grundsätzlich gilt auch im Handelsrecht das
BGB und somit das dortige Recht der Stellvertretung.
Auch im Handelsrecht ist also Voraussetzung einer wirksamen Stellvertretung die Abgabe einer eigenen
Willenserklärung im Rahmen der bestehenden Vertretungsmacht.
Allerdings kennt das Handelsrecht drei typische Form der Vertretungsmacht, die jeweils einen
gesetzlich festgelegten Inhalt haben, von dem im Interesse des Schutzes Dritter nicht
abgewichen werden kann. Es sind dies die Prokura, die Handlungsvollmacht und die
Ladenvollmacht.
1. Die Prokura
Die Prokura ist die umfassendste Form der Vertretungsmacht. Sie ermächtigt zur Vornahme
aller gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte, die der Betrieb irgendeines
Handelsgewerbes mit sich bringt. Es spielt also keine Rolle, ob die vorgenommenen
Geschäfte gerade in den Bereich des von dem Kaufmann betriebenen Handelsgewerbes oder
irgendeines anderen fällt. Es muß sich nur um Handelsgeschäfte handeln.
Ausnahmen zu dieser umfassenden Vertretungsmacht finden sich nur für solche Geschäfte,
die die Veräußerung oder Belastung eines Grundstücks betreffen oder die Grundlagen des
Unternehmens berühren (Einstellung des Geschäfts, Änderung der Firma etc.). Im übrigen
kann der Kaufmann die Vertretungsmacht des Prokuristen im Außenverhältnis nicht wirksam
einschränken. D.h. der Prokurist handelt auch dann wirksam für den Kaufmann, wenn er im
Innenverhältnis zu einer bestimmten Maßnahme gar nicht befugt gewesen wäre.
Bsp.: Kaufmann A hat den B zu seinem Prokuristen bestellt und ihm die Weisung erteilt, keine
Geschäfte über DM 10.000,- abzuschließen sowie niemals ohne Rücksprache Klage zu erheben. B
schließt im Namen des A mit C einen Vertrag über DM 100.000,-. Als D nicht zahlt, erhebt B im
Namen des A Klage.
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Abschnitt XIII: Handelsrecht
Der Vertrag ist wirksam geschlossen, die Klage wirksam erhoben, da beide Rechtshandlungen sich im
gesetzlichen Rahmen der Vertretungsmacht eines Prokuristen befanden. Dass B im Innenverhältnis zu
A nicht zur Vornahme dieser Geschäfte befugt war spielt nur insofern eine Rolle, als dass B sich
gegenüber A u.U. schadensersatzpflichtig gemacht hat.
Eine weitere Einschränkung der Vertretungsmacht eines Prokuristen ist jedoch möglich. Die
Prokura kann nämlich als Gesamtprokura erteilt werden. Dann sind nur zwei (oder mehr)
Prokuristen gemeinsam in der Lage, wirksam für den Kaufmann zu handeln. Handelt nur
einer allein, so ist die Rechtshandlung (vorläufig) unwirksam.
Die Prokura kann nur von dem Kaufmann selber bzw. bei einer Handelsgesellschaft vom
Geschäftsführer/Vorstand erteilt werden. Die Erteilung einer Unterprokura (vom Prokuristen
an einen Dritten) ist deshalb genauso unzulässig wie die Übertragung der Prokura.
Mit ihrer Erteilung ist die Prokura wirksam. Allerdings besteht eine Pflicht, die Prokura in das
Handelsregister eintragen zu lassen.
Die Prokura kann jederzeit widerrufen werden. Solange sie allerdings im Handelsregister
eingetragen ist, können sich gutgläubige Dritte darauf berufen (vgl. oben II, 3.).
Der Prokurist soll bei seinem Auftreten im Rechtsverkehr einen Zusatz nutzen, der seine
Stellung als Prokurist deutlich macht. In der Regel ist dies das Kürzel „ppa“ (d.h. per
procura). Allerdings ist es für die Wirksamkeit des Handelns nicht erforderlich, diesen
Hinweis zu nutzen.
2. Die Handlungsvollmacht
Die Handlungsvollmacht ist eine weitaus weniger starke Form der Vertretungsmacht als die
Prokura. Sie hat keinen zwingenden sondern nur einen typisierten Inhalt, der als gegeben
vermutet wird, solange nicht der Geschäftspartner einen anderen Inhalt kennt oder kennen
muß.
Es werden wiederum drei unterschiedlich weit reichende Formen der Handlungsvollmacht
unterschieden:
1. wer zur Vornahme von Geschäften ermächtigt ist, die zum Betrieb eines bestimmten
Handelsgewerbes gehören, der ist im Zweifel zur Vornahme aller solcher (branchenüblicher)
Geschäfte ermächtigt (Generalvollmacht).
2. wer zur Vornahme einer bestimmten Art von Geschäften ermächtigt ist, die das konkrete
Handelsgewerbe gewöhnlich mit sich bringt, der ist im Zweifel ermächtigt, alle Geschäfte
dieser Art vorzunehmen (Gattungsvollmacht).
3. wer zur Vornahme eines einzelnen Geschäfts ermächtigt ist, der ist im Zweifel ermächtigt,
alle Geschäfte vorzunehmen, die dieses konkrete Einzelgeschäft gewöhnlich mit sich bringt
(Spezialvollmacht).
Bsp.: Kaufmann A betreibt einen Handel mit Computerzubehör. Der Angestellte B ist in der Abteilung
für Drucker tätig und wurde von A ermächtigt, alle Geschäfte (An- und Verkauf) bezüglich Druckern
vorzunehmen. Lediglich die Drucker der Firma XY möchte A selber einkaufen, da er meint, besonders
günstige Konditionen aushandeln zu können.
Als die Drucker der Marke XY alle verkauft sind, bestellt B bei der Firma XY 100 neue Drucker.
Außerdem bestellt er bei der Firma Z neue Monitore. Als A von den beiden Geschäften erfährt, weigert
er sich jeweils, den Kaufpreis zu zahlen. Er beruft sich auf die fehlende Vertretungsmacht des B
bezüglich aller Geschäfte mit der Firma XY sowie bezüglich der Monitore.
Der Vertrag mit der Firma XY ist wirksam, da B ermächtigt war, Geschäfte über Drucker abzuschließen
(Gattungsvollmacht). Solange XY nicht wusste oder wissen musste, dass die Vertretungsmacht bez.
dieser bestimmten Geschäfte eingeschränkt war, durfte XY auf die Gattungsvollmacht des B vertrauen.
Der Vertrag mit Z ist dagegen unwirksam, da solche Geschäfte nicht von der Gattungsvollmacht des B
erfasst wurden.
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Abschnitt XIII: Handelsrecht
Die Handlungsvollmacht kann durch einfach Erklärung erteilt werden. Sie kann nicht in das
Handelsregister eingetragen werden.
3. Die Ladenvollmacht
Die Ladenvollmacht ermächtigt denjenigen, der in einem Laden oder offenen Warenlager
tätig ist, zu allen Verkäufen oder Entgegennahmen, die in einem derartigen Laden oder
Warenlager üblicherweise geschehen.
Diese Vollmacht muß nicht ausdrücklich erteilt werden. Es genügt, wenn eine Person mit
Wissen und Wollen des Inhabers in einem solchen Laden oder Lager tätig ist.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
100
Abschnitt XIV: Gesellschaftsrecht
Abschnitt XIV: Gesellschaftsrecht
Das Zivilrecht, so wie es im BGB in seinen wesentlichen Teilen geregelt ist, basiert in seiner
Grundstruktur zunächst einmal auf der Vorstellung des für sich allein handelnden
Individuums. Das Individuum ist von Natur aus rechtsfähig und ab Volljährigkeit in der Regel
auch geschäftsfähig, d.h. es kann rechtswirksam für sich in eigenem Namen handeln.
Praktisch mindestens ebenso bedeutsam ist aber im Rechtsverkehr, daß nicht nur eine Person
allein sondern mehrere Personen zusammen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks
auftreten. Hier stellt sich die Frage, in welcher Form das Recht diese Gemeinsamkeit des
Interesses und die Geschlossenheit des Auftretens anerkennt. Eine Rechts- und
Geschäftsfähigkeit von Natur aus ist hier nur noch schwer begründbar, beides muss deshalb
dem jeweiligen Zweck des Zusammenschlusses gemäß rechtlich geregelt werden. Diese
Aufgabe erfüllt das Recht der Personengesellschaften.
Daneben besteht in unserem Wirtschaftsleben auch ein Bedarf danach, nicht nur dem
Zusammenwirken einzelner Personen besondere rechtliche Formen zu geben, sondern auch
Zusammenschlüsse von Kapital zu gesonderten rechtlichen Einheiten zu ermöglichen. Eine
solche Kapitalansammlung ist von Natur aus natürlich weder existent noch handlungsfähig.
Wann eine Kapitalmasse eine eigene Rechtspersönlichkeit erhält und wie sie dann handelt,
regelt das Recht der Kapitalgesellschaften.
Drei Punkte bedürfen immer der Klärung, wenn das gemeinsame Auftreten mehrerer
Personen bzw. eine Ansammlung von Kapital rechtlich zu beurteilen ist:
1. Wird dem Zusammenschluß eine eigene Rechtsqualität zuerkannt? Das ist die Frage nach
der Anerkennung als juristische Person.
2. Daraus folgend dann: Werden die beteiligten Einzelpersonen bzw. die Eigentümer von
Teilen der Kapitalmasse persönlich berechtigt und verpflichtet, wenn der Zusammenschluß
im Rechtsverkehr handelt, oder beziehen sich Berechtigung und Verpflichtung nur auf den
Zusammenschluß als solchen? Das ist die Frage nach der Haftung.
3. Schließlich: Wie findet die interne Willensbildung statt und wie bzw. durch wen handelt
der Zusammenschluß nach außen? Damit wird gefragt nach der Regelung von
Geschäftsführung und Vertretung.
I. Juristische Person oder bloße Gemeinschaft?
1. Die möglichen Alternativen
Wenn mehrere Personen zusammen im Rechtsverkehr auftreten, indem sie etwa Verträge
abschließen, Eigentum besitzen oder durch deliktisches Handeln die Rechtsgüter anderer
verletzen, stellt sich immer die Frage, ob sich das Recht damit begnügt, anzuerkennen, daß
hier auf einer Seite des jeweiligen Rechtsverhältnis mehrere Personen beteiligt sind, oder ob
diese Mehrzahl von Personen rechtlich zu einer einzigen Person verschmolzen wird, die dann
allein als Vertragspartner, Eigentümer oder aus Delikt Schadensersatzpflichtiger dasteht. Man
kann das Problem dahingehend formulieren, daß entweder alle an dem Zusammenschluß
beteiligten Personen gemeinsam berechtigt bzw. verpflichtet sind, oder daß nur eine einzige
juristische Person berechtigt bzw. verpflichtet wird, die von den beteiligten Einzelpersonen
unabhängig ist, ihnen jedoch anteilig gehört.
Bsp.: Eheleute A und B schließen gemeinsam einen Mietvertrag mit dem Wohnungseigentümer C.
Theoretisch ist nun entweder denkbar, daß A und B gemeinsam das Recht haben, die Wohnung zu
nutzen sowie gemeinsam zur Zahlung des Mietzinses verpflichtet sind, oder daß die juristische Person
Ehepaar AB, getragen von den Eheleuten A und B, berechtigt und verpflichtet ist.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
101
Abschnitt XIV: Gesellschaftsrecht
Deutlicher wird es noch, wenn A und B gemeinsam ein Grundstück erwerben. Im Grundbuch werden
dann entweder A und B als gemeinsame Eigentümer eingetragen oder aber das Ehepaar AB. Wer
tatsächlich hinter Ehepaar AB steht, ließe sich (in diesem fiktiven Beispiel) dann im Standesamt
erfragen.
Welche Figur das Recht jeweils anbietet, hängt von den bei den verschiedenen denkbaren
Arten von Zusammenschlüssen jeweils im Raum stehenden Interessen und Bedürfnissen ab.
Dabei ist sowohl an die eigentlich Beteiligten als auch an die potentiellen Geschäftspartner zu
denken. Es sind vor allem zwei Überlegungen, die eine Rolle spielen und im folgenden
erläutert werden.
2. Die Beschränkung der Haftung
Wo mehrere Personen zu einer einzigen juristischen Person verschmolzen werden, die dann
allein Vertragspartner, Eigentümer etc. wird, da haftet auch nur noch diese juristische Person
mit ihrem Vermögen. Wenn kein Vermögen mehr da ist, dann gehen Dritte, die Ansprüche
gegen die juristische Person haben, leer aus. Die hinter ihr stehenden Einzelpersonen werden
nicht selber verpflichtet, müssen also auch dann grundsätzlich nicht für etwaige Schäden,
Verbindlichkeiten etc. aufkommen, wenn die juristische Person insolvent wird. Der Schaden
für die Eigentümer der juristischen Person beschränkt sich also darauf, daß ihre Anteile an ihr
wertlos werden. Diese Möglichkeit einer Beschränkung des eigenen Risikos ist für die
Beteiligten attraktiv, geht aber auf Kosten des Geschäftspartners. Deshalb kann eine
juristische Person nicht einfach durch Beschluß der dahinter stehenden Personen
Rechtsfähigkeit erlangen sondern nur durch einen Akt des Staates, in der Regel der
Eintragung ins Handelsregister. Diese Verleihung des Status einer juristischen Person erfolgt
nur dann, wenn eine gewisse Gewähr dafür besteht, daß die juristische Person ausreichend
zahlungsfähig ist. Zudem bestehen für juristische Personen zumeist Regelungen, die
sicherstellen sollen, dass die Zahlungsfähigkeit auch bestehen bleibt.
Bsp.: Wäre ein Ehepaar tatsächlich eine juristische Person, so könnte der Vermieter C in obigem
Beispiel rückständige Mietzinsen nur von dem Ehepaar AB eintreiben, nicht aber von den unter
Umständen deutlich solventeren Ehepartnern A und B persönlich. Deshalb wäre es dann erforderlich,
Regeln aufzustellen, die die Zahlungsfähigkeit des Ehepaares AB sicherstellen, etwa durch die Pflicht,
zu Beginn der Ehe oder in regelmäßigen Abständen Einlagen zu erbringen.
3. Die Flexibilität der Beteiligten
Häufig sind Zusammenschlüsse von Einzelpersonen nicht stabil sondern gekennzeichnet
durch einen ständigen Wechsel der Beteiligten. Wenn der Zusammenschluß nicht in der Form
einer juristischen Person organisiert ist, dann stellt sich das Problem, daß mit jedem Wechsel
in der Zusammensetzung des Zusammenschlusses auch die Rechtsverhältnisse sich wandeln,
da jemand, der vorher gemeinschaftlich mit anderen berechtigt bzw. verpflichtet war, nun
nicht mehr zu der Gemeinschaft gehört, ein anderer dagegen nun zur Gemeinschaft gehört
aber nicht berechtigt oder verpflichtet ist.
Bei einer juristischen Person dagegen ist von vornherein nur diese berechtigt oder
verpflichtet, unabhängig davon, wer hinter ihr steht. Auch ein völliger Wechsel der an der
juristischen Person Beteiligten ändert nichts an den Rechtsverhältnissen nach außen.
Bsp.: 1000 Tennisfreunde gründen einen Tennisverein und erwerben ein Grundstück, um darauf Plätze
anzulegen. Wäre der Verein keine juristische Person, so müßten im Grundbuch alle 1000
Vereinsmitglieder als gemeinschaftliche Eigentümer eingetragen werden und bei jedem Austritt eines
alten oder Eintritt eines neuen Mitglieds müßte das Grundbuch geändert werden. Dies wäre höchst
unpraktikabel.
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102
Abschnitt XIV: Gesellschaftsrecht
Bei der Ehe dagegen gibt es keinen Wechsel der Mitgliedschaft. Deshalb besteht hier auch kein
Bedürfnis nach einer juristischen Person.
II. Die Unterscheidung von Personen- und Kapitalgesellschaften
Bereits oben wurde angemerkt, daß man zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften
unterscheiden kann. Diese beiden Typen von Gesellschaften haben jeweils besondere sie
prägende Eigenschaften.
1. Personengesellschaften
Das Recht der Personengesellschaften beruht auf dem Gedanken, daß sich eine überschaubare
Gruppe von Menschen aufgrund von gegenseitigem Vertrauen zusammenschließt, um einen
bestimmten Zweck zu erreichen. Die Mitgliedschaft und der Charakter der Gesellschaft ist
also auf bestimmte Personen zugeschnitten. Daraus ergeben sich die Grundprinzipien des
Rechts der Personengesellschaften.
Intern ist eine Personengesellschaft zumeist so organisiert, daß alle Gesellschafter aktiv an der
Erreichung des gemeinsamen Zwecks beteiligt sind, also persönlich an der Führung der
Geschäfte mitarbeiten. Hieraus ergibt sich für das Außenverhältnis der sogenannte Grundsatz
der Selbstorganschaft, d.h. daß zur Vertretung der Gesellschaft entweder alle Gesellschafter
befugt sind, oder doch zumindest einer von ihnen. Die Vertretung einer Personengesellschaft
durch einen unbeteiligten Dritten, der nicht Gesellschafter ist, ist unzulässig.
Da die Gesellschafter sich aus gegenseitigem Vertrauen zusammenschließen, steht es den
Beteiligten grundsätzlich auch nicht frei, ihren Gesellschaftsanteil zu übertragen oder zu
vererben. Dies kann nur mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter geschehen, wenn nicht
im Gesellschaftsvertrag etwas anderes vereinbart ist.
Aufgrund dieser engen Bindung der Gesellschafter untereinander, die zu einer hohen
Kontinuität der Beteiligten führt, bedürfen die Personengesellschaften auch nicht einer
eigenen Rechtspersönlichkeit. Sie sind also keine juristischen Personen. Demzufolge haften
grundsätzlich auch alle Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten
der Gesellschaft.
Personengesellschaften werden durch schlichten Gesellschaftsvertrag der Beteiligten
gegründet. In diesem Vertrag können die Gesellschafter in vielen Punkten Regelungen
treffen, die von den gerade dargestellten gesetzlichen Prinzipien abweichen. Zudem werden in
dem Vertrag die jeweiligen Aufgaben, die zu erbringenden Einlagen die Gewinn- und
Verlustverteilung etc. geregelt.
Personengesellschaften sind die BGB-Gesellschaft, die offene Handelsgesellschaft (OHG), die
Kommanditgesellschaft (KG) und die stille Gesellschaft, wobei die KG teilweise auch Züge einer
Kapitalgesellschaft tragen kann.
Bsp.: Die Ärzte A, B und C haben sich zu einer BGB-Gesellschaft zusammengeschlossen, um
gemeinsam eine Arztpraxis zu betreiben. Der Gesellschaftsvertrag enthält keine Abweichungen von den
gesetzlichen Regelungen. A mietet Praxisräume an, B erwirbt das notwendige Mobiliar, C bestellt
Medikamente. Alle drei haben wirksam für die Gesellschaft gehandelt. Sie haften persönlich mit ihrem
Vermögen für den Mietzins bzw. Kaufpreis.
Nach einiger Zeit möchte C umziehen. Er tritt deshalb aus der Gesellschaft aus. Damit ist die
Gesellschaft aufgelöst. A und B nehmen den D auf und schließen einen neuen Gesellschaftsvertrag.
Nunmehr vereinbaren sie, dass nur der A für die Gesellschaft Medikamente bestellen darf. Kurz darauf
bestellt D eine größere Ladung Medikamente. Mangels Vertretungsmacht hat er nicht wirksam für die
Gesellschaft gehandelt.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
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Abschnitt XIV: Gesellschaftsrecht
2. Kapitalgesellschaften
Grundlage des Rechts der Kapitalgesellschaften ist nicht der Zusammenschluß von Personen,
sondern von Kapital. Der Zusammenschluß erfolgt nicht, um in gemeinsamer Arbeit einen
bestimmten Zweck zu erreichen, sondern um gemeinsam eine bestimmte Menge Kapital
aufzubringen. Die Kapitalbeteiligung ist deshalb in der Regel die einzige Aktivität des
Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft und ihre jeweilige Höhe entscheidet über die interne
Entscheidungsbefugnis und Gewinnverteilung. Persönliche Mitarbeit ist meist nicht
vorgesehen. Die Geschäftsführung und Vertretung der Kapitalgesellschaft erfolgt durch ein
dafür bestelltes Organ, also eine Person, die nicht notwendig selber Gesellschafter sein muß
(sog. Drittorganschaft). Aufgrund der geringen persönlichen Bindung der Gesellschafter
können die Anteile an einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich auch frei veräußert und
vererbt werden. Andererseits macht die personelle Flexibilität es jedoch erforderlich, die
Kapitalgesellschaften als juristische Personen zu organisieren. Deshalb haften auch die
Gesellschafter nicht persönlich mit ihrem privaten Vermögen sondern nur mit ihrem Anteil
am Kapital der Gesellschaft.
Auch die Kapitalgesellschaften beruhen auf einem Vertrag zwischen den
Gründungsmitgliedern (Satzung). Da es sich jedoch um juristische Personen handelt genügt
dies allein nicht den Anforderungen, die zur Sicherheit des Rechtsverkehrs erforderlich sind.
Hinzukommen müssen meist noch die Erbringung des Stammkapitals (Einlage) und die
Eintragung ins Handelsregister. Anders als der Gesellschaftsvertrag bei den
Personengesellschaften kann die Satzung hier nur in wenigen Bereichen Abweichungen von
den gesetzlichen Regelungen vorsehen.
Kapitalgesellschaften sind die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die Aktiengesellschaft
(AG), die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und die eingetragene Genossenschaft (eG), wobei
die GmbH teilweise auch Züge einer Personengesellschaft tragen kann.
Bsp.: A, B und C haben sich zusammengeschlossen, um gemeinsam das Kapital für ein zu erwerbendes
Grundstück mit Haus aufzubringen, das sie vermieten wollen. Sie schließen einen Vertrag, der die
Satzung für die zu gründende X-GmbH enthält. Nach Erbringung der notwendigen Einlagen wird die XGmbH ins Handelsregister eingetragen. In der Satzung wurde der D zum Geschäftsführer bestellt. D
erwirbt im Namen der X-GmbH das Grundstück. Im Grundbuch wird nur die X-GmbH als Eigentümer
eingetragen. Außerdem schließt D wirksam Mietverträge im Namen der X-GmbH. Als das Haus eines
Tages aufgrund mangelnder Pflege einstürzt und enorme Schäden bei den Mietern entstehen, wird die
X-GmbH zahlungsunfähig. Der Versuch der Mieter, von A, B und C Ersatz zu erhalten, bleibt erfolglos,
da diese nicht mit ihrem Privatvermögen haften.
III. Die einzelnen Personengesellschaften
Im Zusammenhang mit einer Personengesellschaft sind fünf rechtlich zu regelnde Bereiche
relevant. (1) Zunächst ist die Gründung der Gesellschaft zu erörtern. (2) Sodann ist das
Innenverhältnis der Gesellschafter bedeutsam, also insbesondere die Beitragspflicht und die
Gewinn- und Verlustverteilung. (3) Weiterhin sind Geschäftsführung und Vertretung zu
betrachten. Dabei ist unter Geschäftsführung jede (rechtsgeschäftliche oder tatsächliche)
Tätigkeit in Verfolgung des Gesellschaftszwecks zu verstehen. Dagegen wird als Vertretung
nur das rechtsgeschäftliche Handeln für die Gesellschaft im Verhältnis zu Dritten verstanden.
Wichtig ist die Unterscheidung insbesondere deshalb, weil unberechtigte Geschäftsführung
nur im Innenverhältnis zu einer Schadensersatzpflicht gegenüber den anderen Gesellschaftern
führt, Vertretung ohne Vertretungsmacht dagegen meist von vornherein keine Bindung im
Außenverhältnis bewirken kann.
Bsp.: A erstellt für seine Gesellschaft Bilanzen, führt die Korrespondenz, kontrolliert die Arbeitnehmer,
mietet Büroräume an und schließt Arbeitsverträge. Hierbei handelt es sich um Geschäftsführung. Der
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Abschnitt XIV: Gesellschaftsrecht
Abschluß von Miet- und Arbeitsverträgen stellt aber gleichzeitig auch eine Vertretung der Gesellschaft
dar, weil es sich um rechtsgeschäftliches Handeln gegenüber Dritten handelt.
Ist A nicht zur Geschäftsführung berechtigt und führt etwa ein von ihm geschriebener Brief zu Schäden
weil ein potentieller Kunde abspringt, so muß er diese Schäden den anderen Gesellschaftern ersetzen.
Handelt A dagegen ohne Vertretungsmacht, so sind die von ihm geschlossenen Verträge für die
Gesellschaft nicht bindend.
(4) Wichtig sind daneben die Regelung zur Haftung der Gesellschafter und der Gesellschaft.
(5) Schließlich ist noch nach dem Wechsel von Gesellschaftern und der Auflösung der
Gesellschaft zu fragen.
1. Grundform: Die BGB-Gesellschaft
Die BGB-Gesellschaft, auch Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) genannt, ist die
Grundform der Personengesellschaften. Sie ist ursprünglich aus der Erbengemeinschaft
entstanden und damit auch historisch das älteste Modell. Da sie durch schlichten, auch
konkludent zu schließenden Gesellschaftsvertrag gegründet werden kann und kaum
zwingende gesetzliche Regelungen bestehen, ist die BGB-Gesellschaft auch heute noch weit
verbreitet und findet sich in vielen verschiedenen Zusammenhängen. Dabei spielt es an sich
keine Rolle, ob die Beteiligten sich zu einem rein ideellen Zweck zusammenschließen oder ob
sie erwerbswirtschaftliche Ziele verfolgen. Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob der Zweck
über einen kurzen oder langen Zeitraum hinweg verfolgt werden soll. Eine Einschränkung ist
hier nur für den Betrieb eines kaufmännischen Gewerbes zu machen. Dieser Zweck kann nur
in der Form einer OHG oder KG verfolgt werden. Dagegen sind die Angehörigen der freien
Berufe (Rechtsanwälte, Steuerberater, Ärzte etc.) häufig in der Form einer BGB-Gesellschaft
organisiert.
Bsp.: A und B verabreden, daß sie jeden Tag gemeinsam im Wagen des A zur Arbeit fahren und die
Benzinkosten teilen. Die C-GmbH und die D-AG beteiligen sich als Konsortium gemeinsam an der
Ausschreibung für ein Bauvorhaben. Die Ärzte E, F und G gründen gemeinsam eine Praxis. Die
Chemieunternehmen H, I und J vereinbaren, neue Produkte gemeinsam in einem ihrer Labors zu
entwickeln.
Sofern nichts besonderes vereinbart wurde liegt hier jeweils eine BGB-Gesellschaft vor.
K, L und M haben sich zusammengeschlossen, um im großen Stil mit Computermonitoren zu handeln.
In ihrem schriftlichen Gesellschaftsvertrag bezeichnen sie sich selber als BGB-Gesellschaft. Hier liegt
jedoch eine OHG vor, da es sich um den Betrieb eines kaufmännischen Gewerbes handelt.
Die Gründung einer BGB-Gesellschaft erfolgt durch schlichten Gesellschaftsvertrag.
Gesellschafter können sowohl natürliche als auch juristische Personen sowie sonstige
Gesellschaften sein. Der Gesellschaftsvertrag ist in der Regel nicht formbedürftig und kann
auch konkludent abgeschlossen werden. In dem Vertrag können die Gesellschafter
weitgehend frei von zwingenden gesetzlichen Vorschriften ihre Rechtsverhältnisse regeln.
Nur soweit dort keine Regelungen getroffen sind, greifen die gesetzlichen Vorschriften.
Insbesondere werden die Gesellschafter im Vertrag den gemeinsam zu verfolgenden Zweck
festlegen und die von den Beteiligten zu erbringenden Beiträge sowie die Verteilung von
Gewinn und Verlust bestimmen. Die Beiträge können in Geldzahlungen, Sachleistungen,
Arbeitsleistungen, Geschäftsideen, Patenten etc. bestehen. Wenn keine vertragliche Regelung
getroffen wurde, haben alle gleichermaßen Beiträge zu erbringen und Gewinn und Verlust zu
tragen.
Die Geschäftsführung steht nach der gesetzlichen Regel allen Gesellschaftern gemeinsam
zu, d.h. jeder Gesellschafter muß danach jeder Entscheidung zustimmen. Dies ist häufig
unpraktisch. Der Gesellschaftsvertrag kann deshalb eine anderweitige Regelung vorsehen,
etwa daß per Mehrheit entschieden wird, daß jeder Gesellschafter allein oder auch nur ein
bestimmter Gesellschafter zur Geschäftsführung berechtigt ist.
Berufsakademie Lörrach – Fach Recht
105
Abschnitt XIV: Gesellschaftsrecht
Die Vertretung der Gesellschaft richtet sich im Zweifel nach der Geschäftsführungsbefugnis,
Wer zur Geschäftsführung berechtigt ist, hat demnach auch Vertretungsmacht. Auch hier ist
aber eine andere Regelung möglich.
Die Haftung der BGB-Gesellschaft und der einzelnen Gesellschafter ist im BGB nur
unzulänglich geregelt und deshalb kompliziert. Die BGB-Gesellschaft ist keine juristische
Person. Gleichwohl wird das Vermögen der Gesellschaft (also die erbrachten Beiträge und die
erzielten Gewinne) als Sondervermögen behandelt, über das die Gesellschafter nur
gemeinsam verfügen können (sog. Gesamthandsvermögen). Dieses Sondervermögen haftet
für Forderungen Dritter gegen die Gesellschaft, die auf dem rechtsgeschäftlichen Handeln der
vertretungsberechtigten Gesellschafter beruhen. Daneben haften aber in der Regel auch die
Gesellschafter selbst persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Diese Haftung der
Gesellschafter kann nur dann ausgeschlossen werden, wenn der Haftungsausschluß dem
Vertragspartner hinreichend deutlich gemacht wird.
Bsp.: A, B und C haben sich in der Form einer BGB-Gesellschaft zum Betrieb einer Autovermietung
zusammengeschlossen. Jeder von ihnen hat ein Auto eingebracht. Diese Autos bilden somit das
Sondervermögen der Gesellschaft. Aufgrund von unsachgemäßer Pflege der Wagen erleidet der Kunde
D einen Unfall, der bei D hohen Schaden verursacht. Für diesen Schaden haftet ihm zunächst das
Gesellschaftsvermögen, also etwa die drei Wagen. Daneben kann sich D ab er auch an A, B oder C
halten, die persönlich haften. Wurde allerdings in dem Mietvertrag ausdrücklich auf einen
Haftungsausschluß der Gesellschafter hingewiesen, so haftet nur das Gesellschaftsvermögen.
Nach der gesetzlichen Regelung löst sich die BGB-Gesellschaft mit dem Ausscheiden eines
Gesellschafters automatisch auf. Neue Gesellschafter können nur unter Zustimmung aller
bisherigen Gesellschafter aufgenommen werden. Damit sind also die Gesellschaftsanteile
nicht frei übertragbar. Abweichende Regelungen sind hier aber möglich.
Die Auflösung der Gesellschaft kann eintreten durch Kündigung seitens eines
Gesellschafters, Zweckerreichung, Insolvenz oder Auflösungsbeschluß. Der Auflösung folgt
die Liquidation, in deren Verlauf erst alle Gläubiger befriedigt und dann das
Gesellschaftsvermögen verteilt wird.
2. Die offene Handelsgesellschaft (OHG)
Die OHG ist eine Sonderform der BGB-Gesellschaft und unterscheidet sich dadurch, daß sie
zwingend auf den Betrieb eines kaufmännischen Gewerbes gerichtet ist. Demzufolge ist sie
im HGB geregelt. Soweit sich dort keine Sonderregeln finden, ist aber auf die Vorschriften
über die BGB-Gesellschaft zurückzugreifen.
Anders als die BGB-Gesellschaft muß die OHG zwingend eine Firma führen, also einen
Namen, unter dem sie im Rechtsverkehr auftritt. Gleichwohl ist auch die OHG keine
juristische Person. Sie ist einer solchen aber angenähert und kann etwa unter ihrer Firma
klagen und verklagt werden sowie Rechte erwerben.
Auch die OHG wird durch formfreien Gesellschaftsvertrag gegründet, in dem weitgehend
frei von gesetzlichen Vorschriften das Verhältnis der Gesellschafter geregelt werden kann.
Allerdings muß die OHG, da es sich um eine Handelsgesellschaft handelt, ins Handelsregister
eingetragen werden. Sie entsteht deshalb gegenüber Dritten erst dann, wenn dies geschieht
oder wenn die Gesellschaft ihre Geschäfte aufnimmt. Vorher liegt nur eine BGB-Gesellschaft
vor.
Nach der abdingbaren gesetzlichen Regelung ist bei der OHG jeder Gesellschafter zur
Geschäftsführung berechtigt. Allerdings können die anderen Gesellschafter einer
bestimmten Maßnahme widersprechen, so daß diese dann unterbleiben muß.
Ebenso ist nach dem Gesetz auch jeder Gesellschafter zur Vertretung der OHG berechtigt.
Im Gesellschaftsvertrag kann aber die Vertretungsmacht für einzelne Gesellschafter
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106
Abschnitt XIV: Gesellschaftsrecht
ausgeschlossen werden. Dagegen ist es nicht möglich, die Vertretungsmacht eines an sich
vertretungsberechtigten Gesellschafters auf bestimmte Geschäfte zu beschränken.
Die Haftung ist bei der OHG deutlich strenger geregelt als bei der BGB-Gesellschaft.
Zunächst haftet auch hier das Sondervermögen der OHG. Daneben haften aber auch zwingend
alle Gesellschafter persönlich mit ihrem Privatvermögen. Diese Haftung kann nicht
ausgeschlossen werden. Sie erstreckt sich sogar soweit, daß ein neu eintretender
Gesellschafter für die bereits früher entstandenen Verbindlichkeiten der OHG haftet. Ebenso
haftet ein ausscheidender Gesellschafter weiterhin für die bis zum Zeitpunkt seines
Ausscheidens entstandenen Verbindlichkeiten. Die Beteiligung an einer OHG ist deshalb für
die Gesellschafter gefährlich.
Anders als die BGB-Gesellschaft löst sich die OHG nicht mit Ausscheiden eines
Gesellschafters automatisch auf. Gleichwohl können auch hier neue Gesellschafter nur mit
Zustimmung aller alten Gesellschafter aufgenommen werden. Die Auflösung der OHG
erfolgt durch Zeitablauf, Gesellschafterbeschluß oder aus sonstigen im Gesellschaftsvertrag
vorgesehenen Gründen. Auch bei der OHG schließt sich an die Auflösung die Liquidation
an.
3. Die Kommanditgesellschaft (KG)
Die KG ist wiederum eine Sonderform der OHG. Auch die KG ist auf den Betrieb eines
kaufmännischen Gewerbes gerichtet. Sie hat gegenüber der OHG den Vorteil, daß eine
gewisse Beschränkung der Haftung möglich ist. Dies hat insbesondere in der Form der GmbH
und Co. KG der Kommanditgesellschaft zu großer praktischer Bedeutung verholfen.
Bei der KG sind zwei verschiedene Arten von Gesellschaftern zu unterscheiden. Auf der
einen Seite gibt es die voll haftenden Gesellschafter, die sogenannten Komplementäre. Diese
haben im wesentlichen die selbe Stellung wie die Gesellschafter der OHG. Daneben gibt es
aber auch die Kommanditisten. Diese haben allein die Rolle eines Geldgebers. Sie
verpflichten sich im Gesellschaftsvertrag, eine bestimmte Einlage zu erbringen, die dann Teil
des Gesellschaftsvermögens wird. Haben sie diese Einlage erbracht, so sind sie von jeder
weiteren Haftung befreit. D.h. ein Gläubiger der KG kann sich dann nur aus dem
Gesellschaftsvermögen und dem Privatvermögen der Komplementäre befriedigen. Die
Kommanditisten tragen allein das Risiko, daß sie bei Insolvenz der KG ihre Einlage nicht
zurück erhalten. Allerdings lebt die Haftung eines Kommanditisten dann wieder auf, wenn er
seine Einlage durch Ausschüttungen wieder zurück erhält.
Nach der abdingbaren gesetzlichen Regelung sind allein die Komplementäre zur
Geschäftsführung berechtigt. Zum Ausgleich stehen den Kommanditisten gewisse
Informations- und Kontrollrechte zu.
Die Vertretung der KG kann zwingend nur durch die Komplementäre erfolgen. Die
Kommanditisten sind von der Vertretung ausgeschlossen.
4. Die GmbH und Co. KG
Die GmbH und Co. KG ist eine Sonderform der Kommanditgesellschaft. Ihre Besonderheit
liegt darin, daß einziger Komplementär der KG nicht eine natürliche Person sondern eine
GmbH ist. Als Komplementär der KG ist die GmbH dann nicht nur allein geschäftsführender,
sondern auch einziger voll haftender Gesellschafter der KG. Die GmbH ist jedoch, wie unten
noch eingehender beschrieben wird, juristische Person und haftet nur mit ihrem
Gesellschaftsvermögen. Somit gibt es in der GmbH und Co. KG letztlich keine natürliche
Person, die voll haftet. Die Haftungssituation entspricht damit den Verhältnissen bei den
Kapitalgesellschaften. Trotzdem bleibt die GmbH und Co. KG aber Personengesellschaft, was
insbesondere bilanz- und steuerrechtliche Vorteile hat. Diese Begrenzung des Risikos bei
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Abschnitt XIV: Gesellschaftsrecht
gleichzeitiger Wahrung der Vorteile einer Personengesellschaft macht die GmbH und Co. KG
für die Beteiligten attraktiv.
Die GmbH und Co. KG tritt in zwei Varianten auf, die sich danach unterscheiden, ob die
Gesellschafter der GmbH identisch sind mit den Kommanditisten der KG oder nicht. In
ersterem Fall bietet sie eine Gesellschaftsform mit allseitiger Haftungsbeschränkung. In
letzterem Fall dient die GmbH den Kommanditisten im wesentlichen als Geschäftsführer für
ihre KG.
Bsp.: A, B und C wollen Softwareprogramme über das Internet verkaufen, scheuen aber das damit
verbundene finanzielle Risiko. Sie gründen deshalb zunächst die X-GmbH, die sie mit DM 60.000,Einlage ausstatten, und bestellen sich selber zu deren Geschäftsführern. Da sie aber auch das strenge
Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften vermeiden wollen, gründen sie sodann die „Y GmbH und Co.
KG“, bei der A, B und C mit Einlagen von jeweils DM 10.000,- Kommanditisten sind und die X-GmbH
als Komplementärin auftritt. Vertretungsbefugter Geschäftsführer der „Y GmbH und Co. KG“ ist die XGmbH, die wiederum vertreten wird durch A, B und C als deren Geschäftsführer. Da die von der „Y
GmbH und Co. KG“ vertriebenen Softwareprogramme sehr fehleranfällig sind und bei den Kunden
große Schäden verursachen, sieht sich die „Y GmbH und Co. KG“ bald Schadensersatzforderungen von
DM 250.000,- gegenüber. Die geschädigten Kunden greifen zunächst auf die DM 30.000,Stammkapital der „Y GmbH und Co. KG“ und dann auf die DM 60.000,- der X-GmbH zu. Versuche
der Kunden, A, B und C persönlich haftbar zu machen, scheitern, da diese weder als Kommanditisten
noch als Gesellschafter der GmbH für die Verbindlichkeiten der „Y GmbH und Co. KG“ haften.
5. Die stille Gesellschaft
Die stille Gesellschaft unterscheidet sich von den bisher dargestellten Gesellschaftsformen
dadurch, dass sie keine Außen- sondern eine reine Innengesellschaft ist, also allein im
Verhältnis zwischen den Gesellschaftern Bedeutung erlangt. Sie ist dadurch gekennzeichnet,
dass sich der stille Gesellschafter durch eine Kapitaleinlage am Gewinn, aber nicht notwendig
auch am Verlust der Geschäfte des geschäftsführenden Gesellschafters beteiligt, der nach
außen nur für sich im eigenen Namen auftritt. Die Gesellschaft tritt somit im Verhältnis zu
Dritten überhaupt nicht in Erscheinung. Auch die Haftung erstreckt sich lediglich auf das
Vermögen des geschäftsführenden Gesellschafters. Es gibt keine gesamthänderisches
Vermögen der Gesellschaft, da die Einlage des stillen Gesellschafters vollständig dem
Vermögen des geschäftsführenden Gesellschafters zufließt, der damit auf eigene und auf
Rechnung des Stillen wirtschaftet. Für den stillen Gesellschafter hat diese Konstruktion den
Vorteil, dass er sich an den Geschäften eines anderen beteiligen kann, ohne dass dies bekannt
wird. Zudem bietet sich ihm eine Gewinnbeteiligung, ohne dass er über seine Einlage hinaus
haften würde. Für den geschäftsführenden Gesellschafter bietet die stille Gesellschaft eine
Möglichkeit, an neues Kapital zu gelangen, ohne einen fest verzinsliches Darlehen aufnehmen
zu müssen.
Bsp.: A führt einen Computerhandel im süddeutschen Raum. Für anstehende Investitionen benötigt er
neues Kapital. B, der bisher schon in der gleichen Branche in Norddeutschland tätig ist, möchte
langsam auch in Süddeutschland Fuß fassen, ohne dass die Konkurrenz dies bemerkt. A und B
schließen deshalb einen Gesellschaftsvertrag, der beinhaltet, dass B an A drei Millionen DM zahlt und
dafür unter Ausschluß jeglicher Haftung am Gewinn der Geschäfte des A beteiligt wird. A nutzt das
neue Kapital für die nötigen Investitionen und führt seine Geschäfte wie bisher im eigenen Namen fort.
IV. Die einzelnen Kapitalgesellschaften
Die Kapitalgesellschaften haben alle den Charakter einer juristischen Person. Damit stellen
sich auch die bei den verschiedenen Formen der Kapitalgesellschaften jeweils zu erörternden
Fragen etwas anders als bei den Personengesellschaften. (1) Bei der Gründung spielt immer
ein staatlicher Akt eine Rolle, der erst die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft herbeiführt. (2) Da
eine juristische Person keine natürliche Handlungsfähigkeit besitzt und eine Vertretung der
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108
Abschnitt XIV: Gesellschaftsrecht
Gesellschaft durch alle ihre u.U. sehr zahlreichen Gesellschafter/Mitglieder/Aktionäre höchst
unpraktisch wäre, bedarf es bestimmter Organe, die für die Gesellschaft handeln. (3) Sodann
ist zu fragen, welche Rechte und Pflichten die Gesellschafter/Mitglieder/Aktionäre
gegenüber der Kapitalgesellschaft haben und wie diese Stellung übertragbar ist. (4)
Schließlich ist aufgrund der rechtlichen Verselbständigung von Kapitalgesellschaften die
Frage nach der Haftung sowie der Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit von hoher
Bedeutung.
1. Grundform: Der eingetragene Verein
Der Verein ist natürlich keine Kapitalgesellschaft. Da seine Strukturen jedoch die Grundlage
für das Recht der Kapitalgesellschaften bilden, soll er hier kurz dargestellt werden.
Ein Verein wird von einer Gruppe von Menschen zur Verfolgung eines bestimmten Zwecks
gegründet. Die Gründung erfolgt in mehreren Stufen. Zunächst schließen die Beteiligten
einen Vertrag, der den Vereinszweck und die Satzung enthält. Sodann wird ein Vorstand
bestellt. Dieser meldet den Verein beim zuständigen Amtsgericht an. Dieses prüft, ob die
notwendigen Voraussetzungen für eine Eintragung vorliegen. Hier wird insbesondere
festgestellt, ob der Verein hauptsächlich ideellen oder aber wirtschaftlichen Zwecken dient.
Wirtschaftliche Vereine können nur ganz ausnahmsweise eingetragen werden. Liegen die
notwendigen Voraussetzungen vor, so erfolgt die Eintragung in das Vereinsregister. Damit
erlangt der Verein die Rechtsfähigkeit, er wird juristische Person.
Die Struktur des Vereins ergibt sich im wesentlichen aus der Satzung, die nur in einigen
Punkten an zwingendes Recht gebunden ist. Die Satzung muss Regelungen enthalten über
Ein- und Austritt von Mitgliedern, Beitragspflichten, die Bildung des Vorstands und die
Einberufung der Mitgliederversammlung.
Das Gesetz sieht vor, dass der Verein notwendigerweise mindestens zwei Organe haben
muß: die Mitgliederversammlung und den Vorstand. Die Mitgliederversammlung hat eine
Letztentscheidungskompetenz. Sie entscheidet über Satzungsänderungen sowie über alle
Angelegenheiten, die nicht dem Vorstand zugewiesen sind. Sie ist damit das höchste Organ
des Vereins.
Der Vorstand wird von der Mitgliederversammlung bestellt und vertritt den Verein nach
außen. Erst durch den Vorstand wird der Verein also im Rechtsverkehr handlungsfähig.
Für Verbindlichkeiten und Schäden, die aus dem Handeln des Vereinsvorstands entstehen,
haftet nur der Verein als solcher, nicht dagegen die einzelnen Mitglieder. Dies ergibt sich aus
dem Charakter des Vereins als juristische Person. Anders als bei den wirtschaftlich tätigen
juristischen Personen gibt es jedoch keine gesetzliche Regelung, die zum Schutze der
Gläubiger sicherstellen würde, dass der Verein ausreichend liquide ist. Der Grund hierfür liegt
darin, dass der eingetragene Verein hauptsächlich zu ideellen Zwecken tätig wird und in
dieser Zwecksetzung privilegiert werden soll.
2. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
Die GmbH ist eine in der Praxis sehr beliebte und häufig vorkommende Gesellschaftsform.
Sie ist Kapitalgesellschaft und als solche auch juristische Person, hat aber gleichwohl einige
Züge einer Personengesellschaft.
Auch die Gründung der GmbH vollzieht sich in mehreren Schritten. Zunächst schließen die
Gesellschafter einen notariell zu beurkundenden Gesellschaftsvertrag, der die Satzung der
späteren GmbH darstellt. Dieser Vertrag muß Regelungen über Gegenstand, Sitz und Firma
des Unternehmens, den Betrag des Stammkapitals sowie die auf die einzelnen Gesellschafter
entfallenden Stammeinlagen enthalten. Die Höhe dieser Stammeinlage entspricht dann dem
jeweiligen Gesellschaftsanteil. Das vorgesehene Stammkapital muß mindestens DM 50.000,betragen. Sodann müssen die Gesellschafter alle mindestens ein Viertel der jeweiligen
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Abschnitt XIV: Gesellschaftsrecht
Stammeinlagen, insgesamt jedoch mindestens DM 25.000,- erbringen. Erst wenn diese
Voraussetzungen erfüllt sind, nimmt das Amtsgericht die Eintragung der GmbH ins
Handelsregister vor. Damit erlangt die GmbH Rechtsfähigkeit und wird juristische Person.
Zwingend vorgeschrieben ist, dass die GmbH über zwei Organe verfügen muß: einen oder
mehrere Geschäftsführer sowie die Gesellschafterversammlung.
Der oder die Geschäftsführer werden von der Gesellschafterversammlung bestellt und
abberufen. Geschäftsführer einer GmbH können sowohl einzelne oder alle Gesellschafter sein
als auch sonstige natürliche Personen. Der Geschäftsführer vertritt die GmbH nach außen. Er
hat eine umfassende Vertretungsmacht, die auch durch Beschluß der Gesellschafter nicht mit
Wirkung nach außen begrenzt werden kann.
Die Gesellschafterversammlung ist auch bei der GmbH das höchste Organ. Für welche
Bereiche sie zuständig ist, regelt vor allem die Satzung. Allerdings vertritt die
Gesellschafterversammlung die GmbH nicht nach außen sondern kann nur dem
Geschäftsführer Weisungen für sein Verhalten im Außenverhältnis erteilen. In der
Gesellschafterversammlung hat jeder Gesellschafter ein Stimmrecht entsprechend der Höhe
seines Gesellschaftsanteils.
Das interne Verhältnis der Gesellschafter untereinander kann im Gesellschaftsvertrag
weitgehend frei bestimmt werden. Die Gesellschafter sind jedoch auf jeden Fall gegenüber
der Gesellschaft verpflichtet, ihre Stammeinlage, soweit sie nicht bereits vor Eintragung
geleistet wurde, zu erbringen. Die Gesellschaftsanteile können grundsätzlich durch notariell
beurkundeten Vertrag verkauft sowie vererbt werden.
Die GmbH haftet für ihre Verbindlichkeiten allein mit dem Gesellschaftsvermögen. Eine
Haftung der Gesellschafter über die erbrachte bzw. zu erbringende Einlage hinaus besteht in
aller Regel nicht. Um soweit wie möglich sicher zu stellen, dass die GmbH über ein
hinreichendes Vermögen verfügt, auf das ihre Gläubiger zugreifen können, ist zum einen
vorgeschrieben, dass das Stammkapital mindestens DM 50.000,- betragen muß. Daneben darf
das durch die erbrachten Stammeinlagen gebildete Gesellschaftsvermögen in keiner Weise
durch Leistungen der Gesellschaft an die Gesellschafter wieder geschmälert werden. Nicht
verhindern lässt sich dadurch natürlich, dass das Gesellschaftsvermögen aufgrund anderer
Umstände, insbesondere schlecht gehender Geschäfte, unter den Betrag von DM 50.000,sinkt. Andererseits kann die Satzung aber vorsehen, dass auf entsprechenden Beschluß der
Gesellschafter eine Nachschußpflicht besteht. Auch die bilanzrechtlichen Vorgaben, denen
die GmbH unterliegt, sind strenger als bei den Personenhandelsgesellschaften.
Eine GmbH kann auch von einer einigen Person gegründet werden. An die Stelle des
Gesellschaftsvertrages tritt dann eine einseitige Willenserklärung. Diese sog. Ein-MannGmbH hat dann nur einen einzigen Gesellschafter. Sie hat insbesondere Bedeutung beim
einzelkaufmännischen Unternehmen, das so unter dem Schutz einer Haftungsbeschränkung
geführt werden kann.
3. Die Aktiengesellschaft (AG)
Die Aktiengesellschaft ist eine Gesellschaftsform, die ganz überwiegend von
Großunternehmen gewählt wird und den Vorteil hat, über viele Aktionäre große Mengen von
Kapital ansammeln zu können.
Auch der Gründungsprozeß der AG beginnt durch den Abschluß eines
Gesellschaftsvertrages. In diesem müssen Firma, Sitz und Gegenstand des Unternehmens, die
Höhe des Grundkapitals sowie Anzahl und Nennbetrag der einzelnen Aktien festgelegt
werden. Zudem verpflichten sich die Gesellschafter, den Nennbetrag der von ihnen
übernommenen Aktien an die AG zu leisten. Erst wenn dies erfolgt ist, nimmt das
Amtsgericht die Eintragung in das Handelsregister vor, durch die die AG zur juristischen
Person wird.
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110
Abschnitt XIV: Gesellschaftsrecht
Die Organe, über die eine AG verfügen muß, sind zwingend gesetzlich festgelegt. Es sind
Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung, wobei anders als bei Verein und GmbH kein
Überwiegen der Hauptversammlung sondern vielmehr ein Gleichgewicht dieser drei Organe
besteht.
Der Vorstand wird vom Aufsichtsrat bestellt und abberufen. Er führt die Geschäfte und
vertritt die AG nach außen.
Der Aufsichtsrat überwacht die Geschäfte des Vorstands. Bestimmte Geschäfte dürfen nur
mit Zustimmung des Aufsichtsrates vorgenommen werden. Die Mitglieder des Aufsichtsrats
werden von der Hauptversammlung, d.h. von den Aktionären gewählt. Bei Betrieben, die der
Mitbestimmung unterliegen, wird der Aufsichtsrat zur Hälfte durch Vertreter der
Arbeitnehmer besetzt.
Durch die Hauptversammlung üben die Aktionäre ihren Einfluß in der AG aus. Die
jeweilige Anzahl der Stimmen bemisst sich nach dem Nennbetrag der gehaltenen Aktien.
Faktisch üben die Aktionäre ihr Stimmrecht allerdings meist nicht selber aus, sondern lassen
sich durch Banken vertreten. Die Hauptversammlung ist zuständig für die Bestellung des
Aufsichtsrats und der Abschlussprüfer, die Verwendung des Gewinns, Änderungen der
Satzung sowie die Entlastung der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat.
Die Stellung eines Aktionärs kann entweder durch Beteiligung an der Gründung einer AG
oder durch späteren Erwerb von Aktien erlangt werden. Aktien können frei veräußert und
vererbt werden. Die Aktionäre haben zum einen das Dividendenrecht, also den Anspruch auf
Teilhabe am Gewinn, sofern dieser durch Beschluß der Hauptversammlung ausgeschüttet
wird. Daneben haben die Aktionäre auch Auskunftsrechte gegenüber der AG.
Als juristische Person haftet die AG nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Die Aktionäre
haften nicht persönlich, ihr Risiko bei Insolvenz der AG ist also darauf beschränkt, dass die
erworbene Aktie wertlos wird. Um eine hinreichende Zahlungsfähigkeit der AG zu
gewährleisten, muß das in der Satzung festgelegte Stammkapital mindestens DM 100.000,betragen. Zahlreiche gesetzliche Regelungen sind darauf angelegt, zu verhindern, dass das
tatsächliche Vermögen der AG unter diesen Betrag sinkt. So ist insbesondere eine
Gewinnausschüttung an die Aktionäre nur solange zulässig, wie das Gesellschaftsvermögen
über dem Betrag des Stammkapitals liegt. Auch die bilanzrechtlichen Vorgaben, denen die
AG unterliegt, sind strenger als bei den Personenhandelsgesellschaften.
Bsp.: Die X-AG wurde Anfang 1995 gegründet und hat laut Satzung ein Stammvermögen von DM
1.000.000,-. Im ersten Geschäftsjahr wird ein Gewinn von DM 150.000,- erwirtschaftet. Davon werden
laut Beschluß der Hauptversammlung DM 50.000,- als Gewinn ausgeschüttet, DM 100.000,reinvestiert. Das Gesellschaftsvermögen beträgt damit DM 1.100.000,-. In den Jahren 1996 und 1997
entsteht ein Verlust von jeweils DM 100.000,-. Eine Gewinnausschüttung ist damit in beiden Jahren
nicht zulässig. Ende 1997 beträgt das Gesellschaftsvermögen damit DM 900.000,-. 1998 entsteht wieder
ein Gewinn von DM 100.000,-. Auch dieser darf nicht ausgeschüttet werden, da das
Gesellschaftsvermögen den Betrag des Stammkapitals noch nicht wieder überschreitet.
4. Die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA)
Diese praktisch nicht sehr bedeutsame Gesellschaftsform ist eine Mischung aus
Aktiengesellschaft und Kommanditgesellschaft. Die KGaA ist juristische Person und hat zwei
verschiedene Arten von Gesellschaftern. Auf der einen Seite die Kommanditaktionäre, die
eine ähnliche Stellung innehaben wie Aktionäre, insbesondere keiner persönlichen Haftung
unterliegen. Daneben gibt es noch mindestens einen persönlich haftenden Gesellschafter,
dessen Position der des Komplementärs der KG ähnelt und der auch die Funktion des
Geschäftsführers wahrnimmt. Der persönlich haftende Gesellschafter kann auch hier wieder
eine juristische Person, insbesondere eine GmbH sein (GmbH und Co. KG aA).
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Abschnitt XIV: Gesellschaftsrecht
5. Die eingetragene Genossenschaft (eG)
Die Gesellschaftsform der Genossenschaft entstand gegen Ende des 19. Jahrhunderts und
hatte zum Ziel, kleineren Handwerks- oder Landwirtschaftsbetrieben im Wege des
Zusammenschlusses günstigere Marktbedingungen zu verschaffen. Deshalb ist eine eG auch
nur zulässig, wenn sie über eine offene Mitgliederzahl verfügt und der Förderung des Erwerbs
oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder dient. Die eG ist juristische Person und ähnlich der AG
strukturiert. Ihre Organe sind Vorstand, Aufsichtsrat und Generalversammlung, wobei in
Vorstand und Aufsichtsrat nur genossen gewählt werden dürfen.
V. Konzernrecht
Der Konzern ist keine eigene Rechtsform einer Gesellschaft. Vielmehr ist das Konzernrecht
gewissermaßen über dem Gesellschaftsrecht angesiedelt. Das Gesellschaftsrecht geht
zunächst einmal davon aus, daß jede Gesellschaft eigenständig tätig wird und aufgrund eines
internen Willensbildungsprozesses handelt, der immer das Interesse der Gesellschaft im Auge
hat.
Tatsächlich sind Personen- und Kapitalgesellschaften aber häufig in vielfacher Weise
miteinander verflochten. Dies kann durch gegenseitige (Mehrheits-)Beteiligungen oder durch
vertragliche Bindungen und Absprachen geschehen, so daß entweder das eine Unternehmen
das andere beherrscht oder daß mehrere rechtlich unabhängige Unternehmen tatsächlich unter
einer einheitlichen Leitung stehen. Durch solche Verbindungen entsteht die Gefahr, daß die
Beschlußfassung innerhalb einer Gesellschaft nicht mehr am eigenen Interesse der
Gesellschaft sondern am Interesse anderer Unternehmen orientiert ist. Hierdurch können
insbesondere Minderheitsgesellschafter und Gläubiger der Gesellschaft benachteiligt werden.
Dieser Problematik begegnet das Konzernrecht, indem es etwa besondere
Informationspflichten schafft oder zugunsten der Gläubiger den Durchgriff auf die mit dem
eigentlichen Schuldner als Konzern verbundenen Unternehmen ermöglicht.
Bsp.: Der A betreibt als Alleingesellschafter sieben verschiedene GmbHs, die jeweils an verschiedenen
Orten Baumaschinen vermieten. Bei Bedarf vermieten sich die GmbHs untereinander Maschinen unter
dem Marktpreis und spielen sich gegenseitig Aufträge zu. Solcherart orientiert sich der A bei der
Geschäftsführung nicht an den geschäftlichen Interessen der jeweiligen GmbH sondern ausschließlich an
den Interessen des ganzen Komplexes. Eines Tages fällt eine der GmbHs in Insolvenz. Die Gläubiger
wollen auf das Vermögen des A zugreifen.
Im konzernrechtlichen Sinne ist der A selber ein Unternehmen und zwar das beherrschende Unternehmen
eines Konzerns mit sieben Untergesellschaften. Deshalb ist nach konzernrechtlichen Grundsätzen der
Haftungsdurchgriff auf den A möglich.
VI. Überblick über die wichtigsten Gesellschaftsformen
1. Die Personengesellschaften
Rechtsfähigkeit?
GbR
keine jur. Person
Organschaft
Selbstorganschaft
OHG
keine jur. Person, aber
teilrechtsfähig
Selbstorganschaft
KG
keine jur. Person,
aber teilrechtsfähig
Selbstorganschaft
--Organe
Geschäftsführung idR alle Gesellschafter
----idR alle Gesellschafter nur Komplementäre
idR alle Gesellschafter
idR alle Gesellschafter nur Komplementäre
Vertretung
stille Ges.
keine jur. Person
keine
Außenwirkung
--nur der pers.
haftende
Gesellschafter
keine
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Haftung
1. Gesellschaft mit
Gesamthandsvermögen
2. idR alle
Gesellschafter
persönlich
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1. Gesellschaft mit
Gesamthandsvermögen
2. zwingend alle
Gesellschafter
persönlich
Abschnitt XIV: Gesellschaftsrecht
1. Komplementäre
haften persönlich
2. Kommanditisten
nur mit ihrer Einlage
Außenwirkung
nur der pers.
haftende
Gesellschafter
2. Die Kapitalgesellschaften
Rechtsfähigkeit?
Organschaft
Organe
Verein
jur. Person
Drittorganschaft
1. Vorstand
2. Mitgliederversammlung
Geschäftsführung Vorstand
Vorstand
Vertretung
nur das Vereinsvermögen
Haftung
GmbH
AG
jur. Person
jur. Person
Drittorganschaft
Drittorganschaft
1. Geschäftsführer
1. Vorstand
2. Gesellschafterversammlung 2. Aufsichtsrat
3. Hauptversammlung
Geschäftsführer
Vorstand
Geschäftsführer
Vorstand
nur das Gesellschaftsvermögen nur das Gesellschaftsvermögen
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Abschnitt XV: Besteuerung der Gesellschaften
Abschnitt XV: Besteuerung der Gesellschaften
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Abschnitt XVI: Handelsgeschäfte
Abschnitt XVI: Handelsgeschäfte
In Abschnitt XIII wurde das Handelsrecht als ein Sonderprivatrecht bezeichnet. Diese
Charakteristik wird besonders deutlich am Recht der Handelsgeschäfte. Die entsprechenden
Regelungen des HGB gehören von ihrem Gegenstand her eigentlich dem Allgemeinen Teil
des BGB und dem Schuldrecht an. Sie beziehen sich jedoch nur auf eine bestimmte
Personengruppe (die Kaufleute) und gehen deshalb den Bestimmungen des BGB vor. Dabei
bezweckt das Recht der Handelsgeschäfte vor allem zweierlei. Die Begründung und
Abwicklung von Rechtsgeschäften zwischen Kaufleuten soll beschleunigt werden und das
besondere Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Sachkunde des Geschäftspartners, das im
Handelsverkehr erforderlich ist, soll geschützt werden. Letzteres ist dadurch gerechtfertigt,
dass zu Lasten der Kaufleute unwiderleglich vermutet wird, dass sie über die im
Geschäftsverkehr nötige Sachkunde und Sorgfalt verfügen.
Bsp.: Eine Bürgschaftserklärung, d.h. die Zusicherung, für die Schuld eines anderen einzustehen, kann
nach dem BGB nur schriftlich erteilt werden. Damit sollen unerfahrene Personen vor übereilten
Entscheidungen geschützt werden. Ob die Person im konkreten Fall tatsächlich unerfahren und damit
schutzbedürftig ist, spielt keine Rolle.
Wenn die Bürgschaftserklärung ein Handelsgeschäft darstellt, ist keine Schriftform erforderlich. Damit
wird der Abschluß von entsprechenden Rechtsgeschäften beschleunigt. Zudem besteht auch kein Bedarf
nach Übereilungsschutz, da man davon ausgehen kann, dass Kaufleute wissen, welche Risiken eine
Bürgschaft mit sich bringt. Ob die Person im konkreten Fall auch wirklich dieses Wissen hat spielt
wiederum keine Rolle.
Das Recht der Handelsgeschäfte enthält zunächst in einem „Allgemeinen Teil“ generelle
Regelungen. Sodann werden einzelne typische Handelsgeschäfte besonderen Vorschriften
unterworfen, ähnlich wie die besonderen Vertragstypen im Besonderen Schuldrecht (vgl.
Abschnitt VIII). Schließlich gibt es noch bestimmte Handelsbräuche, die auf einer
entsprechenden einheitlichen Praxis der jeweiligen Verkehrskreise beruhen und deshalb
zwischen Kaufleuten entweder als Gewohnheitsrecht oder bei der Auslegung von
Rechtsgeschäften zur Geltung kommen.
I. Das Handelsgeschäft
Handelsgeschäfte sind alle Rechtsgeschäfte eines Kaufmanns, die zum Betrieb seines
Handelsgewerbes gehören.
Wichtig an dieser Definition ist zunächst die Kaufmannseigenschaft. Wann eine Person
Kaufmann ist, wurde oben im Abschnitt XIII dargelegt. Für das Handelsgeschäft ist es
grundsätzlich egal, ob nur eine der beteiligten Parteien Kaufmann ist (einseitiges
Handelsgeschäft) oder beide (beiderseitiges Handelsgeschäft). Allerdings sind manche
Regelungen nur bei beiderseitigen Handelsgeschäften anwendbar oder gelten jeweils nur für
die Partei, die Kaufmann ist.
Bsp.: A betreibt als Kaufmann einen Handel mit Computerzubehör. Er kauft bei dem Großhandel B
Monitore ein (beiderseitiges Handelsgeschäft), verkauft einen Drucker an den Privatkunden C
(einseitiges Handelsgeschäft) und kündigt seinem Mitarbeiter D (einseitiges Handelsgeschäft).
Das zweite wichtige Element der Definition ist der Bezug zum Betrieb eines
Handelsgewerbes. Auch ein Kaufmann unterliegt nicht immer dem Sonderrecht der
Handelsgeschäfte, sondern nur dann, wenn er in Bezug auf sein Handelsgewerbe handelt.
Allerdings wird gesetzlich vermutet, dass Rechtsgeschäfte eines Kaufmanns zum Betrieb
seines Handelsgewerbes zählen. Wenn also der fehlende Bezug nicht ganz offensichtlich ist,
sollte der Kaufmann deutlich machen, dass er als Privatmann handelt.
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115
Abschnitt XVI: Handelsgeschäfte
Unproblematisch ist der Bezug zum Handelsgewerbe, wenn der Kaufmann eine juristische
Person ist, da juristische Personen kein Privatleben haben und somit immer in Bezug zu ihrem
Handelsgewerbe handeln.
Bsp.: Kaufmann A aus obigem Beispiel geht nach Feierabend im Supermarkt für das Wochenende
einkaufen (offensichtlich kein Bezug zum Handelsgewerbe).
A bestellt bei seinem Großhändler einen bestimmten Computer, den er sonst nicht führt. Er will ihn
auch nicht in seinem Geschäft verkaufen, sondern seiner Tochter zum Geburtstag schenken. Damit fehlt
an sich der bezug zum Handelsgewerbe. Wenn er dies aber nicht deutlich macht, dann wird ein
Handelsgeschäft unwiderleglich vermutet, weil es sich für seinen Geschäftspartner äußerlich als ein
solches darstellt.
II. Allgemeine Regeln für Handelsgeschäfte
1. Handelsbräuche
In der Regel kommen Verträge mit dem Inhalt zustande, den die Parteien ausdrücklich oder
konkludent vereinbart haben. Daneben tritt das dispositive oder zwingende Gesetzesrecht. Im
Handelsrecht haben aber zusätzlich noch die Handelsbräuche eine Bedeutung. Dabei handelt
es sich um Verhaltensweise, die in einem bestimmten kaufmännischen Verkehrskreis als
einheitliche und freiwillige Praxis anzutreffen sind. Der Verkehrskreis kann sich auf alle
Kaufleute in ganz Deutschland erstrecken oder auch auf ein bestimmtes Gewerbe oder einen
bestimmten Ort beschränkt sein. Wenn ein solcher Handelsbrauch besteht, so hat das Einfluß
auf ein innerhalb des entsprechenden Verkehrskreises abgeschlossenes Handelsgeschäft,
sofern nicht die Parteien ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben. Ob der Handelsbrauch
besteht, muß von der Partei, die ihn behauptet, vor Gericht nachgewiesen werden.
Bsp.: Der Holzhändler A aus Lörrach verkauft dem Holzhändler B in Freiburg eine Ladung
Fichtenstämme und verspricht, sie ihm zu liefern. Nachdem B die Stämme erhalten hat, lagert er sie bei
sich ein. Nach drei Monaten stellt er fest, dass die Stämme alle Risse erhalten haben. Grund dafür ist,
dass die Stämme noch nicht ausreichend getrocknet waren und deshalb eine feuchte Lagerung
notwendig gewesen wäre. B hatte aber darauf vertraut, dass die Stämme, wie in Freiburger
Holzhändlerkreisen üblich, bereits in ausreichend trockenen Zustand geliefert wurden. Er verlangt
deshalb von A Schadensersatz wegen mangelhafter Lieferung. A behauptet, es sei nichts über die
Trockenheit der Stämme vereinbart worden. Außerdem sei es in Lörrach üblich, die Stämme im
feuchten Zustand zu liefern.
Hier war vertraglich nichts vereinbart. Auch gesetzliche Regelungen gibt es zu diesem Problem
natürlich nicht. Da die vertragliche Leistung hier in Freiburg erbracht wurde, kommt es auf die
Freiburger Handelsbräuche an. Wenn B (im Zweifel durch ein Gutachten der IHK) nachweisen kann,
dass in Freiburg ein entsprechender Handelsbrauch besteht, hat er mit seiner Schadensersatzklage
Erfolg.
2. Das kaufmännische Bestätigungsschreiben
Nach dem BGB kommt ein Vertrag nur dann zustande, wenn Angebot und Annahme
zumindest konkludent erklärt wurden. Schweigen führt deshalb nie zu einem Vertragsschluß.
Im Handelsrecht gibt es hierzu eine wichtige Ausnahme, die als Gewohnheitsrecht entstanden
ist. Sie beruht darauf, dass es im Handelsverkehr üblich ist, den Inhalt von
Vertragsverhandlungen, die in mündlicher Form stattgefunden haben, durch ein
nachträgliches Schreiben zu bestätigen. Damit wird eine klare Vertragsgrundlage geschaffen,
die in einer gerichtlichen oder außergerichtlichen Auseinandersetzung die Beweisführung
erleichtert. Ein solches Bestätigungsschreiben wird häufig nicht beantwortet, da die Parteien
sich ja über die Grundzüge ihres Vertrages bereits mündlich geeinigt haben, eine Antwort also
unnötige Mühe wäre.
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116
Abschnitt XVI: Handelsgeschäfte
Nach dem BGB hätte ein solches Schreiben (sofern nicht ein zustimmendes Antwortschreiben
erfolgte) keine verbindliche Wirkung sondern allenfalls eine gewisse (aber widerlegliche)
Beweisfunktion. Im Handelsrecht dagegen gilt der Vertrag als mit dem Inhalt des Schreibens
zustande gekommen, wenn nicht unverzüglich eine ablehnende Antwort erfolgt. Das
Schweigen auf das Bestätigungsschreiben wird also als Zustimmung gewertet. Ob die
Parteien vorher etwas anderes vereinbart hatten, spielt keine Rolle mehr.
Allerdings tritt diese Wirkung nur unter bestimmten Voraussetzungen ein. (1) Zunächst
müssen beide Parteien Kaufleute sein. (2) Dann müssen bereits Vertragsverhandlungen
stattgefunden und (zumindest aus der Sicht der Parteien) zu einem im wesentlichen nicht
schriftlich fixierten Vertragsschluß geführt haben. Liegt bereits ein vollständiger schriftlicher
Vertrag vor, so besteht kein Bedarf mehr für ein Bestätigungsschreiben. (3) Weiterhin muß
das Bestätigungsschreiben den Inhalt der mündlichen Verhandlungen im wesentlichen
Korrekt widergebe. Eine bewusste Abweichung des Bestätigenden ist nur dann unschädlich,
wenn er darauf vertrauen darf, dass der andere mit der Abweichung einverstanden ist. (4)
Schließlich darf die andere Partei dem Schreiben nicht unverzüglich widersprochen haben.
Bsp.: Kaufmann A hatte 150 Laptops zu verkaufen und verhandelte darüber mit Kaufmann B.
Schließlich kamen A und B zu einem mündlichen Vertragsschluß über 100 Laptops zum Preis von DM
200.000,-, wobei B deutlich machte, dass er u.U. auch Interesse an 110 Laptops hätte, was für A, nach
dessen bekunden, kein Problem wäre. A machte sich schriftliche Aufzeichnungen über den
Vertragsschluß, von denen B aber keine Kopie erhielt. Drei Tage später erhielt A ein Schreiben des B,
in dem dieser den Kauf von 110 Laptops inklusive der dazugehörigen Taschen zum Preis von DM
220.000,- bestätigte. A nahm dieses Schreiben nur flüchtig zur Kenntnis und lieferte am vereinbarten
Termin 100 Laptops ohne Taschen.
B verlangt nun Lieferung von weiteren 10 Laptops sowie von 110 Taschen. A beruft sich darauf, der
mündliche Vertrag sei nur über 100 Laptops abgeschlossen, darüber habe er auch schriftliche
Aufzeichnungen und über die Taschen sei nie geredet worden.
Hier kommt es darauf an, ob der Vertrag mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens zustande
gekommen ist. Die schriftlichen Aufzeichnungen des A schaden hier nicht, da sie nur Notizen aber
keinen schriftlichen Vertragsschluß darstellen. Zwar hat B in dem Schreiben 110 Laptops bestellt und
ist damit bewusst von der mündlichen Vereinbarung abgewichen. Er durfte jedoch darauf vertrauen,
dass A damit einverstanden ist. Die Vereinbarung über 110 Laptops ist damit wirksam. Etwas anderes
gilt aber für die Taschen. Da darüber nie geredet wurde, konnte B nicht darauf vertrauen, dass A
einverstanden sei.
3. Handelsgeschäfte und AGB-Gesetz
Die Besonderheiten, die für einen Vertragsschluß unter Einbeziehung von Allgemeinen
Geschäftsbedingungen gelten wurden oben im Abschnitt VII, V, 4. dargestellt. Das dort
gesagte gilt allerdings nur, wenn die Vertragspartei des Verwenders der AGB ein Verbraucher
ist. Gegenüber einem Unternehmer (d.h. sowohl gegenüber einem Kaufmann als auch
gegenüber Freiberuflern, vgl. Abschnitt XIII, I, 5.) gilt das AGB-Gesetz nur eingeschränkt.
Zum einen ist die Einbeziehung in den Vertrag von den besonderen Hürden des AGB-Gesetz
befreit, kann also auch ohne ausdrücklichen Hinweis und sogar konkludent erfolgen. Zum
anderen erfolgt auch nur eine eingeschränkte inhaltliche Kontrolle der vereinbarten Klauseln.
4. Der Fälligkeitszins
Nach dem BGB sind Zinsen auf eine Geldforderung nur ab Eintritt des Schuldnerverzugs
(vgl. Abschnitt X, II, 2.) bzw. der Rechtshängigkeit einer Klage zu zahlen. Sofern nicht etwas
anderes vereinbart ist oder ein höherer Schaden im Einzelfall nachgewiesen wird, beträgt der
Zinssatz 4 %.
Wenn ein beiderseitiges Rechtsgeschäft vorliegt wird, diese Regel in zwei Punkten ergänzt.
Der gesetzliche Zinssatz beträgt dann 5 % und Zinsen sind bereits ab Fälligkeit einer
Forderung zu zahlen.
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Abschnitt XVI: Handelsgeschäfte
Bsp.: Kaufmann A hat Kaufmann B am 1.5. eine Maschine für DM 10.000,- verkauft und sofort
geliefert. Da eine Vereinbarung über den Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung nicht getroffen wurde, tritt
Fälligkeit sofort ein. Da B nicht zahlt, fordert A ihn am 1.6. zur Zahlung auf. Schließlich zahlt B am
1.8. DM 10.000,-. A verlangt zusätzlich noch Zinsen. Nach Handelsrecht ist seine Forderung vom 1.5.
an mit 5 % zu verzinsen. Er erhält also DM 125,-.
Wäre B nicht Kaufmann, so wäre die Forderung erst ab Verzugseintritt mit 4 % zu verzinsen. Verzug
trat mit der Mahnung am 1.6. ein. A erhält also DM 66,-.
III. Insbesondere: Der Handelskauf
Der Handelskauf ist das wichtigste Handelsgeschäft und soll hier als einziges näher
dargestellt werden. Ein Handelskauf liegt immer dann vor, wenn an einem Kaufvertrag
mindestens ein Kaufmann beteiligt ist. Die wichtigste Regelung zum Handelskauf, die
Untersuchungs- und Rügepflicht des Käufers, setzt allerdings einen beiderseitigen
Handelskauf voraus, Käufer und Verkäufer müssen also Kaufleute sein.
Bei einem beiderseitigen Handelskauf hat der Käufer die Pflicht, die gelieferte Ware
unverzüglich zu untersuchen und etwaige Mängel dem Verkäufer anzuzeigen. Unterläßt er
dies, so gilt die Ware als genehmigt, der Käufer kann dann also keine
Gewährleistungsansprüche mehr geltend machen (vgl. Abschnitt X, III, 2.), es sei denn, dass
der betreffende Mangel der Ware auch bei einer ordnungsgemäßen Untersuchung der Ware
nicht zu entdecken war. Diese Regelung gilt zum einen dann, wenn ein bestimmtes Stück
gekauft und geliefert wurde (Stückkauf), das in einer bestimmten Hinsicht mangelhaft ist. Sie
gilt aber auch dann, wenn Ware aus einer bestimmten Gattung verkauft wurde (Gattungskauf)
und die gelieferte Gattungsware quantitativ oder qualitativ in einem so erheblichen Maße von
der Vereinbarung abweicht, dass der Verkäufer nicht mit einer Genehmigung durch den
Käufer rechnen konnte.
Diese Bestimmung zur Rügepflicht des Käufers hat den Zweck, die Abwicklung von
Kaufverträgen zwischen Kaufleuten über das bereits durch die sechsmonatige
Verjährungsfrist des BGB erreichte Maß hinaus zu beschleunigen. Damit werden spätere
Beweisprobleme vermieden und der Verkäufer wird geschützt, weil er nur eine kurze Zeit mit
Mängelrügen rechnen muß und beim Vorliegen von Mängeln schnell Abhilfe leisten und so
weitere Schäden verhindern kann.
Bsp.: Kaufmann A hat von der Computer-Equipment GmbH einen neuen Computer für sein Büro
gekauft und geliefert bekommen. Da er gerade mit der Inventur beschäftigt ist und dann in Urlaub fährt,
lässt er den Computer in eine Ecke stellen und versucht erst drei Wochen später, ihn zu installieren.
Dabei stellt er fest, dass der Monitor nicht funktioniert. Er verlangt deshalb von der GmbH
Nachlieferung oder Wandlung. Die GmbH lehnt dies zu Recht ab. Hätte A den Computer unverzüglich
untersucht, so wäre ihm der Mangel sofort aufgefallen und er hätte sofort rügen können. Eine Rüge
nach drei Wochen ist damit nicht mehr unverzüglich.
Daraufhin besorgt A sich anderweitig einen neuen Monitor und nutzt den Computer in seinem Büro.
Nach 4 Monaten versagt das CD-Rom-Laufwerk. Es stellt sich heraus, dass das Laufwerk von Anfang
an fehlerhaft war und deshalb infolge höheren Verschleiß kaputt gehen musste. Dieser Mangel war dem
A zu Anfang aber nicht erkennbar. Er kann diesbezüglich also noch Wandlung verlangen.
Der Lebensmittelhändler C hat beim Großhändler D 1000 Dosen Gemüsemais bestellt. Diese werden
am 1.5. geliefert. C beginnt jedoch erst am 1.6. mit dem Verkauf in seinem Laden. Bald beschweren
sich Kunden darüber, dass der Mais verdorben sei. Daraufhin will C von D neuen Mais haben. D lehnt
ab, weil nicht rechtzeitig gerügt wurde. Zu Recht. Zwar hätte C den Mangel nur durch das Öffnen
einiger Dosen entdecken können, dies war jedoch angesichts der gelieferten Menge zumutbar und damit
erforderlich. Die Rüge ist also verspätet.
Variante: Dem C wurden nicht Mais- sondern Bohnendosen geliefert. C stellt dies erst einen Monat
später fest. Auch hier ist die Rügefrist verstrichen. Die Dosen sind aufgrund der Falschlieferung
mangelhaft. Da D jedoch annehmen durfte, dass C auch Bohnendosen verkauft, war die Ware
genehmigungsfähig.
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Abschnitt XVI: Handelsgeschäfte
Variante: Statt Maisdosen wird Hundefutter geliefert. Hier ist auch einen Monat später die Rügepflicht
nicht abgelaufen, da die Abweichung der gelieferten von der bestellten Ware zu gravierend ist. D
konnte hier nicht mit einer Genehmigung durch den (Lebensmittelhändler) C rechnen.
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Abschnitt XVII: GmbH-Geschäftsführer
Abschnitt XVII: Die Situation des GmbH-Geschäftsführers
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