Schutz- und Forschungsprojekt Utila-Schwarzleguan

Werbung
Schutz- und Forschungsprojekt Utila-Schwarzleguan
Gunther Köhler
Der Utila-Leguan (Abb. 1) ist ein vom Aussterben bedrohter Großleguan, der nur auf der
kleinen Karibikinsel Utila (Islas de la Bahia, Honduras) vorkommt. Das „Schutz- und
Forschungsprojekt Utila-Schwarzleguan“ – ein gemeinsames Projekt der Zoologischen
Gesellschaft Frankfurt von 1858 e.V., Frankfurt a.M., und der Senckenbergischen
naturforschenden Gesellschaft, Frankfurt a.M. – hat zum Ziel, den dauerhaften Fortbestand
des Utila-Schwarzleguans (Ctenosaura bakeri) im natürlichen Lebensraum auf Utila zu
gewährleisten.
Obwohl in den sechziger Jahren vier Jungtiere von C. bakeri gefangen wurden (WILSON &
HAHN 1973), war über den Fund eines erwachsenen Tieres bis Anfang der neunziger Jahre
nichts bekannt (DE QUEIROZ 1990). Erst im Jahre 1994 wurde der Utila-Schwarzleguan
während einer Forschungsreise des Verfassers wiederentdeckt (KÖHLER 1994, 1995).
Der erste Eindruck von der Bestandssituation des Utila-Schwarzleguans war mehr als
bedenklich: die geschätzte Gesamtpopulation der Art belief sich auf nur wenige Hundert
Exemplare. Noch kritischer war der Befund, daß das Geschlechterverhältnis deutlich
zugunsten der Männchen verschoben war, die wenigen Weibchen kaum älter als zwei Jahre
waren und zudem nur wenige Jungtiere beobachtet werden konnten. Als Hauptursache für den
drastischen Rückgang der Leguanpopulationen auf Utila ist die massive Jagd auf die Tiere
durch den Menschen anzusehen. Die Einheimischen stellen vor allem den trächtigen
Weibchen am Eiablageplatz nach, um die von ihnen begehrten Leguaneier zu erhalten.
Einheimische Leguanjäger kennen Ort und Zeitpunkt der Eiablage dieser Echsen genau, und
bei unserem Aufenthalt im April 1994 sind wir täglich mehreren Leguanfängern mit erlegten
C. bakeri (überwiegend trächtige Weibchen) begegnet. Es war abzusehen, daß der UtilaSchwarzleguan innerhalb weniger Jahre unwiederbringlich der Ausrottung zum Opfer gefallen
wäre, wenn diese Entwicklung angehalten hätte.
Mit dem Ziel der dauerhaften Erhaltung von Ctenosaura bakeri im natürlichen Lebensraum
auf Utila wurde 1994 vom Verfasser in Zusammenarbeit mit der honduranischen
Naturschutzbehörde
COHDEFOR
sowie
mehreren
deutschen
und
internationalen
Organisationen und Instituten das „Schutz- und Forschungsprojekt Utila-Schwarzleguan“ ins
Leben gerufen (KÖHLER 1997 a). Im Vordergrund des Projektes stehen Aufklärungsarbeit,
Durchsetzung des Jagdverbotes durch Präsenz von Naturschützern sowie mit Hilfe von
Wildhütern, Erforschung der Biologie von C. bakeri, Erfassung der Flora und Fauna Utilas
sowie die Schaffung und Unterhaltung von Schutzgebieten (Abb. 3). Im folgenden möchte ich
die bisherigen Ergebnisse des Projektes zusammenfassen.
Aufklärung und Umwelterziehung
Mit Verboten allein wird man langfristig keinen effektiven Schutz der Schwarzleguane auf
Utila erreichen. Entscheidend ist die Aufklärung der Bevölkerung über die Bedrohung dieser
nur auf "ihrer" Insel vorkommenden Leguanart. Den Einwohnern von Utila muß klar werden,
daß diese Tierart unwiederbringlich verschwinden wird, wenn nicht konsequent gewisse
Schutzmaßnahmen durchgeführt werden.
Die Einbeziehung der einheimischen Bevölkerung Utilas ist somit eine wesentliche
Voraussetzung für den langfristigen Erfolg des Projektes. Die Aufklärungsarbeit umfaßt
Programme in Schulen, Kindergärten und anderen öffentlichen Einrichtungen. Die nunmehr
drei Jahre andauernde, kontinuierliche und vielschichtige Aufklärung auf Utila über die
Einzigartigkeit, die Bedeutung und die Bedrohung des Utila-Leguans sowie über die
notwendigen Schutzmaßnahmen, bei denen die einheimische Bevölkerung soweit wie
möglich integriert wird, hat dazu geführt, daß dieses Reptil nicht nur in das Bewußtsein der
Bewohner von Utila gerückt ist, sondern daß diese Menschen mehr und mehr auf diese, nur
auf ihrer Insel vorkommende Tierart stolz sind. Als öffentlicher Ausdruck dieser emotionalen
Bindung sind die Umzüge durch die Ortschaft Utila zu werten, die unter dem Motto „Schützt
den Utila-Leguan“ stehen und an denen jeweils mehrere hundert Personen, überwiegend
Schüler, teilnehmen.
1995 hatte ein Fernsehteam des Südwestfunks das Schutz- und Forschungsprojekt begleitet
und einen Dokumentarfilm über Utila und deren einzigartige Tier- und Pflanzenwelt gedreht.
Dieser qualitativ und inhaltlich sehr wertvolle Beitrag wurde in zwei Folgen von je 30
Minuten im März 1996 in der Sendereihe „Abenteuer Überleben“ (ARD) ausgestrahlt.
Vereinbarungsgemäß hat der Südwestfunk eine spanischsprachige Version von diesem
Dokumentarfilm produziert, die im September 1996 auf Utila öffentlich präsentiert und auch
mehrfach in den beiden TV-Kabelkanälen der Insel gesendet wurde.
Lebensraum, Lebensweise und Fortpflanzung von Ctenosaura bakeri
Für effiziente Schutzmaßnahmen sind umfassende Kenntnisse über die Biologie der
betreffenden Tierart notwendig. Schwerpunkte der Freilanduntersuchungen sind Studien zu
Habitatwahl, Populationsstruktur, Ernährung, Verhalten und Fortpflanzung.
Der Lebensraum von C. bakeri ist der Mangrovensumpf Utilas, in dem tagsüber Temperaturen
von 30 bis 35 °C herrschen, die nachts auf Werte zwischen 25 und 27 °C sinken. Die relative
Luftfeuchtigkeit beträgt 70-80 % (tagsüber) bzw. 95-100 % (nachts). Mit Hilfe von
automatischen Datenprotokollierern (sogenannten Tinytalks) werden seit zwei Jahren im
Mangrovensumpf Utilas Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit in stündlichem Abstand
aufgezeichnet, so daß wir recht konkrete Kenntnisse über das Mikroklima im Lebensraum des
Utila-Leguans haben. Der Utila-Leguan ernährt sich überwiegend von den recht salzhaltigen
Blättern der Mangrovenpflanzen, verschmäht aber auch Insekten und Krabben nicht.
Die Paarungszeit von C. bakeri fällt in die Monate Januar bis März, während die
Eiablageperiode von März bis Mai andauert. Zur Eiablage verlassen die trächtigen Weibchen
den Mangrovensumpf, um zu geeigneten Eiablageplätzen zu wandern. Solche Plätze zeichnen
sich durch hohe Sonneneinstrahlung und sandigen Boden aus und sind oftmals in Strandnähe
zu finden. Die Weibchen verbringen mehrere Tage mit Probegrabungen, bis sie die endgültige
Nesthöhle fertiggestellt haben. Diese besteht aus einem schräg ins Erdreich führenden, 40 - 60
cm langen Gang, der in 25 - 40 cm Tiefe in eine Nestkammer von 12 - 15 cm Durchmesser
mündet. Nachdem das Weibchen sein fünf bis 15 Eier umfassendes Gelege abgesetzt hat,
verschließt es die Höhle wieder, wobei jedoch ein Luftraum über den Eiern verbleibt (KÖHLER
1997b). Messungen an einem Eiablageplatz auf Utila haben ergeben, daß die Temperatur in
einer Tiefe von 50 cm konstant bei 31,4 °C liegt, während sie in 25 cm Tiefe zwischen 31,1
°C und 33,3 °C schwankt (KÖHLER 1997b).
1997 wurden auf Utila die ersten Jungtiere von C. bakeri im Juni beobachtet. Bemerkenswert
ist die einheitlich graubraune Färbung der juvenilen C. bakeri, da die Jungtiere aller Arten
dieser Gattung, von denen die Jugendstadien dokumentiert sind, außer braunen auch grüne
Zeichnungselemente aufweisen (C. palearis, C. quinquecarinata) bzw. überwiegend grün
gefärbt sind (C. acanthura, C. hemilopha, C. pectinata, C. similis). Das Fehlen einer grünen
Jugendfärbung hängt vermutlich mit dem Jugendhabitat von C. bakeri zusammen. Jungtiere
dieser Art leben als Bodenbewohner an den Randzonen der Mangrovensümpfe, die durch
lichte Mangrovenvegetation gekennzeichnet sind, welche eine hohe Sonneneinstrahlung
ermöglicht. Da große Flächen mit flachem warmen Wasser bedeckt sind, ist die
Luftfeuchtigkeit sehr hoch. Unzählige Luftwurzeln der Mangrovenbäume wachsen senkrecht
aus dem Boden heraus, einige Wurzeln und umgestürzte Bäume bieten Versteckplätze. In
diesem hochstrukturierten Lebensraum, in dem grüne Elemente kaum vorhanden sind, ist das
graubraune Jugendkleid von C. bakeri eine perfekte Tarnfärbung.
Diversität der Herpetofauna von Utila
Die Tierwelt von Utila ist überaus vielfältig, wobei die Erfassung der Arten noch nicht
abgeschlossen ist. Als wir 1994 mit den Untersuchungen auf Utila begannen, waren eine
Froschart und 17 Reptilienarten auf dieser Insel nachgewiesen. Heute kennen wir auf Utila
vier Frosch- und 26 Reptilienarten, von denen zwei Echsen (Norops utilensis KÖHLER 1996
und Norops bicaorum KÖHLER 1996) neu für die Wissenschaft waren (KÖHLER 1996a, b,
KÖHLER im Druck a).
Ex-situ-Zuchtprogramm
In Zusammenarbeit mit den Zoologischen Gärten Frankfurt und Halle wurde ein
Zuchtprogramm für den Utila-Leguan begonnen. Bei der ersten Nachzucht von C. bakeri
wurde nicht nur belegt, daß diese Leguanart unter Menschenobhut erfolgreich vermehrt
werden kann, sondern auch unser Wissen über ihre Reproduktionsbiologie bereits beträchtlich
erweitert. Aus einem Gelege mit elf Eiern schlüpften im Mai 1997 nach einer
Inkubationsdauer von 89 - 92 Tagen acht Jungtiere (KÖHLER im Druck b).
Forschungs- und Zuchtstation
Bereits im internen Jahresbericht 1995 wurde auf die Wichtigkeit einer permanenten
Forschungs- und Zuchtstation auf der Insel Utila hingewiesen. Durch die Unterstützung der
Zoologischen Gesellschaft Frankfurt von 1858 e.V. - Hilfe für die bedrohte Tierwelt,
Frankfurt a.M., und der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft, Frankfurt a.M.,
kann diese für den langfristigen Erfolg des Projektes so wichtige Einrichtung nun realisiert
werden. Der Bau hat bereits begonnen, und wir hoffen, daß die Station Anfang 1998 in
Betrieb genommen werden kann. Die Station wird als Basis für Wissenschaftler und
Naturschützer dienen, ein wissenschaftlich betreutes In-situ-Zuchtprogramm für Ctenosaura
bakeri ermöglichen und durch Betreuung und Führung von Touristengruppen eine langfristige
Selbstfinanzierung des Schutzprojektes vereinfachen.
Bestandssituation von Ctenosaura bakeri
Das nunmehr ganzjährig überwachte Jagdverbot hat bereits zu einer geringfügig besseren
Bestandssituation des Utila-Leguans geführt. Insbesondere konnten 1996 und 1997 deutlich
mehr Jungtiere als in den Jahren davor beobachtet werden. Auch ist der Anteil an Weibchen,
die älter als zwei Jahre sind, gestiegen. Unsere Bemühungen haben offensichtlich dazu
geführt, daß mehr Leguanweibchen ihre Gelege vergraben konnten. Dies ist nicht zuletzt auch
das Verdienst des seit April 1996 beschäftigten und von Projektmitteln finanzierten
Wildhüters. Sehr bedenklich ist allerdings die Mitteilung eines Mitarbeiters der Bay Islands
Conservation Association (BICA Utila), daß “immer mehr Menschen vom Festland auf die
Insel kommen, um auf Kosten der natürlichen Ressourcen Utilas zu leben“. Zur Durchsetzung
des Jagdverbotes ist es unbedingt notwendig, daß mehr als ein Wildhüter tagtäglich die
kritischen Gebiete überwacht.
Utila-Gruppenreisen
Für Naturfreunde bietet sich die Möglichkeit, im Rahmen einer zweiwöchigen Reise die
abwechslungsreichen Lebensräume der Karibikinsel Utila mit ihrer artenreichen Fauna und
Flora kennenzulernen. Die Teilnahme steht allen offen, die in einer organisierten
Gruppenreise die Faszination der tropischen Tier- und Pflanzenwelt kennenlernen möchten.
Betreut von Fachleuten, unternehmen die Teilnehmer
Tagestouren in den Regenwald,
erhalten Einblicke in die Lebensgemeinschaften der Mangrovensümpfe und Lagunen, lernen
die Komplexität des Lebensraumes Sandstrand kennen. Interessenten mögen sich an die BNAGeschäftsstelle (Postfach 1110, D-76707 Hambrücken, Tel. 07255-2800, Fax 07255-8355)
wenden.
Ausblick
Insgesamt sind die bisherigen Erfahrungen sehr positiv, und die breite Unterstützung durch
die einheimische Bevölkerung auf Utila sowie durch zahlreiche Organisationen im In- und
Ausland lassen hoffen, daß der Fortbestand des Utila-Schwarzleguans und der zahlreichen
anderen einzigartigen Tiere und Pflanzen von Utila langfristig gesichert werden kann.
Danksagung
Mein Dank gilt allen Personen und Organisationen, die das „Schutz- und Forschungsprojekt
Utila-Schwarzleguan“ unterstützen. Hierbei sind insbesondere der Bundesverband für
fachgerechten Natur- und Artenschutz e.V. (BNA), die Deutsche Gesellschaft für
Herpetologie und Terrarienkunde e.V. (DGHT) und die Zoologische Gesellschaft für Artenund Populationsschutz e.V., München, zu nennen, die das Projekt von Anfang an großzügig
unterstützt haben. Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt von 1858 e.V. - Hilfe für die
bedrohte Tierwelt, Frankfurt a.M., und die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft,
Frankfurt a.M., haben gemeinsam den Aufbau der Forschungs- und Zuchtstation übernommen
und so ganz wesentlich die Erfolgsaussichten des Projektes vergrößert. Dank gilt auch Lic.
ROGER CRUZ, Lic. TOMÁS GARCIA, Ing. ANA PATRICIA MARTÍNEZ und Lic. GIOVANNY
RODRIGUEZ von der honduranischen Naturschutzbehörde COHDEFOR (Tegucigalpa,
Honduras) sowie Prof. CARLOS CERRATO von der Universität (Tegucigalpa, Honduras) für die
freundschaftliche und produktive Zusammenarbeit.
Schriften:
DE QUEIROZ, K. (1990): Ctenosaura bakeri STEJNEGER. - Cat. Am. Amph. Rept., Athens,
Ohio, 465: 1-2.
KÖHLER, G. (1994): Ecology, status, and conservation of the Utila Spiny-tailed Iguana. Iguana Times, Big Pine Key, FL, 3 (3): 12-13.
KÖHLER, G. (1995): Freilanduntersuchungen zur Morphologie und Ökologie von Ctenosaura
bakeri und C. oedirhina auf den Islas de la Bahia, Honduras, mit Bemerkungen zur
Schutzproblematik. - Salamandra, Rheinbach, 31 (2): 93-106.
KÖHLER, G. (1996 a): A new species of anole of the Norops pentaprion group from Isla de
Utila, Honduras. - Senckenbergiana biol., Frankfurt a. M., 75 (1/2): 23-31.
KÖHLER, G. (1996 b): Additions to the known herpetofauna of Isla de Utila (Islas de la Bahia,
Honduras) with a description of a new species of the genus Norops. - Senckenbergiana biol.,
Frankfurt a. M., 76 (1/2): 19-28.
KÖHLER, G. (1997 a): DGHT-Fonds für Herpetologie: Schutz- und Forschungsprojekt UtilaSchwarzleguan. - Elaphe N.F., Rheinbach, 5 (2): 73-76.
KÖHLER, G. (1997 b): Inkubation von Reptilieneiern - Grundlagen, Anleitungen, Erfahrungen.
- Offenbach (Herpeton Verlag): 205 S.
KÖHLER, G. (im Druck a): Further additions to the known herpetofauna of Isla de Utila (Islas
de la Bahia, Honduras) with notes on other amphibians and reptiles, and a key to herpetofauna
of the island. - Senckenbergiana biol., Frankfurt a. M., 77 (2).
KÖHLER, G. (im Druck b): Schutz- und Forschungsprojekt Utila-Schwarzleguan: Die
Nachzucht von Ctenosaura bakeri STEJNEGER, 1901 im ex-situ-Zuchtprogramm. Salamandra, Rheinbach.
STEJNEGER, L.C. (1901): On a new species of spiny-tailed iguana from Utilla Island,
Honduras. - Proc. U.S. Natl. Mus., Washington D.C., 23 (1217): 467-468.
WILSON, L.D. & HAHN, D.E.(1973): The herpetofauna of the Islas de la Bahia, Honduras. Bull. Florida State Mus., Biol. Sci., Gainesville, Florida, 17 (2): 93-150.
Abbildungslegenden
Abb. 1. Erwachsenes Männchen des Utila-Leguans (Ctenosaura bakeri). Foto: G. KÖHLER.
Verfasser: Dr. GUNTHER KÖHLER, Forschungsinstitut und Naturmuseum Senckenberg,
Sektion Herpetologie, Senckenberganlage 25, D-60325 Frankfurt a.M.
Herunterladen