Haupttitel 5/5– Seite 1 Untertitel - - 5.5 Kinder in Not – angemessen Handeln beim Verdacht auf Kindeswohlgefähr-dung Dr. Barbara Mutke/ Prof. Dr. Bernd Seidenstücker In der Presse ist immer wieder in erschütternder Häufigkeit von vernachlässigten, misshandelten oder gar getöteten Kindern zu lesen, die zum Opfer der eigenen Eltern wurden. Stets wird in diesen Fällen die Frage gestellt, wie es dazu kommen konnte, dass scheinbar niemand um die Situation der betroffenen Kinder wusste, auch die öffentliche Jugendhilfe entweder keine Kenntnis von der problematischen Lebenslage der Familie hatte oder nicht adäquat handelte. Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung 1 Tatsächlich erweist sich das Spannungsfeld zwischen Hilfe und Kontrolle, in dem sich die Fachkräfte der Jugendämter in Fällen von vermuteter Kindeswohlgefährdung befinden, in der Praxis nicht selten als Gratwanderung. Die Fachkräfte haben den gesetzlichen Auftrag, die Familien zu unterstützen, müssen jedoch, wenn eine Kindeswohlgefährdung vorliegt und die Eltern diese Unterstützung nicht annehmen wollen bzw. können, das Familiengericht über die Gefährdung informieren. Durch den am 01.10.2005 neu eingeführten § 8a des Kinder- und Jugendhilfegesetzes „Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung“1 erfährt der Schutzauftrag für § 8a SGB VIII Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung Stand Kapitel-Nr. – Seite 2 Haupttitel Untertitel Kinder und Jugendliche nunmehr eine besondere Relevanz (vgl. dazu auch ausführlich Kap. 6.6.2.2). Jugendämter sind auf Informationen von LehrerInnen angewiesen Damit die MitarbeiterInnen der Jugendämter allerdings in der Lage sind, im Bedarfsfall zum Schutz von Kindern und Jugendlichen tätig zu werden, sind sie auf Informationen über problematische Lebenslagen von Minderjährigen angewiesen. LehrerInnen und ErzieherInnen in Kindergärten oder Horten, welche Kinder täglich unterrichten bzw. betreuen, verfolgen die körperliche und geistige Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus nächster Nähe und nehmen von daher Signale, die auf eine Gefährdung des Wohls hindeuten, oftmals zuerst wahr. Allerspätestens bei Gefahr Verzug sind Pädagogen in Extremsituationen verpflichtet, das Jugendamt bzw. die Polizei zu informieren. ErzieherInnen, deren Tätigkeit auf der Grundlage des SGB VIII erbracht wird, sind überdies auch schon bei Anzeichen von Gefährdung gemäß o.g. § 8a Abs. 2 des SGB VIII verpflichtet, zunächst „bei den Personensorgeberechtigten oder den Erziehungsberechtigten auf die Inspruchnahme von Hilfen hinzuwirken, wenn sie diese für erforderlich halten, und das Jugendamt informieren, falls die angenommenen Hilfen nicht ausreichend erscheinen, um die Gefährdung abzuwenden“ § 8a (2) SGB VIII (s. dazu Kap. 5.5.5). (1) „Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte abzuschätzen. Dabei sind die Personensorgeberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche einzubeziehen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird. Hält das Jugendamt zur Abwendung der Gefährdung die Gewährung von Hilfen für geeignet und notwendig, so hat es diese den Personensorgeberechtigten oder den Erziehungsberechtigten anzubieten.“ Stand Haupttitel 5/5– Seite 3 Untertitel - - 5.5.1 Verschiedene Formen von Kindeswohlgefährdung Kindliche Gefährdungslagen können ganz verschiedene Formen annehmen und sind auch in ihrer quantitativen Bedeutung durchaus unterschiedlich. Insgesamt fünf solcher Gefährdungslagen sollen im Folgenden kurz skizziert werden: Vernachlässigung Bei der Vernachlässigung werden basale kindliche Lebensbedürfnisse (von Essen, Schlafen, angemessener Kleidung bis hin zur Zuwendung und Förderung des Kindes) nicht berücksichtigt, der Mindeststandard an materieller, sozialer und emotionaler Versorgung wird durch die Eltern nicht gewährleistet. Die nachfolgende Abbildung stellt die Bedürfnisstruktur für eine gesunde psychische und körperliche Entwicklung von Kindern dar. Durch die Pyramidenform kann veranschaulicht werden, dass zunächst Basisbedürfnisse befriedigt werden müssen, damit sich – entwicklungspsychologisch betrachtet – Bedürfnisse auf der nächsten Ebene entfalten können. Je niedriger die versagten Bedürnisse angesiedelt sind, desto elementarer werden die Kinder in ihrer Entwicklung vernachlässigt Bedürfnis nach Selbstverwirklichung Stand Kapitel-Nr. – Seite 4 Haupttitel Untertitel Bedürfnis nach Anregung, Spiel und Leistung Bedürfnis nach seelischer und körperlicher Wertschätzung Bedürfnis nach Verständnis und sozialer Bindung Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit Physiologische Bedürfnisse (Abb. 1: Bedürfnispyramide nach Schmidtchen 1989, S. 106.) Nachfolgende Definition erfaßt die Heterogenität der Kindesvernachlässigung: Definition von Vernachlässigung „Vernachlässigung ist die andauernde und wiederholte Unterlassung fürsorglichen Handelns sorgeverantwortlicher Personen (Eltern oder andere von ihnen autorisierte Betreuungspersonen), welches zur Sicherstellung der physischen und psychischen Versorgung des Kindes notwendig wäre. Diese Unterlassung kann aktiv oder passiv (unbewusst), aufgrund unzureichender Einsicht oder unzureichenden Wissens erfolgen. Die durch die Vernachlässigung bewirkte chronische Unterversorgung des Kines durch die nachhaltige Nichtberücksichtigung, Missachtung oder Versagung seiner Lebensbedürfnisse hemmt, beeinträchtigt oder schädigt seine körperliche, geistige und seelische Entwicklung und kann zu gravierenden bleibenden Schäden oder gar zum Tod der Kinder führen.“ (Schone u.a., S. 21) Stand Haupttitel 5/5– Seite 5 Untertitel - - Einfügung Abb. 2 Betroffen sind dabei vor allem kleinere und/oder behinderte Kinder, die in besonderem Maße auf Schutz und Fürsorge angewiesen sind. Darüber, wie viele Kinder von Vernachlässigung betroffen sind, gibt es keine verlässlichen statistischen Daten. Die Schätzungen in der einschlägigen Fachliteratur reichen (als quantitative Untergrenze) von 50.000 (Schone u.a. S. 15) bis hin zu Schätzungen von 500.000 betroffenen Kindern (vgl. Esser/Weinel). Risikofaktoren für Vernachlässigung Stand Risikofaktoren, die bei der Kindesvernachlässgung „unheilvoll“ zusammentreffen sind in der nachfolgenden Abbildung 3 dargestellt und lassen sich auf die Faustformel bringen: „Je geringer die finanziellen und materiellen Ressourcen (materielle Dimension) und je schwieriger das soziale Umfels (soziale Dimension) und je belasteter und defizitärer die persönliche Situation der erziehenden Eltern (persönliche Dimension der Erziehungsperson/en) und je herausfordernder die Situation und das Verhalten des Kindes (Dimension des Kindes), um so stärker steigt das Risiko, dass Beziehungsstörungen zwischen Eltern und Kind sich zu massiven Vernachlässigungssituationen des Kindes verdichten“ (Schone u.a., S. 33). Kapitel-Nr. – Seite 6 Haupttitel Untertitel Einfügung Abb. 3 Im Umkehrschluss zu den o.g. Risikofaktoren ist allerdings nicht zu folgern, dass etwa immer dann, wenn mehrere der Faktoren zutreffen, eine Kindesvernachlässigung eintreten muß, wie die Erkenntnisse aus den Resilienzforschung2 nachweisen (s. dazu Kap. 5.5.4). Körperliche Misshandlung physische Gewalteinwirkung auf ein Kind 2 Unter körperlicher Misshandlung versteht man die physische Gewalteinwirkung von Eltern oder anderen Erwachsenen auf ein Kind. Sie umfasst damit alle gewaltsamen Handlungen aus (auch absichtsvoll brutalem) Erziehungskalkül oder Unkontrolliertheit die dem Kind Verletzungen oder körperliche Schäden zufügen. Körperliche Misshandlungen geschehen z.B. durch Schläge mit der Hand oder mit Gegenständen, durch Zufügen von Verbrennungen/Verbrühungen, durch Vergiftungen, durch die Verabreichung von medizinisch nicht indizierten Schlaf- oder Beruhigungsmitteln oder durch heftiges Schütteln. Körperliche Gewalt kann in Form, Schwere stark variieren und somit auch unterschiedlichste Folgen für das Kind haben (vgl. Hasebrink, S. 227). Resilienz = Widerstandsfähigkeit Stand Haupttitel 5/5– Seite 7 Untertitel - - 4.000 3.409 3.500 3.371 3.071 3.000 2.843 2.629 2.500 2.165 2.000 2.237 2.359 2.417 2.419 2.094 1.951 1.500 1.575 1.506 1.000 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01 20 02 20 03 20 04 Anzahl der Kindesmisshandlungen Das Bundeskriminalamt gibt für das Jahr 2004 3.409 erfasste Fälle von „Misshandlung von Kindern“ an. In dieser Statistik werden allerdings nur solche Fälle erfasst, bei denen Misshandlung strafrechtliche Dimensionen erreicht hat und bei denen Strafanzeige erstattet wurde. Gemessen an diesen vergleichsweise geringen Zahlen ist die Dunkelziffer gewaltig. Schätzungen gehen hier bundesweit von bis zu 1,5 Millionen Fällen von körperlicher Kindesmisshandlung aus (vgl. Bründel/Hurrelmann 1994, S. 55). Jahr Strafrechtlich relevante Anzahl von Kindesmißhandlungen (Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Bundeskriminalamtes: Polizeiliche Kriminalstatistik 1987 – 2004, Tabelle 91, S. 15, im Internet unter: www.bka.de/pks/zeitreihen/pdf/t91_opfer_insg.pdf) Von körperlichen Misshandlungen sind Kinder aller Altersstufen betroffen, häufig handelt es sich dabei um Kinder, die den Erwartungen ihrer Eltern bezogen auf bestimmte Verhaltensweisen oder Eigenschaften nicht entsprechen und diese nicht ausreichend in der Lage Stand Kapitel-Nr. – Seite 8 Haupttitel Untertitel sind, ihre Vorstellungen durchzusetzen . erzieherisch adäquat Seelische Misshandlung Terrorisieren von Kindern Überbehütung von Kindern Die seelische Misshandlung umfasst alle elterlichen Äußerungen und Handlungen, die das Kind terrorisieren, es herabsetzen, ihm das Gefühl der völligen Ablehnung und eigenen Wertlosigkeit vermitteln oder es isolieren. Bei der Ablehnung wird das Kind einer permanent (heftigen) und herabsetzenden Kritik ausgesetzt, es fühlt sich überfordert, wertlos, ungeliebt und von den Eltern nicht angenommen, weil es den zumeist übersteigerten unerfüllbaren Erwartungen der Eltern nicht gerecht werden kann. Das Terrorisieren des Kindes meint, dass das Kind eine ständige Einschüchterung und Ängstigung durch Drohungen von Seiten der Eltern erfährt. Beim Isolieren wird das Kind eingesperrt und von Außenkontakten abgeschnitten (vgl. Engfer, S. 11). Zur Gefährdungslage der seelischen Misshandlung gehört aber auch als anderes Extrem die Überbehütung und symbiotische Fesselung der Kinder (z.B. durch psychisch kranke Eltern). In der Literatur werden statt des Begriffs der seelischen Misshandlung auch die Begriffe der emotionalen oder psychischen Misshandlung verwendet. Die seelische Misshandlung lässt sich im Unterschied zur körperlichen Misshandlung schwer diagnostizieren. Seelische Misshandlung Die Folgen werden meist erst Jahre später erkennbar ist schwer und äußern sich häufig in sogenannten diagnostizierbar „Gedeihstörungen“, in kindlichen Entwicklungsstörungen, denen keine organischen Ursachen zugrunde liegen. Merkmale von Misshandlungsmentali-tät Bezogen auf die seelische Misshandlung spricht Wegener (S. 47) von einer Misshandlungsmentalität. Er arbeitete drei Merkmale heraus, von denen er zunächst Stand Haupttitel 5/5– Seite 9 Untertitel - - die Fehleinschätzung des Kindes benennt. So unterstellen beispielsweise Eltern ihrem kleinen Kind, sie absichtlich durch sein Verhalten zu quälen. Zum zweiten benennt er das Missverhältnis zwischen Anlass und Strafe. Damit meint er, dass beispielsweise belangloses kindliches Fehlverhalten ausufernde Bestrafungsrituale zur Folge haben kann. Als drittes Merkmal nennt er die Verpflichtung des Kindes zur Verschwiegenheit über die Strafmaßnahmen, mit der der Misshandler/die Misshandlerin das Kind zur Geheimhaltung zwingt. Sexueller Missbrauch Der Begriff des sexuellen Missbrauchs umfasst das ganze Spektrum sexueller Gewalthandlungen, von scheinbar harmlosen Berührungen bis zu den unterschiedlichsten Formen der Penetration. Sexueller Missbrauch ist immer eine Ausnutzung von Macht und Autorität, von körperlicher oder beziehungsbedingter Überlegenheit. Erhebliche emotionale Belastungen durch sexuellen Missbrauch Stand Sexueller Missbrauch führt bei Mädchen und Jungen zu erheblichen emotionalen Belastungen, sie fühlen sich traurig, verraten, ausgenutzt, schämen sich, fühlen sich mitschuldig. Sie zweifeln an ihrer Wahrnehmung, fühlen sich ohnmächtig und hilflos. Die Kinder werden zur Geheimhaltung durch den Missbraucher gezwungen und entwickeln aufgrund der Missbrauchserfahrungen unterschiedliche Verhaltensauffälligkeiten und psychische Probleme. Die Schwere des Traumas wird mitbestimmt durch den Vertrauensgrad zwischen Täter und Opfer, der Art und Dauer des sexuellen Missbrauchs, der Anwendung von körperlicher Gewalt und auch den Reaktionen aus dem Umfeld auf den sexuellen Missbrauch ( vgl. Bange, S. 138 ff.) Die Täter sind selten Fremde, vielmehr handelt es sich oft um Personen aus dem Nahbereich des Kindes, z.B. Familienangehörige, Nachbarn oder Freunde der Kapitel-Nr. – Seite 10 Haupttitel Untertitel 20.000 19.283 19.102 19.011 18.178 18.044 18.000 18.271 17.740 17.879 17.625 17.895 16.691 16.381 16.672 16.000 14.987 04 03 20 02 20 01 20 00 20 99 20 98 19 97 19 96 19 95 19 94 19 93 19 19 19 19 92 14.000 91 Anzahl sexueller Mißbrauch an Kindern vollendete Fälle Familie, manchmal auch Fachkräfte aus Bildungs-/ Erziehungsinstitutionen und Pfarrer. Jahr (Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Bundeskriminalamtes: Polizeiliche Kriminalstatistik 1987 – 2004, Tabelle 91, S. 5, im Internet unter: www.bka.de/pks/zeitreihen/pdf/t91_opfer_insg.pdf) erheblich mehr Mädchen als Jungen betroffen Im Jahr 2004 registrierte das Bundeskriminalamt 17.895 Fälle von sexuellem Mißbrauch an Kindern nach den §§ 176, 176a, 176b StGB. Allerdings gilt auch hier, ebenso wie bei den Angaben zur körperlichen Misshandlung, dass hier nur die Übergriffe aufgelistet sind, die auch strafrechtlich verfolgt wurden. Die Dunkelziffer ist insbesondere beim sexuellen Missbrauch äusserst hoch, nur in den seltensten Fällen kommt es dazu, dass die Täter(innen) strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Aktuellen Schätzungen zufolge macht etwa jedes vierte bis fünfte Mädchen und jeder neunte bis zwölfte Junge Stand Haupttitel 5/5– Seite 11 Untertitel - - vor seinem 18. Lebensjahr mindestens einmal eine sexuelle Gewalterfahrung (vgl. Enders). In vielen Fällen sexueller Ausbeutung wird ein Mädchen/ein Junge nur einmal missbraucht und kann den Kontakt zum Täter/Täterin abbrechen. Nicht selten jedoch erstreckt sich der sexuelle Missbrauch (insbesondere, wenn er durch Familienangehörige begangen wird) über einen langen Zeitraum. Verdacht kann häufig nicht bewiesen werden Bei der Gefährdungslage des sexuellen Missbrauchs tritt regelmäßig das Problem auf, dass ein Verdacht besteht, dieser jedoch ebenso wenig wie das Gegenteil bewiesen werden kann. So handelt es sich hier nicht selten um die Gratwanderung, Kinder unbegründet von ihren Eltern(teilen) zu trennen und evtl. Unschuldige zu stigmatisieren bzw. zu dulden, dass Kinder missbraucht werden. Autonomiekonflikte Der Autonomiekonflikt bezeichnet die Nichtbewältigung von Ablösekonflikten zwischen Eltern und ihren heranwachsenden Kindern. Diese krisenhafte Auseinandersetzung entsteht durch unterschiedliche Normvorstellungen beider Seiten. Betroffen sind von dieser Gefährdungslage vor allem Jugendliche. Die Autonomiebestrebungen von Jugendlichen in der Adoleszenz sind geprägt von einer Vielfalt außerfamiliärer Einflüsse und einem sich wandelnden Eltern-Kind-Verhältnis (vgl. Zenz, S. 86). Ein zentrales Moment ist dabei die Ablösung von den Eltern. Wenn die Eltern diese notwendigen Prozesse missachten oder verhindern wollen, dann kann dadurch das seelische und geistige Wohl der Jugendlichen erheblich beeinträchtigt werden. Besonders betroffen sind im allgemeinen jugendliche Mädchen, weil die Lebensentwürfe von Mädchen in besonderer Weise auf tradierte Rollenvorstellungen von Eltern stoßen und sie deshalb in Konflikt mit ihren Eltern geraten. Neben der Stand Tradierte Rollenbilder, besonders in Kapitel-Nr. – Seite 12 Migrantenfamilien Haupttitel Untertitel altersbedingten Ablösungsproblematik spielen besonders in Immigrationsfamilien unterschiedliche kulturelle Wertsetzungen der älteren und der jüngeren Generation eine Rolle. Kennzeichnend für den Autonomiekonflikt ist, dass die krisenhaften Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Jugendlichen nicht überwunden werden. Diese Nichtbewältigung kann zu einem völligen Bruch zwischen Eltern und Jugendlichen führen. Vernachlässigungen kommen am häufigsten vor In der Praxis der Jugendämter zeigt sich, dass die weitaus am häufigste Form der Kindeswohlgefährdung die Vernachlässigung darstellt. Die einzelnen Gefährdungslagen lassen sich zumeist nicht trennscharf voneinander unterscheiden, vielmehr sind nicht selten mehrere Gefährdungslagen zugleich relevant. 5.5.2 Ursachen von Kindeswohlgefährdung Ursachen von Kindeswohlgefährdungen können in der Person und der Lebensgeschichte der Erwachsenen, der Familie und Familiengeschichte, in den sozialen Lebensbedingungen und dem Lebensumfeld, in akuten Krisen und „beim Kind selbst“ liegen. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das sozio-kulturelle Umfeld, in dem die Familie lebt. Bestimmte Schichtstrukturen, aber auch die ökonomischen Verhältnisse der Familie, die möglicherweise geprägt ist von lang andauernder Arbeitslosigkeit, Armut und schlechten Wohnbedingungen, können begünstigende Faktoren für Kindeswohlgefährdungen sein. Zu nennen wären in diesem Zusammenhang auch generell positive Einstellungen zu Gewalt und mangelnde soziale Netzwerke, die im Bedarfsfall Entlastung bieten könnten. Stand Bedeutung der ökonomischen Verhältnisse Haupttitel 5/5– Seite 13 Untertitel - - Familiäre Bedingungen Persönlichkeit der Eltern „herausfordernde“ Kinder Stand Weiterhin können auch die konkreten familiären Bedingungen Kindeswohlgefährdung begünstigen. Zu nennen wäre hier zunächst erhebliche Überforderungen durch Alleinerziehung, bzw. gravierende und dauerhafte Paarkonflikte (auch in Verbindung mit extremer Trennungs- und Scheidungsproblematik), ebenso wie häufige Partnerwechsel und damit verbundene Neuzusammensetzungen der Familie. Eine wichtige Ursache für Kindeswohlgefährdungen kann auch in der Person der Eltern begründet liegen. Hier spielen unzureichende erzieherische Ressourcen der Eltern, ihre gesundheitliche Konstitution (z.B. psychische Krankheiten, Behinderungen, chronische Krankheiten, Drogenabhängigkeit) aber auch deren eigenen negativen Kindheitserfahrungen, ihr Selbstwertgefühl und unzureichender Reifegrad sowie ihr mangelndes Bildungs- und Kulturniveau eine wichtige Rolle. Hiermit ist beispielsweise gemeint, dass inkonsistentes Erziehungsverhalten, mangelnde Selbstkontrolle, Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen sowie ungenügende Frustrationstoleranz und fehlende Stressbewältigungsfähigkeiten, die Fähigkeit sich selbst zu kontrollieren, Kindeswohlgefährdungen begünstigen können. Nicht zuletzt können aber im Verbund mit den o.g. Ursachen für auftretende Kindeswohlgefährdungen auch „im Kind selbst“ liegen, d.h. (Persönlichkeits)Besonderheiten von Kindern können kindeswohlgefährdendes Handeln von Eltern „begünstigen“, quasi „provozieren“. Zumeist sind solche Eltern chronisch überfordert, so dass sie mitunter in akuten Situationen nicht (mehr) oder über ein längeren Zeitraum nicht in der Lage sind, adäquat auf die herausfordende(n) Situation(en) zu reagieren. So sind sogenannte „Schreikinder“, die bereits in den ersten Lebensmonaten ein hohes Maß an Kompetenzen und psychischer Stabilität von den Betreuungspersonen Kapitel-Nr. – Seite 14 Haupttitel Untertitel verlangen, in besonderer Weise gefährdet. Ähnliches gilt für Kinder mit schwer (und dauerhaft) gestörtem SchlafWachrhythmus und solche Kinder, die den Erwartungen ihrer Eltern nicht entsprechen, beispielsweise Kinder mit (geistigen, sinnes-, mehrfachen) Beeinträchtigungen, hyperaktive Kinder und solche mit hyperkinetischen Aufmerksamkeitsstörungen (AD(H)S) (s. dazu ausführlich Kap. 2.8). Nicht selten spielen für das kindeswohlgefährdende Handeln von Eltern aber auch aktuelle/akute Krisen in der Familie eine Rolle, die nicht aus eigener Kraft bewältigt werden können. Die eigenen Fähigkeiten, die solche Krise zu meistern, schwinden oder gehen verloren, so dass die Anwendung von Gewalt als letzte Möglichkeit angesehen wird (vgl. zu den Ursachen von Kindeswohlgefährdungen auch Kinderschutzzentrum Berlin, S. 32) Zumeist kumulieren ungünstige Umstände Im Unterschied zu Vernachlässigungssituationen, die sich fast ausschließlich im Umfeld von niedrigem Bildungs-/Kulturniveau und/oder bei sozial untüchtigen Müttern und Vätern finden, sind alle anderen Formen der Kindeswohlgefährdung nicht schichtenspezifisch. Kindeswohlgefährdungen entwickeln sich in jedem Einzelfall äußerst individuell und komplex, dennoch lassen sich einige Ursachenzusammenhänge formulieren. Zumeist handelt es sich um das ungünstige Zusammentreffen mehrerer Umstände, die zur Gefährdung des Kindeswohls führen: Ursachen für Kindeswohlgefährdungen sind zu finden in: der „immer noch kulturell legitimierte(n) Gewaltanwendung gegen Kinder / der alltägliche Stand Haupttitel 5/5– Seite 15 Untertitel - - Machtmissbrauch gegenüber Kindern, die als persönliches Eigentum betrachtet werden. Ein(em) hohe(n) Maß an Stress bei gleichzeitig geringer Chance, diese Belastungen kompetent zu bewältigen (wenig Möglichkeiten seitens der Sorgeverantwortlichen, Handlungskompetenz, Wissen und realistische Erwartungen Kindern gegenüber bzw. Selbstsicherheit, Rücksicht und Fairness zu entwickeln). D(em) Fehlen, die unzulängliche Qualität bzw. die Nicht-Nutzung sozialer Unterstützungssysteme für verantwortliche Elternschaft und gelingende ElternKind-Beziehungen.“ (Kinderschutz-Zentrum Berlin, S. 33) „Signale“ wahrnehmen Indizien behutsam bewerten und ggf. fachlichen Rat holen Stand LehrerInnen und ErzieherInnen sollten deshalb auf Signale von und bei Kindern achten, die auf eine eventuell bestehende Gefährdungssituation hindeuten könnten. Da sich Kinder nur selten von sich aus an Erwachsene wenden, um auf ihre problematische Lebenssituation aufmerksam zu machen, ist von Seiten der LehrerInnen und ErzieherInnen eine erhöhte Wahrnehmungsbereitschaft und gleichsam große Behutsamkeit bei der Bewertung des Beobachteten vonnöten. Im Nachfolgendem werden eine Reihe von Merkmalen/Indizien aufgelistet, die für sich allein betrachtet zwar noch nicht zwangläufig auf eine Kindeswohlgefährdung hinweisen. Wenn diese aber gehäuft und über einen längeren Zeitraum oder die Koppelung mehrerer Merkmale beobachtet werden, kann es durchaus geboten sein, in manchen Fällen sogar dringend erforderlich sein, dass LehrerInnen und ErzieherInnen bzw. andere Betreuungspersonen das Gespräch mit den Eltern suchen und/oder ihre Beobachtungen dem örtlichen Jugendamt mitteilen (Anmerkung zum Datenschutz, s. Kap. 5.5.6) Kapitel-Nr. – Seite 16 Haupttitel Untertitel 5.5.3 Indizien für Kindeswohlgefährdung Indizien die auf eine Vernachlässigung eines Kindes hindeuten können, wären z.B. Kinder sind nicht angemessen mit Nahrung versorgt (sie sind beispielsweise stark untergewichtig, bringen keine Pausenbrote mit, betteln bei anderen Kindern um Essen), sind nicht witterungsgemäß gekleidet, sind verschmutzt und/oder ungepflegt (z.B. auch verfaulte Zähne, Läusebefall, unversorgte Wunden...), sind dauerhaft übermüdet, sind häufig sich selbst überlassen oder sind in hohem Maße sozial isoliert (Kinder haben keine Freunde, dürfen an keiner schulischen Aktivität teilnehmen...). Indizien, die auf körperliche Misshandlung hinweisen, können sein Blutergüsse, die im Gegensatz zu den „gesunden blauen Flecken“ an Knien, Schienbeinen oder Armaußenseiten, an ungewöhnlichen Körperstellen beobachtet werden, Hauteinblutungen durch Strangulationen, Schnitt- oder Bissverletzungen, Vergiftungen, Verbrühungen und Verbrennungen oder Knochenbrüche. Indizien, die auf einen sexuellen Missbrauch hindeuten können (und einer medizinischen Abklärung bedürfen), äußern sich zum einen durch Verletzungen am Körper, etwa durch Stand Haupttitel 5/5– Seite 17 Untertitel - - - Blutergüsse an Brust, Hals, Genitalbereich, an den Oberschenkelinnenseiten, am Po Rötungen und Wundsein im Genitalbereich, Wunden, Dehnungen, Erweiterungen an Scheide oder After Geschlechtskrankheiten Pilzerkrankungen Blutungen Psychosomatische Störungen können sich äußern in Schlaf-, Sprach-, Essstörungen Kopf-, Bauchschmerzen Lern- und Konzentrationsstörungen Ohnmachts-, Erstickungs-, Krampfanfällen oder Bettnässen Psychische Symptome bei einem erlittenen Missbrauch können sein: Berührungsängste, Scham- und Schuldgefühl Geringes Selbstwertgefühl Regression, Aggression Extrem angepasstes Verhalten Mangelnde Körperpflege, sich hässlich machen Zwanghaftes Verhalten, (z.B. Waschzwang) Angstzustände vor bestimmten Situationen, Personen Autoaggressives Verhalten Depressionen Vereinsamung Weglaufen von zu Hause Suchtverhalten Einige missbrauchte Kinder entwickeln ein auffälliges sexualisiertes Verhalten, z.B. indem sie ihre Genitalien exzessiv anfassen, ein altersunangemessenes Detailwissen über Sexualität haben, ihre Genitalien bloßstellen oder öffentlich Geschlechtsverkehr nachstellen (vgl Homepage des Jugendamts Regensburg Stand Kapitel-Nr. – Seite 18 Haupttitel Untertitel www.regensburg.de/jugend/07_probleme_hilfe/gewalt_s exueller_missbrauch.shtml) Kindern Hilfe angedeihen lassen „pädagogischen Blick“ entwickeln Fernbleiben vom Unterricht als Indiz? 3 In Österreich wurde durch das zuständige Bundesministerium eine hilfreiche Checkliste herausgegeben, um Gewalt an Kindern möglichst frühzeitig zu erkennen, die wir in der Originalfassung im Kapitel 7.2 „Arbeitshilfen“ aufgenommen haben. Die o.g. und dort enthaltenen Hinweise mit Bezug auf die Eltern können bei Kontakten mit ihnen, etwa in Abholsituationen, bei Elterngesprächen, Elternabenden usw. dienlich sein, einen Blick für solche Indizien zu entwickeln bzw. auszuprägen. Dies, um bei begründeten Verdachtsmomenten, betroffenen Kindern selbst Hilfe angedeihen zu lassen, indem z.B. gegenüber den Eltern in geeigneten Fällen deren erzieherisches Verhalten oder deren Unterlassungen rückgespiegelt werden, mit dem Ziel, eine Änderung zu erreichen (Elterngespräche)3. LehrerInnen und ErzieherInnen sollten aber auch bei Kontakten mit Eltern u.a. Personensorgeberechtigten etwa in Abholsituationen, bei Elterngesprächen, Elternabenden usw. bei begründeten Verdachtsmomenten einen „pädagogischen Blick“ dafür haben, ob es weitere Indizien über das beim Kind Wahrgenommene/ Beobachtete gibt. Wenn Schüler dem Unterricht wiederholt fernbleiben, ohne dass es sich offenkundig um eine ernstzunehmende längere Krankheit handelt und überdies fadenscheinige oder keine Entschuldigungen durch die Eltern (Elternteil) vorliegen und sie kaum/nicht zu Elternveranstaltungen erscheinen, sollte dies bereits mehr als ein Achtungszeichen sein. So kann dies beispielsweise (nahliegend) darauf hindeuten, dass die Schulbummelei oder -verweigerung der Kinder durch die Eltern gedeckt wird oder aber auch, dass Zu „Elterngesprächen“ erfolgt in einer der nächsten Ergänzungslieferung ein Expertenbeitrag. Stand Haupttitel 5/5– Seite 19 Untertitel - - zwischen Armut und Vernachlässigung unterscheiden LehrerInnen sollten Kindern zur Seite stehen 4 Hämatome/Verletzungen nach körperlicher Züchtigung oder sexuellen Mißbrauch verdeckt werden sollen. Einen pädagogischen Blick haben, heißt auch, wahrzunehmen, wer wiederholt weder Pausenbrot mitbringt, noch an der Schulspeisung teilnehmen kann, ebenso, wer immer wieder den Wandertagen oder unterrichtsergänzenden Veranstaltungen fernbleibt. Hierbei ist pädagogischer Takt vonnöten, um herauszufinden, ob dies womöglich Ausdruck von Armut4 ist, wovon zunehmend mehr Kinder aus Geschwisterreihen von Alleinerziehenden betroffen sind. Die Unterstützungsaktivitäten werden jeweils unterschiedlich ausfallen. Im Falle von Armut käme eine (Teil-)Befreiung bei der Kostenerhebung in Frage. Im Falle von Gefährdungsmomenten bei gleichzeitiger Armut, kommen sowohl die materielle Unterstützung als auch erzieherische Hilfen in Frage. Auch wäre auf ethnisch-kulturell bedingte Ausschlussgründe durch die Eltern mit Migrantenhintergrund anders zu reagieren (s. dazu Kap. 4.1), als wenn Eltern Heranwachsenden strikt jede Form von von Außenkontakten versagen, um deren alterstypisch notwendigen Autonomiebestrebungen zu unterbinden (Stichwort: seelische Mißhandlung). Diese Sensibilisierung für solche Phänomene sind nicht als Aufforderung zu interpretieren, quasi detektivisch etwas aufzuspüren oder Meldeverhalten zu provozieren. Vielmehr ist damit gemeint, dass solche Signale aufgenommen werden sollten, wenn sich Kinder in schwierigen Lebenslagen befinden, damit LehrerInnen und ErzieherInnen ihnen zur Seite stehen können und/oder erforderlichenfalls die vielerorts vorhandenen und auch spezialisierten sozialen Dienste/ Beratungsstellen für Kinder/Jugendliche und ihre Familien aktivieren (s. weiter unten). In Deutschland sind bis zu 27% Kinder von Armut betroffen, wenn sie bei einem alleinerziehenden Elternteil leben, bis zu 47% (zitiert nach Keupp, S. 48) Stand Kapitel-Nr. – Seite 20 Haupttitel Untertitel Schutzfaktoren stabilisieren Widerstandsfähigkeit (Resilienz) ausprägen helfen Erkenntnisse der Resilienzforschung aufgreifend bedeutet „den Kindern zur Seite stehen“ nicht ausschließlich den Blick auf Risikofaktoren zu richten. Nüchtern eingeschätzt, sind diese besonders im sozialen Nahraum ohnehin nur bedingt gänzlich auszuschließen, wenn die Kinder nicht fremdplaziert werden (Heim oder Pflegefamilie). Die Alternative heißt deshalb zumeist die Schutzfaktoren zu befördern und zu stabilisieren. Dadurch die Kinder in die Lage versetzt und befähigt werden, sich auch unter (fachlich einzugrenzenden) Lebensumständen und (abschätzbaren) Risikofaktoren gesund zu entwickeln. Diese Auffassung entspringt der Erkenntnis, die jedem auch in der Alltagswahrnehmung schon begegnet sein wird, nämlich, dass sich manche Kinder und Erwachsene trotz widrigster Umstände in der Balance halten können, während andere daran zerbrechen und krank werden. In der ersten Annäherung an dieses Phänomen wird klar, dass es so etwas wie schützende „Puffer“gibt. Diese federn offensichtlich erniedrigende, verletzende oder diskriminierende Situationen und Schicksalsschläge zumindest so ab, dass das seelische Gleichgewicht in dem Maße beibehalten werden kann, dass erlittene Verletzungen nicht völlig zerstörerische Wirkungen zeitigen. Um es deutlich zu machen, Resilienz meint mehr als die positive Entwicklung von Kindern und Abwesenheit von psychischen Störungen unter normalen Aufwuchsbedingungen. Sie zeigt sich vielmehr dann, wenn besondere Bewältigungsund Anpassungsleistungen vonnöten sind in Folge von schwer belastenden oder riskanten Lebensumständen (wie psychische Erkrankung eines Elternteils oder deren Tod, sexuellen Mißbrauch, körperliche und andere Mißhandlung, eigene chronische Erkrankung, Behinderung, Armut, dramatisch verlaufende elterliche Trennung/Scheidung usw.). Resilienz ist nicht schlechthin angeboren, sondern vor allem das Ergebnis der Qualität von Beziehungen, die Heranwachsende in ihren Familien, durch andere Stand Haupttitel 5/5– Seite 21 Untertitel - - Erwachsene oder zumindest in anderen Sozialisationsund Bildungs-Erziehungsorten erfahren. außerfamiliäre Kompensation sozialer Ressourcenfundus Daraus folgt, dass im negativen Fall eben diese Beziehungen andererorts kompensatorisch als Basiskompetenz aufgebaut werden müssen, um den Kindern gedeihliche Entwicklung zu ermöglichen. Neben der Qualität der sozialen Beziehungen sind solche Faktoren wichtig, wie positives Selbstkonzept, Vertrauen, soziale Reflektion usw. Diese können ihrerseits ebenfalls kompensatorisch außerhalb des Herkunftmilieus als pädagogische Entwicklungsaufgaben begriffen werden. Hierin besteht die echte Herausforderung all derer, die mit der Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen be- und vertraut sind. Da Peergroups – besonders für Heranwachsende – einen wichtigen sozialen Ressourcenfundus darstellen, der auch in Belastungssituationen zu deren Bewältigung aktiviert werden kann, um sich Hilfe zu holen, bedarf es hier nicht selten konkreter pädagogischer Unterstützung. Zunächst gilt es schlechthin festzustellen, ob der Heranwachsende in außerfamiliäre soziale Strukturen ausreichend eingebettet ist, um ihn gegebenenfalls darin zu unterstützen, vorhandene zu pflegen bzw. neue aufzubauen. Eine solche aktive Beziehungsarbeit setzt ein entsprechendes Qualitätsniveau von sozialen Kompetenzen voraus, welches in den in Rede stehenden sozialen Milieus oft kaum/nicht erreicht wird. Da der Grad sozialer Eingebundenheit hohen Einfluss auf die Ich-Identität (die emotionale Sicherheit mit Bezug auf die eigene Person) hat und eine zentrale Widerstandsquelle ist, um belastende Lebenssituationen zu bewältigen, bedarf es hier der behutsamen Unterstützung (vgl. dazu weiterführend Keupp, S. 44 ff.) Hier wird sicherlich deutlich, was das große Wort von ressourcen- und kompetenzorientierter Arbeit meint: Eine solche Pädagogik ist also weniger darauf orientiert, festzustellen und aufzuschreiben was ein Kind (und Stand Kapitel-Nr. – Seite 22 Haupttitel Untertitel Schlüsselaufgaben zur Vermeidung von Kindeswohlgefährdung unter den oben skizzierten Bedingungen verständlicherweise) alles noch nicht kann, sondern wo erkannt wird, was das Kind in seiner mißlichen Lage alles schon oder immer noch kann. Wenn alle Arbeit in Kindergarten und Schule so orientiert wäre, so würde sie eine Primärprävention ersten Güte leisten. Der Bayerische (und Hessische) Bildungsplan für den Elementar-(und Primar)bereich nimmt den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdungen auf und benennt dafür drei Schlüsselaufgaben, die allerorten gleichermaßen im Interesse von noch nicht oder bereits gefährdeten Kindern Anwendung finden sollten: „Ressourcen-zentrierte Hilfen zielen darauf ab, die Wirksamkeit vorhandener personaler und sozialer Ressourcen des Kindes zu erhöhen. Sie umfassen Bildungsangebote für Kinder, bei denen sie die für die Resilienz bedeutsamen Kompetenzen erwerben können. Beratungs- und Bildungsangebote für Eltern (Stärkung der Elternkompetenz) und Qualifizierungsangebote für das pädagogische Personal (z.B. zur Verbesserung der Interaktionsqualität) Prozess-zentrierte Strategien zielen darauf ab, die (für die kindliche Kompetenzentwicklung grundlegenden) Systeme in die Lern- und Entwicklungsprozesse der Kinder positiv einzubinden bzw. verfügbar zu machen. Dazu zählen insbesondere: Bindungsund Familiensysteme, Systeme der Selbstregulation, Motivationssysteme, Herausforderungen bewältigen, kommunale Organisationssysteme sowie spirituelle und religiöse Systeme. Beispiele sind die Unterstützung der Eltern bei Aufbau und Sicherung einer positiven Eltern-Kind-Bindung, die Unterstützung der Kinder bei der Entwicklung von Stressbewältigungskompetenzen, die Stand Haupttitel 5/5– Seite 23 Untertitel - - Auf Prävention gerichtete Strategien Integration von Jungendhilfeangeboten in Kindertageseinrichtungen. Risiko-zentrierte Strategien zielen darauf ab, das Ausmaß an gefährdenden Einflüssen und risikoerhöhenden Bedingungen zu reduzieren bzw. deren Auftreten zu verhindern. Präventive Angebote können sich z.B. an alle Kinder richten, bei denen sie lernen, sich vor gefährdenden Einflüssen selbst zu schützen (z.B. kompetenter Umgang mit Medieneinflüssen), und speziell an Kinder, die für ihre positive Entwicklungsbiographie mehr Unterstützung brauchen (z.B. intensivere Sprachförderung für nicht-deutsch sprechende Migrantenkinder und sozial benachteiligte Kinder; frühzeitige Erkennung und Prävention von Entwicklungsrisiken; lokale Netzwerkarbeit bei Gefährdungen des Kindeswohls.“ (ReichertGarschhammer 2005, S. 6) Diese Strategien sind in ihrer Gesamtheit auf die Prävention gerichtet und schließen ein, sowohl die individuelle Ebene (Stärkung des Kindes als kompensatorische Aufgabe durch LehrerInnen und ErzieherInnen), interaktionale Ebene (Qualität der Bindungen, Beziehungen, Interaktion und Unterstützung durch Eltern und Pädagogen) kontextuelle Ebene (Rahmenbedingungen, Kooperation und Vernetzung im Sozialraum mit dortigen sozialen Diensten und Einrichtungen (vgl. dazu ebd., S. 5f.) Einbeziehung von Fachkräften des Jugendamtes und helfender Berufe Wenn sich die Situation für die Kinder nach Einschätzung der LehrerInnen oder ErzieherInnen trotz des o.g. Engagements eher noch zu verschlechtern scheint, ist die rechtzeitige Einbeziehung von bzw. Stand Kapitel-Nr. – Seite 24 Haupttitel Untertitel Im Zweifelsfall ist immer das Jugendamt zuständig Information an entsprechende(n) Fachkräfte(n) in helfenden Berufen angezeigt. Dort, wo ein(e) SchulsozialarbeiterIn tätig ist, oder wo ein arbeitsfähiger schulpsychologischer Dienst existiert, wäre dies eine erste niedrigschwellige Kontaktmöglichkeit, genauso wie zum Kinderschutzbund oder den Kinderschutzzentren. In jedem Telefonbuch finden sich - oft schon auf den Vorblättern - unter dem Stichwort „Notrufe“ einschägige Kontaktadressen (s. dazu auch Kap. 7. 1 Hilfreiche Internetadressen: Mißbrauch, Misshandlung, Vernachlässigung von Kindern). Im Zweifelsfall ist immer das Jugendamt zuständig, welches je nach Anlaß und Inhalt der Informationen nicht selten zunächst einen eher sog. niedrigschwelligen Beratungsdienst beauftragt (s.o.). Wenn allerdings „Gefahr in Verzug“ ist, also schnelles Handeln vonnöten ist, kann es zur Abwendung einer akuten Gefährdungssituation (oder im Jugendamt niemand zu erreichen ist) nötig sein, die Polizei zu informieren, die ihrerseits in jedem dieser Fälle das Jugendamt einschaltet. 5.5.5 Jugendhilfe ist auf Informationen angewiesen Arbeitsweise der Jugendämter und anderer Kinderschutzinstitutionen Nicht um Bestrafung geht es, sondern um helfende Intervention, wenn Fachkräfte des Jugendamtes oder von Kindesschutzorganisationen wirksam werden müssen, weil die Famlien nicht von sich aus auf diese zukommen, sondern z.B. Informationen durch LehrerInnen, ErzieherInnen, andere Betreuungspersonen, aus der Öffentlichkeit, auch von Nachbarn oder der Polizei gegeben werden. Damit wird klar, die Jugendhilfemitarbeiter sind in dem Grundrechtsverständnis und dem demgemäßen Stand Haupttitel 5/5– Seite 25 Untertitel - - Gesetzesauftrag auf Informationen angewiesen wenn sie handeln sollen. Sie „durchforsten“ quasi nicht Familien oder Erziehungs- oder Bildungseinrichtungen nach potentiellen Gefährungs- oder Mißbrauchsfällen. Prinzipien und Selbstverständnis der Arbeitsweise bei Kindeswohlgefährdung In der Broschüre „Kindesmißhandlung. Erkennen und Handeln“, welches das Kinderschutzzentrum Berlin im Auftrage des zuständigen Bundesministeriums herausgegeben hat, wird das vielfach angewandte Modell der intergrierten Intervention5 vorgestellt, welches sich eignet, exemplarisch kurz und knapp das Selbstverständnis und die Prinzipien der Arbeitsweise bei Kindeswohlgefährdung kenntlich zu machen: 5 „Es wird mit den Eltern und mit den Kindern gearbeitet. Dies kann geschehen in der Form der Famlienberatung und – therpie, einer Elternberatung oder Paarberatung bei gleichzeitiger, jedoch getrennter Kindertherapie; Einzelberatungen und Gruppenberatungen kommen dabei in Frage. Es wird mit der Famlie nicht nur eine Beziehung auf beraterischer Ebene aufgebaut, velmehr erhält die Familie in materiellen Fragen und Problemen konkrete Unterstützung, z.B. bei der Wohnungssuche oder der Durchsetzung von Sozialhilfeanspüchen (heute zumeist ALG II - B.S.) Die Fachkäfte begleiten die Familie und unterstützen sie in ihrem Alltag, wenn sie auf diese Hilfe angewiesen ist. Sie tragen dazu bei, dass reale Versorgung und Unterstützung der Familie sichrgestellt Interessierte finden bei Zenz, G. weitere Modelle: Elternzentrierte, Kindzentrierte, Familienzentrierte Stand Kapitel-Nr. – Seite 26 Haupttitel Untertitel wird und bieten zugleich eine gezielte Beratung für Eltern und Kinder an. Prinzipien der Hilfe „Wer Kinder schützen, Eltern helfen will, darf nicht mit „Maßnahmen“ bedrohen; auch Beschuldigungen helfen nicht weiter. Damit Kinderschutz effektiv wird, braucht er eine klare Orientierung, ein eindeutiges professionelles Mandat: Wer wirklich helfen will, verzichtet von Anfang an auf die Suche nach dem „Täter“. Man wird bei einer solidarischen Beziehung zur Familie eh erfahren, was überhaupt los war und wie es zur Mißhandlung kam. Hilfe heißt nicht, Straftaten zu ermitteln (dafür ist ein anderes Berufssystem zuständig), sondern Konflikte zu thematisieren und nach Wegen aus der Krise und Belastungen gemeinsam zu suchen. Wer auf das Prinzip der Freiwilligkeit baut, kommt weiter; Hilfe ist langfristig tragfähiger als Zwang und Strafverfolgung. Hilfe kann helfen, dass Menschen, die außer Kontrolle sind, sich wieder in die Hand kriegen, sich zu kontrollieren lernen. Hilfe kann helfen, aus Ohnmacht und Beziehungskonflikt herauszukommen. Das Prinzip der Freiwilligkeit dürfen und müssen wir bei Lebensgefahr eines Kindes bzw. bei Handlungsunfähigkeit der Sorgeberechtigten durchbrechen, wenn wir zur Notfallhilfe im Interesse der Gewährleistung des Kindeswohls verpflichtet sind. Kindesmisshandlung als komplexe Konflikt- und Beziehungsstruktur Kindesmisshandlung entwickelt sich als komplexe Konflikt- und Beziehungsstruktur. Hier kann man nur mit vielseitigen, umfassenden Hilfen weiterkommen; ein hochspezialisiertes, arbeitsteiliges Hilfsprogramm ist fehl am Platz.“ (Kinderschutzzentrum, S. 91f.) Stand Haupttitel 5/5– Seite 27 Untertitel - - Nachhaltigkeits-gedanke Spannungsfeld „zu frühe/zu späte Intervention“ 6 Festzuhalten bleibt, dass Kinderschutz nicht eindimensional auf das unmittelbare Gefährungs/Mißbrauchsphänomen fixiert sein kann und Aktionismus nicht weiterhilft. Die oben beschriebene Art professionellen Handelns löst in der Öffentlichkeit mitunter nicht die (zunächst zwar verständlichen) voller Empörung getragenen moralischen Erwartungen dragonischen Vorgehens ein. Die Fachkräfte wissen aber, dass es auch ein Leben nach den Fernsehkameras und spektakulären Reportagen gibt und wissen aus ihrer Berufserfahrung nur zu gut, daß Eltern-Kind-Beziehungen auch über schlimme Ereignisse hinweg präsent bleiben: ein Leben lang. Deshalb geht es nicht nur um die akute Situationsbewältigung. Die Professionellen fühlen sich deshalb dem akuten Krisenmanagement und der Nachhaltigkeit in ihrer Interventionsstrategien verpflichtet, so dass sich i. d. R. drei Bereiche ergänzen: die konkrete Entlastung der Familie, die materielle Unterstützung sowie Beratung (ggf. Therapie) für die Eltern und Kinder/Jugendlichen. Die konkrete Entlastung für die Eltern/den Elternteil kann hier heißen, aber vor allem auch im wohlverstandenen Kinderschutzinteresse,6 das Kind (vorübergehend) außerhalb der Famlie unterzubringen. Die Fachkräfte haben bei einer solchen Entscheidung folgende Fragestellungen zu beantworten, die sich immer der öffentlichen Kritik zwischen den Polen einer zu frühen Intervention und des zu langen Wartens ausgesetzt sieht: Kinder können inzwischen nach §§ 1666 und 1666a BGB in Anknüpfung an § 1361b BGB auch geschützt werden, indem ein Elternteil oder ein Dritter aus der Wohnung verwiesen wird, der sich dem Kind gegenüber gewalttätig oder in sonstiger Weise gefährdend verhalten hat (s. dazu auch Kap. 6.6). Stand Kapitel-Nr. – Seite 28 Haupttitel Untertitel Fragestellungen für adäquates fachliches Handeln Risikoeinschätzung bei der Entscheidungsfindung „Wie groß ist das Risiko einer Kindeswohlgefährdung, wenn das Kind in seiner Familie verbleibt? Welche konkreten Gründe sprechen für eine Fremdunterbringung außerhalb der Famlie als die am wenigstens schädliche Alternative? Welche Form außerfamiliärer Erziehungshilfe ist in Anbetracht der Entwicklungbedürfnisse des Kindes angezeigt?“ (ebd. S. 111) Bei der Entscheidungsfindung ist die Risikoeinschätzung fundamental und soll durch durch nachfolgende Fragestellungen aufgelöst werden: „Inwieweit ist das Wohl des Kindes durch die Sorgeberechtigten gewährleistet oder ist dies zum Teil oder überhaupt nicht der Fall? (Gewährleistung des Kindeswohls) Sehen die Sorgeberechtigten und die Kinder selbst ein Problem oder ist dies weniger oder nicht der Fall? (Problemakzeptanz) Stimmen die Sorgeberechtigten und die Kinder mit den beteiligten Fachkräften in der Problemkonstruktion überein oder ist dies weniger oder gar nicht der Fall? (Problemkongruenz) Sind die betroffenen Sorgeberechtigten und Kinder bereit, die ihnen gemachten Hilfeangebote anzunehmen und zu nutzen oder ist dies nur zum Teil oder gar nicht der Fall? (Hilfeakzeptanz)“ (ebd.) Der Entscheidung wiederum, ob eine unvermeidliche Fremunterbringung in einer Pflegefamilie oder im Heim erfolgt sollte, richtet sich nach folgenden Kriterien Entscheidung, ob eine Fremdunterbringung des Kindes notwendig ist „Familienpflege ist in der Regel indiziert bei: Säuglingen, Kleinkindern, Vorschulkindern Kindern (bis unter 10 Jahren) mit langfristiger Fremdunterbringungsperspektive) Stand Haupttitel 5/5– Seite 29 Untertitel - - Kindern, die eine intensive, kontinuierliche Einzelförderung bzw. –pflege brauchen. Heimerziehung bzw. andere stationäre Formen der Erziehungshilfe sind in der Regel indiziert bei: Geschwistergruppen, es sei denn, es findet sich eine besonders dafür geeignete Pflegestelle Älteren Kindern (ältere Schulkinder/Jugendliche/junge Erwachsene) Kindern, deren Probleme nur im Kontext einer Gemeinschaft bzw. mit einer besonderen fachlichen Hilfe (durch in der Regel mehrere Fachkräfte) bewältigt werden können“(ebd. S. 113). 5.5.6 personenbezogene Daten und Informationen unterliegen dem Sozialdatenschutz Stand Anmerkungen zum Spannungsfeld zwischen Datenschutz und Kindesschutzinteressen LehrerInnen und ErzieherInnen verfügen aus ihren Arbeitszusammenhängen heraus über nicht wenige personenbezogene Daten und Informationen über Kinder/Jugendliche und ihre Familien, welche aus guten und nachvollziehbaren Gründen bekanntermaßen den Bestimmungen über den Sozialdatenschutz unterliegen. Nach einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1983 hat jeder das Recht, über die Preisgabe und die Verwendung seiner Daten i.d.R. selbst zu bestimmen. Davon ausgehend findet sich Entsprechendes in weiterführenden Datenschutzgesetzen und Vorschriften, Bestimmungen und dgl. zu Amts-, BetriebsBerufsgeheimnissen und Bestimmungen zum besonderem Vertrauensschutz in unterschiedlichsten Kapitel-Nr. – Seite 30 Haupttitel Untertitel Berufsgruppen, so für sog. Vertrauensberufe, zum besonderen Schutz im Umgang mit Sozialgeheimnissen (Sozialdatenschutz) die insbesondere auch für LehrerInnen, ErzieherInnen usw. von Relevanz sind (Genaueres dazu z.B. in: Reichert-Garschhammer 2001, S. 132 - 156). Datenschutz und Kinderschutz Aufgaben- und zweckgebunden dürfen Daten erhoben werden. Anfragen nötigenfalls anonymisieren und pseudonymisieren Diese Rechte kollidieren aber im Kontext der hier zu behandelnden Kindesschutzinteressen. Diese sind gegeneinander abzuwägen. Wenn die Eltern der Informationsweitergabe zustimmen, stellt sich die Frage nicht. Anders verhält es sich, wenn in informationelle Selbstbestimmungsrechte eingegriffen werden soll, was möglich ist, wenn die Informationweitergabe auf Grund einer akuten Notsituation (rechtfertigender Notstand, mutmaßliche Einwilligung) erfolgt (z.B. bei Gefahr an Leib und Leben eines Kindes) oder wenn diese abzuwägende Entscheidung im Interesse der Allgemeinheit dringend geboten ist (wie z.B. bei Gesundheitsgefahren der Bevölkerung, Kapitalverbrechen). Die erwähnten Gesetzesänderungen zum Kinderschutz ermöglichen es nunmehr den MitarbeiterInnen der Jugendämter, auch Informationen bei LehrerInnen, Erzieherinnen u.a. Betreuungspersonen aufgaben- und zweckgebunden zu erheben. Insofern sind diese auch auskunftsverpflichtet. „Hinsichtlich einer Datenerhebung bei Dritten waren die Befugnisse im Kontext der Kindeswohlgefährdung (nach § 8a SGB VIII7 - B.S.) zu eng“ (Gesetzesbegründung zum § 62 TAG) LehrerInnen, ErzieherInnen, Pädagogen und andere zu besonderem Datenschutz verpflichtete Peronen können sich bei der Risikoabschätzung der Kindeswohlgefährdung im Zweifelsfall auch anonymisiert und pseudonymisiert ratsuchend an Jugendämter und ander soziale Dienste/Beratungsstellen wenden, so dass Stand Haupttitel 5/5– Seite 31 Untertitel - - sie nicht in Gefahr des Vorwurfs der Datenpreisgabe geraten. Gleiche gilt für die Speicherung und Nutzung von sensiblen Sozialdaten innerhalb von Institutionen, so bei Trägern der öffentliche Jugendhilfe (§ 64 TAG). Abschließend soll (idealtypisch) der Handlungsalgorithmus der SozialarbeiterInnen des Jugendamtes bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung dargestellt werden: Einfügung Abbildung 4 Quellen: Bange, D.: Die dunkle Seite der Kindheit. Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen. Ausmaß – Hintergrund – Folgen. Köln 1992 Bründel, H./Hurrelmann, K.: Gewalt macht Schule. Wie gehen wir mit aggressiven Kindern um? München 1994 Enders; U. (Hg.): Zart war ich bitter war’s. Sexueller Mißbrauch an Mädchen und Jungen 1990 Engfer, A.: Kindesmißhandlung. Ursachen – Auswirkungen – Hilfen. Stuttgart 1986 Kinderschutzzentrum Berlin (Hg.): Kindesmisshandlung Erkennen und Helfen. Berlin 2000 Keupp, H.: Risiken von Familien und Kindern und ihre Bewältigungsstrategien. In.: ISA-Jahrbuch zur sozialen Arbeit. Münster 2005 Ministerium für für Gesundheit, soziales, Frauen und Familie (Hg.): Ursula Enders: Ratgeber gegen sexuellen Missbrauch. Im Internet unter: www.mgsff.nrw.de/familienratgeber/rat_und_hilfe/hilf e/missbrauch_03.pdf, Stand 12.12.2006 Stand Kapitel-Nr. – Seite 32 Haupttitel Untertitel Münder, J./Mutke, B./Schone, R.: Kindeswohl zwischen Jugendhilfe und Justiz. Münster 2000 Reichert-Garschammer; E.: Qualitätsmanagement im Praxisfeld Kindertageseinrichtung. Blickpunkt: Datenschutz. Staatsinstitut für Frühpädagogik. Kronach/München/Bonn/Potdam 2001 Reichert-Garschammer; E.: Schutzauftrag bei Kindewohlgefährdungen. Staatsinstitut für Frühpädagogik, München (unveröff. . Manuskr. für ISA Münster) 2005 Schmidtchen, S.: Kinderpsychotherapie – Grundlagen, Ziele, Methoden. Stuttgart 1989 Schone, R./Gintzel, U./Jordan, E./Kalscheuer, M./Münder, J.: Kinder in Not. Münster 1997 Wegner, W.: Misshandelte Kinder. Grundwissen und Arbeitshilfen für pädagogische Berufe. Weinheim/Basel 1997 www.bka.de/pks/zeitreihen/pdf/t91_opfer_insg.pdf, Stand 12.12.06 www.regensburg.de/jugend/07_probleme_hilfe/gewalt_s exueller_missbrauch.shtml, Stand 12.12.05 Zenz, G.: Kindesmisshandlung und Kindesrechte. Erfahrungswissen, Normstruktur und Entscheidungsrationalität. Frankfurt/M. 1979 Literaturempfehlung: Kinderschutzzentrum Berlin (Hg.): Kindesmisshandlung Erkennen und Helfen. Berlin 2000 Stand