aus_bghst_42_219

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aus BGHStE 42, 219 ff.
Leitsatz: Der Straftatbestand des Vorrätighaltens zum Verkauf, des Anbietens sowie
des Verkaufs von lebenden oder toten Tieren einer vom Aussterben bedrohten Art
oder ihrer Teile verletzt als Blankettstrafnorm in Verbindung mit der Verordnung
(EWG) Nr. 3626/82 oder der Bundesartenschutzverordnung in deren gegenwärtiger
Fassung weder das Demokratieprinzip noch den Bestimmtheitsgrundsatz.
Sachverhalt: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen jeweils
gewerbsmäßig begangenen Vorrätighaltens von Tieren einer besonders
geschützten und einer vom Aussterben bedrohten Art zum Verkauf,
Verkaufs von Tieren einer besonders geschützten und einer vom
Aussterben bedrohten Art in neun Fällen, Anbietens von Tieren einer
vom Aussterben bedrohten Art in drei Fällen und Anbietens von Tieren
einer besonders geschützten Art [wegen Verstoßes gegen §§ 30 a, 30
Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG [aF; vgl. § 66 I, II iVm § 65 III iVm Verordnung
(EG) Nr. 338/97] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und
sechs Monaten verurteilt.
aus den Gründen: . Die Feststellungen tragen den Schuldspruch.
a) Die rechtliche Nachprüfung hat ergeben, daß sämtliche Tiere, auf die
sich das Verfahren noch bezieht, zur Zeit der Tat und auch danach
ununterbrochen bis zur Entscheidung desSenats ausdrücklich als Tiere
einer vom Aussterben bedrohten Art bezeichnet sind.
aa) Für einen Teil der Tiere ergibt sich dies aus Anhang A/Anhang I der Verordnung
(EWG) Nr. 3626/82 des Rates zur Anwendung des Übereinkommens über den
internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen in der
Gemeinschaft vom 3. Dezember 1982 (ABlEG Nr. L 384/1), auf die in den genannten
Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1, Art. 2
lit. a der Verordnung verwiesen wird. Dies gilt für Seeadler (haliaeetus albicilla),
Gerfalken (falco rusticulus), Wanderfalken (falco peregrinus) und Fischotter (lutra
lutra). Diese Tiere waren nicht nur in der ursprünglichen Fassung der Verordnung
(EWG) Nr. 3626/82 ausdrücklich in Anhang A/Anhang I genannt. Auch alle
Änderungen dieser Verordnung – nur soweit sie hier von Bedeutung sein könnten –
haben diese Rechtslage aufrechterhalten, nämlich die Verordnung (EWG) Nr.
3645/83 des Rates vom 28. November 1983 (ABlEG Nr. L 367), die Verordnung
(EWG) Nr. 2384/85 der Kommission vom 30. Juli 1985 (ABlEG Nr. L 231), die
Verordnung (EWG) Nr. 2295/86 des Rates vom 21. Juli 1986 (ABlEG Nr. L 201),
sowie die Verordnungen (EWG) – jeweils der Kommission – Nr. 1540/87 vom 22. Mai
1987 (ABlEG Nr. L 147), Nr. 3143/87 vom 19. Oktober 1987 (ABlEG Nr. L 299), Nr.
3188/88 vom 17. Oktober 1988 (ABlEG Nr. L 285), Nr. 197/90 vom 17. Januar 1990
(ABlEG Nr. L 29), Nr. 1970/92 vom 30. Juni 1992 (ABlEG Nr. L 201) und zuletzt
Verordnung (EG) Nr. 558/95 der Kommission vom 10. März 1995 (ABlEG Nr. L 57).
Der Senat teilt darüber hinaus nicht die in der Literatur mit Blick auf
das Demokratieprinzip und das Bestimmtheitsgebot gegen die
Verfassungsmäßigkeit der Strafnorm der §§ 30 a, 30 Abs. 1 Nr. 3
BNatSchG erhobenen Bedenken hinsichtlich ihrer Verweisung auf
die Verordnung (EWG) Nr. 3626/82 als blankettausfüllende Norm
(Weber, Naturschutz mit den Mitteln des Straf- und
Ordnungswidrigkeitenrechts, Diss. 1991 S. 86 ff. m.w.Nachw.). Der
deutsche Gesetzgeber hat in den genannten Vorschriften des
Bundesnaturschutzgesetzes die Voraussetzungen der Strafbarkeit
sowie Art und Maß der Strafe im Blankettstrafgesetz hinreichend
deutlich umschrieben. Anerkannt ist für das zusätzlich an
verwaltungsrechtliche Vorschriften anderer Gesetzgeber oder (u.a.)
an Verwaltungsakte anknüpfende Umweltstrafrecht (§§ 324 ff., 330 d
Nr. 4 StGB), daß durch diese Verweisungen der Strafnormen weder
eine »Selbstentmachtung« des (Bundes-)Gesetzgebers stattfindet
noch die Bestimmtheit des Straftatbestands in Frage gestellt ist
(BVerfGE 75, 329, 340 ff., 346 f.; Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht
Rdn. 29 f.; Steindorf in LK 11. Aufl. vor § 324 Rdn. 24 ff. und § 324 Rdn.
25; differenzierend Perschke wistra 1996, 161, 163, jew. m.w.Nachw.;
vgl. hierzu Triffterer, Umweltstrafrecht in Ulsamer, Lexikon des
Rechts/Strafrecht, Strafverfahrensrecht 2. Aufl. S. 1034 ff.).
Entsprechendes gilt auch hier.
Der deutsche Gesetzgeber hat mit der Beschreibung der
Tathandlungen in § 30 a in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG
einerseits und der Bezeichnung der vom Aussterben bedrohten Tierarten
als Tatobjekt (§ 30 a Abs. 2 BNatSchG) andererseits die
Voraussetzungen der Strafbarkeit selbst hinreichend deutlich
umschrieben (vgl. BVerfG aaO S. 343). Auch ohne Verweisung auf die
Verordnung (EWG) Nr. 3626/82 wäre der so umschriebene
Straftatbestand bereits aus sich heraus verständlich. Das
Tatbestandsmerkmal der Zugehörigkeit der Tiere zu einer »vom
Aussterben bedrohten Art« knüpft an beweisbare Tatsachen an. Sie sind
dem interessierten Normadressaten grundsätzlich zugänglich. Dies gilt
insbesondere für sachkundige Personen (vgl. BVerfG aaO), die im Sinne
des § 30 a BNatSchG gewerbs- oder gewohnheitsmäßig handeln, wie im
vorliegenden Fall der Angeklagte, derZoologie studiert hat und jahrelang
als Hobby-Ornithologe tätig gewesen war.
….
Auch das Bestimmtheitsgebot der Art. 103 Abs. 2, 104 Abs. 1 Satz 1
GG ist durch den aus den §§ 30, 30 a BNatSchG in Verbindung mit der
Verordnung (EWG) Nr. 3626/82 zusammengesetzten Straftatbestand
nicht verletzt (vgl. für den »verwaltungsrechtsakzessorischen« § 327
StGB BVerfG aaO S. 340 ff.). Die Verweisung auf die Verordnung
(EWG) Nr. 3626/82 dient ausschließlich der weiteren Präzisierung
des bereits bestimmten Straftatbestandes. Allein eine lange
Verweisungskette, die eine Mehrzahl von Einzelvorschriften
zusammenfaßt (krit. Weber aaO S. 91; abl. Hammer MDR 1990, 369,
370), führt noch nicht zur Unbestimmtheit im Sinne von Art. 103
Abs. 2 GG. Diese Regelungstechnik ist im Nebenstrafrecht üblich
und dient der lückenlosen Erfassung komplexer Materien.
Unüberwindliche Probleme für die Rechtsanwendungspraxis (vgl.
BVerfG NJW 1993, 321 f.; BayObLGSt 1987, 59 ff. und 1993, 84 ff.;
OLG Hamburg OLGSt Nr. 1 zu § 30 a BNatSchG) haben sich daraus
bisher nicht ergeben.
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