Urteile zur Vertrauenshaftung I - Juristische Fakultät Uni Basel

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114 II 250 (Bestätigungsschreiben)
Regeste
Art. 6 OR. Wirkungen eines Bestätigungsschreibens.
Einem Bestätigungsschreiben, das unwidersprochen bleibt, kommt keine
rechtserzeugende Wirkung zu, wenn das Schreiben derart vom Verhandlungsergebnis
abweicht, dass nach Treu und Glauben nicht mit dem Einverständnis des Empfängers
gerechnet werden darf.
A.- Die Firma A. ist in der Papierbranche tätig. Sie belieferte B. einige Jahre lang mit
Waren, wofür B. ihr im März 1983 noch Fr. 171'916.05 schuldete. Am 30. März
verhandelten die Parteien über die Tilgung der Schuld, nach Angaben der Firma aber
ohne Erfolg. Es kam daraufhin zwischen ihnen noch zu einem Telefongespräch. Mit Brief
vom 11. April teilte B. der Firma A. mit, dass er ohne umgehende gegenteilige Nachricht
ihr "vereinbarungsgemäss bis spätestens 14. April 1983" per Saldo aller weiteren
Ansprüche Fr. 30'000.-- überweisen werde, was er an diesem Tag auch tat.
Die Firma A. will mit Schreiben vom 15. April einer solchen Regelung der Schuld
widersprochen und den überwiesenen Betrag als blosse Akontozahlung bezeichnet
haben. B. hat das Schreiben angeblich nicht erhalten. Der Aufforderung der Firma vom 8.
Februar 1984, die ihres Erachtens noch ausstehende Schuld von Fr. 141'916.05 zu
begleichen, kam er nicht nach. Diesen Betrag nebst Zins klagte die Firma A. sodann ein.
BGE 114 II 250 S. 251
B.- Das Amtsgericht Luzern-Stadt wies die Klage ab. Auf Appellation der Klägerin hiess
das Obergericht des Kantons Luzern sie am 27. Januar 1988 dagegen gut, weil eine
Einigung der Parteien auf einen teilweisen Schulderlass zu verneinen und dem angeblich
unwidersprochen gebliebenen Schreiben des Beklagten vom 11. April 1983 eine
rechtsbegründende Wirkung, welche die fehlende Einigung ersetzen könnte,
abzusprechen sei.
Der Beklagte hat dagegen Berufung eingelegt, die vom Bundesgericht abgewiesen wird.
Auszug aus den Erwägungen:
2. Der Beklagte macht ferner geltend, in seinem Schreiben vom 11. April 1983 sei
jedenfalls eine Vertragsofferte zu erblicken, welche die Klägerin, wie aus ihrem Verhalten
nach dem Empfang des Schreibens erhelle, stillschweigend angenommen habe. Das
Obergericht habe dies zu Unrecht verneint und dadurch Art. 6 OR verletzt.
a) Diese Bestimmung regelt den Abschluss eines Vertrages durch stillschweigende
Annahme eines Antrages. Sie ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht unmittelbar
anwendbar, da der Beklagte am 11. April gar nicht der Meinung war, der Klägerin eine
Offerte zu unterbreiten. Das Bundesgericht hat indes ihre analoge Anwendung auf Fälle
bejaht, in denen ein vermeintlich mündlich abgeschlossener Vertrag schriftlich bestätigt
wurde, ohne dass der Empfänger sich innert angemessener Frist dagegen verwahrt hätte;
es hat damit einem unwidersprochen gebliebenen Bestätigungsschreiben jedenfalls im
kaufmännischen Verkehr rechtserzeugende Kraft mit konstitutiver Wirkung zuerkannt
(BGE 100 II 22 E. 3a mit Hinweisen). Die Lehre hat sich diesem Grundsatz
angeschlossen (SCHMIDLIN, N. 80 ff. zu Art. 6 OR; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 67 ff.
zu Art. 6 OR; GUHL/MERZ/KUMMER, OR 7. Aufl. S. 98; GAUCH/SCHLUEP, OR Allg.
Teil 4. Aufl. I Rz. 841 ff.; KELLER/SCHÖBI, Allgemeine Lehren des Vertragsrechts, 3.
Aufl. S. 34; VON TUHR/PETER, OR Allg. Teil I S. 189 Anm. 61; BUCHER, OR Allg. Teil
S. 122; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, S. 147).
Dass einem Bestätigungsschreiben, das unwidersprochen bleibt, selbst dann
rechtserzeugende Kraft zukommt, wenn die Parteien vorher ergebnislos verhandelt oder
sich in wesentlichen Punkten noch nicht geeinigt haben und der Absender nicht bewusst
etwas
BGE 114 II 250 S. 252
Unrichtiges bestätigt, wie in BGE 71 II 223 /24 angenommen wurde, ist in BGE 100 II
22 /23 freilich angezweifelt worden. Entscheidend ist indes, dass die rechtserzeugende
Kraft eines solchen Schreibens sich so oder anders nur aus dem Grundsatz der
Vertrauenshaftung ergeben kann, welcher sich der Empfänger aussetzt, wenn er
schweigt, obschon er an sich allen Anlass hätte, dem Schreiben zu widersprechen
(SCHMIDLIN, N. 89 und 99 ff. zu Art. 6 OR; VON BÜREN, OR Allg. Teil S. 136/37). Damit
setzt der Vertrauensgrundsatz nicht nur der konstitutiven Wirkung, sondern auch der
Bindung des Schweigenden Schranken. Der Absender darf deshalb nicht von einer
solchen Bindung ausgehen, wenn sein Schreiben vom Verhandlungsergebnis derart
abweicht, dass nach Treu und Glauben nicht mehr mit dem Einverständnis des
Empfängers gerechnet werden darf (SCHMIDLIN, N. 100 ff. zu Art. 6 mit Hinweisen).
Dies beurteilt sich nach einem objektiven Massstab, hängt folglich nicht von der
subjektiven Einstellung des Absenders ab, selbst wenn die schriftliche Bestätigung eines
angeblichen Verhandlungsergebnisses, das vom tatsächlich erzielten erheblich abweicht,
regelmässig auch auf Unsorgfalt oder gar auf Unredlichkeit schliessen lässt (vgl.
SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 95 zu Art. 6 OR). Ob eine bewusste Falschbestätigung
vorliegt, ist zudem eine Frage des Beweises, der für einen bestimmten Willen oder
ähnliche innere Vorgänge meistens schwierig und nur über eine tatsächliche Vermutung
erbracht werden kann (BGE 110 II 4 E. 3b). Wenn die rechtserzeugende Kraft eines
streitigen Bestätigungsschreibens nach dem Vertrauensgrundsatz ermittelt und begrenzt
wird, geht es dagegen um eine Frage der Rechtsanwendung. Aus diesem Unterschied
erhellt, dass die rechtliche Begrenzung vorzuziehen und aus Gründen der
Rechtssicherheit auch sachlich gerechtfertigt ist.
b) Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat die Klägerin anlässlich der
Besprechung vom 30. März 1983 einen Prozentvergleich mit einer Saldozahlung von Fr.
30'000.-- ausdrücklich abgelehnt. Bis zum 11. April sodann, als der Beklagte der Klägerin
schrieb, führten die Parteien zwar ein Telefongespräch, dessen angeblich positiver
Ausgang aber von der Klägerin bestritten wurde und zudem unbewiesen blieb. Der
Beklagte beruft sich somit auf Bestätigungen, die dem negativen Verhandlungsergebnis
stracks zuwiderlaufen und darauf ausgehen, der Klägerin eine Lösung zu unterstellen, die
sie von Anfang an zurückgewiesen
BGE 114 II 250 S. 253
hat. Unter diesen Umständen geht es schon nach dem Vertrauensgrundsatz nicht an,
dem unwidersprochen gebliebenen Bestätigungsschreiben des Beklagten eine
konstitutive Wirkung beizumessen, gleichviel wie es sich damit nach den Absichten des
Absenders und dessen Finanzlage verhielte.
120 II 197 (Stellvertretung Sportgeschäft)
Regeste
Stellvertretung; Vertrauenshaftung (Art. 33 Abs. 3 OR).
Kriterien der normativ zurechenbaren, auf Rechtsschein beruhenden Vollmacht (E. 2a). Voraussetzungen der Vertrauenshaftung nach Art. 33 Abs. 3 OR (E. 2b). - Tatsächlicher
oder objektiver Vertretungswille des Vertreters (E. 2b/aa; Präzisierung der
Rechtsprechung).
Verneinung einer kaufmännischen Rechtsscheinvollmacht im vorliegenden Fall (E. 3).
Sachvalt
A.- A. H. ist Inhaber der im Handelsregister eingetragenen Einzelfirma "Sport H." in J.
Mitarbeiter im Betrieb ist sein Sohn G. H., der registermässig über keine
Unterschriftsberechtigung verfügt.
Am 21. Dezember 1990 unterzeichnete G. H. unter dem Firmenstempel "H. Sport"
einen als "Einrichtungsauftrag" benannten
BGE 120 II 197 S. 198
Vertrag mit der U. AG über die Einrichtung eines neuen Sportgeschäfts in J. zu
approximativen Kosten von Fr. 200'000.-. Die rückseitig auf dem Vertragsformular
vorgedruckten Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin sehen für den
Fall einer akzeptierten Annullierung des Vertrags durch den "Käufer" eine Entschädigung
von 25% der "Kaufsumme" als Ersatz für die Planungs- und Verkaufskosten,
entgangenen Gewinn etc. vor.
Am 11. Januar 1991 gab die Lieferantin eine "provisorische Auftragsbestätigung" mit
Terminplan ab. Auf Geschäftspapier der Einzelfirma ersuchte G. H. sie indessen mit
Schreiben vom 24. Januar 1991, bis zur Klärung noch offener Fragen keine weiteren
Schritte zu unternehmen. Unter privatem Briefkopf trat er in der Folge am 25. März 1991
vom Vertrag zurück, da es nicht gelungen sei, die Finanzierung des Vorhabens
sicherzustellen.
B.- Mit Klage vom 5. März 1992 belangte die U. AG die "H. Sport, Einzelfirma des Herrn
G. H." auf Fr. 50'000.-- nebst Zins als Entschädigung für die Vertragsannullierung. Mit
Vorentscheid vom 18. Juni 1992 trat das Handelsgericht des Kantons St. Gallen auf die
Klage unter Berichtigung der beklagtischen Parteibezeichnung in "A. H." ein. Am 17. März
1993 hiess es die Klage im Teilbetrag von Fr. 30'000.-- nebst Zins gut.
Das Bundesgericht heisst eine dagegen eingelegte Berufung des Beklagten gut und
weist die Klage ab.
Auszug aus den Erwägungen:
2. Der Beklagte ist vertraglich gebunden, wenn sein Sohn den Vertrag in seinem Namen
als Fremdgeschäft abgeschlossen hat und dazu bevollmächtigt war, oder wenn die
Klägerin aus seinem Verhalten in guten Treuen auf eine solche Vollmacht schliessen
durfte, oder wenn er den Vertrag nachträglich genehmigt hat. Im Falle der Genehmigung
wäre er der ihn beanspruchenden Klägerin selbst dann vertraglich verpflichtet, wenn sein
Sohn als angemasster Firmeninhaber an sich ein Eigengeschäft abgeschlossen hätte
(BK-ZÄCH, N. 86 zu Art. 32 OR).
Eine ausdrückliche kaufmännische oder bürgerliche Bevollmächtigung des Sohnes ist
nicht erstellt, ebensowenig eine Genehmigung des Vertrags durch den Beklagten. In
antizipierter Beweiswürdigung stellt das Handelsgericht sodann fest, dass der Sohn des
Beklagten sich auf ein Eigengeschäft beruft, was zwangsläufig bedeutet, dass dieser für
sich auch keine Anscheins- oder Duldungsvollmacht in
BGE 120 II 197 S. 199
Anspruch nimmt (dazu BK-ZÄCH, N. 46 ff. zu Art. 33 OR; OR-WATTER, N. 16 zu Art.
33 OR). Zu prüfen ist damit einzig, ob die Klägerin Schutz ihres guten Glaubens
beanspruchen kann, mit dem Beklagten den Einrichtungsvertrag geschlossen zu haben,
ob mit andern Worten ihr guter Glaube das Fehlen einer normativ zwar kundgegebenen,
tatsächlich aber nicht erteilten Vollmacht heilt.
a) Der Tatbestand wird vom Regelungsgedanken von Art. 33 Abs. 3 OR erfasst (BGE
53 III 171 E. 2) und terminologisch uneinheitlich etwa als externe Anscheins- oder
Duldungsvollmacht (BGE 107 II 105 E. 6a S. 115; VON BÜREN, Schweizerisches
Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, S. 154; GUHL/MERZ/KOLLER, Das Schweizerische
Obligationenrecht, 8. Aufl. 1991, S. 158; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht,
Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1988, S. 612; KOLLER, Der gute und der böse Glaube im
allgemeinen Schuldrecht, S. 70 Rz. 231), als Rechtsscheinvollmacht (Nachweise bei
GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1991,
Band I, S. 263 Rz. 1410), als Quasivollmacht (VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des
Schweizerischen Obligationenrechts, Band I, S. 359; KELLER/SCHÖBI, Allgemeine
Lehren des Vertragsrechts, 3. Aufl. 1988, S. 74) oder schlicht als Schutz des gutgläubigen
Dritten vor fehlender Vertretungsmacht des Vertreters bezeichnet (BK-ZÄCH, N. 8 ff., N.
46 und N. 128 ff. zu Art. 33 OR; OR-WATTER, N. 29 ff. zu Art. 33 OR; zum Gesamten
GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., S. 260 ff. Rz. 1390 ff.). Unbesehen dieser uneinheitlichen
Terminologie beruht die Bindung des ungewollt Vertretenen jedenfalls auf dem
Vertrauensprinzip, wonach die normativ zurechenbare der tatsächlich ungewollten
rechtsgeschäftlichen Bindung derogiert. Danach ist der Erklärende im
rechtsgeschäftlichen Bereich nicht gebunden, weil er einen bestimmt gearteten inneren
Willen hatte, sondern weil er ein Verhalten an den Tag gelegt hat, aus dem die
Gegenseite in guten Treuen auf einen bestimmten Willen schliessen durfte (BGE 69 II 319
/322). Das bedeutet im Vertretungsrecht, dass der Vertretene auf einer bestimmt
gearteten Äusserung zu behaften ist, wenn der gutgläubige Dritte, demgegenüber der
Vertreter ohne Vollmacht handelt, sie in guten Treuen als Vollmachtskundgabe verstehen
durfte und darauf vertraute. Wer auf einen Rechtsschein vertraut, darf nach Treu und
Glauben verlangen, dass dieses Vertrauen demjenigen gegenüber geschützt wird, der
den Rechtsschein hervorgerufen oder mitveranlasst und damit zu vertreten hat
(SOERGEL/LEPTIEN, N. 15 zu § 167 BGB; RGRK-STEFFEN, N. 10 zu § 167 BGB).
BGE 120 II 197 S. 200
b) Im einzelnen setzt diese Vertrauenshaftung - soweit hier von Interesse - folgendes
voraus:
aa) Der Vertreter muss dem Dritten gegenüber in fremdem Namen handeln. Ob dies
zutrifft, entscheidet sich wiederum nach den Regeln zur Auslegung empfangsbedürftiger
Erklärungen. Erforderlich ist daher entweder, dass der Vertreter den Vertretungswillen hat
und der Dritte dies erkennt, oder dass er zwar keinen Vertretungswillen hat, der Dritte
jedoch nach Treu und Glauben auf einen solchen schliessen darf und tatsächlich auch
schliesst (KOLLER, a.a.O., S. 56 Rz. 191). Mithin kommt es nicht auf den inneren
tatsächlichen, sondern auf den nach aussen kundgegebenen und vertrauenstheoretisch
sowie tatsächlich als solchen verstandenen Vertretungswillen an
(STAUDINGER/DILCHER, N. 39 zu § 167 BGB; RGRK-STEFFEN, N. 13 zu § 167 BGB).
Insoweit ist die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu präzisieren, wonach der
vollmachtlose Vertreter einen tatsächlichen Vertretungswillen haben müsse (BGE 100 II
200 E. 8a S. 211 mit Hinweisen). Hinreichend ist auch hier der objektiv geäusserte Wille
(BK-ZÄCH, N. 40 zu Art. 33 OR; KOLLER, a.a.O.).
Demgegenüber entfällt die Annahme einer Vertretungswirkung, wenn jemand nicht in,
sondern unter fremdem Namen handelt, sich beispielsweise der Angestellte als
Geschäftsinhaber ausgibt. Hier wird äusserlich ein Eigen- und nicht ein Fremdgeschäft
abgeschlossen, was eine Anwendung der vertretungsrechtlichen Gutglaubensvorschriften
von vornherein ausschliesst (KOLLER, a.a.O., S. 57 Rz. 194; NEUMAYER,
Vertragsschluss unter fremdem Namen, Mélanges Pierre Engel, S. 221 ff.).
bb) Das Handeln des Vertreters in fremdem Namen vermag allerdings für sich allein
eine Vertrauenshaftung des Vertretenen nie zu begründen, denn aus erwecktem
Rechtsschein ist nur gebunden, wer diesen Rechtsschein objektiv zu vertreten hat. Dies
folgt bereits daraus, dass das Geschäft nicht durch den Vertreter, sondern durch den
Vertretenen mittels des Vertreters abgeschlossen wird, denn dieser ist Vertragspartei, und
ihn trifft dessen gesamte Rechtswirkung (MÜLLER-FREIENFELS, Die Vertretung beim
Rechtsgeschäft, S. 212; anders noch BGE 42 II 648 E. 1b). Die objektive Mitteilung der
Vollmacht muss daher vom Vertretenen ausgehen. Entscheidend ist allein, ob das
tatsächliche Verhalten des Vertretenen nach Treu und Glauben auf einen
Mitteilungswillen schliessen lässt. Dieses Verhalten kann in einem positiven Tun
bestehen, indessen auch in einem passiven Verhalten, einem bewussten oder normativ
zurechenbaren Unterlassen oder Dulden (BGE 85 II 22 E. 1; BK-ZÄCH,
BGE 120 II 197 S. 201
N. 35 ff. und N. 144 zu Art. 33 OR; OR-WATTER, N. 31 zu Art. 33 OR; KOLLER, a.a.O.,
S. 70 Rz. 231). Hat der Vertretene dabei Kenntnis vom Auftreten des Vertreters, schreitet
aber dagegen nicht ein, wird ihm nach einem anschaulichen, wenngleich für das
schweizerische Recht ungenauen Ausdruck eine sogenannte externe Duldungsvollmacht
unterstellt (zur Terminologie BK-ZÄCH, N. 46 und N. 130 zu Art. 33 OR). Kennt er das
Verhalten des Vertreters nicht, könnte er es aber bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit
kennen und verhindern, liegt nach derselben Terminologie eine externe
Anscheinsvollmacht vor (KOLLER, a.a.O., S. 70 Rz. 231; GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., S.
264 Rz. 1411 f.) In einem Teil der Lehre wird allerdings diese externe Anscheinsvollmacht
als vertragsbegründender Tatbestand abgelehnt und allein der culpa-Haftung auf das
(negative) Vertrauensinteresse unterstellt (KELLER/SCHÖBI, a.a.O., S. 74 f.). Indessen
ist zum mindesten die Auffassung nicht von der Hand zu weisen, dass das Institut der
Anscheinsvollmacht im hier verwendeten Sinne jedenfalls im kaufmännischen Verkehr
seine Rechtfertigung hat, indem der Geschäftspartner nicht mit den für ihn
undurchschaubaren Organisationsrisiken der Unternehmung belastet werden soll
(CANARIS, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 48 ff., insbesondere S.
52, S. 191 ff.; KOLLER, a.a.O., S. 79 Rz. 252 mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche
Rechtsprechung). Allerdings sind in diesem Zusammenhang auch die Schranken zu
beachten, welche einem leichtfertigen Vertrauen des Geschäftspartners aus der
Publizitätswirkung des Handelsregisters gesetzt sind. Zudem wird mit beachtlichen
Gründen weitergehend darauf hingewiesen, dass sich auf der Grundlage des
Vertrauensgrundsatzes eine unterschiedliche rechtliche Behandlung von Duldungs- und
Anscheinsvollmacht im Aussenverhältnis, eine Differenzierung des Gutglaubensschutzes
nach bewusst geduldetem oder nachlässig nicht vermiedenem Rechtsschein, nicht leicht
begründen lässt (SOERGEL/LEPTIEN, N. 17 zu § 167 BGB). Namentlich ist nicht ohne
weiteres einzusehen, weshalb die normative Wirkung des erweckten Rechtsscheins vom
Kenntnisstand desjenigen abhängen soll, der ihn objektiv zu vertreten hat, wenn der
Vertrauensgrundsatz gerade dazu angerufen wird, rechtsgeschäftliche Bindung auch dort
zu begründen, wo sie nach dem tatsächlichen Wissen und Willen des Erklärenden nicht
gewollt ist.
Art. 33 Abs. 3 OR begründet richtig verstanden eine Verkehrsschutzregelung des
Inhalts, dass nach Massgabe des Vertrauensschutzes der Vertretene und nicht der
Geschäftsgegner das Risiko
BGE 120 II 197 S. 202
fehlender Vollmacht trägt (analog für das deutsche Recht FROTZ, Verkehrsschutz im
Vertretungsrecht, S. 300). Im Vordergrund steht nicht das Verschulden des Erklärenden,
sondern die Gefährdung des auf den Vollmachtswillen gerichteten Vertrauens des Dritten
(VON CRAUSHAAR, Die Bedeutung der Rechtsgeschäftslehre für die Problematik der
Scheinvollmacht, AcP 174/1974, S. 2 ff., S. 20). Klarzustellen ist indessen, dass die
Bindungswirkung nicht bereits dann eintritt, wenn der Dritte auf den Bestand einer
Vollmacht schliessen darf, sondern bloss dann, wenn das Unterlassen des Vertretenen
objektiv als drittgerichtete Mitteilung, als Vollmachtskundgabe zu werten ist (FROTZ,
a.a.O., S. 297; KOLLER, a.a.O., S. 71 Rz. 231).
Wie für die Willenserklärung gilt für die Kundgabe der Vollmacht, dass sie auch ohne
Erklärungsbewusstsein wirksam werden kann (BK-ZÄCH, N. 41 zu Art. 33 OR mit
Hinweisen).
Dagegen muss die Erklärung ohne Erklärungsbewusstsein dem Erklärenden objektiv
zurechenbar sein, was u.a. voraussetzt, dass er sich der ihm unterstellten Bedeutung
seines Verhaltens auf Grund der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände hätte
bewusst sein können (BGE 85 II 22; BK-KRAMER, N. 50 zu Art. 1 OR; BK-ZÄCH, N. 42
zu Art. 33 OR).
cc) Schliesslich tritt die Vertretungswirkung trotz fehlender Vollmacht nur bei
berechtigter Gutgläubigkeit des Dritten ein (BGE 99 II 39 E. 1 S. 42; BK-ZÄCH, N. 155 zu
Art. 33 OR; OR-WATTER, N. 35 zu Art. 33 OR; KOLLER, a.a.O., S. 88 ff. Rz. 273 ff.).
Rechtstheoretisch rechtfertigt allein der gute Glaube des Mitteilungsempfängers, den
Vollmachtsmangel zu heilen (BGE 107 II 105 E. 6a S. 115; GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., S.
261 Rz. 1393).
3. Das Handelsgericht schliesst auf eine (externe) Anscheinsvollmacht, weil der Sohn
des Beklagten objektiv in dessen Namen gehandelt und dieser den erweckten
Rechtsschein nicht zerstört habe, mithin gegenüber der gutgläubigen Klägerin
rechtsgeschäftlich verpflichtet worden sei.
a) Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass der Sohn des Beklagten, welcher die
Vertragsverhandlungen mit der Klägerin im Geschäftslokal des Vaters führte, den Vertrag
unter dessen Firmenstempel zeichnete und für die Korrespondenzen dessen
Geschäftspapier benutzte, nach Treu und Glauben den Eindruck erweckte, er handle in
fremdem Namen.
Die Klägerin ist in ihrem Rechtsstandpunkt indessen von vornherein nur zu schützen,
wenn sie auf diesen objektiven Anschein
BGE 120 II 197 S. 203
auch vertraute, das heisst tatsächlich von einem Fremdgeschäft des Sohnes ausging.
War sie dagegen der Meinung, mit ihm ein Eigengeschäft abzuschliessen, entfällt
zwangsläufig eine Vertrauenshaftung des Beklagten. Der angefochtene Entscheid äussert
sich zu diesem inneren Tatbestand auf seiten der Klägerin nicht und ist insoweit
lückenhaft, zumal aus den vom Handelsgericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellten
Urteilsgrundlagen nicht unzweideutig hervorgeht, die Klägerin sei in Tat und Wahrheit von
einem Fremdgeschäft ausgegangen. Bereits der Umstand, dass die Klägerin im Prozess
ursprünglich G. und nicht A. H. als Geschäftsinhaber belangte, deutet indessen eher
darauf hin, dass sie sich in der Person des Geschäftsinhabers geirrt, nicht aber ein
Vertretungsverhältnis angenommen hatte. Diesfalls aber wäre von einem Eigengeschäft
des Sohnes auszugehen, und entfiele die beanspruchte Haftung des Beklagten. Eine
Ergänzung des Sachverhalts im Sinne von Art. 64 OG erübrigt sich indessen, wenn die
Auffassung des Handelsgerichts, die Klägerin habe gutgläubig auf eine
Vollmachtskundgabe durch den Vater schliessen dürfen, vor dem Bundesrecht nicht
standhält.
b) Nach dem Gesagten wird der Vertrauensschutz des Dritten zwar durch die
Vollmachtskundgabe begründet. Besteht diese Kundgabe indessen in einem passiven
Verhalten des Vertretenen, müssen zusätzlich hinreichende objektive Umstände gegeben
sein, aus denen der Dritte auf die Bevollmächtigung des Vertreters zum Abschluss des in
Frage stehenden Geschäfts schliessen darf. Obliegt dem Vertretenen mit andern Worten,
einen Rechtsschein zu zerstören, muss dieser bereits hervorgerufen worden sein. Dabei
kann nicht allein auf das Verhalten des Vertreters ankommen, der Dritte muss dieses
nach Treu und Glauben, mithin nach objektiven Anzeichen, auch als rechtmässig werten
dürfen.
Das Handelsgericht lastet dem Beklagten an, er hätte den durch das Vertreterhandeln
seines Sohnes erweckten Anschein erkennen können und sei dagegen nicht
eingeschritten. Die Erkennbarkeit leitet es daraus ab, dass die Verhandlungen im
Geschäftslokal des Beklagten stattfanden und als Fortsetzung früherer Umbaupläne mit
nunmehr neuem Standort wirkten. Die Feststellung, die Parteien hätten bereits früher
verhandelt, allerdings nicht um eine zweig- oder ersatzbetriebliche Neueröffnung, sondern
um eine Neuausstattung des bestehenden Geschäfts an der ...strasse in J., entnimmt das
Handelsgericht entsprechenden Ausführungen des Beklagten in der Klageantwort. Daraus
geht allerdings hervor, dass damals der
BGE 120 II 197 S. 204
Beklagte selbst und nicht sein Sohn Verhandlungspartner der Klägerin war. Mithin lässt
sich eine Vertragshaftung des Beklagten jedenfalls nicht mit der Begründung halten, er
habe in früheren Verhandlungen seinen Sohn wirken lassen und damit eine
Duldungsvollmacht begründet, die er nicht widerrufen habe und daher weiterhin gegen
sich gelten lassen müsse (Art. 34 Abs. 3 OR). Eine normative Vollmachtskundgabe ist im
Umstand früherer, vom Vertretenen selbst geführten Vertragsverhandlungen nicht zu
erblicken.
Aus dem Umstand, dass die Vertragsverhandlungen im Geschäft des Beklagten
stattfanden, schliesst das Handelsgericht offenbar, dem Sohn sei eine betriebliche
Stellung eingeräumt worden, mit der üblicherweise eine Vollmacht verbunden sei. Diese
Auffassung, welche namentlich in kaufmännischen Verhältnissen, wie sie auch hier
gegeben sind, ihre grundsätzliche Berechtigung hat, ist in der Rechtsprechung bereits
dem Gutglaubensschutz des Dritten zugrunde gelegt worden (Nachweise bei BK-ZÄCH,
N. 159 ff. zu Art. 33 OR; KOLLER, a.a.O., S. 77 ff. Rz. 246 ff., BUCHER, a.a.O., S. 614
Fn. 54). Allerdings vermag die Klägerin sich nicht auf einen Rechtsschein zu berufen, wie
das Gesetz ihn im Rahmen der besonders normierten Vertretungsmacht kaufmännischer
Vertreter für den Umfang deren Vertretungsmacht begründet (vgl. etwa Art. 458 ff., Art.
462 und Art. 348b OR), wurde G. H. doch eine solche interne Bevollmächtigung nicht
erteilt, und wird eine solche von ihm auch nicht aus Duldung oder Anschein beansprucht.
Zu prüfen ist daher bloss, ob der kaufmännische Rechtsschein der Klägerin erlaubte, auf
eine solche Vertretungsmacht zu schliessen. Dabei ist auch hier weniger entscheidend,
ob der Kaufmann die rechtsgeschäftliche Tätigkeit seines Vertreters im einzelnen kennt
und billigt, als vielmehr, wie die mit seinem Vertreter kontrahierenden Dritten sein
Verhalten auffassen müssen. Dürfen sie in guten Treuen annehmen, dass ihm das
rechtsgeschäftliche Handeln seines Vertreters bei Beachtung der im Verkehr gebotenen
Sorgfalt nicht entgangen sein konnte und daher von ihm gedeckt werde, so muss er sich
auf diesem Verhalten behaften lassen (BGE 74 II 149 E. 2). Indessen darf, wie im
bürgerlichen Bereich, der Dritte eine solche Ermächtigung nicht leichthin annehmen (BGE
99 II 39 E. 1 S. 42). Da die kaufmännische Stellvertretung in jeder Erscheinungsform auf
Dauer ausgelegt ist, ist für deren allfällige vertrauenstheoretische Begründung ein
Verhalten des Scheinbevollmächtigten erforderlich, welches seinerseits auf Dauer und
Kontinuität ausgerichtet ist. Bloss einmaliges Handeln vermag im Regelfall den
Rechtsschein nicht zu begründen.
BGE 120 II 197 S. 205
Zudem darf der Dritte nach der ihm obliegenden Aufmerksamkeit im allgemeinen aus
dem betrieblichen Rechtsschein bloss auf eine Handlungsvollmacht, nicht aber
weitergehend auf eine Prokura schliessen (vgl. BK-GAUTSCHI, N. 6b zu Art. 462 OR). Mit
der Stellung in einem Betrieb ist zwar häufig und typischerweise eine bestimmte
Vollmacht verbunden, zumal ohne sie der Inhaber der Stellung die mit ihr verbundenen
Aufgaben gar nicht ordnungsgemäss erfüllen könnte (SOERGEL/LEPTIEN, N. 30 zu §
167 BGB). Vermutungsweise heisst dies aber gleichzeitig, dass diese Vollmacht inhaltlich
auf die mit der Stellung verbundenen Aufgaben beschränkt ist und der loyale
Geschäftspartner nicht ohne zusätzliche Gründe, die auf eine entsprechende Mitteilung
schliessen lassen, von einer weiterreichenden Vertretungsmacht ausgehen darf. Auch für
das schweizerische Recht ist - analog § 56 HGB - davon auszugehen, dass derjenige, der
in einem Laden angestellt ist, bloss zu Rechtshandlungen ermächtigt gilt, die in einem
derartigen Laden gewöhnlich geschehen (VON TUHR/PETER, a.a.O., S. 358 Fn. 25). Der
so begründete Rechtsschein deckt daher allein die branchenüblichen Geschäfte des
jeweiligen Handelsgewerbes (BGE 76 I 338 E. 5 S. 353; STAUB/JOOST, N. 30 ff. zu § 56
HGB; HEYMANN/SONNENSCHEIN, N. 9 ff. zu § 56 HGB). Die Bestellung einer
Ladeneinrichtung zum Preise von ca. Fr. 200'000.-- für ein Verkaufsgeschäft der
Sportbranche liegt jedoch klarerweise ausserhalb dieses üblichen Geschäftsgangs und ist
daher durch die allgemeine Rechtsscheinvollmacht des Angestellten nicht gedeckt.
Umstände einer weitergehenden Vollmachtskundgabe sind nicht festgestellt. Die Klägerin
durfte mithin auch nicht aus der betrieblichen Stellung ihres Verhandlungspartners dessen
Vollmacht folgern, den streitigen Vertrag mit ihr einzugehen. Ebenfalls die Verwandtschaft
des Vertretenen zum Vertreter reicht sodann nicht aus, den Rechtsschein einer
umfassenden Bevollmächtigung im privaten oder geschäftlichen Bereich zu begründen
(STAUDINGER/DILCHER, N. 36 zu § 167 BGB; SOERGEL/LEPTIEN, N. 36 zu § 167
BGB).
Nichts anderes gilt schliesslich für die Verwendung von Geschäftspapier in der dem
Vertragsschluss folgenden Korrespondenz und namentlich des Firmenstempels auf dem
Vertragsdokument durch den Sohn des Beklagten. Zwar ist der Auffassung durchaus
beizupflichten, dadurch könne in besonderem Masse eine rechtsgeschäftliche
Vertrauenshaftung des Vertretenen begründet werden (STAUDINGER/DILCHER, N. 35
zu § 167 BGB). Indessen hat das Bundesgericht bereits im Jahre 1913 darauf
hingewiesen, dass die
BGE 120 II 197 S. 206
Firmenstempel in den meisten Geschäften auch subalternen Angestellten zugänglich
sind, und u.a. gerade diesen die Benutzung des Stempels obliegt (BGE 39 II 91 E. 3).
Nichts anderes gilt für den betrieblichen Briefkopf.
All die genannten Anzeichen vermögen daher das gutgläubige Vertrauen des Dritten in
eine Vertretungsmacht nicht weiter zu schützen, als es die branchenübliche
Geschäftsabwicklung erheischt. In der bisherigen Rechtsprechung ist denn soweit
ersichtlich Gutglaubensschutz stets bloss in diesem beschränkten Umfang gewährt
worden (BGE 105 II 110, BGE 76 I 338 E. 5, BGE 53 III 171 E. 2, BGE 31 II 667 E. 3, SJ
1966, S. 537; NJW 1976, S. 1673). Im vorliegenden Fall ging die eingegangene
Verpflichtung indessen wesentlich über den normalen Geschäftsbetrieb hinaus, so dass
die Klägerin ohne weitere vertrauensbildende Umstände nicht davon ausgehen durfte, der
Sohn vermöge insoweit den Beklagten rechtsgeschäftlich zu verpflichten. Solche weiteren
Umstände aber hat das Handelsgericht in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt.
Schliesslich reichen die genannten Umstände auch in ihrer Gesamtwürdigung nicht aus,
einen Gutglaubensschutz der Klägerin zu begründen.
120 II 331 (Swissair)
62. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. November 1994 i.S.
Wibru Holding AG gegen Swissair Beteiligungen AG (Berufung)
Regeste
Haftung einer Muttergesellschaft aus Erklärungen, die sie
gegenüber Geschäftspartnern ihrer Tochtergesellschaft abgibt.
Als haftungsbegründende Erklärungen kommen auch Werbeaussagen in Betracht (E.
2).
Ob die Muttergesellschaft eine vertragliche Haftung trifft, entscheidet sich
aufgrund einer Auslegung ihrer Erklärungen nach dem Vertrauensgrundsatz (E. 3).
Voraussetzungen, unter welchen erwecktes Vertrauen in das Konzernverhalten
der Muttergesellschaft auch bei Fehlen einer vertraglichen oder deliktischen
Haftungsgrundlage eine Haftung begründet (E. 5).
BGE 120 II 331 S. 332
Sachverhalt
A.- Im Juli 1987 gründete die Swissair Beteiligungen AG die
IGR Holding AG, deren Firma später in IGR Holding Golf and Country Residences
AG geändert wurde (nachstehend: IGR). Die IGR wollte ihren Vertragspartnern
luxuriöse Unterkünfte ("Residenzen") nahe an Golfplätzen im In- und Ausland zur
Verfügung halten. Sie bot gegen eine "Mietvorauszahlung" von zwischen Fr.
30'000.- und Fr. 90'000.- eine "Mitgliedschaft" an. Das Mitglied sollte
berechtigt sein, während einer vierzigjährigen Vertragsdauer jedes Jahr einen
Teil seiner Mietvorauszahlung "abzuwohnen" oder "abwohnen" zu lassen. Die
Mitgliedschaft stand auch Firmen offen. Mit Vertrag vom 22. Dezember 1988 trat
die Wibru Holding AG als Mitglied Nr. 2291 der IGR bei und leistete in der
Folge eine Mietvorauszahlung von Fr. 90'000.-. Mit Schreiben vom 16. Februar
1989 orientierte die IGR ihre Mitglieder über eine mögliche Zusammenarbeit mit
der Euroactividade AG. In einem Schreiben vom 26. April 1989 gab die IGR Pläne
bekannt, wonach die IGR ab 10. Mai 1989 als Tochtergesellschaft der
Euroactividade AG weitergeführt werden sollte, an welcher die Swissair
Beteiligungen AG zugleich eine Minderheitsbeteiligung erwerben sollte; in
diesem Zusammenhang kündigte sie auch Änderungen am Konzept des den
Mitgliedern
gebotenen Leistungspakets an. Am 23. August 1989 teilte M. als "Chairman der
Euroactividade Group" den IGR-Mitgliedern in einem Rundbrief mit, dass der
Verkauf der IGR an die Euroactividade AG inzwischen erfolgt sei, und verwies
auf die weiteren Ausbaupläne. In einem Brief vom 7. März 1990 gestand die IGR
dann indessen, sie sei leider immer noch nicht in der Lage, das definitive neue
Konzept vorzulegen; die Geschäftsleitung halte es unter diesen Umständen nicht
für fair, die Mitgliederbeiträge weiter zurückzuhalten; sie habe sich deshalb
entschlossen, die bestehenden Mitgliedschaften aufzukündigen und die
geleisteten Zahlungen zuzüglich einer Verzinsung zu 7% zurückzuerstatten. Die
Wibru Holding AG wartete jedoch in der Folge vergeblich auf die Rückzahlung.
Nachdem wiederholte Mahnungen erfolglos geblieben waren, wandte sich die Wibru
Holding AG an die Swissair. Diese hielt in ihrem Antwortschreiben fest, die IGR
sei seit Mai 1989 eine hundertprozentige Tochter der Euroactividade AG; im
übrigen sei über die IGR inzwischen der Konkurs eröffnet worden.
B.- Am 28. Oktober 1991 klagte die Wibru Holding AG beim Handelsgericht des
Kantons Zürich gegen die Swissair Beteiligungen AG auf Bezahlung von Fr.
97'808.-. Das Handelsgericht wies die Klage mit Urteil vom 8. Juni 1993 ab.
BGE 120 II 331 S. 333
C.- Das Bundesgericht heisst die von der Klägerin eingelegte Berufung
teilweise gut und weist die Streitsache zu neuer Entscheidung an das
Handelsgericht zurück.
Auszug aus den Erwägungen:
Aus den Erwägungen:
Erwägung 1
1.- In den Werbeunterlagen der IGR wurde die Einbindung
dieses Unternehmens in den Swissair-Konzern in verschiedener Hinsicht
werbemässig herausgestrichen. Die Klägerin macht geltend, sie habe beim
Vertragsschluss nicht auf die kapitalschwache IGR, sondern auf die Swissair und
deren damaliges Image von Finanzstärke, Zuverlässigkeit und Fairness vertraut.
Aus diesem Vertrauenstatbestand leitet sie die Haftung der Beklagten ab.
Die Klägerin hält in ihrer Berufung an ihrem ursprünglichen Hauptstandpunkt,
die Beklagte treffe eine Durchgriffshaftung, nicht mehr fest. Sie vertritt
vielmehr die Auffassung, die Beklagte hafte aus eigenem Verhalten. Zur
Begründung führt die Klägerin verschiedene Rechtsnormen an: Sie macht
einerseits geltend, die Beklagte habe ihr gegenüber eine vertragliche Garantie
im Sinne von Art. 111 OR übernommen; anderseits wirft sie ihr ein "venire
contra factum proprium" und damit einen Verstoss gegen Art. 2 ZGB vor; überdies
beruft sie sich auf Art. 41 OR.
Erwägung 2
2.- Ob und wieweit die Konzern-Muttergesellschaft aus
Erklärungen haftet, die sie gegenüber Geschäftspartnern ihrer
Tochtergesellschaft abgibt, wird in der Literatur vor allem im Zusammenhang mit
Patronatserklärungen erörtert (SCHNYDER, Patronatserklärungen Haftungsgrundlage für Konzernobergesellschaften?, in SJZ 86/1990, S. 57 ff.;
HANDSCHIN, Der Konzern im schweizerischen Privatrecht, S. 287 ff.; BOSMAN,
Konzernverbundenheit und ihre Auswirkungen auf Verträge mit Dritten, Diss.
Zürich 1984, S. 181 ff.; ALBERS-SCHÖNENBERG, Haftungsverhältnisse im Konzern,
Diss. Zürich 1980, S. 181 f.; HUBER, Personalsicherheiten bei der Erteilung von
Bankkrediten unter Berücksichtigung der sogenannten Patronatserklärungen, in:
Rechtsprobleme der Bankpraxis, S. 47 ff.; MÜLLHAUPT, Rechtsnatur und
Verbindlichkeit der Patronatserklärung, in SAG 50/1978, S. 109 ff.;
GEIGY-WERTHEMANN, Die rechtliche Bedeutung garantieähnlicher Erklärungen von
herrschenden Unternehmen im Konzern, in Festgabe Juristentag 1973, S. 21 ff.).
Im vorliegenden Fall geht es zwar nicht um derartige, von der
Muttergesellschaft zum Zweck der Sicherung von Krediten an die
Tochtergesellschaft gegenüber bestimmten Drittpersonen
BGE 120 II 331 S. 334
abgegebene Erklärungen, sondern um werbemässige Aussagen, die sich allgemein an
potentielle Kunden der IGR richteten. Die in der Lehre entwickelten Grundsätze
lassen sich aber dennoch anwenden. Auch Werbeaussagen können berechtigte
Erwartungen wecken und damit haftungsrechtliche Bedeutung erlangen (vgl. BGE
115 II 474 E. 2b, S. 477 f.).
Erwägung 3
3.- a) Eine Haftung der Muttergesellschaft für
Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft ergibt sich, wenn sie sich gegenüber
den Geschäftspartnern der Tochtergesellschaft vertraglich verpflichtet hat,
beispielsweise eine Garantie im Sinne von Art. 111 OR übernommen hat. Ob das
der Fall ist, entscheidet sich bei fehlendem tatsächlichem Konsens aufgrund
einer Auslegung der Erklärungen der Muttergesellschaft nach dem
Vertrauensgrundsatz. Eine vertragliche Bindung setzt voraus, dass die Empfänger
aufgrund der Erklärungen nach Treu und Glauben von einem rechtsgeschäftlichen
Bindungswillen der Muttergesellschaft ausgehen durften (SCHNYDER, a.a.O., S. 60
ff.; HANDSCHIN, a.a.O., S. 291; GEIGY-WERTHEMANN, a.a.O., S. 32 ff.), und dass
sich die in Aussicht gestellte Garantie auf im voraus bestimmte oder zumindest
bestimmbare Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft bezieht (Schnyder,
a.a.O., S. 64). Die Übernahme einer Garantiehaftung darf somit nicht leichthin
angenommen werden. Ein Garantievertrag zwischen der Muttergesellschaft und
einem Geschäftspartner der Tochtergesellschaft dürfte insbesondere dann nur
ausnahmsweise zustandegekommen sein, wenn - wie im vorliegenden Fall - kein
Austausch individueller Erklärungen stattgefunden hat, sondern als
vertragsbezogene Willensäusserungen lediglich Werbeaussagen der
Muttergesellschaft und deren stillschweigende "Annahme" durch den
Geschäftspartner der Tochtergesellschaft anlässlich des Vertragsschlusses mit
dieser in Betracht fallen.
b) Nach den Feststellungen des Handelsgerichts waren auf dem Briefpapier der
IGR sowie auf den Titelseiten ihrer Werbebroschüren jeweils in der Fusszeile
das Swissair-Logo - bestehend aus dem Namenszug "Swissair" und einem
schräggestellten Schweizerkreuz - sowie der Satz "Die IGR ist ein Unternehmen
der Swissair" aufgedruckt. In den Werbeunterlagen der IGR wurde die Verbindung
zur Swissair betont. Im Sinne eines Beispiels zitiert das angefochtene Urteil
die folgende Aussage: "Überall wo International Golf and Country Residences
steht, steht Swissair darunter. Und selbstverständlich auch dahinter. Denn die
IGR ist zwar ein selbständiges Unternehmen der Swissair Beteiligungen AG,
arbeitet aber nach den gleichen
BGE 120 II 331 S. 335
unternehmerischen Maximen wie ihre Mutter. Dass sich das von Anfang an auf die
Internationalität, die Gastfreundschaft, die Betreuung und die Zuverlässigkeit
von IGR auswirkt, liegt auf der Hand." Die Beklagte behauptet nicht, sie habe
sich gegenüber der Klägerin von diesen Aussagen distanziert, und sie stellt
nicht in Abrede, dass die IGR Briefpapier und Werbeunterlagen im Einvernehmen
mit ihr gestaltet hat. Der Beklagten sind deshalb die darin enthaltenen
Erklärungen zuzurechnen.
Aus diesen Erklärungen kann aber entgegen der Auffassung der Klägerin nicht
abgeleitet werden, dass die Beklagte eine Mithaftung für die Verpflichtungen
der IGR gegenüber ihren Geschäftspartnern im Sinne einer Garantie (Art. 111 OR)
übernommen hätte. Ein derartiger vertraglicher Bindungswillen der Beklagten
gelangt darin nicht zum Ausdruck. Insbesondere ist nirgends davon die Rede, die
Beklagte garantiere als Muttergesellschaft für die Erfüllung von
Verbindlichkeiten der IGR. Aus der werbemässigen Betonung der
Konzernzugehörigkeit der IGR allein und ohne ausdrückliche Zusicherung aber
durfte die Klägerin nicht schliessen, die Beklagte wolle eine
Garantieverpflichtung eingehen. Die Beklagte trifft daher keine vertragliche
Haftung.
Erwägung 4
4.- Eine Haftung der Beklagten aus unerlaubter Handlung im
Sinne von Art. 41 OR entfällt ebenfalls, da der Beklagten kein
widerrechtliches, d.h. gegen allgemeine gesetzliche Gebote oder Verbote
verstossendes Verhalten vorgeworfen werden kann (vgl. BGE 117 II 315 E. 4d, S.
317 f.; 115 II 15 E. 3a, S. 18 mit Hinweisen).
Erwägung 5
5.- a) Erwecktes Vertrauen in das Konzernverhalten der
Muttergesellschaft kann jedoch unter Umständen auch bei Fehlen einer
vertraglichen oder deliktischen Haftungsgrundlage haftungsbegründend sein. Das
ergibt sich aus einer Verallgemeinerung der Grundsätze über die Haftung aus
culpa in contrahendo (SCHNYDER, a.a.O., S. 64 f.; MÜLLHAUPT, a.a.O., S. 111).
Wird, wie dies der bundesgerichtlichen Praxis (vgl. BGE 108 II 419 E. 5 S. 421
f. mit Hinweisen) sowie herrschender Lehre (GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches
Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1991, Bd. I, S. 176 f. Rz. 981
f.; GUHL/MERZ/KOLLER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 8. Aufl. 1991, S.
99; VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts,
Bd. I, 3. Aufl. 1979, S. 193; BK-KRAMER, allg. Einl. zum OR, N. 139; OR-BUCHER,
N. 90 zu Art. 1; kritisch hingegen namentlich MERZ, Vertrag und
Vertragsschluss, 2. Aufl. 1992, S. 85 f. Rz. 146 ff., im Anschluss an TERCIER,
La culpa in contrahendo en droit suisse, in Premières journées juridiques
yougoslavo-suisses 1984, Bd. 2, S. 236 f.) entspricht,
BGE 120 II 331 S. 336
die culpa in contrahendo als besonderer Haftungstatbestand anerkannt, so darf
in wertungsmässig vergleichbaren Fällen der haftpflichtrechtliche Schutz
ebenfalls nicht versagt bleiben. Das der Culpa-Haftung zugrundeliegende,
bestimmte gegenseitige Treuepflichten der Partner begründende
Vertragsverhandlungsverhältnis ist als Erscheinungsform einer allgemeineren
Rechtsfigur aufzufassen (BK-KRAMER, a.a.O., N. 142 ff.). Im Konzernverhältnis
kann das in die Vertrauens- und Kreditwürdigkeit des Konzerns erweckte
Vertrauen ebenso schutzwürdig sein wie dasjenige, das sich die Partner von
Vertragsverhandlungen hinsichtlich der Richtigkeit, der Ernsthaftigkeit und der
Vollständigkeit ihrer gegenseitigen Erklärungen entgegenbringen. Wenn
Erklärungen der Konzern-Muttergesellschaft bei Geschäftspartnern der
Tochtergesellschaft in dieser Weise Vertrauen hervorrufen, so entsteht deshalb
eine dem Vertragsverhandlungsverhältnis vergleichbare rechtliche
Sonderverbindung (vgl. REY, Rechtliche Sonderverbindungen und
Rechtsfortbildung, in FS Keller 1989, S. 231 ff.), aus der sich auf Treu und
Glauben beruhende Schutz- und Aufklärungspflichten ergeben (SCHNYDER, a.a.O.,
S. 65). Die Verletzung solcher Pflichten kann Schadenersatzansprüche auslösen.
Die Haftung aus erwecktem Konzernvertrauen ist allerdings - wie die Haftung
aus culpa in contrahendo - an strenge Voraussetzungen zu knüpfen. Denn wie
jedermann in Vertragsverhandlungen seine Interessen grundsätzlich selbst
wahrzunehmen hat und sich nicht einfach auf deren Berücksichtigung durch den
Verhandlungspartner verlassen darf, hat der Geschäftspartner einer
Tochtergesellschaft deren Kreditwürdigkeit grundsätzlich selbst zu beurteilen,
kann er somit das Bonitätsrisiko nicht einfach generell auf die
Muttergesellschaft abwälzen (Grundsatz des "caveat creditor"; SCHNYDER,
a.a.O.). Die Muttergesellschaft hat nicht unbesehen für den Erfolg des
Tochterunternehmens einzustehen und haftet bei dessen Scheitern den
Geschäftspartnern nicht ohne weiteres für allfälligen Schaden, der ihnen aus
dem Misserfolg erwächst. Schutz verdient nicht, wer bloss Opfer seiner eigenen
Unvorsichtigkeit und Vertrauensseligkeit oder der Verwirklichung allgemeiner
Geschäftsrisiken wird (vgl. BOSMAN, a.a.O., S. 189), sondern nur, wessen
berechtigtes Vertrauen missbraucht wird. Eine Haftung entsteht nur, wenn die
Muttergesellschaft durch ihr Verhalten bestimmte Erwartungen in ihr
Konzernverhalten und ihre Konzernverantwortung erweckt, später aber in
treuwidriger Weise enttäuscht. Diesfalls hat die
BGE 120 II 331 S. 337
Muttergesellschaft für den Schaden einzustehen, den sie durch ihr gegen Treu
und Glauben verstossendes Verhalten adäquat kausal verursacht hat. Hingegen
führt die Vertrauenshaftung - im Gegensatz zur vertraglichen Garantiehaftung nicht dazu, dass die Muttergesellschaft gegenüber Dritten für Verbindlichkeiten
der Tochtergesellschaft mithaften würde (vgl. SCHNYDER, a.a.O.;
ALBERS-SCHÖNENBERG, a.a.O., S. 182).
Ob und in welcher Hinsicht der Muttergesellschaft die Erweckung berechtigter
Erwartungen entgegengehalten und deren Enttäuschung vorgeworfen werden kann,
beurteilt sich nach den gesamten Umständen des Einzelfalles. Daraus ergeben
sich Art und Umfang der auf Treu und Glauben beruhenden Verhaltenspflichten,
deren Verletzung eine Vertrauenshaftung auslöst. Aufgrund der konkreten
Vertrauenslage kann die Muttergesellschaft namentlich die Pflicht treffen, das
Tochterunternehmen wirtschaftlich genügend abzusichern, ihm - mit anderen
Worten - diejenigen Mittel zur Verfügung zu stellen, die aus dem Blickwinkel
redlicher Geschäftsleute erforderlich sind, um die realistischerweise zu
erwartenden Risiken abzudecken. Im weiteren können für die Muttergesellschaft
aber auch Aufklärungspflichten entstehen, insbesondere dann, wenn sie sich aus
der konzernmässigen Mitverantwortung zurückziehen will. Solche Pflichten kann
die Muttergesellschaft etwa verletzen, wenn sie den Geschäftspartnern der
Tochtergesellschaft unrichtige Angaben über deren geschäftliche Lage macht oder
ihnen existenzbedrohende Entwicklungen in deren Geschäftsverlauf verheimlicht
(BOSMAN, a.a.O., S. 191 f.). Die Haftung aus Konzernvertrauen berührt sich hier
mit der Haftung aus falschem Rat und mangelhafter Auskunft, die in der neueren
Lehre, soweit nicht das Vorliegen eines Beratungsvertrages eine
vertragsrechtliche Anknüpfung erlaubt, überwiegend ebenfalls als Anwendungsfall
der Vertrauenshaftung aufgefasst wird (MEIER-SCHATZ, Über die privatrechtliche
Haftung für Rat und Anlagerat, in Mélanges Paul Piotet 1990, S. 151 ff.,
insbes. 158 ff.; BK-KRAMER, a.a.O., N. 68 und 147; vgl. auch GUHL/MERZ/KOLLER,
a.a.O., S. 99 f.; abweichend KUHN, Die Haftung aus falscher Auskunft und
falscher Raterteilung, in SJZ 82/1986, S. 345 ff., insbes. 355 Ziff. 6.3).
b) Die Klägerin konnte und musste als Adressatin der Werbeunterlagen und der
Vertragsofferte der IGR nicht wissen, aus welchen organisatorischen Gründen der
Swissair-Konzern es vorzog, die neue Dienstleistung im Golftourismus nicht
durch eine bestehende Konzerngesellschaft, sondern durch eine selbständige, neu
gegründete Tochtergesellschaft anzubieten. Die
BGE 120 II 331 S. 338
Vorinstanz stellt im angefochtenen Urteil fest, dass das Aktienkapital der IGR
lediglich Fr. 200'000.- betrug. Die Klägerin weist in ihrer Berufung
glaubwürdig darauf hin, dass sie eine Investition von mehr als Fr. 90'000.- als
Mietvorauszahlung für ein 40jähriges Benützungsrecht luxuriöser Hotels bei
einer derart kapitalschwachen Gesellschaft nicht getätigt hätte, wenn sie nicht
auf deren Zugehörigkeit zum Swissair-Konzern vertraut hätte. Angesichts des
Finanzbedarfs von 50 Mio. Franken, den die Beklagte nach den Feststellungen des
Handelsgerichts allein für die sogenannte "Pre-Openingphase" evaluiert hat, ist
die Unterkapitalisierung der IGR denn auch offensichtlich. Da es sich bei der
IGR um eine neu gegründete und offensichtlich unterkapitalisierte
Tochtergesellschaft handelte, musste auch der Beklagten klar sein, dass sich
deren Geschäftspartner vorab auf die Finanzkraft und den Ruf des
Swissair-Konzerns verlassen würden. Unter diesen Umständen gaben die
Werbeunterlagen der IGR, deren Inhalt sich die Beklagte als eigene Erklärungen
anrechnen lassen muss (E. 3b hievor), vor allem in zwei Richtungen Anlass zu
berechtigten Erwartungen:
aa) Die Klägerin durfte einerseits aus der Betonung der Einbindung der IGR in
den Swissair-Konzern und insbesondere aus der Aussage, die Swissair stehe
hinter der IGR, nach Treu und Glauben die Zusicherung ableiten, dass die
Beklagte die IGR mindestens in der Aufbauphase mit ausreichenden Mitteln
dotieren werde. Dagegen durfte die Klägerin nicht davon ausgehen, die Beklagte
nehme ihr jedes Investitionsrisiko ab. Der Erfolg der IGR hing offensichtlich
vor allem davon ab, dass weitere Dritte in das Unternehmen investieren und
Mitgliedschaften erwerben würden. Die Klägerin durfte nicht erwarten, im Falle
fehlender Drittbeteiligung werde der Ausfall wirtschaftlich durch die
Muttergesellschaft ausgeglichen. Das erweckte Vertrauen erstreckte sich
vielmehr bloss auf diejenigen Mittelzuflüsse, welche bei realistischer
Beteiligungsprognose für das Gelingen des Unternehmens in der Aufbauphase
zusätzlich erforderlich waren.
bb) Anderseits durfte die Klägerin aber aufgrund der Werbeunterlagen auch
allgemein darauf vertrauen, dass die werbemässig herausgestrichene Einbindung
der IGR in den Swissair-Konzern ein zuverlässiges und korrektes
Geschäftsgebaren verbürge und dass die Beklagte als Muttergesellschaft für
diese Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit einstehe. In diesem Sinne durfte
sie namentlich die Erklärung auffassen, dass die Swissair hinter der IGR stehe
und dass sich dies von Anfang an auf die Zuverlässigkeit des
BGE 120 II 331 S. 339
Tochterunternehmens auswirke. Die Klägerin durfte deshalb insbesondere auch
annehmen, die Beklagte werde dafür sorgen, dass auf Mitteilungen der IGR
Verlass sein werde. Sie musste nicht damit rechnen, dass die Beklagte zusehen
werde, wie die IGR ihre Geschäftspartner durch unrichtige oder irreführende
Angaben über ihren Geschäftserfolg und über die Chancen und Risiken einer
Weiterführung der Mitgliedschaften vom rechtzeitigen Abbruch der
Geschäftsbeziehung abhalten würde.
c) Zu prüfen bleibt, ob die Beklagte diese Erwartungen in treuwidriger Weise
enttäuscht hat.
aa) Den Feststellungen des Handelsgerichts ist zu entnehmen, dass die
Beklagte der IGR ein Aktienkapital von Fr. 200'000.- sowie ein
Aktionärsdarlehen von 50 Mio. Franken zur Verfügung gestellt hat. Dass das
Unternehmen mit diesen Mitteln aus dem Blickwinkel redlicher Geschäftsleute
wirtschaftlich nicht hinreichend abgesichert war, legt die Klägerin nicht dar.
Es ist demnach davon auszugehen, dass das Unternehmen nicht zufolge
Unterdotierung durch die Beklagte, sondern wegen Ausbleibens erwarteter
Drittbeteiligungen gescheitert ist. Dafür aber hat die Beklagte nach dem
Gesagten nicht einzustehen (E. b/aa hievor).
bb) Hingegen stellt sich die Frage, ob die Beklagte im Vorfeld der
Veräusserung der IGR an die Euroactividade AG für eine korrekte Information der
Mitglieder hätte sorgen müssen. In diesem Zusammenhang sind die folgenden
Umstände von Bedeutung:
Im Dezember 1988 versandte die IGR ihren Mitgliedern einen "Newsletter".
Dieser enthielt nach den Feststellungen der Vorinstanz eine vollmundige
Darstellung der Mitgliederentwicklung - und damit des geschäftlichen Erfolgs
des Unternehmens -, indem von einem "überwältigenden Echo aus 58 Ländern" und
von "bereits zahlreichen Mitgliedern" die Rede war, während in Tat und Wahrheit
die Mitgliederanmeldungen weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben waren und
sich daraus für die IGR schon bald geschäftliche Schwierigkeiten ergeben
hatten. Der Misserfolg der Mitgliederwerbung wurde der Klägerin auch später
verschwiegen, insbesondere im Schreiben vom 26. April 1989, in welchem die IGR
die Pläne für einen Zusammenschluss mit der Euroactividade AG bekanntgab. Das
Schreiben zielte nicht darauf ab, die IGR-Mitglieder objektiv zu informieren,
sondern war darauf angelegt, diese möglichst bei der Stange zu halten. Die
wahren Gründe für den Rückzug der Beklagten wurden verschwiegen. Stattdessen
wurde auf das erweiterte Leistungsangebot
BGE 120 II 331 S. 340
verwiesen, das der Zusammenschluss der IGR mit der Euroactividade AG
ermögliche. Zum Zeitpunkt, als der "Newsletter" und das Schreiben vom 26. April
1989 der Klägerin zugesandt worden sind, war die IGR noch Tochtergesellschaft
der Beklagten. Die Beklagte macht nicht geltend, sie hätte von diesen
Mitteilungen keine Kenntnis gehabt. Sie muss sich daher zumindest das Wissen
darüber anrechnen lassen, was dort gegenüber der Klägerin geäussert und was
nicht geäussert worden ist.
Die mit dem geplanten Unternehmenszusammenschluss verknüpfte
"Konzeptänderung", wonach an die Stelle der nach einem Punktesystem jährlich
"abwohnbaren" Wohnrechte in den IGR-Residenzen ein anderes Leistungsangebot
treten sollte, bedingte eine Änderung der Mitglieder-Verträge. Deren
Weiterführung bedurfte daher der - ausdrücklichen oder stillschweigenden Zustimmung der Mitglieder. Im Schreiben vom 26. April 1989 ist denn auch
richtigerweise darauf hingewiesen worden, dass es in der freien Entscheidung
der Mitglieder stehe, ob sie die Verträge mit der IGR "konvertieren", d.h. auf
veränderter Grundlage weiterführen wollten. Da den Mitgliedern indessen die
geschäftliche Lage der IGR verschwiegen, ja im "Newsletter" vom Dezember 1988
gar unrichtig geschildert und im Schreiben vom 26. April 1989 durch
irreführende Angaben über die Gründe des Verkaufs der IGR an die Euroactividade
AG verdeckt worden ist, sind ihnen wesentliche Entscheidungsgrundlagen
vorenthalten worden.
Aufgrund der konkreten Vertrauenslage wäre insoweit auch die Beklagte als
Konzern-Muttergesellschaft verpflichtet gewesen, für eine korrekte Information
durch die IGR zu sorgen oder selbst zu informieren (E. a und b/bb hievor).
Indem sie dieser Aufklärungspflicht nicht nachgekommen ist, hat sie treuwidrig
die Erwartungen enttäuscht, welche die Klägerin aufgrund der Umstände in ihr
Konzernverhalten setzen durfte. Die Missachtung der Aufklärungspflicht wiegt
umso schwerer, als im Schreiben vom 26. April 1989 hervorgehoben wird, dass die
Swissair eine namhafte Minderheitsbeteiligung an der Euroactividade AG erwerben
und über ihre Vertretung in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung dieser
Gesellschaft weiterhin Einfluss auf die IGR nehmen werde. Damit ist erneut in
einer Art und Weise an das Vertrauen in den Swissair-Konzern appelliert worden,
die geeignet war, den IGR-Mitgliedern eigene Nachforschungen über die IGR und
die Euroactividade AG als unnötig erscheinen zu lassen.
BGE 120 II 331 S. 341
Erwägung 6
6.- Hätte die Klägerin die wahre Sachlage gekannt, so hätte
sie - wie gestützt auf die allgemeine Lebenserfahrung angenommen werden muss von der Weiterführung des Vertrages mit der IGR abgesehen und die Rückzahlung
ihrer Einlage verlangt. Das Fehlverhalten der Beklagten war deshalb für den
Schaden kausal, den die Klägerin dadurch erlitten hat, dass sie weiterhin
Vertragspartnerin der IGR geblieben und in deren Konkurs zu Verlust gekommen
ist.
121 III 350 (Ringer)
70. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 10 octobre 1995 dans la cause
Fédération Suisse de Lutte Amateur contre Grossen (recours en réforme)
Regeste
Sportverein - Handeln nach Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) Haftung.
Ein Sportverein handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er kurz vor
Wettkampfbeginn und ohne hinreichenden Grund einem Athleten, der bereits nach
den unlängst aufgestellten Selektionskriterien qualifiziert ist, einen
zusätzlichen Ausscheidungskampf auferlegt (E. 5).
Ein solches Verhalten macht den Sportverein gegenüber dem zunächst
selektionierten, dann ausgeschlossenen Sportler schadenersatzpflichtig (E. 6).
BGE 121 III 350 S. 351
Sachverhalt
A.- La Fédération Suisse de Lutte Amateur (ci-après: la FSLA)
est une association dont les tâches consistent, en particulier, à assurer la
formation des lutteurs - en styles libre ou gréco-romain - et à organiser la
préparation des athlètes ainsi que la représentation de la Suisse aux
compétitions internationales.
Les Championnats du monde de lutte devaient se dérouler à Martigny du 25 août
au 3 septembre 1989. Chaque pays pouvait présenter un lutteur par catégorie de
poids, dans les deux styles de lutte. Sur proposition de la commission
technique, le comité central (ou bureau présidentiel, organe exécutif de la
FSLA) a fixé les critères de sélection. Pour représenter la Suisse, le lutteur
devait se classer dans les quatre premiers rangs lors des Championnats suisses
1989 et remporter le tournoi de qualification spécial; il devait ensuite
prendre part à un tournoi à l'étranger et suivre un camp d'entraînement
spécifique. Par ailleurs, les participants aux Jeux olympiques de Séoul en 1988
pouvaient s'inscrire au tournoi de qualification dans la catégorie de poids
dans laquelle ils avaient concouru aux Jeux olympiques, même s'ils n'avaient
pas participé aux Championnats suisses.
Ludwig Küng a participé aux Jeux de Séoul dans la catégorie 62 kg, style
libre. Blessé, il n'a pu concourir aux Championnats suisses 1989 et a pris du
poids. En mai 1989, le comité central a rejeté une demande de l'entraîneur
national des lutteurs de style libre visant à autoriser Küng à participer au
tournoi de qualification dans la catégorie 68 kg.
Le tournoi qualificatif a eu lieu à Moosseedorf le 8 juillet 1989. Deuxième
en lutte libre dans la catégorie 68 kg aux Championnats suisses 1989, René
Grossen, seul concurrent, a été déclaré vainqueur du tournoi dans cette
catégorie. Du 26 au 30 juillet 1989, il a participé au tournoi international de
Bratislava puis, du 7 au 20 août 1989, au camp de préparation aux Championnats
de monde, à Ovronnaz. Grossen remplissait ainsi tous les critères de sélection
pour représenter la Suisse à Martigny dans la catégorie 68 kg. Son nom figurait
du reste sur la liste des participants publiée dans le programme officiel des
Championnats du monde et dans la presse.
L'éviction de Küng a suscité des protestations. Soumis à diverses pressions,
le Président central de la FSLA a décidé, à la fin juillet 1989, qu'un combat
départagerait Grossen et Küng. Après avoir vainement protesté auprès de la
FSLA, Grossen a déposé une requête de mesures provisionnelles tendant à faire
interdire le match. Par décision du 17 août 1989, le
BGE 121 III 350 S. 352
juge-instructeur des districts de Martigny et Saint-Maurice a rejeté la
requête.
Peu auparavant, le 12 août 1989, le comité central avait entériné la décision
de son président de procéder à un combat de qualification supplémentaire. La
rencontre a eu lieu le 27 août 1989, soit quatre jours avant le début du
tournoi de lutte libre des Championnats du monde; Küng a gagné et s'est trouvé
seul qualifié dans la catégorie 68 kg.
B.- Par mémoire-demande du 21 juin 1990, Grossen a ouvert action contre la
FSLA en paiement, d'une part, d'un montant de 10'478 fr. 55 à titre de
dommages-intérêts et, d'autre part, d'une indemnité en réparation du tort moral
laissée à l'appréciation du tribunal. Le demandeur, salarié, faisait valoir en
particulier qu'il avait dû prendre des congés non-payés pour participer au
tournoi de Bratislava et au stage d'Ovronnaz.
Par jugement du 19 décembre 1994, la IIe Cour civile du Tribunal cantonal du
canton du Valais a admis l'action en dommages-intérêts à concurrence de 5'033
fr. 15 et rejeté toutes autres ou plus amples conclusions.
C.- La FSLA a interjeté un recours en réforme, concluant au rejet de la
demande.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable
et a confirmé le jugement attaqué.
Auszug aus den Erwägungen:
Extrait des considérants:
Erwägung 5
5.- A ce stade, il convient d'examiner de plus près le
comportement du bureau présidentiel de la défenderesse dans le cadre de la
sélection des lutteurs pour les Championnats du monde 1989.
a) Conformément à la procédure de sélection mise en place pour toutes les
catégories de lutteurs et vu l'absence de toute mise en garde de la part du
comité central, le demandeur était assuré de prendre part aux Championnats du
monde à l'issue du tournoi de qualification de Moosseedorf, le 8 juillet 1989,
pour autant qu'il participe ensuite au tournoi de Bratislava et au stage
d'entraînement d'Ovronnaz. A ce moment-là, sa qualification définitive ne
dépendait donc plus que de lui. Or, le 12 août 1989, le comité central a
décidé, uniquement pour la catégorie 68 kg, d'organiser un combat décisif entre
Küng et le demandeur, le vainqueur étant qualifié pour les Championnats du
monde. Ce faisant, il a adopté une attitude contradictoire que rien ne laissait
présager.
BGE 121 III 350 S. 353
Le revirement du bureau présidentiel apparaît d'autant plus choquant que
celui-ci connaissait de longue date le problème d'excès de poids de Küng et
qu'il avait précisément interdit à ce lutteur de participer au tournoi de
qualification de Moosseedorf dans la catégorie 68 kg. En outre, le comité
central ne peut faire valoir aucun juste motif à l'appui de sa volte-face. La
raison invoquée - donner une chance de sélection à l'un des meilleurs lutteurs
du pays - existait déjà lors du tournoi qualificatif du 8 juillet 1989. Par
ailleurs, il n'est allégué nulle part que le demandeur se serait blessé ou
aurait connu une baisse de forme importante depuis le tournoi qualificatif. En
réalité, le bureau présidentiel a cédé à des pressions, qui se sont faites
encore plus insistantes après les joutes de Moosseedorf.
b) En modifiant, dans ces circonstances, le mode de sélection dans une seule
catégorie de lutteurs à moins de trois semaines des Championnats du monde, le
comité central de la défenderesse a-t-il enfreint les règles de la bonne foi
(art. 2 CC)?
Selon la jurisprudence, la loi ne protège pas l'attitude contradictoire
("venire contra factum proprium") lorsque le comportement antérieur d'une
partie a inspiré chez l'autre partie une confiance légitime qui l'a déterminée
à des actes qui se révèlent préjudiciables une fois que la situation a changé
(ATF 116 II 700 consid. 3b p. 702, 115 II 331 consid. 5a p. 338, 110 II 494
consid. 4 p. 498, 106 II 320 consid. 3a).
En l'espèce, force est de constater que ces conditions sont remplies. En
effet, après le tournoi de Moosseedorf, le demandeur n'avait aucune raison de
douter de sa qualification, ce qui l'a amené à prendre des congés non-payés
pour se rendre à Bratislava et à Ovronnaz. Sa confiance, digne de protection, a
dès lors été trompée lorsque le comité central, pendant le camp de préparation
d'Ovronnaz, a décidé du combat de qualification supplémentaire contre Küng.
Certes, ce n'est pas la décision d'organiser le duel qui a éliminé le
demandeur, mais bien le résultat du match lui-même. Sur ce point, il y a lieu
toutefois d'observer que le bureau présidentiel a pris intentionnellement le
risque d'évincer un lutteur pourtant déjà qualifié; le risque était d'ailleurs
d'autant plus important que, selon les propres dires des représentants de la
défenderesse, Küng était d'un niveau supérieur au demandeur.
Erwägung 6
6.- Organisée sous forme d'association, la défenderesse a la
personnalité juridique (art. 60 al. 1 CC). Le comité central est habilité à la
représenter (art. 69 CC). La défenderesse est par conséquent liée par les actes
du bureau présidentiel. En l'occurrence, ce dernier a agi de manière
BGE 121 III 350 S. 354
contraire aux règles de la bonne foi à l'égard du demandeur, membre du club de
lutte bernois TV Länggasse, qui réclame réparation du dommage subi de ce fait.
La responsabilité de la défenderesse est-elle engagée pour autant? En d'autres
termes, y a-t-il un fondement juridique à la prétention en dommages-intérêts
exercée par le demandeur?
a) Faute d'un quelconque contrat liant les parties, une responsabilité
contractuelle de la défenderesse n'entre pas en considération en l'espèce.
b) Il convient de se demander en revanche si la responsabilité de la
défenderesse n'est pas engagée sur la base de l'art. 41 CO.
La jurisprudence qualifie d'illicite l'acte, voire l'omission, objectivement
contraire à des ordres ou à des interdictions du droit écrit ou non écrit (ATF
120 II 331 consid. 4 et les arrêts cités).
Selon une thèse défendue en particulier par KELLER, un comportement
préjudiciable contraire aux règles de la bonne foi peut être illicite s'il
existe un rapport particulier de confiance entre le lésé et le responsable
(KELLER/GABI, Das Schweizerische Schuldrecht, tome II, 2e éd., p. 39 ss;
KELLER, Ist eine Treu und Glauben verletzende Schädigung widerrechtlich? in
recht 1987, p. 136 ss; cf. également REY, Rechtliche Sonderverbindungen und
Rechtsfortbildung, in Festschrift Keller, 1989, p. 231 ss). Dans un arrêt
publié aux ATF 108 II 305, le Tribunal fédéral a toutefois refusé, sauf cas
tout à fait exceptionnels, de considérer l'art. 2 CC comme une norme de
protection fondamentale dont la violation est propre à entraîner une
responsabilité basée sur l'art. 41 CO; l'art. 2 CC ne fonde en effet pas une
obligation indépendante, mais s'applique en rapport avec des droits et
obligations déjà existants (consid. 2b p. 311).
c) Cela étant, il se dégage néanmoins de la jurisprudence des cas mettant en
cause des relations de confiance dans lesquels le Tribunal fédéral reconnaît un
chef de responsabilité, sans se prononcer nécessairement sur sa nature
juridique.
Ainsi, la responsabilité découlant d'une "culpa in contrahendo" repose sur
l'idée que, pendant les pourparlers contractuels, les parties doivent agir
selon les règles de la bonne foi. En effet, l'ouverture des pourparlers crée
déjà une relation juridique entre elles et leur impose des devoirs réciproques,
comme par exemple de négocier sérieusement conformément à leurs véritables
intentions (ATF 116 II 695 consid. 3 p. 698, 105 II 75 consid. 2a). Le Tribunal
fédéral n'a pas tranché la question de savoir si cette responsabilité est de
nature délictuelle ou contractuelle (ATF 108 II 419 consid. 5 p. 422), estimant
préférable de rechercher la disposition
BGE 121 III 350 S. 355
applicable selon le problème posé (par exemple, l'art. 60 CO pour la
prescription: ATF 101 II 266 consid. 4c).
De même, celui qui, disposant de connaissances particulières dans un domaine,
accepte de fournir des renseignements ou des conseils hors de tout rapport
contractuel doit agir de bonne foi (ATF 111 II 471 consid. 3); commet ainsi un
acte illicite engageant sa responsabilité celui qui, intentionnellement ou à la
légère, donne des informations inexactes ou passe sous silence des faits dont
il doit reconnaître l'importance pour l'autre partie (ATF 116 II 695 consid. 4,
111 II 471 consid. 3). L'illicéité résulte du fait que le renseignement inexact
ou le conseil incorrect a suscité chez l'autre partie une confiance justifiée
qui se trouve trompée ultérieurement (arrêt non publié du 13 décembre 1990 dans
la cause 4C.211/1989, consid. 4b/cc).
Citant la doctrine récente, le Tribunal fédéral a rattaché par la suite, dans
un obiter dictum, la responsabilité pour renseignement inexact à la notion de
responsabilité fondée sur la confiance ("Vertrauenshaftung") (ATF 120 II 331
consid. 5a p. 337 et les références). Développée en droit allemand, cette forme
juridique consiste à imputer une responsabilité déduite des règles de la bonne
foi à celui qui a créé une situation de confiance à laquelle une autre personne
peut se fier et s'est du reste fiée en réalité (KRAMER/SCHMIDLIN, Commentaire
bernois, n. 150 ad Allgemeine Einleitung in das schweizerische OR; cf.
également STAUDINGER/DILCHER, Kommentar zum BGB, 12e éd., n. 44 ss ad
Vorbemerkungen ad §§ 116-144). Dans cette optique, la "culpa in contrahendo"
constitue un cas particulier de la responsabilité fondée sur la confiance
(KRAMER/SCHMIDLIN, op.cit., n. 151 ad Allgemeine Einleitung in das
schweizerische OR).
Un autre aspect de la responsabilité fondée sur la confiance a été mis en
exergue récemment dans la jurisprudence. Le Tribunal fédéral a admis, malgré
l'absence d'un fondement contractuel ou délictuel, la responsabilité d'une
société mère pour des déclarations publicitaires adressées aux clients de sa
filiale, qui mettaient l'accent sur le lien entre les deux sociétés du groupe
et cherchaient ainsi à faire bénéficier la filiale de la bonne réputation de la
société mère (ATF 120 II 331). Les conditions posées par la jurisprudence pour
qu'une telle responsabilité soit engagée sont strictes: il faut que, par son
comportement, la société mère ait provoqué, puis déçu de manière contraire à la
bonne foi, des attentes déterminées quant à son rôle et à sa responsabilité
dans le groupe (même arrêt,
BGE 121 III 350 S. 356
consid. 5a p. 336).
A l'instar des responsabilités découlant de la "culpa in contrahendo" ou de
renseignements inexacts, la responsabilité de la société mère suppose, entre le
lésé et le responsable, une relation particulière ("Sonderverbindung"), soit un
rapport spécial de confiance et de fidélité (ibid.; cf. REY, op.cit., p. 234
ss; KELLER, op.cit., in recht 1987, p. 137).
d) En l'occurrence, le demandeur est membre du club de lutte TV Länggasse,
qui fait lui-même partie d'une association régionale (art. 4 let. a et art.
5.2. des statuts FSLA). Pour sa part, la défenderesse est composée des
associations régionales, ainsi que de membres honoraires et de membres passifs,
qui constituent les seuls membres individuels (art. 4 statuts FSLA). Dans ce
système, aucun lien de sociétariat direct n'existe entre les parties. Il n'en
demeure pas moins que la défenderesse dispose, en particulier en matière de
représentation aux compétitions internationales (art. 2.2. § 3 statuts FSLA),
d'une situation de monopole qui s'exerce également à l'égard du demandeur et
qui est d'ailleurs la règle en matière sportive (cf. BADDELEY, L'association
sportive face au droit, thèse Genève 1994, p. 83; JOLIDON, Ordre sportif et
ordre juridique, in RJB/ZBJV 127/1991, p. 232; SCHERRER, Sportrecht - Eine
notwendige Sonderdisziplin? in RSJ/SJZ 84/1988, p. 2 et 5). Par ailleurs, même
en l'absence de toute affiliation directe, le sportif uniquement membre d'une
section a certains droits et obligations vis-à-vis de la fédération, notamment
un devoir de fidélité (SATTIVA SPRING, Les fédérations à but idéal en droit
suisse, thèse Lausanne 1990, p. 184).
En contre-partie, la fédération qui se trouve en position monopolistique doit
se voir imposer le respect de certains principes fondamentaux à l'égard des
sportifs, et spécialement la fidélité aux actes. Au même titre que dans les cas
de responsabilité fondée sur la confiance décrits ci-dessus, le lien
particulier qui unit le sportif individuel à sa fédération commande donc que la
responsabilité de celle-ci soit engagée lorsqu'elle cause un dommage à
l'athlète en agissant de manière contraire aux règles de la bonne foi.
En l'espèce, comme déjà relevé, la confiance que le demandeur pouvait
légitimement placer dans le respect de la procédure de sélection instituée par
la défenderesse elle-même a été trompée de manière crasse par la décision
injustifiée d'imposer - un peu moins de trois semaines avant l'ouverture des
Championnats du monde, style libre - un duel de qualification supplémentaire
dans lequel le demandeur avait tout à perdre.
BGE 121 III 350 S. 357
Comme la cour cantonale l'a admis à juste titre, cette attitude contraire aux
règles de la bonne foi était propre à engager la responsabilité de la
défenderesse pour le dommage causé au demandeur.
124 III 297 (Motor Columbus)
54. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. April 1998 i.S.
Musikvertrieb AG gegen Motor-Columbus AG (Berufung)
Regeste: Haftung im Konzern.
Eine Haftung der Muttergesellschaft aus unerlaubtem Verhalten von
Doppelorganen setzt Widerrechtlichkeit oder zumindest Sittenwidrigkeit voraus
(E. 5a). Die Widerrechtlichkeit von Unterlassungen lässt sich weder aus dem
Gefahrensatz noch aus Art. 2 ZGB ableiten (E. 5b und c). Sittenwidrigkeit kommt
nur ausnahmsweise in Betracht (E. 5e).
Allgemeine Hinweise auf eine bestehende Konzernverbindung vermögen keine
Vertrauenshaftung der Muttergesellschaft zu begründen. Schutzwürdiges Vertrauen
setzt ein Verhalten der Muttergesellschaft voraus, das geeignet ist,
hinreichend konkrete und bestimmte Erwartungen zu wecken (E. 6).
BGE 124 III 297 S. 298
Sachverhalt
A.- Die Musikvertrieb AG begann in den Jahren 1986 und 1987
mit der Planung eines neuen Lager- und Verteilzentrums in Schlieren, dem
sogenannten «Dispodrom», in welchem Wareneingang, Warenausgang, Entgegennahme
von Kundenbestellungen und Auftragsabwicklung computergesteuert bewältigt
werden sollten. Mit Totalunternehmervertrag vom 26. Juni 1987 übertrug sie die
bauliche Erstellung des Lager- und Verteilzentrums der Mobag
Generalunternehmung AG. Am 18. November 1987 schloss sie zudem einen Vertrag
über Ingenieurleistungen mit der Mobag Systems Engineering (MSE), einer
Abteilung der Mobag Generalunternehmung AG, ab. Die Firma EOP AG
EDV-Organisation und Programmierung unterbreitete mit Schreiben vom 29.
September 1987 eine «Grob-Offerte» für die Realisierung des EDV-Projekts. Am
27. Januar 1989 reichte die EOP AG der Musikvertrieb AG eine neue Offerte für
die Entwicklung und Einführung der EDV-Applikation ein, auf deren
Verbindlichkeit sich die Parteien in der Folge unterschriftlich einigten. Im
Mai 1990 fusionierte die EOP AG mit der Infocall AG. Sowohl die EOP AG als auch
die Infocall AG waren Tochtergesellschaften der Telecolumbus AG, die ihrerseits
eine Tochtergesellschaft der Motor-Columbus AG war.
Das «Dispodrom» nahm Anfang Januar 1991 den Betrieb auf. Bei der
Betriebsaufnahme kam es zu einem Zusammenbruch des EDV-Systems. Nach der
Darstellung der Musikvertrieb AG war es infolgedessen nicht einmal mehr
möglich, die bisherigen Auftraggeber zu beliefern. Dadurch sei der
Musikvertrieb AG bzw. ihrer Schwestergesellschaft, der Dispodrom AG, ein
enormer Schaden entstanden.
B.- Am 7. Oktober 1994 reichte die Musikvertrieb AG beim Handelsgericht des
Kantons Aargau Klage gegen die Motor-Columbus AG ein, mit dem Begehren, die
Beklagte sei zu verpflichten, Fr. 7'081'102.-- nebst Zins zu 5% seit 10.
Februar 1992 an die Dispodrom AG und Fr. 100'000.-- nebst Zins zu 5% seit 14.
Oktober 1993 an die Klägerin zu bezahlen. Auf Antrag der Beklagten beschränkte
der Instruktionsrichter mit Verfügung vom 3. März 1995 das Verfahren vorerst
auf die Frage, ob die Beklagte dem Grundsatz nach hafte, ob sie mithin
überhaupt passivlegitimiert sei.
BGE 124 III 297 S. 299
Mit Urteil vom 20. August 1997 verneinte das Handelsgericht die
Passivlegitimation der Beklagten und wies demzufolge die Klage ab.
C.- Das Bundesgericht weist die Berufung der Klägerin ab, soweit es darauf
eintritt, und bestätigt das Urteil des Handelsgerichts.
Auszug aus den Erwägungen:
Aus den Erwägungen:
Erwägung 5
5.- Die Klägerin wirft den Herren Franz-Anton Glaser, Ulrich
Dietiker und Kurt Meier, die angeblich als Doppelorgane der EOP/Infocall AG und
der Telecolumbus AG aufgetreten seien, unerlaubtes Verhalten im Sinne von Art.
41 OR vor. Sie macht geltend, die genannten Personen hätten die schwerwiegenden
Probleme gekannt, die bei anderen Kunden mit analogen EDV-Applikationen
entstanden seien, und wären deshalb zum Eingreifen verpflichtet gewesen, um
einen Zusammenbruch des EDV-Systems des «Dispodroms» zu verhindern. Das
Handelsgericht hält der Klägerin entgegen, dass es einerseits an einer
Widerrechtlichkeit des beanstandeten Verhaltens fehle und dass anderseits die
fraglichen Personen auch nicht als Doppelorgane beider Gesellschaften gehandelt
hätten. Zudem geht die Vorinstanz auch davon aus, dass Schadenersatzforderungen
aus unerlaubter Handlung ohnehin verjährt wären. Mit diesen Erwägungen hat das
Handelsgericht nach Auffassung der Klägerin Bundesrecht verletzt.
a) Nach Art. 722 OR haftet die Aktiengesellschaft für den Schaden aus
unerlaubten Handlungen (Art. 41 OR), die eine zur Geschäftsführung oder zur
Vertretung befugte Person in Ausübung ihrer geschäftlichen Verrichtungen
begeht. Aufgrund dieser Vorschrift hat die Konzern-Muttergesellschaft unter
Umständen für Eingriffe ihrer Organe in die Geschäftsführung der
Tochtergesellschaft einzustehen (ROLAND VON BÜREN, Der Konzern, in:
Schweizerisches Privatrecht, Basel, Bd. VIII/6, S. 178 und 183; FORSTMOSER, Die
aktienrechtliche Verantwortlichkeit, 2. Aufl. 1987, S. 224 Rz. 713 ff.; MAX
ALBERS-SCHÖNBERG, Haftungsverhältnisse im Konzern, Diss. Zürich 1980, S. 152
ff.). Eine derartige Organhaftung setzt allerdings voraus, dass die fraglichen
Handlungen unerlaubt im Sinne von Art. 41 OR, mithin widerrechtlich oder
zumindest sittenwidrig (Art. 41 Abs. 2 OR) sind (VON BÜREN, a.a.O., S. 182 f.;
WOLFGANG ZÜRCHER, Der Gläubigerschutz im schweizerischen Aktienrechts-Konzern,
Diss. Zürich 1993, S. 219 ff.), und dass die Personen, von denen die Handlungen
ausgegangen sind, sowohl als Organe der Muttergesellschaft als auch als Organe
der Tochtergesellschaft
BGE 124 III 297 S. 300
gehandelt haben (ALBERS-SCHÖNBERG, a.a.O., S. 157 ff.; ANDREAS VON PLANTA,
Doppelorganschaft im aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsrecht, in: FS Vischer
1983, S. 600 ff.; KARL HOFSTETTER, Sachgerechte Haftungsregeln für
Multinationale Konzerne, S. 201 f.).
b) Der Vorwurf der Klägerin an die Herren Glaser, Dietiker und Meier geht in
erster Linie dahin, dass sie es trotz Kenntnis der Probleme unterlassen hätten
einzugreifen. Die Widerrechtlichkeit dieser Unterlassung versucht die Klägerin
zunächst aus dem Gefahrensatz abzuleiten. Nach diesem ungeschriebenen
haftpflichtrechtlichen Grundsatz hat, wer Gefahren schafft, die nötigen
Schutzmassnahmen zu treffen (BGE 116 Ia 162 E. 2c S. 169, mit Hinweisen; vgl.
auch 121 III 358 E. 4a S. 360). Der Gefahrensatz ist einerseits heranzuziehen,
wenn der Kausal- bzw. der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen einer
Unterlassung und dem eingetretenen Schaden zu beurteilen ist (vgl. HONSELL,
Schweizerisches Haftpflichtrecht, 2. Aufl. 1996, S. 50 f. Rz. 35; SCHNYDER, in:
Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel, 2. Aufl. 1996, N. 38 zu Art.
41 OR). Anderseits begründet die Verletzung des Gefahrensatzes Verschulden; wer
die gebotenen Schutzmassnahmen unterlässt, verletzt seine Sorgfaltspflicht
(REY, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, S. 173 f. Rz. 866 ff., insbes. Rz.
869; KELLER/GABI, Haftpflichtrecht, 2. Aufl. 1988, S. 43, 59 und 62;
OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. II/1, 4. Aufl. 1987, S.
11 ff. Rz. 26 ff.). Nicht geeignet ist der Gefahrensatz nach in der neueren
Lehre überwiegender - und zutreffender - Auffassung demgegenüber zur Begründung
der Widerrechtlichkeit einer Unterlassung (BREHM, Berner Kommentar, N. 51 zu
Art. 41 OR; OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. I, 5. Aufl.
1995, S. 182 f. Rz. 44, und Bd. II/1, 4. Aufl. 1987, S. 39 Rz. 107; STARK,
Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 2. Aufl. 1988, S. 57 Rz. 240 und S. 62 f.
Rz. 271 ff.; REY, a.a.O., S. 148 Rz. 756). Dieser Auffassung hat sich das
Bundesgericht in BGE 119 II 127 (E. 3 S. 129) angeschlossen. Insoweit ist die
von der Klägerin zitierte frühere Rechtsprechung (BGE 116 Ia 162 E. 2c S. 169,
mit Hinweisen; vgl. auch 116 Ib 367 E. 6a S. 376) überholt (WERRO, Die
Sorgfaltspflichtsverletzung als Haftungsgrund nach Art. 41 OR, ZSR 116/1997, S.
364 f.). Aus BGE 121 III 358, auf den sich die Klägerin ebenfalls beruft,
ergibt sich nichts zugunsten ihres Rechtsstandpunktes. Der dort beurteilte Fall
betraf einen Skiunfall, der zu einer schweren Körperverletzung geführt hatte.
Die Schädigung war deshalb bereits als Eingriff in ein
BGE 124 III 297 S. 301
absolut geschütztes Rechtsgut widerrechtlich (vgl. SCHNYDER, a.a.O., N. 38 zu
Art. 41 OR). Die dortigen Erwägungen beziehen sich folglich nicht auf die
Widerrechtlichkeit, sondern auf die Frage, ob und wieweit dem beklagten
Bergbahnunternehmen Unterlassungen von Schutzvorkehren auf der Skipiste zur
Last fielen, die als Verletzungen der vertraglichen oder sich aus dem
Gefahrensatz ergebenden Pistensicherungspflicht in dem Sinne eine
Haftungsgrundlage abzugeben vermochten, dass sie es dem Grundsatz nach
erlaubten, dem Bergbahnunternehmen den Schaden unter dem Gesichtspunkt des
Rechtswidrigkeitszusammenhangs zuzurechnen. Im vorliegenden Fall geht es
dagegen nicht um einen Eingriff in absolut geschützte Rechtsgüter der Klägerin,
sondern um einen reinen Vermögensschaden. Zur Begründung der Widerrechtlichkeit
bedarf es daher eines Verstosses gegen eine Norm, die vor Schädigungen von der
Art der eingetretenen schützen soll (OFTINGER/STARK, a.a.O., Bd. II/1, S. 35 f.
Rz. 101; vgl. auch BGE 121 III 350 E. 6b S. 354, mit Hinweisen). Der
Gefahrensatz bildet jedoch nach dem Gesagten für sich allein keine solche
Schutznorm.
c) Als Rechtsnorm, aus der sich eine Pflicht der Herren Glaser, Dietiker und
Meier zum Eingreifen ergeben haben soll, führt die Klägerin weiter Art. 2 ZGB
an, wonach jedermann in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner
Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln hat. Diese Vorschrift knüpft jedoch,
wie schon aus ihrem Wortlaut hervorgeht, an bereits bestehende Rechte und
Pflichten einer Person an. Wo jemand weder nach Vertrag noch nach Gesetz zu
einem bestimmten Verhalten verpflichtet ist, kann eine solche Pflicht höchstens
in eng umgrenzten Ausnahmefällen aus dem Grundsatz von Treu und Glauben
abgeleitet werden (BGE 108 II 305 E. 2b S. 311, bestätigt in 116 Ib 367 E. 6c
S. 376 und 121 III 350 E. 6b S. 354). Einen solchen Ausnahmefall stellt
namentlich die Haftung aus treuwidriger Enttäuschung erweckten Vertrauens dar.
Darauf ist zurückzukommen (E. 6 hienach). Im vorliegenden Zusammenhang bleibt
festzuhalten, dass es das Handelsgericht entgegen der Auffassung der Klägerin
mit Recht abgelehnt hat, Art. 2 ZGB als «haftpflichtrechtliche Grundschutznorm»
aufzufassen (HONSELL, a.a.O., S. 21 Rz. 7; BREHM, a.a.O., N. 53 zu Art. 41 OR;
OFTINGER/STARK, a.a.O., Bd. II/1, 4. Aufl. 1987, S. 39 ff. Rz. 108 ff.;
HOFSTETTER, a.a.O., S. 213 f.).
d) Schliesslich beruft sich die Klägerin zur Begründung der
Widerrechtlichkeit auf Art. 2 und insbesondere auf Art. 3 lit. b des
Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241).
BGE 124 III 297 S. 302
Sie macht geltend, die EOP/Infocall AG bzw. ihre Organe hätten immer wieder
beteuert, dass alles planmässig verlaufe, es keine gravierenden EDV-Probleme
gebe, und zudem ständig wiederholt, dass der Produktiv-Start per Anfang 1991
ohne weiteres möglich sei; dies alles, obwohl sie gewusst hätten, dass sie ein
Entwicklungsprogramm verwendet hätten, das nicht funktioniert habe, nicht
praxiserprobt gewesen sei und bereits bei anderen Kunden massive
Performance-Probleme verursacht habe. Mit dieser Argumentation verkennt die
Klägerin Stossrichtung und Tragweite des UWG. Nach Art. 3 lit. b UWG, dessen
Tatbestandsmerkmale die Klägerin im Verhalten der Beklagten verwirklicht sehen
will, handelt zwar unlauter, wer über seine Waren, Werke oder Leistungen
unrichtige oder irreführende Angaben macht. Wie sich bereits aus der
Generalklausel von Art. 2 UWG ergibt, setzt der Tatbestand des unlauteren
Wettbewerbs jedoch stets ein Verhalten voraus, welches das Verhältnis zwischen
Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst. Das UWG
bezweckt nicht etwa allgemein den Schutz von Treu und Glauben, sondern nur den
Schutz des lauteren Wettbewerbs (Art. 1 UWG). Widerrechtlich im Sinne des UWG
kann deshalb zum vornherein nur wettbewerbsgerichtetes, marktrelevantes
Verhalten sein. Das Verhalten muss mithin objektiv geeignet sein, den
Wettbewerb zu beeinflussen (BGE 120 II 76 E. 3a S. 78, mit Hinweisen). Im
vorliegenden Fall kann aber keine Rede davon sein, dass die Klägerin durch eine
derartige Wettbewerbsbeeinflussung geschädigt worden wäre. Die Äusserungen, aus
denen die Klägerin den Vorwurf des unlauteren Wettbewerbs ab-leiten will,
fielen im Rahmen der Abwicklung eines bereits bestehenden Vertrages. Sie waren
einerseits weder bestimmt noch geeignet, sich auf die Marktverhältnisse
auszuwirken. Anderseits hatte die Klägerin auch die Wahl ihrer
Vertragspartnerin längst getroffen. Unter diesen Umständen ist nicht
einzusehen, inwiefern sie Opfer einer unlauteren Beeinflussung des
Verhältnisses zwischen Mitbewerber oder zwischen Anbietern und Abnehmern
geworden sein soll.
e) Fehl geht auch der Vorwurf, das Handelsgericht habe zu Unrecht nicht
geprüft, ob eine absichtliche sittenwidrige Schädigung im Sinne von Art. 41
Abs. 2 OR vorliege. Dieser Haftungsgrund ist nur ausnahmsweise und mit grösster
Zurückhaltung als gegeben anzunehmen (BGE 95 III 83 E. 6a S. 92). Die
Sittenwidrigkeit darf nicht dazu dienen, das Erfordernis der Widerrechtlichkeit
auszuhöhlen. Wenn das Gesetz den Verstoss gegen die «guten Sitten» mit
BGE 124 III 297 S. 303
Schädigungsabsicht zum Haftungstatbestand erhebt, bedeutet dies nicht, dass es
eine allgemeine Verpflichtung der Rechtsgenossen auf eine hohe Ethik anstreben
würde. Das Recht will nur ein ethisches Minimum gewährleisten. Art. 41 Abs. 2
OR erfasst in erster Linie die Schikane: Gegen die guten Sitten verstösst im
Sinne dieser Bestimmung ein Verhalten, das nicht der Wahrnehmung eigener
Interessen dient, sondern ausschliesslich oder primär darauf abzielt, andere zu
schädigen (HONSELL, a.a.O., S. 64; SCHNYDER, a.a.O., N. 43 zu Art. 41 OR). Im
Lichte dieser Erwägungen kann im vorliegenden Fall von Sittenwidrigkeit keine
Rede sein. Dass eine Aufklärung über angeblich voraussehbare EDV-Probleme
unterblieben ist, stellt möglicherweise eine Vertragsverletzung seitens der
EOP/Infocall AG dar; eine unerlaubte Handlung von Organpersonen lässt sich
darin aber nicht erblicken. Ein Deliktstatbestand lässt sich namentlich auch
nicht auf dem Umweg über Art. 41 Abs. 2 OR konstruieren. Dass es den fraglichen
Organpersonen ausschliesslich oder primär darauf angekommen wäre, die Klägerin
zu schädigen, behauptet diese selbst nicht. Inwiefern ein schikanöses oder
sonstwie vergleichbar verwerfliches Verhalten von Organpersonen vorliegen soll,
ist weder dargetan noch ersichtlich.
f) Ein aus unerlaubtem Verhalten von Doppelorganen abgeleiteter
Schadenersatzanspruch scheitert somit bereits daran, dass die
Haftungsvoraussetzung der Rechts- oder Sittenwidrigkeit nicht gegeben ist. Es
erübrigt sich daher, die weiteren Haftungsvoraussetzungen und die Frage der
Verjährung näher zu prüfen.
Erwägung 6
6.- Eine Verletzung von Bundesrecht erblickt die Klägerin
schliesslich auch darin, dass das Handelsgericht eine Haftung der Beklagten aus
erwecktem Konzernvertrauen verneint hat.
a) Die Klägerin stützt ihre Argumentation auf BGE 120 II 331. In diesem
Urteil hält das Bundesgericht fest, dass erwecktes Vertrauen in das
Konzernverhalten der Muttergesellschaft unter Umständen auch bei Fehlen einer
vertraglichen oder deliktischen Haftungsgrundlage haftungsbegründend sein kann.
Eine derartige Vertrauenshaftung kommt jedoch nur unter strengen
Voraussetzungen in Betracht. Der Geschäftspartner einer Tochtergesellschaft hat
deren Kreditwürdigkeit grundsätzlich selbst zu beurteilen und kann das
Bonitätsrisiko nicht einfach generell auf die Muttergesellschaft abwälzen. Die
Muttergesellschaft hat nicht unbesehen für den Erfolg des Tochterunternehmens
einzustehen und haftet bei dessen Scheitern den Geschäftspartnern nicht ohne
weiteres für allfälligen Schaden, der ihnen aus dem Misserfolg erwächst.
BGE 124 III 297 S. 304
Schutz verdient nicht, wer bloss Opfer seiner eigenen Unvorsichtigkeit oder der
Verwirklichung allgemeiner Geschäftsrisiken wird, sondern nur, wessen
berechtigtes Vertrauen missbraucht wird. Eine Haftung entsteht nur, wenn die
Muttergesellschaft durch ihr Verhalten bestimmte Erwartungen in ihr
Konzernverhalten und ihre Konzernverantwortung erweckt, später aber in
treuwidriger Weise enttäuscht (BGE 120 II 331 E. 5a S. 335 f.; vgl. auch 121
III 350 E. 6c S. 355 f.). Das blosse Bestehen einer Konzernverbindung vermag
somit keine Grundlage für eine Vertrauenshaftung abzugeben. Ebensowenig genügen
Werbeaussagen, in denen bloss in allgemeiner Form auf eine bestehende
Konzernverbindung hingewiesen wird. Schutzwürdiges Vertrauen setzt ein
Verhalten der Muttergesellschaft voraus, das geeignet ist, hinreichend konkrete
und bestimmte Erwartungen zu wecken (vgl. MARKUS LUTTER, Haftung aus
Konzernvertrauen?, in: Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, Köln 1997,
S. 232 ff., insbes. 240 f.; DRUEY, SZW 1995, S. 96).
b) Als Grundlage für ihr Vertrauen in das Konzernverhalten der Telecolumbus
AG macht die Klägerin namentlich geltend, auf dem Briefpapier der EOP/Infocall
AG sei der Hinweis «Ein Unternehmen der Telecolumbus-Gruppe» aufgedruckt
gewesen und in den Werbeunterlagen sei die EOP/Infocall AG als ein
«schnellwachsendes Unternehmen der Telecolumbus-Gruppe» vorgestellt worden. Aus
solchen allgemeinen Hinweisen durfte sie jedoch in guten Treuen keine konkreten
Zusicherungen in Bezug auf ein bestimmtes Konzernverhalten der Telecolumbus AG
ableiten. Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich der vorliegende Fall
nicht mit dem Sachverhalt vergleichen, den das Bundesgericht in BGE 120 II 331
beurteilt hat. Dort war entscheidend, dass nicht bloss allgemein auf die
Konzernstrukturen hingewiesen, sondern die Einbindung der Tochtergesellschaft
in den Konzern der Muttergesellschaft werbemässig stark herausgestrichen und in
den Werbeunterlagen vor allem auch ausdrücklich zugesichert worden war, dass
die Tochtergesellschaft nach den «gleichen unternehmerischen Maximen wie ihre
Mutter» arbeite und dass der Konzern hinter dem Tochterunternehmen stehe, was
sich von Anfang an auf dessen Zuverlässigkeit auswirke. Im vorliegenden Fall
fehlen vergleichbar ausgeprägte und bestimmte Werbeaussagen. In den allgemeinen
Angaben über die Konzernverhältnisse, welche Geschäftspapier und
Werbeunterlagen der EOP/Infocall AG enthielten, kann keine Grundlage für
berechtigtes Vertrauen der Klägerin darauf gesehen werden, dass die
BGE 124 III 297 S. 305
Telecolumbus AG für eine korrekte Vertragsabwicklung ihrer Tochtergesellschaft
und insbesondere für eine korrekte Aufklärung über allfällig auftretende
Probleme sorgen werde
128 III 324 (Wechsel Rechtsschein)
58. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung
i.S.A. SA gegen B. AG (Berufung)
4C.82/2002 vom 21. Juni 2002
Regeste
Unterschriftsfälschung des Namensträgers auf einem Wechsel.
Wechselmässige Haftung aus veranlasstem Rechtsschein.
Vertragshaftung.
Hält die Wechselinhaberin gestützt auf das Verhalten der
Bezogenen, das in ihr Vertrauen erweckt, deren Unterschrift auf
dem Wechsel für echt, haftet ihr diese für den daraus erwachsenen
Schaden. Diese Haftung ist den Regeln der Vertragshaftung zu
unterstellen (E. 1 und 2).
Sachverhalt ab Seite 324
Die B. AG (Klägerin) kam im Rahmen einer
Geschäftsbeziehung mit der C. GmbH in den Besitz von zwei am 22.
Juli 1996 von dieser an eigene Order ausgestellten Wechseln über
SFr. 205'750.- bzw. US$ 264'000.-, welche als Bezogene die A. SA
(Beklagte) aufführen. Beide Wechsel tragen die Unterschrift der
einzigen Verwaltungsrätin der Beklagten.
Vor der Diskontierung des ersten Wechsels verlangte die Klägerin
von der Beklagten am 30. Juli 1996 die Bestätigung, dass die
BGE 128 III 324 S. 325
Unterschrift "korrekt" und die unterzeichnende Person zur
Einzelzeichnung befugt sei. Die Verwaltungsrätin der Beklagten
teilte der Klägerin mittels eines Faxschreibens mit, dass ein
Wechsel über DM 205'750.- vorhanden und sie zur Einzelzeichnung
befugt sei. Sie unterzeichnete das Schreiben mit dem Hinweis, dass
es sich dabei um ihre Original-Unterschrift handle, die für die
Akten der Klägerin bestimmt sei. Da die im Faxschreiben angegebene
Währung mit derjenigen auf dem Wechsel nicht übereinstimmte,
erkundigte sich die Klägerin telefonisch bei der Verwaltungsrätin
der Beklagten, die in einem vom 31. Juli 1996 datierten
Faxschreiben bestätigte, dass der Wechsel auf Schweizer Franken
lautete. Beide Antworten der Beklagten gingen zuerst an die C.
GmbH und von dieser weiter an die Klägerin.
Die Wechsel wurden in der Folge fristgerecht, jedoch erfolglos zur
Zahlung vorgelegt. Die Beklagte bestritt die Echtheit der
Unterschrift auf den beiden Wechseln.
Am 20. Mai 1998 und 10. Februar 1999 reichte die Klägerin beim
Handelsgericht des Kantons Zürich zwei Klagen ein und beantragte,
die Beklagte zur Zahlung von SFr. 205'750.- bzw. US$ 112'000.-,
zuzüglich Zins und Ersatz für die Protestkosten, zu verpflichten.
Nach Vereinigung beider Prozesse verpflichtete das Handelsgericht
in seinem Urteil vom 20. Dezember 2001 die Beklagte zur Zahlung
von SFr. 142'130.40, zuzüglich Zins und Ersatz für die
Protestkosten. Es wies die Klage im Mehrbetrag ab.
Die Beklagte hat das Urteil des Handelsgerichts mit Berufung
angefochten, die vom Bundesgericht abgewiesen wird.
Auszug aus den Erwägungen:
Aus den Erwägungen:
Erwägung 1
1.
1.1 Die Vorinstanz erwog hinsichtlich des Wechsels
über SFr. 205'750.-, die Beklagte habe weder die Echtheit der
Unterschrift ihrer Verwaltungsrätin ausdrücklich bestätigt, noch
die Zahlung der Wechselsumme in Aussicht gestellt oder explizit
erklärt, der Wechsel gehe in Ordnung. Die schriftliche
Bestätigung, es sei ein Wechsel über diese Summe vorhanden,
verbunden mit dem Schweigen über die Tatsache der gefälschten
Unterschrift vermöchten keine konkludente Genehmigung des
Begebungsvertrages zu bewirken. Eine Genehmigungswirkung sei daher
aus Gründen der nicht überzeugenden Analogie zum
Stellvertretungsrecht und in Berücksichtigung des konkreten Falles
abzulehnen.
BGE 128 III 324 S. 326
Die Vorinstanz hielt jedoch dafür, das Verhalten der Beklagten
begründe hinsichtlich des Wechsels über SFr. 205'750.- eine
wechselmässige Haftung sowohl unter dem Aspekt des verursachten
Rechtsscheins als auch unter demjenigen von Treu und Glauben. Die
Anfrage der Klägerin vom 30. Juli 1996 habe sich
unmissverständlich auf die Gültigkeit der Unterschrift auf dem
Wechsel bezogen. Obwohl die Verwaltungsrätin der Beklagten die
Fälschung sofort erkannt habe, habe sie dies in ihrem Schreiben
mit keinem Wort erwähnt, sondern eine Formulierung gewählt, in
welcher eine positive, bejahende Antwort erblickt werden dürfe.
Selbst wenn dieses Schreiben noch nicht für die Klägerin, sondern
zuerst für die C. GmbH bestimmt war, hätte die Beklagte anlässlich
der Anfrage der Klägerin vom 31. Juli 1996 ohne Zweifel erkennen
müssen, dass diese im Besitze ihres Schreibens war. Statt sie aber
über die Fälschung aufzuklären, habe die Verwaltungsrätin der
Beklagten lediglich ein weiteres Bestätigungsschreiben betreffend
die korrekte Währung verfasst. Die Beklagte habe damit nicht nur
auf Anfrage hin geschwiegen, sondern durch ihr aktives Handeln
einen Rechtsschein geschaffen, wodurch die Klägerin in einen
Irrtum über die Echtheit der Unterschrift versetzt worden sei, der
sie schliesslich dazu bewogen habe, den Wechsel zu
diskontieren.
1.2 Mit Hinweis auf BGE 41 II 369 ff. und auf die
zur Theorie des Rechtsscheins nicht einheitliche Lehre kritisiert
die Beklagte deren Anwendung durch die Vorinstanz. Sie behauptet,
die Einrede der Unterschriftsfälschung habe absoluten Charakter.
Wenn eine Wechselunterschrift gefälscht sei, dann habe der
Namensträger keinerlei Berührung mit dem Papier. Es gebe keinen
Sachverhalt, auf Grund dessen er wechselrechtlich behaftet werden
könne. Der gutgläubige Wechselerwerber müsse das inhärente Risiko
selbst tragen. Die auf der gleichen Ebene wie die Haftung aus
Rechtsschein liegende Haftung nach Treu und Glauben müsse
ebenfalls abgelehnt werden.
Erwägung 2
2.
2.1 BGE 41 II 369 wurde vor Inkrafttreten der auf
dem Genfer Abkommen über die Vereinheitlichung des Wechselrechts
von 1930 basierenden aktuellen Regelung gefällt. In diesem Urteil
lehnte das Bundesgericht eine mit wechselrechtlicher Wirkung
verbundene "nachträgliche Genehmigung" einer
Unterschriftsfälschung ab mit der Begründung, eine wechselmässige
Verpflichtung könne nur durch den Formalakt der eigenhändigen
Unterzeichnung des Wechsels entstehen. Das Bundesgericht
befürwortete dagegen eine deliktische Haftung des Ausstellers.
BGE 128 III 324 S. 327
2.2 Der Namensträger, insbesondere der Bezogene,
dessen Unterschrift auf einem Wechsel gefälscht wurde, haftet
grundsätzlich (wechselrechtlich) nicht, auch nicht einem
gutgläubigen Erwerber, da er die Wechselverpflichtung zumindest
formell nie eingegangen ist (BAUMBACH/HEFERMEHL,
Wechselgesetz und Scheckgesetz, 22. Aufl., München 2000, N. 5 zu
Art. 7 WG/D). Es stellt sich jedoch die Frage nach einer Haftung
aus veranlasstem Rechtsschein bzw. aus Treu und Glauben, wie dies
die Vorinstanz angenommen hat. Dabei ist eine Abgrenzung zwischen
diesen Begriffen nicht nötig, drückt doch im Wechselrecht die
Rechtsscheintheorie den Inhalt des Vertrauensprinzips mit anderen
Worten aus (JÄGGI, Zürcher Kommentar, N. 57 zu Art. 979 OR;
WALTER OTT, Das Vertrauensprinzip und die Lehre vom
Einredenausschluss im Wechselrecht, in: SJZ 75/1979 S. 153 ff.,
154 Fn. 4 mit Hinweisen; vgl. ebenfalls HANS PETER WALTER,
Die Vertrauenshaftung: Unkraut oder Blume im Garten des Rechts?,
in: ZSR 120/2001 I S. 83; a.M. BAUMBACH/HEFERMEHL, a.a.O.,
N. 5 zu Art. 7 WG/D).
Die Haftung aus erwecktem und enttäuschtem Vertrauen setzt das
Bestehen einer rechtlichen Sonderverbindung voraus. Diese
unterscheidet sich von der deliktsrechtlichen Konstellation des
zufälligen und ungewollten Zusammenpralls beliebiger Personen
dadurch, dass die Beteiligten - ausserhalb einer vertraglichen
Bindung - rechtlich in besonderer Nähe zueinander stehen, wobei
sie einander gegenseitig Vertrauen gewähren und Vertrauen in
Anspruch nehmen. Aus dieser rechtlichen Sonderverbindung ergeben
sich aus Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) hergeleitete Schutz- und
Aufklärungspflichten (BGE 120 II 331 E. 5a S. 336). Eine derartige
Sonderverbindung entsteht allerdings nur aus bewusstem oder
normativ zurechenbarem Verhalten der in Anspruch genommenen Person
(SJ 2000 I S. 549 ff., S. 554; 4C.280/1999). Schutzwürdiges
Vertrauen setzt zudem ein Verhalten des Schädigers voraus, das
geeignet ist, hinreichend konkrete und bestimmte Erwartungen des
Geschädigten zu wecken (BGE 124 III 297 E. 6a S. 304). Trifft der
Geschädigte sich als nachteilig erweisende Dispositionen, hat der
Schädiger für den aus enttäuschtem Vertrauen verursachten Schaden
einzustehen.
2.3 Der von der Vorinstanz vorgeschlagenen
wechselmässigen Haftung des Namensträgers aus veranlasstem
Rechtsschein stimmt die Doktrin zu, wenn auch zum Teil nur unter
bestimmten Voraussetzungen (HUECK/CANARIS, Recht der
Wertpapiere, 12. Aufl., München 1986, § 9 II.3.b. S. 112 f.;
BAUMBACH/HEFERMEHL, a.a.O., N. 10 zu
BGE 128 III 324 S. 328
Art. 7 WG/D: nur bei Verschulden; GRÜNINGER/HUNZIKER/NOTTER,
Basler Kommentar, N. 4 zu Art. 997 OR und N. 17 zu Art. 1007 OR:
z.B. bei mehrmaliger Einlösung gefälschter Akzeptunterschriften;
im Ergebnis gl.M. MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE,
Wertpapierrecht, 2. Aufl., Bern 2000, § 4 N. 49, insbesondere Fn.
63; a.M. PETER BÜLOW, Wechselgesetz, Scheckgesetz,
Allgemeine Geschäftsbedingungen, 2. Aufl., Heidelberg 1995, N. 11
ff., N. 14 zu Art. 7 WG/D).
Für HUECK/CANARIS (a.a.O., § 9 II.3.b. S. 113 mit Hinweisen)
schafft die Bestätigung der Echtheit in zurechenbarer Weise einen
Scheintatbestand, so dass die Voraussetzungen einer
Rechtsscheinhaftung gegeben sind. Für diese Autoren gilt dasselbe
grundsätzlich auch beim Schweigen auf eine Anfrage, weil und
sofern auch darin ein zurechenbarer Scheintatbestand liegt. Diese
Fälle, bei denen eine Verbindung zwischen dem Scheintatbestand und
dem Verhalten des Betroffenen gegeben ist, bilden somit eine
Ausnahme von den Zurechenbarkeitseinwendungen, die normalerweise
absolut sind und jedem, also auch dem gutgläubigen Erwerber eines
Wechsels, entgegengehalten werden können, weil der Scheinschuldner
den Rechtsschein nicht in zurechenbarer Weise veranlasst hat
(HUECK/CANARIS, a.a.O., § 9 I.5.a. S. 108).
2.4 Eine Sonderverbindung zwischen der Klägerin als
Wechselinhaberin und der Beklagten als Bezogene kann mit Blick auf
ihr Verhalten bejaht werden. Die Vorinstanz hat für das
Bundesgericht verbindlich festgestellt (Art. 63 Abs. 2 OG), die
Beklagte habe nach der ersten Anfrage der Klägerin vom 30. Juli
1996 die Fälschung sofort erkannt, aber ihr dies in ihrer Antwort,
nämlich in ihrem Faxschreiben, nicht mitgeteilt. Mit Recht hat die
Vorinstanz erwogen, auch wenn die Antwort der Beklagten damals
nicht für die Klägerin, sondern vorerst für den Aussteller
bestimmt gewesen sei, habe sie infolge der zweiten Anfrage der
Klägerin vom 31. Juli 1996 erkennen müssen, dass Letztere im
Besitze des Faxschreibens vom 30. Juli 1996 gewesen sei; sie habe
jedoch die Klägerin nicht aufgeklärt, sondern ein weiteres
Bestätigungsschreiben verfasst, wiederum ohne die
Unterschriftsfälschung zu erwähnen. Der Einwand der Beklagten, die
Klägerin sei durch eine andere Erfahrung mit Wechseln misstrauisch
gewesen und hätte daher ihre Anfrage anders formulieren müssen,
was sich auf den Inhalt der Antwort der Beklagten ausgewirkt
hätte, betrifft die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz
und ist im Berufungsverfahren nicht zu hören (Art. 55 Abs. 1 lit.
c OG). Ebenso verhält es sich mit den Ausführungen der Beklagten
betreffend die Erfahrung der Parteien mit
BGE 128 III 324 S. 329
Wechselgeschäften (vgl. BGE 109 II 452 E. 5d S. 460 f.). Vielmehr
ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt, dass die im Handel
tätige Beklagte mit dem Aussteller in geschäftlicher Verbindung
stand; darauf deutet auch hin, dass sie die beiden Faxschreiben
zuerst an diesen richtete. Unerheblich ist, dass die Beklagte
nichts von den Geschäftsbeziehungen der Klägerin mit dem
Aussteller des Wechsels wusste, zumal sie sich spätestens bei der
Anfrage über die Echtheit der Unterschrift danach erkundigen
konnte. Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass die Klägerin
gestützt auf das Verhalten der Beklagten, das ihr Vertrauen
erweckt hatte, die Unterschrift auf dem Wechsel über SFr.
205'750.- für echt hielt. Indessen wurden die Wechsel, obwohl bei
der Zahlungsstelle fristgerecht vorgelegt, nicht eingelöst.
2.5 Da die Klägerin in ihrem aus der
Sonderverbindung zur Beklagten erweckten Vertrauen enttäuscht
wurde, haftet Letztere für den Schaden, welcher der Klägerin
daraus erwächst. Diese Haftung ist vorliegend den Regeln der
Vertragshaftung zu unterstellen (HANS PETER WALTER, a.a.O.,
S. 99; derselbe, Vertrauenshaftung im Umfeld des Vertrages,
in: ZBJV 132/1996 S. 273 ff., 295), entsteht doch diese
Sonderverbindung, generell ausgedrückt, im Umfeld eines
gescheiterten Anweisungsverhältnisses (Leistungsverhältnis bzw.
Einlösungsverhältnis; dazu MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE,
a.a.O., § 6 N. 1 ff., N. 8) zwischen Wechselinhaber und
Wechselbezogenem oder, spezifischer ausgedrückt, weil wegen der
Annahmeverweigerung des Wechsels durch den Bezogenen kein
Begebungsvertrag zwischen diesem und dem Wechselinhaber zustande
kommt (dazu MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, a.a.O., § 7 N. 113;
HUECK/CANARIS, a.a.O., § 7 III.3.). Daraus ergibt sich, dass
die Festsetzung des Schadens sich nach den Grundsätzen von Art. 99
in Verbindung mit Art. 43 f. OR zu richten hat. Die von der
Beklagten vorgebrachten Herabsetzungsgründe (leichte
Fahrlässigkeit der Beklagten, Selbstverschulden der Klägerin)
entbehren jedoch, wie bereits bemerkt (E. 2.4), jeglicher
Grundlage im festgestellten Sachverhalt, so dass diesbezüglich von
einer Verletzung des Bundesrechts durch die Vorinstanz keine Rede
sein kann.
130 III 345 (Liegenschaftenschätzter)
43. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung
i.S. A. gegen B. (Berufung)
4C.230/2003 vom 23. Dezember 2003
Regeste
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter;
Vertrauenshaftung (Art. 2 ZGB).
Die Haftung eines Liegenschaftenschätzers aus Vertrag mit
Schutzwirkung zugunsten Dritter wäre selbst nach Auffassung
der Befürworter dieser Rechtsfigur nur denkbar, wenn der
Verkäufer der Liegenschaft im Einverständnis mit den Käufern
einen Schätzungsauftrag in eigenem Namen erteilt und dem
Liegenschaftenschätzer die gemeinsame Interessenlage offen
gelegt hätte (E. 1).
Ein Gutachter kann bereits bei einer mittelbaren
Beziehung gegenüber einem vertragsfremden Dritten aus
erwecktem Vertrauen haftbar werden. Dabei spielt keine Rolle,
ob der Gutachter den Dritten kennt oder zumindest weiss, um
wen es sich handelt, denn das Haftungsrisiko richtet sich
nach den davon unabhängigen Kriterien des Inhalts der
Expertise und deren Verwendungszweck (E. 2).
Haftung im vorliegenden Fall verneint (E. 3).
BGE 130 III 345 S. 346
Sachverhalt
A.- A. (der Beklagte) ist Architekt und
ein in der Gegend anerkannter Liegenschaftenschätzer. Er
verfasste im Jahre 1994 im Auftrag der Eigentümer einen
Schätzungsbericht über die Liegenschaft D. in C. Darin finden
sich keine Hinweise auf Mängel der Liegenschaft. In der
Absicht, das Haus zu verkaufen, liessen die Eigentümer den
Schätzungsbericht samt der Verkaufsdokumentation den
Kaufsinteressenten E. und S. B. (den Klägern) zukommen. Diese
erwarben die Liegenschaft am 21. November 1996.
B.- Kurz nach dem am 1. März 1997
erfolgten Besitzantritt wurden die Kläger gewahr, dass sich
beim Vordach Probleme stellen könnten, weshalb sie das Haus
begutachten liessen. Die beigezogenen Holzbaufachleute
stellten in ihrer Expertise vom 27. August 1997 Mängel
betreffend Dachkonstruktion, Vordach, Statik und Feuchtigkeit
im Keller fest. Am 29. August 1997 erhoben die Käufer
deswegen Mängelrüge mit Kopie an den Beklagten, und sie
verlangten vorsorgliche Beweissicherung beim zuständigen
Gericht. Die im Rahmen dieses Verfahrens beauftragten
Fachleute konstatierten
BGE 130 III 345 S. 347
im Wesentlichen dieselben Mängel wie die privaten Gutachter,
unter anderen die nicht fachgerechte Ausführung der
Holzbauarbeiten im Dachgeschoss und im Keller sowie der
Isolation der Kellerdecke. Die Kosten für die Sanierung
dieser und weiterer, hier nicht interessierender Mängel
wurden auf insgesamt Fr. 63'900.- veranschlagt. Die Kläger
liessen den Beklagten wissen, dass sie ihn - neben den
Verkäufern und dem Architekten, der das Haus umgebaut hatte
- für die Schäden haftbar machen würden. Der Beklagte lehnte
seine Haftung ab.
C.- Mit Klage vom 5. Mai 1999
beantragten die Kläger dem Bezirksgericht Werdenberg, den
Beklagten zu verpflichten, ihnen Fr. 68'228.65 nebst
gestaffeltem Zins zu bezahlen. Sie beriefen sich darauf, dass
der Schätzbericht des Beklagten bei ihnen Vertrauen auf die
Mängelfreiheit der Liegenschaft geschaffen habe, welches
ihren Kaufentschluss mitbestimmt habe. In diesem Vertrauen
seien sie jedoch enttäuscht worden. Das Bezirksgericht kam
zum Ergebnis, der Schätzungsbericht des Beklagten sei
mangelhaft, weil die bei dessen Abfassung erkennbaren Mängel
betreffend Holzbauarbeiten im Dachgeschoss und im Keller
sowie Isolation der Kellerdecke darin nicht erwähnt seien.
Das Bezirksgericht bejahte insoweit eine Vertrauenshaftung
des Beklagten und schützte die Klage im Umfang von Fr.
30'960.50 nebst Zins. Das hierauf mit der Sache befasste
Kantonsgericht St. Gallen wies mit Entscheid vom 2. Juni 2003
sowohl die Berufung des Beklagten als auch die
Anschlussberufung der Kläger ab.
D.- Der Beklagte beantragt dem
Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung die Aufhebung des
Urteils des Kantonsgerichts und die Abweisung der Klage,
eventuell die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu
angemessener Berücksichtigung des Mitverschuldens der Kläger
und entsprechender Reduktion der Forderung.
Die Kläger schliessen auf Abweisung der Berufung.
Auszug aus den Erwägungen:
Aus den Erwägungen:
Erwägung 1
1. Die kantonalen Gerichte kamen
übereinstimmend und zutreffend zum Ergebnis, eine
ausservertragliche Haftung scheitere am Erfordernis der
Widerrechtlichkeit, da den Beklagten keine Rechtspflicht zum
Schutze des Vermögens eines Dritten treffe. Auch eine Haftung
des Beklagten aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
lehnten die Vorinstanzen zu Recht ab. Eine solche Haftung
BGE 130 III 345 S. 348
ist in der bisherigen Praxis nie grundsätzlich bejaht worden.
Die Frage braucht auch vorliegend nicht entschieden zu
werden. Denn sie wäre nur denkbar, wenn der Verkäufer im
Einverständnis mit den Käufern den Schätzungsauftrag in
eigenem Namen erteilt und dem Beklagten diese gemeinsame
Interessenlage offen gelegt hätte. Dies trifft im
vorliegenden Fall aber nicht zu. Damit aber sind die
Interessen der Vertragsparteien gegenläufig: Der Verkäufer
ist an einem möglichst hohen, die Käufer an einem möglichst
tiefen Verkehrswert interessiert. In einem solchen Fall
scheidet die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung
zugunsten Dritter auch nach Auffassung der in der neueren
Rechtslehre vertretenen Befürworter dieser Rechtsfigur aus
(vgl. HANS PETER WALTER, Vertrauenshaftung im Umfeld
des Vertrages, in: ZBJV 132/1996 S. 291 f.; anders die Praxis
in Deutschland: Urteil des Bundesgerichtshofes [BGH] vom 10.
November 1994 - III ZR 50/94 [Köln], publ. in: Neue
Juristische Wochenschrift 1995 S. 392; im Ergebnis zustimmend
DIETER MEDICUS, Anmerkung, Juristenzeitung 1995 S. 308
f.; wie hier CLAUS-WILHELM CANARIS, Schutzwirkungen
zugunsten Dritter bei "Gegenläufigkeit" der Interessen:
zugleich eine Besprechung der Entscheidung des BGH vom 10.
November 1994 - III ZR 50/94, publ. in: Juristenzeitung 1995
S. 441 ff.).
Auch eine Haftung des Beklagten als Gehilfe oder
Mittäter aus culpa in contrahendo scheidet aus. Eine
absichtliche Täuschung (Art. 28 OR) der Kläger durch den
Beklagten ist nach den tatsächlichen Feststellungen der
Vorinstanz nicht auszumachen. Ob Fahrlässigkeit für die culpa
in contrahendo genügt (bejahend WALTER, a.a.O., ZBJV
132/1996 S. 292; CANARIS, a.a.O., S. 445), kann offen
bleiben, weil die erforderliche Sachnähe des Gutachtens zu
den Verhandlungen des Kaufvertrages fehlte. Das Gutachten
wurde nicht im Hinblick auf diese Vertragsverhandlungen
erstellt, sondern zwei Jahre nach der Ablieferung dazu
verwendet. Auf diese zeitliche Distanz erscheint eine culpa
in contrahendo ausgeschlossen (vgl. WALTER, a.a.O.,
ZBJV 132/1996 S. 293). Zudem ginge diese auf das negative
Interesse, wogegen die Kläger inhaltlich einen
Erfüllungsschaden geltend machen (BGE 105 II 75 E. 3 S.
81).
Die kantonalen Gerichte schützten die Klage indessen
auf Grund der in jüngster Zeit vom Bundesgericht als
eigenständige Haftungsgrundlage anerkannten Rechtsfigur der
Vertrauenshaftung.
BGE 130 III 345 S. 349
Erwägung 2
2.
2.1 Die Haftung aus erwecktem Vertrauen,
welche als Oberbegriff jene aus culpa in contrahendo und die
weiteren interessenmässig gleich gelagerten
Tatbestandsgruppen umfasst (BAUMANN, Zürcher Kommentar,
N. 108 und 123 zu Art. 2 ZGB; KRAMER, Berner Kommentar,
Allgemeine Einleitung in das schweizerische OR, N. 151), ist
zwischen Vertrag und Delikt angesiedelt. Es handelt sich
dabei um die Haftung eines vertragsfremden Dritten, bei
welcher das von diesem erweckte Vertrauen die Rechtsgrundlage
eines Schadenersatzanspruchs bildet, wenn es anschliessend
enttäuscht wird. Schutzwürdiges Vertrauen setzt ein Verhalten
des Schädigers voraus, das geeignet ist, hinreichend konkrete
und bestimmte Erwartungen des Geschädigten zu wecken (BGE 124
III 297 E. 6a S. 304; 121 III 350 E. 6c S. 355; 120 II 331 E.
5a S. 336; Urteile des Bundesgerichts 4C.299/1998 vom 7.
Januar 1999, E. 4a, publ. in: SJ 2000 I S. 537 f.;
4C.280/1999 vom 28. Januar 2000, E. 3a, publ. in: SJ 2000 I
S. 554 f.; KRAMER, a.a.O., N. 150; BUCHER, Basler
Kommentar, 3. Aufl., N. 69a ff. zu Art. 1 OR). Trifft der
Geschädigte sich als nachteilig erweisende Dispositionen, hat
der Schädiger für den Schaden einzustehen, sofern und soweit
die nicht verwirklichte Erwartung dafür adäquat kausal
war.
2.2 Die Haftung aus erwecktem und
enttäuschtem Vertrauen setzt voraus, dass die Beteiligten in
eine so genannte "rechtliche Sonderverbindung" zueinander
getreten sind, welche erst rechtfertigt, die aus Treu und
Glauben (Art. 2 ZGB) hergeleiteten Schutz- und
Aufklärungspflichten greifen zu lassen (BGE 120 II 331 E. 5a
S. 336). Eine derartige Sonderverbindung entsteht aus
bewusstem oder normativ zurechenbarem Verhalten der in
Anspruch genommenen Person. Ein zufälliges und ungewolltes
Zusammenprallen, wie es im Regelfall einer auf Fahrlässigkeit
gründenden Deliktshaftung eigen ist (BGE 128 III 324 E. 2.2
S. 327; Urteil des Bundesgerichts 4C.280/1999 vom 28. Januar
2000, E. 3a, publ. in: SJ 2000 I S. 554 f.; KRAMER,
a.a.O., N. 141; HANS PETER WALTER, Die
Vertrauenshaftung: Unkraut oder Blume im Garten des Rechts?,
in: ZSR 120/2001 I S. 97), schafft dagegen keine derartige
Sonderverbindung. Die Eigenhaftung eines Erfüllungsgehilfen
kommt damit nur in Betracht, wenn er selbst in engen
persönlichen Beziehungen zum Kunden seines Auftraggebers
stand oder wenn er diesem aufgrund seines gesamten Verhaltens
gleichsam persönliche Gewähr für das Gelingen des
übernommenen Geschäfts bot (Urteil des
BGE 130 III 345 S. 350
Bundesgerichts 4C.280/1999 vom 28. Januar 2000, E. 3a, mit
Hinweis auf WIEGAND/BERGER, Zur rechtssystematischen
Einordnung von Art. 11 BEHG, in: ZBJV 135/1999 S. 713 f. und
743). Ein unmittelbarer Kontakt zwischen Ansprecher und
Schädiger ist demnach nicht unabdingbar. Es genügt, dass die
in Anspruch genommene Person explizit oder normativ
zurechenbar kundgetan hat, für die Richtigkeit bestimmter
Äusserungen einzustehen und der Ansprecher im berechtigten
Vertrauen darauf Anordnungen getroffen hat, die ihm zum
Schaden gereichten. Eine derartige Konstellation lag BGE 120
II 331 E. 5a S. 337 zugrunde, wo hervorgehoben wurde, dass
sich die Haftung aus Konzernvertrauen, wenn sich dieses aus
bestimmten Aussagen der Muttergesellschaft ergibt, mit der
Haftung aus falschem Rat und mangelhafter Auskunft berührt.
Daraus folgt, dass unter denselben Voraussetzungen auch ein
Experte, dessen Auftrag im Wesentlichen stets darin besteht,
bestimmte Fragen aus seinem Fachbereich zu beantworten,
bereits bei einer mittelbaren Beziehung gegenüber einem
vertragsfremden Dritten aus erwecktem Vertrauen haftbar
werden kann. Die Analogie zur culpa in contrahendo-Haftung
lässt sich herstellen durch Anknüpfung an den intendierten
Vertrag zwischen dem Dritten und dem Auftraggeber des
Experten, auf den die Expertise Einfluss zu nehmen bestimmt
ist. Der Experte, der ein Schriftstück erarbeitet, welches
dann von seinem Auftraggeber an den Dritten weitergegeben
wird, tritt jedenfalls dann in mittelbare Beziehung zum
Empfänger, wenn die Weitergabe mit seinem - wirklichen oder
vertrauenstheoretisch zurechenbaren - Einverständnis erfolgt
(CLAUS-WILHELM CANARIS, Die Reichweite der
Expertenhaftung gegenüber Dritten, in: Zeitschrift für das
gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht 163/1999 S. 224
ff.). Dabei spielt keine Rolle, ob der Experte den Dritten
kennt oder zumindest weiss, um wen es sich handelt oder
nicht, denn das Haftungsrisiko richtet sich nach den davon
unabhängigen Kriterien des Inhalts der Expertise und deren
Verwendungszweck (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.202/2002
vom 30. Oktober 2002, E. 4.1; CANARIS, a.a.O., S. 235;
ihm folgend ALAIN HIRSCH, La responsabilité de l'expert
envers les tiers, in: Chappuis/Winiger, La responsabilité
fondée sur la confiance, Journée de la responsabilité civile
2000, Zürich 2001, S. 83; REGULA FEHLMANN,
Vertrauenshaftung - Vertrauen als alleinige
Haftungsgrundlage, Diss. St. Gallen 2002, S. 147 mit
Hinweisen). Ob der Gutachter mit der Begebung seiner
Expertise an den ihn belangenden
BGE 130 III 345 S. 351
Dritten rechnen musste, entscheidet sich nach den konkreten
Umständen, dem gesellschaftlichen und beruflichen Kontext und
der sozialen Rolle der Betroffenen (RAINER GONZENBACH,
Culpa in contrahendo im schweizerischen Vertragsrecht, Diss.
Bern 1987, S. 37; ERNST A. KRAMER, Diskussionsbeitrag
zum Thema "Vertrauenshaftung" in: Chappuis/Winiger, a.a.O.,
S. 190). Diese bestimmen auch über die Intensität der
Sonderverbindung, nach welcher sich wiederum der Umfang der
Haftung richtet (EUGEN BUCHER, Was man aus einem Fall
von "Putativ-Vertrauenshaftung" lernen kann, in: recht
19/2001 S. 79; WALTER, a.a.O., ZSR 120/2001 I S. 97).
So hat das Bundesgericht im Urteil 4C.280/1999 vom 28. Januar
2000, E. 3a (publ. in: SJ 2000 I S. 554 f.) eine
Sonderverbindung zwischen einem vom bauenden Grundeigentümer
zur Baugrundabklärung und Begleitung der Aushubarbeiten
beauftragten Geologen und den Eigentümern der durch die
Bauarbeiten beschädigten Nachbarliegenschaft verneint. Zur
Begründung führte es aus, weder sei festgestellt, dass eine
persönliche Beziehung zwischen den Parteien stattgefunden
habe noch dass der Beklagte den Klägern zugesichert habe, die
Bautätigkeit werde ihr Eigentum nicht tangieren.
Dispositionen der Kläger gestützt auf eine vom Beklagten
geschaffene Vertrauensposition seien ebenfalls nicht
auszumachen. Der Kontakt zwischen den Parteien sei
ausschliesslich durch die als Folge von Bauarbeiten auf dem
klägerischen Grundstück verursachten Schäden bedingt.
Demgegenüber gelangte die Vorinstanz in Würdigung der
Umstände im vorliegenden Fall zum Ergebnis, für den Beklagten
sei die Weitergabe seines Schätzungsberichts an potenzielle
Käufer voraussehbar gewesen. Ob sie dabei Bundesrecht
verletzte, ist nachstehend zu prüfen.
Erwägung 3
3.
3.1 Der Beklagte macht mit der Berufung
geltend, die Vorinstanz habe in keiner Weise begründet, worin
die besondere Intensität der mittelbaren Beziehung zwischen
den Parteien bestanden haben soll. Eine solche liege auch
nicht vor, denn die Kläger hätten es unterlassen, den
Beklagten vor Vertragsschluss zu kontaktieren und anzufragen,
wie umfassend er seinerzeit die Liegenschaft untersucht habe
und ob sie sich mit Bezug auf die Mängelfreiheit auf das zwei
Jahre zuvor erstellte Gutachten verlassen könnten. Sie hätten
daher die alleinige Verantwortung für ihre
Vertrauensseligkeit zu tragen.
BGE 130 III 345 S. 352
3.2 Im vorliegenden Fall bestand zwischen
dem Eigentümer der Liegenschaft D. in C. und dem Beklagten
ein Auftragsverhältnis gemäss Art. 394 ff. OR. Der Beklagte
verpflichtete sich gegenüber dem Liegenschafteneigentümer,
ein Schätzungsgutachten über die genannte Liegenschaft zu
erstellen. Wie die Kläger selbst angaben, diente das
Gutachten dem damaligen Liegenschafteneigentümer dazu, bei
der Bank eine Erhöhung des Hypothekarkredits zu erlangen. Die
Kläger erhielten erst zwei Jahre später Kenntnis vom besagten
Gutachten, als es ihnen im Rahmen einer Verkaufsdokumentation
vorgelegt wurde.
Der Beklagte konnte zwar nicht völlig ausschliessen,
dass das von ihm erstellte Gutachten von irgendwelchen
Personen in irgendeinem Zusammenhang zu einem späteren
Zeitpunkt einmal eingesehen werden könnte. Allein die
Möglichkeit einer zufälligen Kenntnisnahme vom Gutachten
genügt aber nicht zur Begründung der Vertrauenshaftung. Dem
angefochtenen Urteil ist nicht zu entnehmen, dass zwischen
den Parteien zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens ein
direkter Kontakt bestand oder dass der Beklagte von den
Klägern und deren späteren Kaufsabsichten wusste. Auch liegen
keine Anhaltspunkte vor, die darauf hindeuten, dass der
Beklagte von den Klägern hätte wissen müssen. Es ist deshalb
davon auszugehen, dass zwischen den Parteien zum Zeitpunkt
der Erstellung des Gutachtens keine Verbindung bestand, die
ein legitimes Vertrauen der Kläger in die Richtigkeit des vom
Beklagten erstellten Gutachtens hätte begründen können.
Ebenso wenig war für den Beklagten voraussehbar, dass
der Liegenschafteneigentümer das Gutachten, welches dieser im
Hinblick auf ein Gesuch um die Erhöhung des Hypothekarkredits
bestellt hatte, zwei Jahre später in einem anderen
Zusammenhang, dem Verkauf der Liegenschaft, nochmals
verwenden würde. Eine Vertrauensbasis hätte das Gutachten
höchstens gegenüber der Bank darstellen können, wenn diese
gestützt auf im Gutachten enthaltene falsche Angaben
nachteilige Dispositionen getroffen hätte. Das Gutachten
zirkulierte aber im zeitlichen Abstand von zwei Jahren
innerhalb eines Personenkreises, der mit dem ursprünglichen
Zweck des bestellten Gutachtens nichts mehr zu tun hatte.
Diese Personen, von denen der Beklagte nichts wusste und
nichts wissen musste, waren nicht berechtigt, sich auf die
Richtigkeit der Angaben im Gutachten zu verlassen. Die
Haftung des Beklagten für das bei den Klägern erweckte
Vertrauen dennoch zu bejahen, würde dazu führen,
BGE 130 III 345 S. 353
dass die Vertrauenshaftung zu einer Haftung gegenüber jeder
zufällig mit dem Gutachten in Berührung kommenden Person und
mithin zu einer Haftung gegenüber jedermann (erga omnes)
ausufern würde. Die Haftung des Beklagten ist deshalb zu
verneinen.
133 III 449 (Gotthardtunnel)
56. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen
Kanton Uri (Berufung)
4C.28/2007 vom 12. Juni 2007
Regeste
Vertrauenshaftung.
Die Erwartung, dass der Partner ohne vertragliche Verpflichtung eine
Leistung erbringe, ist grundsätzlich nicht schützenswert. Eine Ausnahme
liegt namentlich dann vor, wenn ein entsprechender Vertragsschluss auf Grund
der bestehenden Machtverhältnisse oder der Abhängigkeit des Vertrauenden
faktisch nicht möglich ist und dem Vertrauenden gleichzeitig der Verzicht
auf das Geschäft bzw. auf die Geschäftsbeziehung nicht zugemutet werden kann
(E. 4.1). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt (E.
4.2).
BGE 133 III 449 S. 450
Sachverhalt
A.- Die Arbeitsgemeinschaft Y. AG fabrizierte und montierte gestützt auf
einen mit dem Kanton Uri (Beklagter) und dem Kanton Tessin abgeschlossenen
Werkvertrag Niederspannungs- und Schwachstromverteilungen in den
Schutzräumen des Gotthard-Strassentunnels. Da an den Verteilungen
verschiedene Mängel auftraten, mussten Sanierungsarbeiten durchgeführt
werden, zu denen die Y. AG die X. AG als Subunternehmerin beizog.
A. (Kläger) ist in Bezug auf die eingeklagte Forderung der
Rechtsnachfolger der X. AG.
B.- Am 31. Dezember 1993 erhob die X. AG gegen den Kanton Uri Klage mit
dem Rechtsbegehren, der Beklagte sei zu verurteilen, ihr Fr. 955'911.zuzüglich gerichtlich festzulegendem Zins seit 31. Dezember 1993 zu
bezahlen. Sie verlangte damit die Differenz zwischen den ausbezahlten
Monatslöhnen und den höheren Stundenlöhnen, die ihr zugesagt worden seien,
nachdem sie wegen der zu tiefen Ansätze die Einstellung der
Sanierungsarbeiten angedroht habe.
Mit Urteil vom 11. Juli 2005 verpflichtete das Landgericht Uri den
Beklagten, dem Kläger Fr. 587'139.90 nebst Zins zu 6,77 % für die Zeit vom
31. Dezember 1993 bis zum 1. April 2003 und zu 6,25 % seit dem 2. April 2003
zu bezahlen. Es kam zum Schluss, dass in einer Krisensitzung höhere
Stundenansätze ausgehandelt worden seien. Es verneinte, dass zwischen der
Bauherrschaft und der Arbeitsgemeinschaft Y. AG im Sinn eines Vertrags
zugunsten eines Dritten ein direktes Forderungsrecht der X. AG gegen die
Bauherrschaft vereinbart worden sei, weshalb dem Kläger eine vertragliche
Grundlage für die geltend gemachten Forderungen fehle. Es bejahte hingegen,
dass dem Kläger gegenüber dem Beklagten Schadenersatzansprüche aus erwecktem
und enttäuschtem Vertrauen zuständen. Es sprach dem Kläger die Differenz
zwischen den in der Zeit vom 1. November 1983 bis zur Beendigung der
Sanierungsarbeiten bezahlten Monatslöhnen und den vereinbarten höheren
Stundenlöhnen zu.
C.- Die vom Beklagten gegen dieses Urteil erhobene Berufung hiess das
Obergericht des Kantons Uri mit Entscheid vom 22. Juni 2006 gut. Es hielt
die Voraussetzungen der Vertrauenshaftung im vorliegenden Fall zwar für
erfüllt. Die vorinstanzliche Schadensberechnung beruhe aber zu Unrecht auf
dem Erfüllungsinteresse, da sich der Schadenersatzanspruch auf das negative
Interesse beschränke.
BGE 133 III 449 S. 451
Die Schadenspositionen, die unter dem Gesichtspunkt des negativen Interesses
geschuldet seien, habe der Kläger jedoch weder vor der Vorinstanz noch vor
dem Obergericht substanziiert dargelegt und unter Beweis gestellt, weshalb
die Klage abzuweisen sei.
Das Bundesgericht weist die gegen das Urteil des Obergerichts eingereichte
Berufung des Klägers ab.
Auszug aus den Erwägungen:
Aus den Erwägungen:
Erwägung 4
4. Als Grundlage für die eingeklagte Forderung macht der Kläger unter
anderem eine Haftung aus erwecktem und enttäuschtem Vertrauen geltend.
4.1 Das Bundesgericht anerkennt seit einiger Zeit die Rechtsfigur der
Vertrauenshaftung als eigenständige Haftungsgrundlage (BGE 130 III 345 E.
2.1 S. 349; 124 III 297 E. 6a S. 304; 121 III 350 E. 6c S. 355; 120 II 331
E. 5a S. 336; Urteile des Bundesgerichts 4C.299/1998 vom 7. Januar 1999, E.
4a, publ. in: recht 19/2001 S. 68; 4C.280/1999 vom 28. Januar 2000, E. 3a,
publ. in: SJ 2000 I S. 549). Es geht dabei um die Haftung eines
vertragsfremden Dritten, die zum Tragen kommt, wenn der Dritte zunächst
schutzwürdiges Vertrauen erweckt und dieses anschliessend treuwidrig
enttäuscht (BGE 130 III 345 E. 2.1 S. 349 mit Hinweisen). Die
Vertrauenshaftung wurde gestützt auf das der Culpa-Haftung zugrundeliegende,
bestimmte gegenseitige Treuepflichten der Partner begründende
Vertragsverhandlungsverhältnis aus der Überlegung heraus entwickelt, dass in
wertungsmässig vergleichbaren Fällen der haftpflichtrechtliche Schutz
ebenfalls nicht versagt bleiben darf (BGE 120 II 331 E. 5a S. 335 f.). Das
Bundesgericht knüpft die Haftung aus erwecktem und enttäuschtem Vertrauen
allerdings an strenge Voraussetzungen. Schutz verdient nicht, wer bloss
Opfer seiner eigenen Unvorsichtigkeit und Vertrauensseligkeit oder der
Verwirklichung allgemeiner Geschäftsrisiken wird, sondern nur, wessen
berechtigtes Vertrauen missbraucht wird (BGE 124 III 297 E. 6a S. 303 f.;
121 III 350 E. 6c S. 355 f.; 120 II 331 E. 5a S. 336). Insbesondere ist die
Erwartung, dass der Partner ohne vertragliche Verpflichtung eine Leistung
erbringe, grundsätzlich nicht schützenswert, da es dem Vertrauenden in aller
Regel zumutbar ist, sich durch einen entsprechenden Vertragsschluss
abzusichern. Die Anerkennung der Vertrauenshaftung darf nicht dazu führen,
dass das Rechtsinstitut des
BGE 133 III 449 S. 452
Vertrags ausgehöhlt wird (PETER LOSER, Die Vertrauenshaftung im
schweizerischen Schuldrecht, Habilitationsschrift, Basel 2006, N. 971;
CLAUS-WILHELM CANARIS, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht,
Habilitationsschrift, München 1971, S. 364 f. und 369). Das Vertrauen auf
eine freiwillige Leistungserbringung kann deshalb nur ganz ausnahmsweise
Schutz finden, namentlich wenn der Vertragsschluss auf Grund der bestehenden
Machtverhältnisse oder der Abhängigkeit des Vertrauenden faktisch nicht
möglich ist und dem Vertrauenden gleichzeitig der Verzicht auf das Geschäft
bzw. auf die Geschäftsbeziehung nicht zugemutet werden kann (LOSER, a.a.O.,
N. 971 und 981; CANARIS, a.a.O., S. 355, 366 und 369).
4.2 Im vorliegenden Fall führte die X. AG die Sanierungsarbeiten weiter,
weil sie darauf vertraute, die in Aussicht gestellten höheren
Entschädigungen ausbezahlt zu bekommen. Gegenüber dem Beklagten richtete
sich das Vertrauen darauf, dieser werde sicherstellen, dass der X. AG
entweder durch die Y. AG oder sonst durch ihn selbst die Differenz zu den
ausbezahlten Monatslöhnen vergütet werde. Eine derartige Erwartung ist nach
dem Gesagten nur dann schützenswert, wenn ein entsprechender Vertragsschluss
nicht möglich und ein Verzicht des Klägers auf das Geschäft nicht zumutbar
gewesen wäre. Der Kläger behauptet selbst nicht, der Abschluss eines
entsprechenden Garantievertrags mit dem Beklagten wäre auf Grund der
bestehenden Machtverhältnisse nicht möglich gewesen. Er macht im Gegenteil
geltend, der Beklagte wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
sogar bereit gewesen, mit der X. AG direkt einen Werkvertrag abzuschliessen,
wenn diese ihre Arbeiten als Subunternehmerin definitiv eingestellt hätte,
da er keine realistische Alternative gehabt hätte. Nach Angaben des Klägers
befand sich die X. AG also gegenüber dem Beklagten in einer starken
Verhandlungsposition. Dennoch unterliess sie es, einen Garantievertrag mit
dem Beklagten abzuschliessen, um die Bezahlung der Differenz zwischen den
Monatslöhnen und den in Aussicht gestellten Stundenlöhnen sicherzustellen.
Unter diesen Umständen kann ihr Vertrauen nicht als schützenswert angesehen
werden. Es liegt kein Fall einer Vertrauenshaftung vor.
134 III 390 (Chllange League)
Regeste
Vertrauenshaftung; Verjährung.
Ansprüche aus Vertrauenshaftung unterliegen der Verjährungsfrist von Art. 60 OR (E. 4).
Sachverhalt
A. Die Y. AG (Beschwerdegegnerin 1) bezweckt die Übernahme und Durchführung von
Prüfungs-, Beratungs- und Treuhandmandaten sowie aller damit direkt oder indirekt
zusammenhängenden
BGE 134 III 390 S. 391
Aufgaben und Tätigkeiten. Sie hat auf dem Wege der Fusion die Z. AG übernommen;
diese war die statutarische Revisionsstelle des Sportvereins D. A. (Beschwerdegegner 2)
war ehemals Finanzchef des Sportvereins D.
Die X. AG (Beschwerdeführerin) war seit Mitte des Jahres 2000 Hauptsponsorin des
Sportvereins D. Im Jahre 2001 wurde ein neuer Vereinspräsident für den Sportverein D.
gesucht. E., einziger Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin, kam öffentlich ins Gespräch
für dieses Amt. Am 11. September 2001 wurde er zum Präsidenten gewählt. Im Frühling
2002 erhielt der Sportverein D. trotz massiver finanzieller Probleme und des gescheiterten
Versuchs eines Nachlassverfahrens die Lizenz für den Spielbetrieb 2002/2003 in der
Challenge League. Im Februar 2003 wurde erneut ein Nachlassverfahren eröffnet, in
dessen Folge ein Nachlassvertrag zustande kam, der vom zuständigen Einzelrichter im
Juli 2003 genehmigt und für verbindlich erklärt wurde.
Die Beschwerdeführerin machte in der Folge geltend, E. habe vor seinem Engagement
als Präsident des Sportvereins D. detaillierte Auskünfte über die finanzielle Situation des
Vereins verlangt. Als ihm die Beschwerdegegnerin 1 und der Beschwerdegegner 2
(nachfolgend gemeinsam: Beschwerdegegner) - insbesondere mittels der revidierten
Bilanz und Erfolgsrechnung per 30. Juni 2001 - zugesichert hätten, die Vereinsschulden
würden Fr. 200'000.-, höchstens aber Fr. 500'000.- betragen, hätte er unmittelbar vor oder
nach seiner Wahl zum Vereinspräsidenten namens der Beschwerdeführerin versprochen,
dass die Beschwerdeführerin für die Schulden des Sportvereins D. mindestens bis zur
Saison 2002/2003 aufkommen und für den Erhalt einer Challenge-League-Lizenz besorgt
sein werde. Ende Februar 2002 habe sich indessen gezeigt, dass der Sportverein D.
Schulden in der Höhe von rund Fr. 1,8 Mio. gehabt habe. In der Folge habe die
Beschwerdeführerin, an ihr Zahlungsversprechen gebunden, diverse Zahlungen leisten
müssen. Diese Zahlungen fordert sie von den Beschwerdegegnern zurück mit der
Begründung, diese hätten sie über die schlechte Finanzlage des Sportvereins D.
getäuscht. E. hätte sich niemals zum Präsidenten wählen lassen und die
Beschwerdeführerin hätte kein Zahlungsversprechen abgegeben, wenn die Finanzlage
korrekt offengelegt worden wäre. Die beiden Beschwerdegegner verwahren sich gegen
jegliche Haftung und erheben zudem die Einrede der Verjährung.
B. Die von der Beschwerdeführerin erhobene Klage gegen die Beschwerdegegner auf
Zahlung von Fr. 1,2 Mio. zuzüglich Zins von 5 % seit 7. Juli 2003 wies das Handelsgericht
des Kantons Zürich mit Urteil vom 12. Oktober 2007 ab.
C. Gegen das handelsgerichtliche Urteil hat die Beschwerdeführerin beim
Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie beantragt zur Hauptsache die
Aufhebung des handelsgerichtlichen Urteils sowie die Gutheissung der Klage. Die
Beschwerdegegner beantragen in ihren Vernehmlassungen die kostenfällige Abweisung
der Beschwerde. Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten wird.
Auszug aus den Erwägungen:
4. Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Ansprüche aus Vertrauenshaftung (Art.
2 ZGB) bzw. unerlaubter Handlung (Art. 41 OR) werden von den Beschwerdegegnern
bestritten. Zudem erheben sie die Einrede der Verjährung. Die Vorinstanz hat daher ohne darauf einzugehen, ob im konkreten Fall überhaupt von einer Vertrauenshaftung
auszugehen wäre - die Frage der Verjährung vorab geprüft und erwogen, dass auch
Ansprüche aus Vertrauenshaftung der Verjährungsfrist von Art. 60 OR unterliegen.
Entsprechend hat sie sämtliche von der Beschwerdeführerin geltend gemachten
Ansprüche - sei es aus Vertrauenshaftung oder aus unerlaubter Handlung - als verjährt
erachtet und die Klage abgewiesen.
4.1 Die Beschwerdeführerin wendet dagegen zunächst ein, auf die Vertrauenshaftung
sei die zehnjährige Verjährungsfrist nach Art. 127 OR, eventuell analog die fünfjährige
Frist gemäss Art. 760 Abs. 2 OR anwendbar. Auszugehen sei von einer fallspezifischen
Rechtsprechung über die Vertrauenshaftung, wobei im vorliegenden Fall eine rechtliche
Nähe zu einem Vertragsverhältnis bestehe. Die Vertrauenshaftung, so die
Beschwerdeführerin weiter, müsse der vertraglichen Haftung gleichgestellt werden.
Angesichts der rechtlichen Nähe zum Vertragsrecht sei die Anwendung von Deliktsrecht
gesetzeswidrig. Die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie Art. 127 OR für
nicht anwendbar erachtet habe. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ergebe sich im
Übrigen bereits aus deren Wortlaut. Da Art. 60 OR die Vertrauenshaftung nicht erfasse
und das Bundeszivilrecht auch sonst keine Ausnahmen vorsehe, komme die
BGE 134 III 390 S. 393
zehnjährige Frist von Art. 127 OR im Sinne eines Regel- und Auffangtatbestands zur
Anwendung. Die Vertrauenshaftung habe zudem nichts mit Art. 41 ff. OR zu tun, weshalb
die Anwendung von Art. 60 OR auch aus diesem Grund entfalle.
4.2 Die Beschwerdegegnerin 1 macht demgegenüber geltend, die Vorinstanz sei mit
ausführlicher und überzeugender Begründung zum Schluss gelangt, dass die
Vertrauenshaftung nicht auf einem gewollten Zusammenwirken von zwei Personen
beruhe, wie es einer vertraglichen Verbindung innewohne, sondern auf einem Verhältnis,
das rechtlich näher beim Delikt anzusiedeln sei. Die Begründung der Vorinstanz stimme
zudem mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung überein, die an die Haftung aus
erwecktem und enttäuschtem Vertrauen strenge Anforderungen knüpfe. Entsprechend
könne das vorvertragsähnliche Verhältnis, das der Rechtsfigur der Vertrauenshaftung
zugrunde liege, auch unter dem Gesichtspunkt der Verjährung nicht den gleichen Schutz
verdienen wie ein vertragliches Verhältnis.
Der Beschwerdegegner 2 stellt sich ebenfalls auf den Standpunkt, dass bei der
Vertrauenshaftung die deliktische Verjährungsfrist gemäss Art. 60 OR zur Anwendung
kommen müsse, und verweist im Weiteren auf die Ausführungen der Vorinstanz.
4.3 Das Bundesgericht hatte bislang nicht zu entscheiden, ob Ansprüche aus
Vertrauenshaftung der zehnjährigen Verjährungsfrist (Art. 127 OR) oder der einjährigen
Deliktsverjährung (Art. 60 OR) zu unterstellen sind. Obwohl fraglich ist, ob vorliegend
tatsächlich von einem Anwendungsfall der Vertrauenshaftung auszugehen wäre, ist die
Verjährungsfrage nachfolgend zu prüfen, zumal die Vorinstanz die Abweisung der Klage
zur Hauptsache damit begründet hat, sämtliche Ansprüche der Beschwerdeführerin - ob
aus Vertrauenshaftung oder aus unerlaubter Handlung - seien nach Art. 60 OR verjährt.
4.3.1 Zur Frage der für die Vertrauenshaftung massgebenden Verjährungsfrist werden
in der Literatur verschiedene Meinungen vertreten. Während die einen eine Verjährung
nach Art. 127 OR für sachgerecht halten (GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY,
Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 8. Aufl., Zürich 2003, Rz. 982l;
PETER LOSER, Die Vertrauenshaftung im schweizerischen Schuldrecht, Bern 2006, Rz.
1124 ff.; DÄPPEN, Basler Kommentar, N. 4a zu Art. 60 OR; EUGEN BUCHER,
Vertrauenshaftung: Was?
BGE 134 III 390 S. 394
Woher? Wohin?, in: Richterliche Rechtsfortbildung in Theorie und Praxis, Festschrift für
Hans Peter Walter, Bern 2005, S. 259; HANS PETER WALTER, Vertrauenshaftung:
Unkraut oder Blume im Garten des Rechts-, in: ZSR 20/2001 I S. 99; PICHONNAZ,
Commentaire romand, N. 22 zu Art. 127 OR; THÉVENOZ, Commentaire romand, N. 29
zu Art. 97-109 OR; JÖRG SCHMID, Vertrauenshaftung bei Formungültigkeit, in:
Richterliche Rechtsfortbildung [...], a.a.O., S. 423; MOSER/BERGER, Vertrauenshaftung
auch im Bankgeschäft - zur Haftungsgrundlage und zu den Grenzen von
Aufklärungspflichten, in: AJP 1999 S. 545), sprechen sich andere für die kürzere
Deliktsverjährung nach Art. 60 OR aus (BAUMANN, Zürcher Kommentar, N. 191 und 229
zu Art. 2 ZGB; PIERRE TERCIER, Abus de confiance?, in: La responsabilité fondée sur
la confiance/Vertrauenshaftung, Journée de la responsabilité civile 2000, Zürich 2001, S.
75; WERRO, Commentaire romand, N. 6 zu Art. 60 OR; SYLVAIN MARCHAND, Un
ornithorynque juridique, in: La responsabilité [...], a.a.O., Zürich 2001, S. 174; VITO
ROBERTO, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Zürich 2002, Rz. 289 f.).
Die Befürworter der Zehnjahresfrist begründen deren Anwendbarkeit unter anderem mit
dem Wortlaut von Art. 127 OR, weshalb mangels gesetzlicher Sondervorschriften die
zehnjährige Verjährungsfrist als Regelfrist zur Anwendung kommen müsse. Dabei sei zu
bedenken, dass Rechtsverlust durch Verjährung oder Verwirkung nur bei klarer
positivrechtlicher Grundlage eintreten dürfe (BUCHER, a.a.O., S. 259). Weiter wird
vorgebracht, da nach geltendem Recht nur die Wahl zwischen der Einjahresfrist (Art. 60
OR) und der Zehnjahresfrist (Art. 127 OR) bestehe, sei die längere Frist vorzuziehen. Für
diese Lösung spreche auch der Umstand, dass die Verjährung die für das Privatrecht
charakteristische Stabilität und Kontinuität der einmal begründeten Rechtsverhältnisse
durchbreche und der Verjährung im weitesten Sinne enteignende Wirkung zukomme.
Angesichts des Ausnahmecharakters des Verjährungsinstituts solle eine kurze Frist nur
dort eingreifen, wo es notwendig sei. Diese Notwendigkeit habe der historische
Gesetzgeber beim typischen Zufallskontakt als gegeben erachtet; für die
Verantwortlichkeit wegen Vertrauens in rechtsgeschäftsbezogene Sonderverbindungen
fehle diese indessen (LOSER, a.a.O., S. 1125).
Die Befürworter der kürzeren Verjährungsfrist nach Art. 60 OR weisen demgegenüber
darauf hin, dass die Vertrauenshaftung weder auf der Verletzung allgemeiner
Verhaltenspflichten noch auf der
BGE 134 III 390 S. 395
Verletzung vertraglicher Pflichten beruhe. Die Frage nach den Modalitäten dieser
Schadenersatzpflicht sui generis sei daher für jede Modalität gesondert zu beantworten,
wobei bezüglich der Verjährung die Einjahresfrist nach Art. 60 OR angemessen sei
(TERCIER, a.a.O., S. 75; BAUMANN, a.a.O., N. 191 und 229 zu Art. 2 ZGB).
Wiederum andere Lehrmeinungen sprechen sich in Bezug auf die Haftungsmodalitäten
für eine differenzierte Betrachtungsweise nach dem konkreten Einzelfall aus (REY,
Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 4. Aufl., Zürich 2008, Rz. 37a; HAUSHEER/JAUN,
Die Einleitungsartikel des ZGB, Bern 2003, N. 86 zu Art. 2 ZGB) oder wollen einheitlich
auf deliktische oder vertragliche Grundsätze abstellen, je nachdem ob die verletzte
Schutzpflicht eine generelle ist, die sich auf eine Vielzahl unbestimmter Personen
erstreckt, oder aber eine besondere, die sich auf einen bestimmten Personenkreis
beschränkt (CHRISTINE CHAPPUIS, Les règles de la bonne foi entre contrat et délit, in:
Pacte, convention, contrat, Festschrift für Bruno Schmidlin, Basel/Frankfurt a.M. 1998, S.
242).
4.3.2 Die Haftung aus erwecktem Vertrauen ist zwischen Vertrag und Delikt
angesiedelt. Sie erfasst als Oberbegriff die Haftung aus culpa in contrahendo und die
weiteren interessenmässig gleich gelagerten Tatbestandsgruppen, wie etwa die Haftung
für falsche Auskunft (BGE 130 III 345 E. 2.1; BGE 121 III 350 E. 6c S. 355; BGE 120 II
331 E. 5a S. 336 f.). Die Vertrauenshaftung setzt nach bundesgerichtlicher
Rechtsprechung voraus, dass die Beteiligten in eine so genannte "rechtliche
Sonderverbindung" zueinander getreten sind, die erst rechtfertigt, die aus Treu und
Glauben (Art. 2 ZGB) hergeleiteten Schutz- und Aufklärungspflichten greifen zu lassen
(BGE 130 III 345 E. 2.2 S. 349; BGE 120 II 331 E. 5a S. 336).
Da es sich bei der Vertrauenshaftung um eine eigenständige Haftungsgrundlage
zwischen Vertrag und Delikt handelt, ist die Frage nach der Rechtsnatur dieser gesetzlich nicht geregelten - Rechtsfigur im Hinblick auf die massgebende
Verjährungsfrist nicht zielführend (BUCHER, a.a.O., S. 244; vgl. bereits
SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, N. 595 zu Art. 1 OR). Auch im
Rahmen der Culpa-Haftung, die sich in der neueren Rechtsprechung als
Erscheinungsform der Vertrauenshaftung herausgestellt hat (BGE 130 III 345 E. 2.1; BGE
121 III 350 E. 6c S. 355; BGE 120 II 331 E. 5a S. 336), hatte sich das Bundesgericht
hinsichtlich deren Rechtsnatur seit einiger Zeit nicht mehr festgelegt (BGE 121 III 350 E.
6c S. 354 f.; BGE 108 II 419
BGE 134 III 390 S. 396
E. 5 S. 422; BGE 101 II 266 E. 4c S. 269). Es geht dabei in ständiger Rechtsprechung
davon aus, dass sich die Verjährung von Ansprüchen aus culpa in contrahendo nach Art.
60 OR richtet (BGE 121 III 350 E. 6c S. 354 f.; BGE 108 II 419 E. 5 S. 422; BGE 101 II
266 E. 4c S. 269 f.). Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass es mit der
Rechtssicherheit nicht vereinbar wäre, eine Partei, die Vertragsverhandlungen geführt hat,
während der zehnjährigen Frist von Art. 127 OR Schadenersatzansprüchen auszusetzen.
Vielmehr seien die Ansprüche aus culpa in contrahendo innert angemessener Frist zu
regeln. Die Verjährungsbestimmung von Art. 60 OR werde den Interessen der Beteiligten
gerecht. So sei es einerseits dem Geschädigten zumutbar, innerhalb der Jahresfrist von
Art. 60 OR zu klagen oder die Verjährung auf andere Art - insbesondere durch
Schuldbetreibung - zu unterbrechen. Der anderen Partei sei es demgegenüber nicht
zuzumuten, während einer übertrieben langen Dauer mit Ansprüchen konfrontiert zu
werden, wenn der Geschädigte vom Schaden und der Person des Geschädigten Kenntnis
habe (BGE 101 II 266 E. 4c S. 269).
Diese Rechtsprechung ist auch in neuerer Zeit von einem beachtlichen Teil der Lehre
kritisiert worden (BUCHER, Basler Kommentar, N. 94 zu Art. 1 OR; ders.,
Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Zürich 1988, S. 287 f.;
GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY, a.a.O., Rz. 971 f.; ENGEL, Traité des obligations en
droit suisse, 2. Aufl., Bern 1997, S. 753; KRAMER, Berner Kommentar, N. 141 der Allg.
Einleitung in das Schweizerische OR; BERTI, Zürcher Kommentar, N. 38 ff. zu Art. 127
OR; WIEGAND, Basler Kommentar, N. 11 der Einleitung zu Art. 97-109 OR; DÄPPEN,
Basler Kommentar, N. 4 zu Art. 60 OR; PICHONNAZ, a.a.O., N. 22 zu Art. 127 OR;
THÉVENOZ, a.a.O., N. 29 zu Art. 97-109 OR; NIKLAUS LÜCHINGER, Die Verjährung
von Ansprüchen aus culpa in contrahendo, SJZ 102/2006 S. 197 ff.; HANS-ULRICH
BRUNNER, Die Anwendung deliktsrechtlicher Regeln auf die Vertragshaftung, Diss.
Freiburg 1991, Rz. 625 ff.; GUHL/KOLLER/SCHNYDER/DRUEY, Das Schweizerische
Obligationenrecht, 9. Aufl., Zürich 2000, § 13 N. 6). Diejenigen Stimmen, die eine
Anwendbarkeit von Art. 127 OR nicht mit der (vermeintlich vertraglichen) Rechtsnatur der
culpa in contrahendo begründen, bringen im Wesentlichen auch diesbezüglich vor, dass
der Verlust ausgewiesener Rechtspositionen durch Zeitablauf nur aufgrund klarer,
eindeutiger und dem Rechtssuchenden zweifelsfrei erkennbarer Gesetzesgrundlagen
eintreten dürfe. Aufgrund des Wortlauts von Art. 127 OR müsse der Anspruch aus culpa
in contrahendo, da er sich nicht
BGE 134 III 390 S. 397
eindeutig als Deliktshaftung qualifizieren lasse, der allgemeinen Zehnjahresfrist
unterstellt werden. Zudem wird die Einjahresfrist von Art. 60 OR als zu kurz erachtet (statt
vieler: BUCHER, Basler Kommentar, N. 94 zu Art. 1 OR; ders., Schweizerisches
Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, S. 287 f.).
Das Bundesgericht hat an seiner Rechtsprechung jedoch in Kenntnis der in der Literatur
geäusserten Kritik auch in neuerer Zeit festgehalten (BGE 121 III 350 E. 6c S. 354 f.;
Urteile 4C.409/2005 vom 21. März 2006, E. 3.1, SJ 2006 I S. 437; 4C.354/2004 vom 9.
November 2005, E. 2.3). Wie die Befürworter der einjährigen Verjährungsfrist nach Art.
60 OR zutreffend vorbringen, handelt es sich bei der culpa in contrahendo um einen
Haftungstatbestand eigener Art, der richtigerweise auch eigenen Gesetzmässigkeiten zu
unterwerfen ist, wozu eine den besonderen Verhältnissen angemessene Regelung der
Verjährungsfrage gehört (BAUMANN, a.a.O., N. 189 f. zu Art. 2 ZGB). Die
bundesgerichtliche Rechtsprechung trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass die
Haftung für culpa in contrahendo dem Schutz des rechtlichen Verkehrs dient, dass dieser
Schutz aber nicht durch eine übermässige zeitliche Ausdehnung gefährdet werden darf.
Dem Gebot der Rechtssicherheit ist daher grosse Bedeutung beizumessen, weshalb kein
Anlass besteht, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen (so im Ergebnis auch
BAUMANN, a.a.O., N. 190 f. zu Art. 2 ZGB; WERRO, a.a.O., N. 6 zu Art. 60 OR;
TERCIER, a.a.O., S. 75; MARCHAND, a.a.O., S. 174; STEPHAN HARTMANN, Die
vorvertraglichen Informationspflichten und ihre Verletzung, Diss. Freiburg 2001, Rz. 314;
NICOLAS KUONEN, La responsabilité précontractuelle, Diss. Freiburg, Zürich 2007, Rz.
1709 f.; BREHM, Berner Kommentar, N. 12c zu Art. 60 OR; VITO ROBERTO, a.a.O., Rz.
569; vgl. bereits SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-,
Verwirkungs- und Fatalfristen, Bern 1975, S. 706; ders., Die Haftung für Abschluss- und
Verhandlungsgehilfen, in: ZSR 105/1986 I S. 645; HANS MERZ, Vertrag und
Vertragsschluss, 2. Aufl., Freiburg 1992, Rz. 153; ders., Die privatrechtliche
Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1975, in: ZBJV 113/1977 S. 183 f.; PAUL
PIOTET, La culpa in contrahendo aujourd'hui, in: SJZ 77/1981 S. 242; ders., Culpa in
contrahendo, Bern 1963, S. 63; KELLER/SCHÖBI, Das Schweizerische Schuldrecht, Bd.
I, Basel/Frankfurt a.M. 1988, S. 44; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, a.a.O., N. 595 zu Art. 1
OR).
4.3.3 Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Haftung aus culpa in contrahendo,
sondern auch für die Vertrauenshaftung im
BGE 134 III 390 S. 398
Allgemeinen. Es handelt sich bei dieser Haftungsgrundlage nicht um eine gesetzlich
geregelte, sondern eine von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsfigur, auf welche die
vom Gesetzgeber vorgesehene allgemeine Verjährungsbestimmung nach Art. 127 OR
nicht unbesehen angewendet werden kann.
Das Bundesgericht hat jeweils betont, dass die Vertrauenshaftung keinesfalls zu einer
Haftung gegenüber jedermann ausufern und die Anerkennung dieser Haftungsgrundlage
nicht dazu führen darf, dass das Rechtsinstitut des Vertrags ausgehöhlt wird (BGE 133 III
449 E. 4.1; BGE 130 III 345 E. 3.2 S. 353). Das Bundesgericht knüpft die Haftung aus
erwecktem Vertrauen daher an strenge Voraussetzungen (BGE 133 III 449 E. 4.1 S. 451;
BGE 124 III 297 E. 6a S. 303; BGE 121 III 350 E. 6c S. 355; BGE 120 II 331 E. 5a S.
336). Die Rechtssicherheit gebietet, eine ungerechtfertigte Ausdehnung der
Vertrauenshaftung, die weder auf einer Verletzung einer Vertragspflicht noch auf einem
Verstoss gegen allgemeine gesetzliche Gebote oder Verbote beruht, auch in zeitlicher
Hinsicht zu vermeiden. Unter diesem Gesichtspunkt wäre zudem eine
einzelfallspezifische Beurteilung der Verjährungsfrage - je nachdem, ob im konkreten Fall
von einer rechtlichen Nähe zu einem Vertragsverhältnis auszugehen ist -, wie sie von der
Beschwerdeführerin und einzelnen Lehrmeinungen postuliert wird, nicht zu rechtfertigen.
Auch der Umstand, dass sich Art und Umfang der sich aus Treu und Glauben (Art. 2
ZGB) ergebenden Verhaltenspflichten nach den gesamten Umständen des Einzelfalls
beurteilen (BGE 130 III 345 E. 2.2 S. 350 f.; BGE 120 II 331 E. 5a S. 337), verlangt angesichts der damit verbundenen Beweisschwierigkeiten infolge Zeitablaufs - nach einer
zeitlichen Nähe der Klärung derartiger Ansprüche. Es wäre mit dem Gebot der
Rechtssicherheit unvereinbar, die aus Vertrauenshaftung in Anspruch genommene Partei
während zehn Jahren möglichen Haftungsansprüchen auszusetzen. Vielmehr sind
Ansprüche aus Vertrauenshaftung, nachdem der Geschädigte vom Eintritt des Schadens
und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat, innert angemessener Frist zu
regeln. Ansprüche aus Vertrauenshaftung verjähren somit nach Art. 60 OR.
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