Prof Dr Christoph Ritz Vereinheitlichung der Abgabenordnungen durch das AbgVRefG, BGBl I 2009/20 für Tirol Gliederung: 1. Bisherige Rechtslage (Art 11 Abs 2 B-VG) 2. Neue Rechtslage 2.1 Änderung des F-VG 1948 2.2 Verfahren 2.3 Allgemeine Bestimmungen 2.4 Besondere Bestimmungen 3. Keine Bundeskompetenz 4. Legistische Umsetzung 5. Sonderbestimmungen für Landes- und Gemeindeabgaben 5.1 Anzeigepflicht (§ 120a BAO) 5.2 Bücher und Aufzeichnungen (§ 131a BAO) 5.3 Verspätungszuschläge (§ 135a BAO) 5.4 Keine Bescheiderlassung nach § 201a BAO 5.5 Stundungszinsen (§ 212b BAO) 5.6 Aussetzung der Einhebung (§ 212b BAO) 5.7 Säumniszuschläge (§ 217a BAO) 5.8 Mahngebühren (§ 227a BAO) 5.9 „Elektronische“ Eingaben (§ 86a BAO), Erledigungen (§ 97a BAO) und Akteneinsicht(§ 90a BAO) 5.10 Spezielle Zuständigkeitsregelungen (§§ 41a, 44a und 240a BAO) 6. Für alle Abgaben bedeutsame Änderungen der BAO 6.1 Abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht (§ 48a BAO) 6.2 Vollmacht (§ 83 Abs 1 BAO) 6.3 Mängelbehebungsverfahren (§ 85 Abs 2 BAO) 6.4 Übersetzung (§ 85 Abs 5 BAO und § 131 BAO) 6.5 Mit ADV erstellte Niederschriften (§ 87 Abs 7 BAO) 6.6 Aktenvermerke (§ 89 BAO) 6.7 Aussageverweigerungsrechte (§ 171 BAO) 6.8 Bemessungsverjährung 2 6.8.1 Säumniszuschläge 6.6.2 § 207 Abs 5 BAO 6.8.3 Verfolgungshandlungen 6.9 Verrechnungsweisungen (§ 214 Abs 4 BAO) 6.10 Sicherstellungsauftrag (§ 232 BAO) 6.11 Keine Gutschrift nach § 239a BAO 6.12 Zu den §§ 299 Abs 2 und 307 Abs 1 BAO 6.13 Verkürzung von Fristen (in den §§ 201 und 302 BAO) 7. Nur für Bundesabgaben geltende Bestimmungen 7.1. Ausdrücklich nicht für Landes- und Gemeindeabgaben geltende Bestimmungen 7.2. Vom Inhalt her nicht anwendbar für Landes- und Gemeindeabgaben 7.2.1 Als Folge von Änderungen der BAO durch das AbgVRefG 7.2.2 Bereits beim derzeitigen Wortlaut nicht anwendbare Bestimmungen 7.2.3 Änderungen für die Feststellung von Einkünften (§ 188 BAO) 8. Die wesentlichsten von der Vereinheitlichung betroffenen Bereiche 8.1. Angehörige (§ 25 BAO) 8.2. Befangenheit (§ 76 BAO) 8.3. Akteineinsicht (§ 90 BAO) 8.4. Vorladung (§ 91 BAO) 8.5. Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafen (§§ 111-112a BAO) 8.6. Aufzeichnungen (§ 131 BAO) 8.7. Aufbewahrungspflicht (§ 132 BAO) 8.9. Selbstbemessungsabgaben (§ 201 BAO) 8.10. Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung (§ 206 BAO) 8.11. Verjährung (§§ 207-209a BAO) 8.12. Zahlungsfristen 8.13. Zahlungserleichterungen (§ 212 BAO) 8.14. Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) 8.15. Verrechnungsweisungen (§ 214 Abs 4 und 5 BAO) 8.16. Abrechnungsbescheid (§ 216 BAO) 8.17. Säumniszuschläge (§ 217 BAO) 8.18. Nachsicht (§ 236 BAO) 8.19. Rückzahlung zu Unrecht eingehaltener Abfuhrabgaben (§ 240 Abs 3 BAO) 8.20. Berufungsverfahren 8.20.1. Vereinheitlichung 3 8.20.2. Aufhebung unter Zurückweisung (§ 289 Abs 1 BAO) 8.21. Berichtigungen gemäß § 293 BAO und § 293 BAO) 8.22. Abänderung gemäß § 295a BAO 8.23. Aufhebung gemäß § 299 BAO (und § 300 BAO) 8.24. Wiederaufnahme des Verfahrens 8.25. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 8.26. Entscheidungspflicht, Devolutionsantrag (§ 311 BAO) 9. Inkrafttreten der BAO für die Länder und Gemeinden (§ 323a BAO) 9.1. Grundsatz (§ 323a Abs 1 Z 1 BAO) 9.2. Übergangsbestimmungen (§ 323a Abs 1 Z 2-7 BAO) 9.2.1. Begünstigungen 9.2.2. Fristen 9.2.3. Zurückweisungsbescheide 9.2.4. Bemessungsverjährung 9.2.5. Nebenansprüche, „Rückzahlungssperre“ 9.2.6. Aussetzung der Einhebung 9.2.7. Getränkesteuer-Rückzahlungsverfahren (§ 323a Abs 3 BAO) 10. Literaturhinweise 4 1. Bisherige Rechtslage (Art 11 Abs 2 B-VG) Art 11 Abs 2 B-VG lautet: „Soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften als vorhanden erachtet wird, werden das Verwaltungsverfahren, die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes, das Verwaltungsstrafverfahren und die Verwaltungsvollstreckung auch in den Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung den Ländern zusteht, insbesondere auch in den Angelegenheiten des Abgabenwesens, durch Bundesgesetz geregelt; abweichende Regelungen können in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen nur dann getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind.“ Die Bedarfskompetenz des Bundes umfasst nur verfahrensrechtliche Bestimmungen. Daher hätte eine auf Art 11 Abs 2 B-VG gestützte Vereinheitlichung (BAO-LAO) nur verfahrensrechtliche Bestimmungen umfassen dürfen. Ohne Einbeziehung materiellrechtlicher Bestimmungen wäre ein solches Gesetz nur Stückwerk (vgl zB 228 BlgNR 9. GP, 50). Nach 228 BlgNR 9. GP, 50, hätte die Nichteinbeziehung beispielsweise betroffen die §§ 4 bis 48 BAO sowie Bestimmungen über allgemeine Auskunftspflichten, behördliche Beistandspflichten, Führung von Büchern und Aufzeichnungen, abgabenbehördliche Nachschau- und Prüfungsbefugnisse, dem Abgabepflichtigen obliegende Anzeige- und Offenlegungspflichten, Grundlagen der Abgabenfestsetzung, Zahlungserleichterungen und Nachsicht. 2. Neue Rechtslage 2.1. Änderung des F-VG 1948 Eine die umfassende Vereinheitlichung ermöglichende Änderung der Kompetenzrechtslage wurde im Zuge der Verhandlungen für das FAG 2008 paktiert. Dies erfolgte im Abschnitt „Verwaltungsreform II“ mit folgender Formulierung: 5 „Ziel ist die Schaffung einer einheitlichen Abgabenordnung nach dem Muster der Bundesabgabenordnung für Bund, Länder und Gemeinden. Die erforderlichen Änderungen der Verfassung werden hiermit vereinbart. Dadurch wird ein Beitrag zur Standortverbesserung durch mehr Transparenz und Einheitlichkeit und zur Verwaltungsvereinfachung für die Wirtschaft geleistet“. § 7 Abs 6 F-VG 1948 (idF BGBl I 2007/103) ist die verfassungsrechtliche Grundlage für eine weitgehende Vereinheitlichung der BAO und der Landesabgabenordnungen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist dort wie folgt geregelt: "Die Bundesgesetzgebung regelt die allgemeinen Bestimmungen und das Verfahren für die von den Abgabenbehörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden verwalteten Abgaben." Das Inkrafttreten ist in § 17 Abs 3d F-VG 1948 wie folgt geregelt: „§ 7 Abs. 6 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 103/2007 tritt mit 1. Jänner 2010 in Kraft. Bundesgesetze auf Grund dieser Bestimmung dürfen bereits von der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 103/2007 an erlassen werden. Sie dürfen jedoch nicht vor dem 1. Jänner 2010 in Kraft treten. Soweit die Bundesgesetzgebung nicht anderes bestimmt, treten mit diesem Zeitpunkt in den Angelegenheiten § 7 Abs. 6 bestehende landesrechtliche Vorschriften außer Kraft.“ 2.2. Verfahren Die Regelung des Verfahrens (für die Erhebung der Bundes-, Landes- und Gemeindeabgaben) liegt demnach in der ausschließlichen Kompetenz des Bundesgesetzgebers. Landesrechtliche verfahrensrechtliche Bestimmungen treten, soweit die Bundesgesetzgebung nicht anderes bestimmt, mit 1. Jänner 2010 außer Kraft (nach dem letzten Satz des § 17 Abs 3d F-VG 1948). Das Außer-Kraft-Treten betrifft nicht nur verfahrensrechtliche Bestimmungen der Landesabgabenordnungen (bzw des Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetzes), sondern auch verfahrensrechtliche Regelungen einzelner Landesabgabengesetze. Verjährungsbestimmungen sind Normen des Verfahrensrechts (zB VwGH 12.12.2007, 2006/15/0004). Das Außer-Kraft-Treten von Verjährungsregelungen betrifft beispielsweise § 12 Abs 1 Salzburger Benützungsgebührengesetz und § 51 Abs 10 Bauordnung für Wien. 6 2.3. Allgemeine Bestimmungen Die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers umfasst weiters "allgemeine Bestimmungen" (für die von den Abgabenbehörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden verwalteten Abgaben). Dies sind Bestimmungen über Angelegenheiten, die bereits derzeit in der BAO und in den Landesabgabenordnungen geregelt sind. Sie betreffen grundsätzlich mehrere Abgaben. Dazu gehören nicht nur Bestimmungen des 1. Abschnittes der BAO („Allgemeine Bestimmungen“) und des 4. Abschnittes („Allgemeine Bestimmungen über die Erhebung der Abgaben“). Zu den allgemeinen Bestimmungen gehören beispielsweise: Definitionen (zB Angehörige im § 25 BAO, Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt im § 26 Abs 1 und 2 BAO, Betriebsstätte im § 29 BAO), Auslegungsgrundsätze (zB die wirtschaftliche Betrachtungsweise des § 21 BAO), Bestimmungen über die Berechnung von Fristen (vgl §§ 108 bis 110 BAO), Grundsätze (zB über Ermessen im § 20 BAO, über Vorfragen im § 116 BAO, kein Neuerungsverbot nach § 115 Abs 4 BAO und § 280 BAO), Rechtsbelehrung gemäß § 113 BAO, (materiellrechtliche) Bestimmungen über Nebenansprüche, wie vor allem Zwangsstrafen (§ 111 BAO), Ordnungsstrafen (§ 112 BAO), Mutwillensstrafen (§ 112a BAO), Verspätungszuschläge (§ 135 BAO), Stundungszinsen (§ 212 Abs 2 BAO), Aussetzungszinsen (§ 212a Abs 9 BAO) und Säumniszuschläge (§ 217 BAO). 2.4. Besondere Bestimmungen Die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers für allgemeine Bestimmungen lässt die Gesetzgebungskompetenz der Länder für "besondere Bestimmungen" unberührt. Dazu gehören jene Regelungen, die üblicherweise in Abgabengesetzen (speziell für die betreffende Abgabe) enthalten sind. Dies betrifft beispielsweise Bestimmungen über: die Person der Abgabenschuldner (zB Gesamtschuldner nach § 3 Abs 2 Tiroler Hundesteuergesetz), 7 persönliche Haftungen (Person, Umfang, Ermessenskriterien), zB in § 3 Tiroler Jagdabgabegesetz und in § 2 (Tiroler) Gesetz über die Einhebung einer Fischereiabgabe, Abfuhrpflichten, zB in § 23 Abs 2 Tiroler Vergnügungssteuergesetz, Sachhaftungen, zB in § 6 Abs 3 Tiroler Abfallgebührengesetz, Zahlungsfristen (zB Fälligkeitsfristen für selbst zu berechnende Abgaben, zB in § 3 Abs 2 Tiroler Gebrauchsabgabegesetz), Anmeldungspflichten, zB in § 4 Tiroler Vergnügungssteuergesetz, Abgabenerklärungspflichten, zB in § 5 Abs 1 Tiroler Gebrauchsabgabegesetz, spezielle Aufzeichnungspflichten, zB in § 9 Abs 3 (Tiroler) Aufenthaltsabgabegesetz, Erstattungen von Abgaben, zB in § 19 Abs 8 Tiroler Naturschutzgesetz 2005, Sicherheitsleistungen auf Verlangen der Behörde, Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen (zB Vereinbarungen über Pauschalierung und über Entrichtungsform). 3. Keine Bundeskompetenz Die Bundeskompetenz des § 7 Abs 6 F-VG 1948 umfasst nicht allgemeine Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechts, das Verwaltungsstrafverfahren, (Abgabenbehörden der Länder und Gemeinden betreffendes) Organisationsrecht bzw Regelungen über die sachliche und örtliche Zuständigkeit für die Erhebung von Landes- und Gemeindeabgaben. Die nach § 7 Abs 6 F-VG 1948 bestehende Gesetzgebungskompetenz betrifft nur Abgaben iSd F-VG 1948. Abgaben im finanzverfassungsrechtlichen Sinn sind nur öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die Gebietskörperschaften kraft öffentlichen Rechts zur Deckung ihres Finanzbedarfes erheben (zB VfGH 14.12.2004, B 514/04). Hiebei kommt es in erster Linie darauf an, ob die Ertragshoheit, das heißt die primäre Verfügungsberechtigung über den Ertrag der Geldleistung, bei einer Gebietskörperschaft liegt. Eine solche Verfügungsberechtigung kann auch in einer (vom Träger der Ertragshoheit vorgenommenen) generellen Vorausverfügung, insbesondere einer gesetzlichen Zweckbindung, zum Ausdruck kommen (zB VfGH 28.2.2002, B 1408/01). 8 Keine Abgaben sind beispielsweise Sozialversicherungsbeiträge, Beiträge an Tourismusverbände und Kammerumlagen (vgl zB Ruppe, in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, § 5 F-VG Tz 6 ff). Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht weiters nur dann, wenn die Erhebung der Abgabe einer Abgabenbehörde (des Bundes, eines Landes oder einer Gemeinde) obliegt. Maßgebend ist der organisatorische Abgabenbehördenbegriff. Daher ist für den Anwendungsbereich des § 7 Abs 6 F-VG 1948 entscheidend, wer die Abgabe verwaltet. Ist dies keine Gebietskörperschaft, sondern ein anderer Rechtsträger, so ändert § 7 Abs 6 F-VG 1948 nichts an der derzeitigen Kompetenzrechtslage. Soweit somit zB die GIS Gebühren Info Service GmbH Landesabgaben (zB nach § 4 Abs 1 Tiroler Kulturförderungsabgabegesetz 2006, § 4 Abs 1 Salzburger Rundfunkabgabegesetz) erhebt, bleibt der Landesgesetzgeber zuständig zur Entscheidung, welche Verfahrensrechtsordnung (zB AVG) hiefür anzuwenden ist. Nach § 5 Abs 1 Tiroler Kulturförderungsabgabegesetz 2006 gilt das AVG für das Verfahren zur Erhebung der Abgabe. Nach dessen Abs 4 gelten die Bestimmungen der BAO für die Verjährung von Abgabenansprüchen. Der Landesgesetzgeber kann die BAO auch außerhalb des Anwendungsbereiches des § 7 Abs 6 F-VG 1948 für anwendbar erklären (allerdings nur statische Verweise zulässig). Dies geschieht etwa in § 46 Abs 3 Tiroler Schischulgesetz 1995 (idF Art II AbgabenrechtsAnpassungsgesetz). Abgabenbehörden einer Gebietskörperschaft sind jedenfalls alle ihr organisatorisch zuzurechnenden Behörden, die Abgaben erheben, somit etwa nicht nur die Abgabenabteilung eines Amtes der Landesregierung, sondern auch jede andere Abteilung, wenn sie eine Abgabe verwaltet. Für die Erhebung der Verwaltungsabgaben der Länder und Gemeinden bleibt das AVG anwendbar. 9 4. Legistische Umsetzung Die legistische Umsetzung der Vereinheitlichung erfolgte im Wege einer Novellierung der BAO (und nicht durch ein formal neues Gesetz). Diese Vorgangsweise dient ua der Rechtssicherheit. Würde nämlich ein neues Gesetz oder ein eigenes, nur für Landes- und Gemeindeabgaben geltendes Gesetz erlassen, so wäre die bisherige (die BAO betreffende) Rechtsprechung (insbesondere des VwGH) dadurch "entwertet", dass der VwGH ohne verstärkten Senat (§ 13 VwGG) von der bisherigen Judikatur abweichen dürfte. Um die Benützung von Rechtsdatenbanken und von Fachliteratur nicht zu erschweren, wird die Bezeichnung des Gesetzes "(Bundesabgabenordnung – BAO)" nicht geändert; der Gesetzestitel wird um die Nennung der von den Abgabenbehörden der Länder und Gemeinden verwalteten Abgaben ergänzt, werden die Paragraphenbezeichnungen (soweit möglich) nicht geändert und spezielle Bestimmungen für Landes- und Gemeindeabgaben in eigenen Paragraphen im Anschluss an die inhaltlich im Zusammenhang stehenden Bestimmungen eingefügt. Die genannte Vorgangsweise vermeidet auch (für den Bund) den Verwaltungsmehraufwand (zB Änderung von Vordrucken und von EDV-Programmen, Zitierungsanpassungen in Abgabenvorschriften sowie in Erlässen, Merkblättern usw), den jede Änderung der Bezeichnung des Gesetzes auslösen würde. Daher: Erweiterung des Anwendungsbereiches der BAO auf Landes- und Gemeindeabgaben sowie solche Abgaben betreffende Sonderregelungen (zB über Mahngebühren). Ein Eckwert der Umsetzung der Vereinheitlichung ist "soviel Vereinheitlichung wie möglich", daher abweichende Sonderbestimmungen für Landes- und Gemeindeabgaben nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß. Solche Erforderlichkeiten könnten sich vor allem ergeben aus dem Umstand, dass die Höhe von Landes- und Gemeindeabgaben im Allgemeinen geringer ist als die Höhe von Bundesabgaben (daher erscheinen 10 beispielsweise im Verhältnis zu den §§ 212 Abs 2, 212a Abs 9, 217 Abs 10 und 242 BAO geringere Bagatellbeträge für Landes- und Gemeindeabgaben gerechtfertigt und Bestimmungen über den zweiten und dritten Säumniszuschlag entbehrlich), aus dem Fehlen einer einzigen Oberbehörde aller Abgabenbehörden der Länder und Gemeinden; daher erscheint die Abhängigkeit von Parteirechten (wie zB die Einreichung von Anbringen unter Verwendung eines Telekopierers oder mit E-Mail) von dies zulassenden Verordnungen wenig praktikabel; dies spricht weiters mangels zentraler Steuerung der IT-Unterstützung für weniger aufwendige Regelungen, aus der Nichtgeltung des FinStrG für Landes- und Gemeindeabgaben (dies bedingt ergänzende bzw abweichende Regelungen bezüglich der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht des § 48a BAO und für das Aussageverweigerungsrecht nach § 171 Abs 1 lit b BAO), aus dem Grundsatz der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Vollziehung (dies spricht dafür, den Umstellungsaufwand für die Länder und Gemeinden etwa dadurch nicht zu erhöhen, dass sie ihr bisheriges System der Abgabenverrechnung im Wesentlichen beibehalten können, sie somit keine kumulative Verrechnung, wie sie nach § 213 BAO für Bundesabgaben vorgesehen ist, vorzunehmen haben oder dass sie keinen zweiten und dritten Säumniszuschlag einführen müssen). Die Erweiterung des Anwendungsbereiches der BAO auf Landes- und Gemeindeabgaben führt zur Vereinheitlichung der Rechtslage vor allem in folgenden Angelegenheiten: Höchstbeträge für Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafen (§§ 111-112a BAO), Rechtsbelehrung nach § 113 BAO, Nachschau (§ 144 BAO), Außenprüfung (§ 147 BAO), Nichtfestsetzung nach § 206 BAO zB wegen Uneinbringlichkeit (neu für alle Bundesländer außer Salzburg), Bemessungsverjährung (§§ 207-209a BAO), Zahlungsfristen (insbesondere Nachfristen zB für Abweisung eines Zahlungserleichterungsansuchens, bei Widerruf der Nachsicht), Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO; neu für Burgenland, Tirol und Vorarlberg), Rückzahlung gemäß § 241 BAO, Allgemeine Bestimmungen des Berufungsverfahrens (zB Berufungsbefugnis des Haftungspflichtigen gemäß § 248 BAO, Zurücknahme von Berufungen), 11 Berichtigung von Bescheiden gemäß § 293 BAO und gemäß § 293b BAO, Abänderung von Bescheiden gemäß § 295a BAO (neu für alle Bundesländer), Aufhebung gemäß § 299 BAO, Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 303-307 BAO), Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 308-310 BAO), Entscheidungspflicht, Devolutionsantrag (§ 311 BAO). In den §§ 11, 48c, 49 Abs 1 und 120 Abs 3 BAO erfolgen Änderungen von BAOBestimmungen, damit sie auch für Landes- und Gemeindeabgaben anwendbar sind. 5. Sonderbestimmungen für Landes- und Gemeindeabgaben 5.1. Anzeigepflicht (§ 120a BAO) Die Abgabepflichtigen haben der Abgabenbehörde alle Umstände anzuzeigen, die ihre Abgabepflicht begründen, ändern oder beendigen. Sie haben auch den Wegfall von Voraussetzungen für eine Befreiung von einer Abgabe anzuzeigen (§ 120a BAO). Ähnlich ua § 95 TLAO, § 93 S-LAO und § 55 V-AbgVG. Im Unterschied zu § 119 Abs 1 BAO (Offenlegungspflicht) besteht die Anzeigepflicht des § 120a BAO nicht nur „nach Maßgabe der Abgabenvorschriften“. Hingegen betrifft die Anzeigepflicht des § 120 Abs 1 BAO lediglich bestimmte Abgaben (zB Einkommensteuer). 5.2. Bücher und Aufzeichnungen (§ 131a BAO) Keine Pflicht der Einnahmen-Ausgaben-Rechner, ihre Bareinnahmen und Barausgaben einzeln aufzuzeichnen (zufolge § 131a Z 1 BAO). Die Abgabenbehörde kann Erleichterungen von der Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen bewilligen, wenn die Bücher und Aufzeichnungen des Abgabepflichtigen die Gewähr für eine leichte Überprüfbarkeit bieten (§ 131a Z 2 BAO); wie zB § 100 TLAO, § 99 S-LAO und § 56 Abs 3 V-AbgVG. 12 5.3. Verspätungszuschläge (§ 135a BAO) Keine gesetzliche Bagatellgrenze (wie für Bundesabgaben in § 135 letzter Satz BAO); aber in richtiger Ermessensübung (Berücksichtigung verwaltungsökonomischer Überlegungen) sollten Bagatellbeträge nicht vorgeschrieben werden. 5.4. Keine Bescheiderlassung nach § 201a BAO Liegen die Voraussetzungen für eine bescheidmäßige Festsetzung gemäß § 201 vor, so ist von der Festsetzung abzusehen, wenn der Abgabepflichtige nachträglich die Selbstberechnung berichtigt (§ 201a BAO); wie § 82 Abs 3 V-AbgVG; neu ua für Tirol und Salzburg. Dies soll nicht nur für Berichtigungen „von sich aus“ (wie etwa nach § 10 Abs 6 Biersteuergesetz 1995) oder nur kurze Zeit (zB bis 25. des zweitfolgenden Kalendermonats im § 10 Abs 6 Biersteuergesetz 1995) gelten. 5.5. Stundungszinsen (§ 212b BAO) Zinshöhe: 6% pro Jahr (Tirol nach VO: 5 %; Salzburg: 8,4 %). Keine Zinsen für Abgabenbeträge unter 200 Euro (Tirol: 1.000 Euro, Salzburg: 1.100 Euro). Keine Festsetzung von Zinsen unter zehn Euro. Amtswegige Berücksichtigung nachträglicher Herabsetzungen von Abgabenschuldigkeiten. 5.6. Aussetzung der Einhebung (§ 212b BAO) Die Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) ist neu für Burgenland, Tirol und Vorarlberg. Aussetzungszinsen: 3% pro Jahr. Keine Festsetzung von Zinsen unter zehn Euro. § 199 Abs 2 TLAO: Berufung hat idR Wirkung eines Zahlungsaufschubes 5.7. Säumniszuschläge (§ 217a BAO) Kein zweiter und dritter Säumniszuschlag (wie bisher ua in Tirol, Salzburg und Vorarlberg). Keine Festsetzung unter fünf Euro (TLAO: 300 Euro Mindestbemessungsgrundlage; Salzburg: 110 Euro). 13 Fällig im Zeitpunkt der Zustellung des den Säumniszuschlag festsetzenden Bescheides (TLAO: fällig im Zeitpunkt der Säumnis, ebenso Salzburg und Vorarlberg). Neu für alle Bundesländer (außer für Kärnten): § 217 Abs 7 BAO (kein grobes Verschulden). 5.8. Mahngebühren (§ 227a BAO) Höhe: 0,5% des eingemahnten Abgabenbetrages, mindestens drei Euro, höchstens 30 Euro. (§ 175 Abs 5 TLAO: 5 Euro Mahngebühr). (§ 171 S-LAO, 0,5 %, mindestens 4 Euro, höchstens 100 Euro) Mahngebühr ist mit Zustellung des Mahnschreibens fällig. Kein Ermessen bei Mahngebühr bei zwingender Mahnung. Hingegen kann (Ermessen) eine Mahngebühr festgesetzt werden, wenn eine vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeit erstmals eingemahnt wird, ohne dass dies erforderlich gewesen wäre. Neu ua für Tirol, Salzburg und Vorarlberg. Keine Herabsetzung der Mahngebühr ber Minderung des eingemahnten Abgabenbetrages. 5.9. „Elektronische“ Eingaben (§ 86b BAO), Erledigungen (§ 97a BAO) und Akteneinsicht (§ 90a BAO) Keine Verordnungen sind erforderlich nach den §§ 86b, 90b und 97a BAO. Weitere Abweichungen (von den §§ 86a, 90a und 97 Abs 3 BAO) folgen vor allem dem Vorbild der Salzburger Landesabgabenordnung (S-LAO). 14 Nach § 97a BAO können schriftliche Erledigungen im Weg automationsunterstützter Datenverarbeitung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise (somit zB Fax und E-Mail) übermittelt werden wenn die Partei dieser Übermittlungsart ausdrücklich zugestimmt hat, oder wenn die Partei ein Anbringen in derselben Art eingebracht und dieser Übermittlungsart nicht gegenüber der Behörde ausdrücklich widersprochen hat, sofern die Übermittlung spätestens 2 Werktage nach Einlangen des Anbringens erfolgt. Nach § 97a BAO können schriftliche Erledigungen im Weg automationsunterstützter Datenverarbeitung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise (somit zB Fax und E-Mail) übermittelt werden, wenn die Partei dieser Übermittlungsart ausdrücklich zugestimmt hat, oder wenn die Partei ein Anbringen in derselben Art eingebracht und dieser Übermittlungsart nicht gegenüber der Behörde ausdrücklich widersprochen hat, sofern die Übermittlung spätestens 2 Werktage nach Einlangen des Anbringens erfolgt. 5.10 Spezielle Zuständigkeitsregelungen (§§ 41a, 44a und 240a BAO) Diese Regelungen betreffen Anzeigepflicht des § 41 Abs 3 BAO, Begünstigungsbescheide gemäß § 44 Abs 2 BAO und Rückzahlungsbescheide nach § 240 Abs 3 BAO. 6. Für alle Abgaben bedeutsame Änderungen der BAO 6.1. Abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht Nach § 48a Abs 3 lit b BAO gilt die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht für andere (als Beamte und ehemalige Beamte) insbesondere für Umstände, die aus Akten(inhalten) oder Abschriften (Ablichtungen) eines Abgabenverfahrens zugänglich geworden sind. 15 6.2. Vollmacht (§ 83 Abs 1 BAO) Nach bisheriger Rechtslage kamen als Bevollmächtigte nur natürliche Personen (zufolge § 83 Abs 1 BAO; arg: „eigenberechtigte Personen“) in Betracht; dieser Personenkreis wird durch Berufsrecht (zB §§ 65 ff WTBG für OG, KG, GmbH und AG) erweitert. Bei Eingaben einer anderen bevollmächtigten juristischen Person fehlt die Unterschrift (daher Mängelbehebungsverfahren wegen fehlender Unterschrift erforderlich). Nunmehr kommen generell auch juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften als Vertreter in Betracht. Dies ändert nichts daran, dass sich aus Berufsrecht ein noch weiterer Kreis ergeben könnte. Die Frage, wer bevollmächtigt werden „kann“, ist zu trennen von der Frage, ob jemand geschäftsmäßig vertreten „darf“ (zur Ablehnung Unbefugter siehe § 84 BAO). Zustellungsbevollmächtigte (iSd § 9 ZustG) müssen keine berufsmäßigen Parteienvertreter sein. 6.3. Mängelbehebungsverfahren (§ 85 Abs 2 BAO) Mängelbehebungsaufträge waren bisher insbesondere in den §§ 85 Abs 2, 275, 303a Abs 2 und 309a Abs 2 BAO geregelt. Im Wesentlichen nach dem Vorbild des § 13 Abs 3 AVG ist auch in der BAO das Mängelbehebungsverfahren idR nur mehr in einer Norm geregelt (Ausnahme: § 311a Abs 2 BAO für Devolutionsanträge). Neu ua für Tirol, Salzburg und Vorarlberg. § 85 Abs 2 BAO gilt für folgende Mängel einer Eingabe: Formgebrechen (zB Nichtverwendung einer für den Einschreiter zugelassenen Amtssprache), inhaltliche Mängel („inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen“), Fehlen einer Unterschrift. 16 Die Regelungen von Inhaltserfordernissen (in den §§ 250, 303a Abs 1 und 309a Abs 1 BAO) bleiben unverändert. § 85 Abs 2 BAO gilt nur für Anbringen zur Geltendmachung von Rechten (somit nicht für „Pflichteingaben“). 6.4. Übersetzung (§ 85 Abs 5 BAO und § 131 BAO) Auf Verlangen der Abgabenbehörde hat der Einschreiter eine beglaubigte Übersetzung einem Anbringen beigelegter Unterlagen beizubringen (§ 85 Abs 5 BAO). Neu ua für Tirol, Salzburg und Vorarlberg. Solche Verlangen sind verfahrensleitende Verfügungen iSd §§ 94 und 244 BAO. Ihre Befolgung ist mit Zwangsstrafe erzwingbar. Soweit Bücher und Aufzeichnungen nicht in einer für den Einschreiter zugelassenen Amtssprache geführt werden, hat der Abgabepflichtige auf Verlangen der Abgabenbehörde eine beglaubigte Übersetzung der vorgelegten Bücher, Aufzeichnungen, hiezu gehörige Belege sowie Geschäftspapiere und der sonstigen Unterlagen iSd § 132 Abs 1 BAO beizubringen (§ 131 Abs 1 Z 1 zweiter Satz BAO). 6.5. Mit ADV erstellte Niederschriften (§ 87 Abs 7 BAO) Nach dem Vorbild des § 61 Abs 8 S-LAO dürfen bei Niederschriften die Unterschriften (des Leiters der Amtshandlung, beigezogener Personen) fehlen, wenn sichergestellt ist, dass auf andere Weise festgestellt werden kann, dass der Leiter der Amtshandlung den Inhalt der Niederschrift bestätigt hat. Neu ua für Tirol und Vorarlberg. Es besteht keinerlei Pflicht der Abgabenbehörden, derartige „elektronische“ Niederschriften zu erstellen. Die wäre auch vielfach (zB für Rechtsmittelverzichte) aus Beweisgründen nicht zweckmäßig. 17 6.6. Aktenvermerke (§ 89 BAO) Aktenvermerke müssen grundsätzlich unterschrieben sein. Daher müssen elektronisch angefertigte Aktenvermerke ausgedruckt und sodann unterschrieben werden. Danach ist die elektronische Erfassung des Schriftstückes (und die Skartierung des unterschriebenen Schriftstückes) zulässig. Nach dem Vorbild des § 63 Abs 2 S-LAO erfolgte folgende Ergänzung des § 89 Abs 2 BAO: „ Vom Erfordernis der Unterschrift kann jedoch abgesehen werden, wenn sichergestellt ist, dass das Amtsorgan auf andere Weise festgestellt werden kann.“ Neu ua für Tirol und Vorarlberg. 6.7. Aussageverweigerungsrechte (§ 171 BAO) § 171 Abs 1 lit b BAO betraf die Verweigerung der Aussage über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen (Angehörigen ...) die Gefahr einer strafgerichtlichen oder finanzstrafbehördlichen Verfolgung zuziehen würde. Für Landes- und Gemeindeabgaben gilt nicht das FinStrG (sondern das VStG). Die Gefahr solche Abgaben betreffender abgabenstrafbehördlicher Verfolgung war bisher in § 171 BAO nicht ausdrücklich als Aussageverweigerungsgrund genannt. Dies ändert sich nunmehr. 6.8. Bemessungsverjährung 6.8.1. Säumniszuschläge Nach dem letzten Satz des § 207 Abs 2 BAO verjähren die dort genannten Nebenansprüche (nämlich Verspätungszuschläge, Anspruchszinsen und Abgabenerhöhungen) gleichzeitig wie die betreffenden Stammabgaben. Säumniszuschläge sind dort bisher nicht genannt gewesen. Bedeutsam ist die nunmehr ausdrückliche Nennung der Säumniszuschläge in § 207 Abs 2 BAO vor allem für die Festsetzung des ersten Säumniszuschlages für hinterzogene Selbstberechnungsabgaben (zB für hinterzogene Kommunalsteuer). Neu ua für Tirol, Salzburg und Vorarlberg. 18 6.8.2. § 207 Abs 5 BAO Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist sieben Jahre (§ 207 Abs 2 zweiter Satz BAO). (zehn Jahre ua in TLAO, S-LAO und V-AbgVG). Nach dem neuen § 207 Abs 5 BAO gilt dieser zweite Satz sinngemäß für Abgaben, deren vorsätzliche Verkürzung nicht in den Anwendungsbereich des FinStG fällt. Dies betrifft insbesondere Stempel- und Rechtsgebühren, Landes- und Gemeindeabgaben. 6.8.3. Verfolgungshandlungen Im AbgVRefG wird in § 209 Abs 1 BAO der Kreis der die Verjährungsfrist verlängernden Amtshandlungen durch Anfügung folgenden Satzes erweitert: „Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen“. Neu für alle Bundesländer. Verfolgungshandlung ist jede nach außen erkennbare Amtshandlung eines Gerichtes, einer Finanzbehörde oder eines im § 89 Abs 2 genannten Organs, die sich gegen eine bestimmte Person als den eines Finanzvergehens Verdächtigen, Beschuldigten oder Angeklagten richtet, und zwar auch dann, wenn das Gericht, die Finanzstrafbehörde oder das Organ zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder die Person, gegen die sie gerichtet war, davon keine Kenntnis erlangt hat (§ 14 Abs 3 FinStrG). 6.9. Verrechnungsweisungen (§ 214 Abs 4 BAO) Für welche Abgabenschuldigkeiten Verrechnungsweisungen möglich sind, ergibt sich derzeit aus der überaus kasuistischen Aufzählung im § 214 Abs 4 BAO und in § 161 Abs 4 TLAO. Nunmehr werden Verrechnungsweisungen für alle Abgabenschuldigkeiten zugelassen. Dies vereinfacht die Rechtslage. Die Neufassung des § 214 Abs 4 BAO ist erstmals auf Abgaben des Bundes anzuwenden, für die der Abgabenanspruch nach dem 31. Dezember 2009 entstanden ist (§ 323 Abs 23 zweiter Satz BAO). 19 6.10. Sicherstellungsauftrag (§ 232 BAO) Sicherstellungsaufträge (§ 232 BAO) setzen voraus das Entstehen eines Abgabenanspruches (ex lege bei Eigenschuldnern oder bei Abfuhrpflichtigen bzw gegenüber anderen Haftungspflichtigen durch Zustellung des Haftungsbescheides) gegenüber dem Adressaten des Sicherstellungsauftrages, die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der Abgabe. Die Haftung nach § 11 BAO kann erst nach Rechtskraft der Verurteilung geltend gemacht werden. Vorher ist der potentiell Haftungspflichtige noch kein Gesamtschuldner. Daher konnte nach bisheriger Rechtslage ihm gegenüber noch kein Sicherstellungsauftrag erlassen werden. § 232 Abs 3 BAO erweitert den Personenkreis, gegen den solche Sicherstellungsmaßnahmen in Betracht kommen, auf Verdächtige (ab Anhängigkeit eines Strafverfahrens gegen einen der Begehung eines vorsätzlichen Finanzvergehens oder einer vorsätzlichen Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden Verdächtigten). Ein solcher Sicherstellungsauftrag ist nunmehr hinsichtlich jenes Betrages, um den die Abgaben voraussichtlich verkürzt wurden, zulässig. Auch solche Sicherstellungsaufträge setzen die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der Abgabe voraus. Die Anhängigkeit eines Strafverfahrens allein reicht nicht. 6.11. Keine Gutschrift nach § 239a BAO Soweit eine Abgabe, die nach dem Zweck der Abgabenvorschrift wirtschaftlich von einem Anderen als dem Abgabepflichtigen getragen werden soll, wirtschaftlich von einem Anderen als dem Abgabepflichtigen getragen wurde, haben zu unterbleiben: 1. die Gutschrift auf dem Abgabenkonto, 2. die Rückzahlung, Umbuchung oder Überrechnung von Guthaben und 3. die Verwendung zur Tilgung von Abgabenschuldigkeiten, wenn dies zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Abgabepflichtigen führen würde (§ 239a BAO). 20 Diese Norm wird in der Regierungsvorlage (38 Blg NR 24. GP, 12) wie folgt begründet: „Der bisherigen landesgesetzlichen Rechtslage entsprechend sollen „RückzahlungssperrNormen“ auch für Abgabenansprüche, die nach dem 31. Dezember 2009 entstehen, für Landes- und Gemeindeabgaben gelten. Die Textierung lehnt sich an die bisherigen landesgesetzlichen Formulierungen an. Für Bundesabgaben ergibt sich aus § 323 Abs. 23 BAO der zeitliche Anwendungsbereich. § 239a BAO gilt nur für indirekte Abgaben (zB Umsatzsteuer, Verbrauchsteuern), nicht jedoch beispielsweise für lohnabhängige Abgaben (zB Kommunalsteuer, Dienstgeberbeitrag). Die Bestimmung gilt nicht nur, wenn die Gutschrift sich als Folge von Vorabentscheidungen des EuGH ergeben würde; sie betrifft auch unter Verletzung nationaler Abgabenvorschriften festgesetzte oder selbst berechnete Abgaben, wenn sie überwälzt sind und die Gutschrift zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Abgabepflichtigen führen würde. § 239a BAO ist unanwendbar, soweit sich aus Aufhebungen nach Art 139 oder 140 B-VG (mittelbar) Gutschriften ergeben. Über auf § 239a BAO gestützte, von Amts wegen zu erfolgende Maßnahmen ist mit Bescheid abzusprechen. Solche Bescheide sollten im Allgemeinen anlässlich der Erlassung des zur Gutschrift führenden Bescheides (insbesondere Abgabenbescheides) ergehen. Die Erlassung solcher Bescheide obliegt auch dann der Abgabenbehörde erster Instanz, wenn sich die Gutschrift aus einem Bescheid der Abgabenbehörde zweiter Instanz (zB einer Berufungsentscheidung) ergibt.“ § 239a BAO ist erstmals für Bundesabgaben anzuwenden, für die der Abgabenanspruch nach dem 31. Dezember 2000 entstanden ist (nach § 323 Abs 23 letzter Satz BAO). Nach § 323a Abs 4 BAO (idF AbgÄG 2010, BGBl I 2010/34) ist § 239a BAO erstmals auf Landes- und Gemeindeabgaben anzuwenden, für die der Abgabenanspruch nach dem 31. Oktober 1994 entstanden ist. (für Wien und Steiermark gelten die landesrechtlichen Normen für vor 1. Jänner 2010 entstandene Abgabenansprüche) 21 6.12. Zu den §§ 299 Abs 2 und 307 Abs 1 BAO „Nach § 299 Abs. 2 BAO ist mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Diese Regelung entspricht dem für Wiederaufnahmen des Verfahrens geltenden § 307 Abs. 1 BAO. Zu dieser Bestimmung ist strittig, ob die Verbindung beider Bescheide voraussetzt, dass hiefür dieselbe Abgabenbehörde zuständig ist. Praktische Bedeutung hat diese Frage, wenn die Abgabenbehörde zweiter Instanz einer gegen die Abweisung eines Wiederaufnahmsantrages gerichteten Berufung stattgibt. Strittig ist diesfalls, ob sie dem Verbindungsgebot des § 307 Abs. 1 BAO folgend auch den neuen Sachbescheid zu erlassen hat. Diese Rechtsunsicherheit soll mit ausdrücklichen Regelungen in § 307 Abs. 1 BAO für die Wiederaufnahme des Verfahrens sowie in § 299 Abs. 2 BAO für die Aufhebung von Bescheiden beseitigt werden.“ (Regierungsvorlage, 38 Blg NR 24. GP,14 ). 6.13. Verkürzung von Fristen (in den §§ 201 und 302 BAO) Der Entfall des § 201 Abs 2 Z 4 BAO betrifft erstmalige Festsetzungen von Selbstbemessungsabgaben, wenn sich die Selbstberechnung wegen Widerspruches mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union als nicht richtig erweist. Dieser Entfall des § 302 Abs 2 lit c BAO betrifft Aufhebungen nach § 299 BAO, die wegen Widerspruches mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union erfolgen. Zwischenstaatliche abgabenrechtliche Vereinbarungen sind vor allem Doppelbesteuerungsabkommen und Amtssitzabkommen. Die Neufassungen der §§ 201 und 302 BAO treten mit 1. November 2009 in Kraft (§ 323 Abs 23 dritter Satz BAO). Die Verkürzung der Fristen (durch Aufhebung des § 201 Abs 2 Z 4 BAO und des § 302 Abs 2 lit c BAO) berührt nicht die übrigen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten, solche Rechtswidrigkeiten geltend zu machen. Dazu gehören insbesondere die §§ 240 Abs 3, 293b, 303 Abs 1 und 4 sowie 308 BAO. 22 7. Nur für Bundesabgaben geltende Bestimmungen 7.1. Ausdrücklich nicht für Landes- und Gemeindeabgaben geltende Bestimmungen Expressis verbis werden solche „Nichtanwendungen“ insbesondere angeordnet in § 48c BAO (Anzeigepflichten und Anzeigeberechtigungen nach § 48b BAO), § 102a BAO (gesetzliche Regelung, wann Zustellnachweis zu verwenden ist), § 213a BAO (Verrechnung mehrerer Abgaben auf einem Abgabenkonto). 7.2. Vom Inhalt her nicht anwendbar für Landes- und Gemeindeabgaben 7.2.1. Als Folge von Änderungen der BAO durch das AbgVRefG ZB § 48 BAO, § 215 Abs 2 BAO, § 276 Abs 6 zweiter Satz und zweiter Unterabsatz BAO, § 311 Abs 6 BAO. 7.2.2. Bereits beim derzeitigen Wortlaut nicht anwendbare Bestimmungen Für zahlreiche Bestimmungen der BAO ergibt sich bereits aus ihrem Inhalt, dass sie für Landes- und Gemeindeabgaben bzw für Abgabenbehörden der Länder und Gemeinden nicht anwendbar sind. Dazu gehören beispielsweise Bestimmungen, die lediglich Finanzämter betreffen (zB Anzeigepflichten nach § 120 Abs 1 und 2 BAO sowie nach § 121a BAO, Rückstandsbescheinigung nach § 229a BAO), den UFS bzw das Verfahren vor dem UFS betreffende Normen (zB §§ 260, 263 bis 268, 270, 271, 277 zweiter Satz, 278, 282 bis 287 BAO), lediglich für bestimmte Bundesabgaben geltende Bestimmungen, wie etwa - § 4 Abs 2 lit a BAO (Abgabenanspruch für Einkommensteuer und für Körperschaftsteuer), - § 125 BAO (Buchführungsgrenzen für Abgaben vom Einkommen), - § 126 Abs 2 und 3 BAO (Abgaben vom Einkommen und Ertrag), 23 - § 160 BAO (Unbedenklichkeitsbescheinigung etwa bezüglich Grunderwerbsteuer und Gesellschaftsteuer), - § 205 BAO (Anspruchszinsen betreffend Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, - § 208 Abs 2 BAO und § 209 Abs 3 BAO (betreffen die Verjährung der Erbschaftsund Schenkungssteuer), - § 217 Abs 8 lit b BAO (bezüglich Anspruchszinsen), für die Feststellung von Einkünften geltende Normen (zB §§ 54, 188, 101 Abs 3 und 4, 191 Abs 1 lit c und Abs 5 BAO), für das BMF geltende Verordnungsermächtigungen (zB §§ 86a Abs 2, 90a und 97 Abs 3 BAO). 7.2.3 Änderungen für die Feststellung von Einkünften (§ 188 BAO) Die bedeutendste Änderung betrifft die Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens. Eine solche Feststellung ist (ab dem Veranlagungsjahr 2008) bei Wohnungseigentum dann vorgesehen, wenn die gemeinsame Bewirtschaftung nicht lediglich allgemeine Teile der Liegenschaft (zB Plakatwand, Handymast) betrifft. Festzustellen sind daher Einkünfte aus „Mietenpools“. Allgemeine Teile der Liegenschaft sind solche, die der allgemeinen Benützung dienen, oder deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Benützung entgegensteht (§ 2 Abs 4 WEG 2002). Übrigens sind in § 188 BAO (und in weiteren Bestimmungen) die Worte „einheitlich und gesondert“ beseitigt worden. 8. Die wesentlichsten von der Vereinheitlichung betroffenen Bereiche 8.1. Angehörige (§ 25 BAO) Angehörige (iSd § 25 BAO) sind (im Unterschied zu zB § 23 TLAO) auch Verwandte vierten Grades in der Seitenlinie (zB Cousin/Cousine), 24 Lebensgefährten sowie Kinder und Enkel einer dieser Personen im Verhältnis zur anderen Person, Personen, die durch eine Ehe Angehörige wurden, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht, eingetragene Partner. Eine Lebensgemeinschaft liegt auch bei gleichgeschlechtlicher Partnerschaft vor. 8.2. Befangenheit (§ 76 BAO) Die Vereinheitlichung der Bestimmungen über die Befangenheit betrifft die Erweiterung des Angehörigenbegriffes durch BGBl I 2002/97, den Wegfall der Fünfjahresfrist (wenn Organwalter als Vertreter der Partei bestellt war), Mitwirkung (iSd § 76 Abs 1 lit d BAO) umfasst auch die Mitwirkung an der Erlassung der Berufungsvorentscheidung sowie die Erteilung einer Weisung im Verfahren zur Erlassung des angefochtenen Bescheides oder der Berufungsvorentscheidung. Neu ua für Tirol, Salzburg und Vorarlberg. 8.3. Akteneinsicht (§ 90 BAO) Für Ablichtungen aus Akten(teilen) darf kein Kostenersatz verlangt werden (im Unterschied zu § 70 TLAO, § 64 S-LAO und § 23 V-AbgVG). Akteneinsicht für blinde und hochgradig sehbehinderte Parteien zB durch Verlesung des Akteninhaltes. Wie § 23 V-AbgVG, neu ua für Tirol und Salzburg. 8.4. Vorladung (§ 91 BAO) Die Abgabenbehörde darf (im Unterschied zu § 71 TLAO) auch Personen vorladen, die nicht in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben. Gegen die Vorladung ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig (§ 91 Abs 4 BAO). Neu ua für Tirol, Salzburg und Vorarlberg. 25 8.5. Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafen (§§ 111-112a BAO) Einheitliche Höchstbeträge für Zwangsstrafen: 5.000 Euro (TLAO: 1.500 Euro; S-LAO: 730 Euro; V-AbgVG: 700 Euro), Ordnungsstrafen: 700 Euro (TLAO: 140 Euro), Mutwillensstrafen: 700 Euro. Die Verhängung einer Mutwillensstrafe (§ 112a BAO) ist zulässig gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht der Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen. Neu ua für Tirol, Salzburg und Vorarlberg. 8.6. Aufzeichnungen (§ 131 BAO) Insbesondere folgende Bereiche sind von der Vereinheitlichung betroffen: Führung und Aufbewahrung von Büchern und Aufzeichnungen im Ausland (§ 131 Abs 1 BAO), Aufbewahrung der Grundaufzeichnungen im Inland, Ordnungsvorschriften (§ 131 Abs 1 Z 1 bis 6 BAO) idR „Sollvorschriften“, Pflicht zur Verfügungstellung elektronischer Datenträger (§ 131 Abs 3 letzter Satz BAO). 8.7. Aufbewahrungspflicht (§ 132 BAO) Die Vereinheitlichung betrifft vor allem Pflicht zur Aufbewahrung der Bücher, Aufzeichnungen sowie hiezu gehöriger Belege; Geschäftspapiere und sonstige Unterlagen (soweit für die Abgabenerhebung von Bedeutung) sollen aufbewahrt werden; Verlängerung der siebenjährigen Aufbewahrungsfrist solange, als die Bücher, Aufzeichnungen und hiezu gehörige Belege für die Abgabenerhebung betreffende anhängige Verfahren von Bedeutung sind, in denen diejenigen Parteistellung haben, für die auf Grund von Abgabenvorschriften die Bücher und Aufzeichnungen zu führen waren oder für die ohne gesetzliche Verpflichtung Bücher geführt werden; neu ua für Tirol; Aufbewahrung auf (elektronischen) Datenträgern (§ 132 Abs 2 und 3 BAO); 26 Pflicht, solche Datenträger zur Verfügung zu stellen (§ 132 Abs 3 letzter Satz BAO); neu ua für Tirol, Salzburg und Vorarlberg. 8.8. Nachschau, Außenprüfung (§§ 144 – 150 BAO) Die Vereinheitlichung betrifft die Befugnisse bei der Nachschau (§ 144 BAO); die landesrechtlichen Nachschaubefugnisse entsprechen im Wesentlichen den für Außenprüfungen bestehenden Befugnissen. Neu (für alle Länder) sind die Bestimmungen über die Außenprüfung (somit die §§ 147 bis 150 BAO), somit insbesondere Regelungen über von der Prüfungsbefugnis Betroffene (nach § 147 Abs 1 BAO jeder, der zur Führung von Büchern oder Aufzeichnungen oder zur Zahlung gegen Verrechnung mit der Abgabenbehörde verpflichtet ist), Gegenstand der Prüfung (nach § 147 Abs 1 BAO alle für die Erhebung von Abgaben bedeutsamen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse), Ankündigungspflicht (§ 148 Abs 5 BAO, tunlichst 1 Woche vorher, sofern hiedurch der Prüfungszweck nicht vereitelt wird), Prüfungsauftrag (§ 148 Abs 1 und 2 BAO), (grundsätzliches) Verbot der Wiederholungsprüfung (§ 148 Abs 3 BAO), Schlussbesprechung (§ 149 BAO), Bericht über das Prüfungsergebnis (§ 150 BAO). Der Prüfungsauftrag ist eine verfahrensleitende Verfügung iSd §§ 94 und 244 BAO (daher nicht abgesondert anfechtbar). Er hat ua die den Gegenstand der Prüfung bildenden Abgabenarten und Zeiträume zu bezeichnen (nach § 148 Abs 2 BAO). Der schriftliche Bericht (§ 150 BAO) ist auch zu erstatten, wenn die Außenprüfung kein „Mehrergebnis“ (bzw „Minderergebnis“) ergibt. Eine Abschrift des Prüfungsberichtes ist dem Abgabepflichtigen zu übermitteln. 8.9. Selbstbemessungsabgaben (§ 201 BAO) § 201 BAO regelt die erstmalige Festsetzung von Selbstberechnungsabgaben (zB Dienstgeberbeitrag, Tiroler Jagdabgabe, Tiroler Gebrauchsabgabe). 27 Die Erlassung eines solchen Abgabenbescheides setzt stets voraus, dass sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als nicht richtig (dh objektiv rechtswidrig) erweist oder dass der Abgabepflichtige, obwohl er hiezu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt. § 201 BAO dient primär der Harmonisierung der Rechtswirkungen (vor allem im Bereich des Rechtsschutzes) von Selbstberechnungen und von Veranlagungsbescheiden. erstmalige Festsetzung entspricht bei Veranlagungsabgaben § 201 Abs 2 Z 1 BAO Aufhebung gemäß § 299 BAO § 201 Abs 2 Z 2 BAO Antrag gemäß § 299 BAO § 201 Abs 2 Z 3 BAO Amtswegige Wiederaufnahme (§ 303 Abs 4 BAO) § 201 Abs 2 Z 5 BAO Berichtigung gemäß § 293b BAO bzw Abänderung gemäß § 295a BAO § 201 Abs 3 Z 1 BAO (diese Monatsfrist ist Berufung (Verlängerung und Hemmung der nicht verlängerbar oder hemmbar) Berufungsfrist gemäß § 245 BAO) § 201 Abs 3 Z 2 BAO Wiederaufnahme auf Antrag (§ 303 Abs 1 BAO) § 201 BAO ist insoweit nicht anwendbar, als speziellere bundesgesetzliche Abgabenvorschriften (zB § 11 Abs 3 KommStG 1993) Entgegenstehendes anordnen. Erweist sich die Selbstberechnung des Unternehmers als nicht richtig oder wird die selbstberechnete Kommunalsteuer nicht oder nicht vollständig entrichtet, hat die Gemeinde einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen. Von der Erlassung eines solchen Bescheides ist abzusehen, wenn der Steuerschuldner nachträglich die Selbstberechnung berichtigt (§ 11 Abs 3 KommStG 1993). Zur Nichtfestsetzung von Landes- und Gemeindeabgaben gemäß § 201a BAO siehe Abschnitt 5.4. Zur sinngemäßen Anwendung des § 201 BAO für Abfuhrabgaben siehe § 202 BAO. 28 8.10. Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung (§ 206 BAO) § 206 BAO ist für alle Bundesländer (abgesehen von Salzburg) neu. § 206 BAO setzt voraus durch höhere Gewalt ausgelöster Notstand, vor allem bei Katastrophenschäden, Uneinbringlichkeit des Abgabenanspruches oder in einer Mehrheit von gleichgelagerten Fällen steht der behördliche Verwaltungsaufwand außer Verhältnis zur Höhe der festzusetzenden Abgabe. Die gänzliche oder teilweise Abstandnahme von der Festsetzung von Abgaben liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Sie betrifft nicht nur erstmalige Abgabenfestsetzungen, sondern auch solche Festsetzungen abändernde Bescheide. 8.11. Verjährung (§§ 207 – 209a BAO) Bei der Bemessungsverjährung (Festsetzungsverjährung) betrifft die Vereinheitlichung insbesondere die Fristen sowie die Regelung der Verlängerung der Frist (§ 209 Abs 1 BAO; keine Unterbrechung). Die Verjährungsfrist beträgt nunmehr einheitlich (grundsätzlich) 5 Jahre (Ausnahmen zB für Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafen sowie für Verbrauchsteuern), 7 Jahre für hinterzogene Abgaben, 10 Jahre („absolute“ Verjährung). (Verjährungsfristen in TLAO und in V-AbgVG: 5, 10 bzw 15 Jahre; in S-LAO: 5, 10 bzw 10 Jahre). Die Verlängerung der Verjährungsfrist (um ein Jahr) bewirken nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen, die von der Abgabenbehörde unternommen sind. 29 Solche Amtshandlungen sind beispielsweise Abgabenbescheide (Erstbescheide, ändernde Bescheide, auch nachträglich aufgehobene Bescheide), Außenprüfungen, Ermittlungen und Beweisaufnahmen (zB Vorhalte an den Abgabepflichtigen, Einvernahme von Auskunftspersonen und Zeugen, Vornahme eines Augenscheines, Amtshilfeersuchen). Erfolgen solche Amtshandlungen innerhalb der (idR 5 Jahre betragenden) Verjährungsfrist, so verlängert sich die Verjährungsfrist um 1 Jahr (unabhängig von der Anzahl der innerhalb der Verjährungsfrist unternommenen Amtshandlungen). Beispiel: (Nicht hinterzogene) Kommunalsteuer für Juli 2008, Außenprüfung (Kommunalsteuerprüfung nach § 14 Abs 1 KommStG 1993) beginnt im Dezember 2010. Die bescheidmäßige Nachforderung erfolgt im Februar 2011. Die Verjährung tritt mit Ablauf des Jahres 2014 ein. Derartige Amtshandlungen verlängern die Verjährungsfrist (jeweils) um ein weiteres Jahr, wenn sie in einem „Verlängerungsjahr“ (zB im 6. Jahr) erfolgen. Beispiel: (Nicht hinterzogene) Kommunalsteuer für März 2010. Bescheidmäßige Festsetzung erfolgt im Jahr 2012. Weitere zur Geltendmachung des Steueranspruches unternommene Amtshandlungen erfolgen in den Jahren 2016, 2017 sowie 2018. Die Verjährung tritt mit Ablauf des Jahres 2019 ein. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist sieben Jahre (§ 207 Abs 2 zweiter Satz BAO). Dies gilt sinngemäß für Abgaben, deren vorsätzliche Verkürzung nicht in den Anwendungsbereich des FinStrG fällt (§ 207 Abs 5 BAO). Beispiel: Vergnügungssteuer für eine im März 2010 erfolgte Veranstaltung. Nicht hinterzogener Betrag: 1.000 Euro. Vorsätzlicher verkürzter Betrag: 2.000 Euro. Verjährungsrelevante Amtshandlungen erfolgen in den Jahren 2012 und 2018. 30 Die Verjährung für nicht hinterzogene Abgabe tritt mit Ablauf des Jahres 2016 ein. Hingegen verjährt das Recht auf Festsetzung des vorsätzlich verkürzten Teilbetrages erst Ende 2019. Die „absolute“ Verjährung (10 Jahre ab Entstehen des Abgabenanspruches) ist weder hemmbar noch verlängerbar. Sie gilt übrigens nicht für die Einhebungsverjährung (§ 238 BAO). 8.12. Zahlungsfristen Die Vereinheitlichung betrifft insbesondere die folgenden 1 Monat betragenden Nachfristen des § 210 Abs 2 BAO (Aufhebung eines Bescheides, der eine sonstige Gutschrift zur Folge hatte, ohne gleichzeitiger Neufestsetzung der Abgabe), § 210 Abs 4 BAO (Festsetzung von Abgaben später als einen Monat vor ihrer Fälligkeit), § 210 Abs 5 BAO (Wiederaufleben von Abgabenschuldigkeiten), § 212 Abs 3 BAO (Abänderung oder Zurücknahme von Zahlungserleichterungsbescheiden sowie Nichtstattgabe eines zeitgerechten Ansuchens um Zahlungserleichterungen), § 212a Abs 7 BAO (Ablauf oder Widerruf der Aussetzung der Einhebung sowie „Nichtstattgabe“ eines Aussetzungsantrages), § 235 Abs 2 BAO (Widerruf der Löschung oder der Nachsicht). 8.13. Zahlungserleichterungen (§ 212 BAO) Auch für Landes- und Gemeindeabgaben beginnt der Zinslauf für die Stundungszinsen bei zeitgerecht gestellten Ansuchen (somit idR ab Fälligkeit) bereits vor der Bewilligung (bzw Abweisung). Zur Vereinheitlichung der Nachfristen siehe Abschnitt 8.12. Zur Landes- und Gemeindeabgaben betreffenden Zinshöhe (6%) und zu Bagatellbeträgen siehe Abschnitt 5.5. 31 8.14. Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO) Keine Aussetzungsbestimmungen enthalten die B-LAO, TLAO und das V-AbgVG. Die Vereinheitlichung betrifft weiters Nachfristen (§ 217a Abs 7 BAO) sowie den Wegfall von Ausnahmen des Anwendungsbereiches und Einschränkungen der einbringungshemmenden Wirkung von Aussetzungsanträgen. Zur Höhe der Aussetzungszinsen siehe Abschnitt 5.6. 8.15. Verrechnungsweisungen (§ 214 Abs 4 und 5 BAO) Die Vereinheitlichung betrifft die betroffenen Abgabenschuldigkeiten (generelles Verrechnungsweisungsrecht an Stelle kasuistischer Aufzählungen), die Antragsrechte des § 214 Abs 5 BAO (bei die Erteilung von Verrechnungsweisungen betreffenden Irrtümern). Neu ua für Tirol und Vorarlberg ist ua das Antragsrecht des § 214 Abs 5 BAO auch wegen irrtümlicher Unterlassung der Verrechnungsweisung. 8.16. Abrechnungsbescheid (§ 216 BAO) Abrechnungsbescheide sprechen über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, ab. Ein Abrechnungsbescheid ist auf Antrag des Abgabepflichtigen zu erlassen (Antragsfrist: 5 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen). Diese Antragsfrist ist neu für alle Länder. 8.17. Säumniszuschläge (§ 217 BAO) Die Vereinheitlichung (für Bund, Länder und Gemeinden) betrifft vor allem § 217 Abs 5 BAO („ausnahmsweise Säumnis“), § 217 Abs 6 BAO (einmonatige Nachfrist bei Erlassung eines Vollstreckungsbescheides), 32 § 217 Abs 7, 8 und 9 BAO (Herabsetzung bzw Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen); § 217 Abs 7 BAO neu ua für Tirol, Salzburg und Vorarlberg. Gemäß § 217 Abs 7 BAO sind Säumniszuschläge auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit herabzusetzen bzw nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt. Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. (Lediglich) leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Der Antrag auf (teilweise) Nichtfestsetzung kann ua in der Berufung gegen den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden. Eine Befristung des Antragsrechts ergibt sich lediglich mittelbar aus der Bemessungsverjährung (§ 207 BAO). § 217 Abs 8 BAO betrifft die rückwirkende Berücksichtigung einer nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld (der Bemessungsgrundlage des Säumniszuschlages), die gleichfalls nur auf Antrag des Abgabepflichtigen zu erfolgen hat. 8.18. Nachsicht (§ 236 BAO) Abgesehen von der Nachfrist bei Widerruf der Nachsicht (siehe Abschnitt 8.12) betrifft die Erweiterung des Anwendungsbereiches der BAO auf Landes- und Gemeindeabgaben auch den Umstand, dass keine Frist für die Nachsicht bereits entrichteter Abgaben (§ 236 Abs 2 BAO) besteht. Letzteres ist neu für alle Länder. 8.19. Rückzahlung zu Unrecht einbehaltener Abfuhrabgaben (§ 240 Abs 3 BAO) Die Vereinheitlichung betrifft das Antragsrecht des § 240 Abs 3 BAO an sich sowie die Antragsfrist. 33 8.20. Berufungsverfahren 8.20.1. Vereinheitlichung Die Vereinheitlichung betrifft ua § 245 Abs 2 BAO (Hemmung der Berufungsfrist als Folge eines Antrages auf Bekanntgabe der fehlenden Begründung des Bescheides), § 248 BAO (zweifaches Berufungsrecht des Haftungspflichtigen), § 250 Abs 1 BAO, § 255 BAO (Rechtsmittelverzicht auch vor Bescheiderlassung möglich; neu für Kärnten und Oberösterreich), § 256 BAO (Zurücknahme der Berufung bis zur Bekanntgabe der Berufungserledigung möglich; neu für alle Bundesländer), § 273 Abs 2 BAO (keine Zurückweisung vor Beginn der Berufungsfrist eingebrachter Berufungen), § 276 BAO (zweite Berufungsvorentscheidung, Erstreckbarkeit der Vorlageantragsfrist, Verzicht auf Vorlageantrag), neu für Tirol: zweite Berufungsvorentscheidung auch ohne Zustimmung;, neu ua für Salzburg und Vorarlberg: zweite Berufungsvorentscheidung. § 281 BAO (Aussetzung des Berufungsverfahrens auch durch Abgabenbehörde erster Instanz zulässig). (§ 207 Abs 3 TLAO: Außerkrafttreten der Berufungsvorentscheidung durch Vorlageantrag). 8.20.2. Aufhebung unter Zurückverweisung (§ 289 Abs 1 BAO) Neu für alle Bundesländer ist § 289 Abs 1 BAO. Danach kann die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Berufung erledigen durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides (und allfälliger Berufungsvorentscheidungen) unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs 1 BAO) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Nach § 115 Abs 1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. 34 Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat (§ 289 Abs 1 letzter Satz BAO). Nach § 289 Abs 1 zweiter Satz BAO sind die Behörden im weiteren Verfahren an die für die Aufhebung maßgebliche, im Aufhebungsbescheid dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Diese Bindung besteht lediglich bei unveränderter Sach- und Rechtslage. Eine ähnliche Bindung besteht nach § 289 Abs 3 BAO an die für die Berufungsentscheidung maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung. 8.21. Berichtigungen gemäß § 293 BAO und § 293b BAO Für Berichtigungen gemäß § 293 BAO (zB wegen Rechen- oder Schreibfehlern) ist landesrechtlich lediglich nach § 218 K-LAO ein Antragsrecht der Partei vorgesehen. Die Abgabenbehörde kann auf Antrag der Partei (§ 78 BAO) oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Unrichtigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht (§ 293b BAO). Eine Unrichtigkeit ist offensichtlich, wenn sie ohne nähere Untersuchungen im Rechtsbereich und ohne Ermittlungen im Tatsachenbereich deutlich erkennbar ist. Nicht nach § 293b BAO berichtigbar sind Unrichtigkeiten, die erst nach Durchführung eines diesbezüglichen (über die Bedachtnahme auf die Aktenlage hinausgehenden) Ermittlungsverfahrens erkennbar sind. Ob eine Rechtsauffassung offensichtlich unrichtig ist, ist anhand des Gesetzes und vor allem auch der dazu entwickelten Rechtsprechung zu beurteilen. Für die Anwendbarkeit des § 293b BAO ist der Zeitpunkt der Übernahme der Unrichtigkeit aus der Abgabenerklärung, somit der Zeitpunkt der Erlassung des zu berichtigenden Bescheides, maßgebend. Berichtigungen (nach § 293 und § 293b BAO) liegen im Ermessen. Eine Berichtigung wird im Allgemeinen dann unterbleiben dürfen, wenn die Folgen (insbesondere die abgabenrechtlichen Folgen) der Unrichtigkeit bloß geringfügig sind. 35 Dem § 293b BAO inhaltsgleiche Bestimmungen enthalten nur § 216 Abs 3 B-LAO, § 220 K-LAO, § 217 OÖ-LAO und § 217 Abs 2 TLAO. 8.22. Abänderung gemäß § 295a BAO Ein Bescheid kann auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat (§ 295a BAO). Ob ein nach Entstehung des Abgabenanspruches eingetretenes Ereignis rückwirkend (iSd § 295a BAO) ist, ist eine Frage des Inhaltes bzw der Auslegung materiellrechtlicher Abgabenvorschriften. Die Abänderung liegt im Ermessen. Ebenso wie bei Berichtigungen ist auch bei Abänderungen keine volle Änderung des Bescheides (sondern nur die Berücksichtigung des rückwirkenden Ereignisses) zulässig. § 295a BAO ist vor allem für Abgabenbescheide anwendbar. Diese Bestimmung gilt ab 1. Jänner 2010 (für Landes- und Gemeindeabgaben) auch für vor dem 1. Jänner 2010 erlassene Bescheide und für vor diesem Zeitpunkt eingetretene rückwirkende Ereignisse. Dem § 295a BAO inhaltsgleiche Bestimmungen sind in keiner Landesabgabenordnung enthalten. 8.23. Aufhebung gemäß § 299 BAO (und § 300 BAO) Die Vereinheitlichung (durch Erweiterung des Anwendungsbereiches der BAO) betrifft bei § 299 BAO insbesondere Zuständigkeit der Abgabenbehörde erster Instanz (und nicht der Oberbehörde), Aufhebung nur, wenn sich der Spruch des aufzuhebenden Bescheides als nicht richtig erweist (nicht zB wegen Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften oder wegen Unzuständigkeit), Antragsrecht der Partei (daher Entscheidungspflicht über Aufhebungsantrag), Verbindung des Aufhebungsbescheides mit dem neuen Sachbescheid (§ 299 Abs 2 BAO), 36 Aufhebungsfrist (nach § 302 BAO grundsätzlich 1 Jahr ab Bekanntgabe des aufzuhebenden Bescheides). Eine Klaglosstellung (§ 300 BAO) darf nur durch die Behörde erfolgen, die den beim VwGH bzw VfGH angefochtenen Bescheid erlassen hat. 8.24. Wiederaufnahme des Verfahrens Vereinheitlicht sind vor allem Antragsfristen (3 Monate ab nachweislicher Kenntnis des Wiederaufnahmsgrundes nach § 303 Abs 2 BAO, Fristen des § 304 BAO), Grad des Verschuldens (beim Neuerungstatbestand steht nur grobes Verschulden der Bewilligung der beantragten Wiederaufnahme entgegen), neu ua für Tirol, Salzburg und Vorarlberg, Zuständigkeit für die Wiederaufnahme von Verfahren (die Abgabenbehörde, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, § 305 BAO), Regelung der Inhaltserfordernisse für Wiederaufnahmsanträge im § 303a BAO (Mängelbehebungsverfahren nach § 85 Abs 2 BAO), neu für alle Länder. Fristen des § 304 BAO für Wiederaufnahmsanträge: der Zeitraum, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs 2 BAO) von sieben Jahren zulässig wäre (Obergrenze: „absolute“ Verjährung), fünf Jahre nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides (auch dann, wenn diese Frist nach Eintritt der absoluten Verjährung endet). Beispiel (zu § 304 BAO): Kommunalsteuer für April 2010. Festsetzung der Steuer im Dezember 2015. Bescheid wird am 20. Jänner 2016 (formell) rechtskräftig. Ende der siebenjährigen Frist: Ablauf des Jahres 2018; Ende der fünfjährigen Frist: 20. Jänner 2021. Maßgebend für die Rechtzeitigkeit von Wiederaufnahmsanträgen ist der 20. Jänner 2021. (§ 227 TLAO und § 220 S-LAO: 10 Jahre ab Entstehen des Abgabenanspruches). 37 8.25. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Die Vereinheitlichung umfasst insbesondere den Grad des der Wiedereinsetzung abträglichen Verschuldens (nur grobes Verschulden, § 308 Abs 1 BAO), die Regelung der Inhaltserfordernisse eines Wiedereinsetzungsantrages im § 309a BAO (Mängelbehebungsverfahren nach § 85 Abs 2 BAO); neu für alle Länder, die Frist zur Antragstellung (3 Monate nach Aufhören des Hindernisses, § 308 Abs 3 BAO); TLAO, S-LAO und V-AbgVG: 1 Monat, die Befristung der Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages (fünf Jahre ab Ende der versäumten Frist, § 309 BAO); TLAO, S-LAO und V-AbgVG: 1 Jahr, die Versäumung der Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages ist auch einer Wiedereinsetzung zugänglich. 8.26. Entscheidungspflicht, Devolutionsantrag (§ 311 BAO) Die Erweiterung des Anwendungsbereiches der BAO betrifft vor allem Entscheidungspflicht „über Anbringen“ (nicht nur über in Abgabenvorschriften vorgesehene Anbringen), Devolutionsanträge auch bezüglich Abgabenerklärungen, Devolutionsantrag nicht nur schriftlich, Devolutionsantrag muss nicht unmittelbar bei der Abgabenbehörde zweiter Instanz eingebracht werden, Nachfristsetzung durch Devolutionsbehörde (in § 311 Abs 3 BAO), Übergang der Zuständigkeit nach § 311 Abs 4 BAO, Abweisung von Devolutionsanträgen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde erster Instanz zurückzuführen ist (§ 311 Abs 5 BAO), TLAO: ausschließliches Verschulden, Inhaltserfordernisse für Devolutionsantrag, Mängelbehebungsverfahren (§ 311a BAO). 38 9. Inkrafttreten der BAO für die Länder und Gemeinden (§ 323a BAO) 9.1. Grundsatz (§ 323a Abs 1 Z 1 BAO) Grundsätzlich treten die Änderungen für die Landes- und Gemeindeabgaben mit 1. Jänner 2010 in Kraft (nach § 323a Abs 1 Z 1 erster Satz BAO). Die Kundmachung des AbgVRefG erfolgte am 25. März 2009. Die lange Legisvakanz ist erforderlich, um den Ländern und Gemeinden zu ermöglichen: Legistische Maßnahmen (insbesondere formale Aufhebung der Landesabgabenordnungen im Interesse der Rechtsklarheit, neue Landesgesetze über Organisation und Zuständigkeit der Abgabenbehörde der Länder und Gemeinden sowie über verwaltungsstrafrechtliche Bestimmungen, Anpassungen von Abgabengesetzen etwa bei Verweisungen), Anpassungen von Vordrucken und EDV-Programmen, Information der Bediensteten der Länder und Gemeinden. 9.2. Übergangsbestimmungen (§ 323a Abs 1 Z 2-7 BAO) 9.2.1. Begünstigungen Abgabenrechtliche Begünstigungen, Berechtigungen oder Befreiungen von Pflichten, welche am 1. Jänner 2010 nach bisherigem Recht zuerkannt waren, bleiben aufrecht, sofern sie nicht mangels Vorliegens der nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Voraussetzungen durch Bescheid widerrufen werden (§ 323a Abs 1 Z 2 BAO). Diese Bestimmung betrifft insbesondere vor dem 1. Jänner 2010 bescheidmäßig bewilligte Zahlungserleichterungen, Fristverlängerungen, Erleichterungen bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen. 39 9.2.2. Fristen Abgesehen von Verjährungsfristen gelten die Fristen dieses Bundesgesetzes auch für jene Fälle, in denen die für Landes- und Gemeindeabgaben maßgeblichen Fristen des bisherigen Rechtes am 1. Jänner 2010 noch nicht abgelaufen waren (§ 323a Abs 1 Z 3 BAO). Solche Fristen sind insbesondere Antragsfristen (für Wiederaufnahme und für Wiedereinsetzung) und Nachfristen (Zahlungsfristen). § 323a Abs 1 Z 3 BAO gilt etwa für landesrechtliche Monatsfristen (zB Wiedereinsetzungsfrist nach § 240 Abs 3 WAO), die am 1. Jänner 2010 noch nicht abgelaufen sind, wenn die entsprechende Frist der BAO länger ist (drei Monate, vgl zB § 308 Abs 3 BAO). Diesfalls gilt die längere Frist. 9.2.3. Zurückweisungsbescheide Vor dem 1. Jänner 2010 erlassene Zurückweisungsbescheide werden nicht dadurch rechtswidrig, dass sie nach den ab diesem Zeitpunkt geltenden Abgabenvorschriften nicht mehr erlassen werden dürften (§ 323a Abs 1 Z 4 BAO). § 323a Abs 1 Z 4 BAO gilt für wegen verspäteter Einreichung von Anträgen zurückweisende Bescheide, wenn die entsprechende Frist der BAO länger als die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgebende landesrechtlich geregelte Frist ist. Solche Zurückweisungsbescheide sind daher weder im Berufungsverfahren noch gemäß § 299 Abs 1 BAO allein deshalb aufzuheben, weil die Anträge nach der ab 1. Jänner 2010 geltenden Rechtslage nicht verspätet gewesen wären. Beispiel: Antrag auf Wiederaufnahme eines Abgabenverfahrens wird zwei Monate ab nachweislicher Kenntnis vom Wiederaufnahmsgrund im Oktober 2009 eingebracht. Die Frist nach § 235 Abs 2 WAO beträgt einen Monat. Der Antrag wird im Dezember 2009 als verspätet zurückgewiesen. Die dagegen im Jänner 2010 eingebrachte Berufung macht geltend, dass die Antragsfrist nach § 303 Abs 2 BAO drei Monate beträgt und dies ab 1. Jänner 2010 maßgebend sei. Zufolge § 323a Abs 1 Z 4 BAO bleibt der Zurückweisungsbescheid auch nach dem 1. Jänner 2010 rechtmäßig; die Berufung ist daher abzuweisen. 40 9.2.4. Bemessungsverjährung Die §§ 207 und 209 BAO sind ab 1. Jänner 2010 anzuwenden (§ 323a Abs 1 Z 1 erster Satz BAO). Für Nachforderungen bzw Gutschriften als Folge einer nach landesrechtlichen Vorschriften vorgenommenen Nachschau gilt § 209 BAO jedoch erst ab 1. Jänner 2011, wenn der Beginn der Amtshandlung vor dem 1. Jänner 2010 gelegen ist. Als Beginn der Amtshandlung gilt der Zeitpunkt, in dem der Prüfer zur Vorlage der Bücher, Aufzeichnungen oder sonstigen Unterlagen auffordert (vgl zB VwGH 15.12.1998, 93/14/0178, zu § 29 Abs 3 lit c FinStrG). Beispiel: Kommunalsteuer 2002. Unterbrechung der Verjährung im Jahr 2006. Daher würde die Verjährung nach landesrechtlichen Vorschriften erst mit Ablauf des Jahres 2011 eintreten. Zufolge § 209 Abs 1 BAO (Verlängerung der Verjährungsfrist um ein Jahr) würde sie mit Ablauf des Jahres 2008 eingetreten sein. Erfolgt im Jahr 2009 eine diese Abgabe betreffende Nachschau (zB iSd § 116 TLAO), so kann die bescheidmäßige Nachforderung noch im Jahr 2011 erfolgen. § 209 Abs 1 zweiter Satz BAO gilt sinngemäß für im Jahr 2009 unternommene Amtshandlungen, die nach landesrechtlichen Vorschriften die Verjährungsfrist unterbrochen haben. § 209a Abs 1 und 2 BAO gilt für den Fall der Verkürzung von Verjährungsfristen durch das Inkrafttreten der §§ 209 Abs 1 und 3 sowie 304 BAO für Landes- und Gemeindeabgaben sinngemäß. Wegen des Inkrafttretens des § 209 Abs 3 BAO („absolute“ Verjährungsfrist von 10 Jahren) dürfen Bescheide nicht gemäß § 299 Abs 1 BAO aufgehoben werden. Die Übergangsbestimmungen des § 323a Abs 1 Z 5 BAO entsprechen inhaltlich den Übergangsregelungen für die Änderungen des Verjährungsrechts durch das AbgÄG 2004 (vgl § 323 Abs 18 BAO). 41 9.2.5. Nebenansprüche, „Rückzahlungssperre“ Die §§ 111, 112, 112a, 212b Z 1 erster Satz und Z 3, 217a Z 1 sowie 239a BAO, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 20/2009, sind erstmals auf Abgaben anzuwenden, für die der Abgabenanspruch nach dem 31. Dezember 2009 entsteht (§ 323a Abs 1 Z 6 BAO). § 323a Abs 1 Z 6 BAO betrifft vor allem die Höchstbeträge für Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafen, am 1. Jänner 2010 aufrechte Zahlungserleichterungen und Aussetzungen der Einhebung. Die Höhe der Stundungszinsen und der Aussetzungszinsen richtet sich, soweit der Zahlungsaufschub die Zeit vor dem 1. Jänner 2010 betrifft, nach den jeweils maßgeblichen landesrechtlichen Vorschriften. Soweit der Zahlungsaufschub die Zeit ab 1. Jänner 2010 umfasst, richtet sich die Höhe der Zinsen nach § 212b BAO (daher 6 % bzw 3 % pro Jahr). 9.2.6. Aussetzung der Einhebung Für Landes- und Gemeindeabgaben der Länder Burgenland, Tirol und Vorarlberg gilt § 212a BAO erstmals für nach dem 31. Dezember 2009 eingebrachte Anträge auf Aussetzung der Einhebung (§ 323a Abs 1 Z 7 BAO). 9.2.7. Getränkesteuer-Rückzahlungsverfahren (§ 323 Abs 3 BAO) § 323a Abs 3 BAO lautet: „(3) Folgende landesgesetzliche Bestimmungen sind für vor dem 1. Jänner 2010 entstandene Abgabenansprüche auch nach dem 1. Jänner 2010 anzuwenden: 1. § 187a Burgenländische Landesabgabenordnung, 2. § 188a Kärntner Landesabgabenordnung, 3. § 186a NÖ Abgabenordnung 1977, 4. § 186a Oberösterreichische Landesabgabenordnung 1996, 5. § 182a Salzburger Landesabgabenordnung, 6. § 186 Steiermärkische Landesabgabenordnung, 42 7. §§ 187a und 226a Abs. 1 Tiroler Landesabgabenordnung, 8. § 106a Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetz, 9. § 185 Abs. 3 Wiener Abgabenordnung.“ Soweit die Bundesgesetzgebung nicht anderes bestimmt, treten nach dem letzten Satz des § 17 Abs 3d F-VG 1948 mit 1. Jänner 2010 in den Angelegenheiten des § 7 Abs 6 F-VG 1948 bestehende landesrechtliche Vorschriften außer Kraft. § 323a Abs 3 BAO ist eine solche „andere“ Bestimmung iSd § 17 Abs 3d letzter Satz F-VG 1948. Nach § 323a Abs 4 BAO (idF AbgÄG 2010, BGBl 2010/334) ist § 239a BAO erstmals auf Landes- und Gemeindeabgaben anzuwenden, für die der Abgabenanspruch nach dem 31. Dezember 1994 entstanden ist (gilt nicht für Wien und Steiermark). 10. Literaturhinweise (zum AbgVRefG) Cede, Zur Anwendung der „Bereicherungsverbote“ im Gefolge des Hermann-Urteils des EuGH und des AbgÄG 2010, ÖStZ 2010, 313. Ehrke-Rabel, Bereicherungsverbote in der BAO, taxlex 2009, 301. Fellner, Vereinheitlichung von Abgaben- und Abgabenstrafverfahren? RdW 2008, 750. Kamhuber/Mühlberger/Pilz/Rathgeber, Die neue Abgabenordnung für Bund, Länder und Gemeinden, Wien 2009. Kindl, Rückzahlungssperre und kürzere Frist für die Rückerstattung gemeinschaftsrechtswidrig erhobener Abgaben, SWK 2009, S 283. Koran, Abgabenordnung neu, SWK 2009, T 159. Leistentritt, Rückzahlungssperre, 10. Streich! FJ 2009, 173. Matzinger/Sturmlechner, Finanzverfassung wider den Faktor 10, ÖHW 2008, H 1/2, 36. Pilgermair/Pircher/Pülzl, Getränkesteuerverfahren – Die Überwälzungsproblematik im Lichte des § 187a TLAO, ÖStZ 2010, 182. 43 Pilgermair/Pülzl, Auslaufen der LAOs: Übergangsregelungen mit Zündstoff? ÖStZ 2010, 319. Pilz, Die neue Abgabenordnung für Bund, Länder und Gemeinden, RFG 2009, 124. Pilz, Die Weichen für „harmonische“ Abgabenordnung sind gestellt, Kommunal 2009, H 10, 16. Rathgeber, Neuregelung des Sicherstellungsauftrags, SWK 2009, S 732. Ritz/Rathgeber/Koran, Abgabenordnung neu – Einheitliche BAO für Bund, Länder und Gemeinden, Wien 2009. Ritz/Rathgeber/Koran, Verwaltungsreform: Harmonisierung der Abgabenordnungen, in Platzer/Hink/Pilz (Hrsg), So managen wir Österreich, Wien 2008, 198. Ritz, Feststellung der Einkünfte (§ 188 BAO) bei Wohnungseigentum, SWK 2009, S 674. Ritz, Änderungen bei der Bemessungsverjährung durch das Abgabenverwaltungsreformgesetz, SWK 2009, S 727. Ritz, Haftung gemäß § 6a KommStG 1993, SWK 2009, S 769. Ritz, Kommunalsteuerbescheide nach § 11 Abs. 3 KommStG 1993, SWK 2009, S 854. Stany, Unterschiedliche Geltungsbereiche der landesgesetzlichen Rückzahlungssperren, FJ 2010, 3. Sutter, Vereinheitlichung der Frist zur Rechtskraftdurchbrechung nach § 299 BAO im AbgVRefG, ÖStZ 2009, 404. Taucher, Getränkesteuer – the never-ending story I, II und III, RFG 2009, 20 und 130 sowie RFG 2010, 17. Taucher, EuGH-Urteil kein Wiederaufnahmegrund, RFG 2009, 182. Taucher, Getränkesteuerguthaben aus Bewirtungsumsätzen, SWK 2010, S 627.