Verein für Jugendhilfe, Jugendsozialarbeit und Prävention Leistungsbeschreibung und Qualitätsstandards Ambulante sozialpädagogische Angebote der Jugendhilfe für junge Straffällige 1 Träger: Die „Seesener Brücke e.V.“ ist beim Amtsgericht Seesen als Verein eingetragen und vom Finanzamt Bad Gandersheim als gemeinnützig anerkannt. Laut Satzung hat sie die folgende Aufgabe: „Betreuung sozial Auffälliger mit dem Schwerpunkt der Prävention, Resozialisierung, Integration und Qualifizierung durch ambulante und teilstationäre Erziehungshilfen und die Förderung der Bewährungshilfe, der Jugendhilfe sowie der Straffälligenbetreuung.“ Frei übersetzt bedeutet dies, das der Bereich der Jugendsozialarbeit unser Tätigkeitsfeld ist. Die „Seesener Brücke“ kann satzungsgemäß im gesamten Landkreis Goslar tätig werden. Tatsächlicher Arbeitsschwerpunkt ist derzeit der Amtsgerichtsbezirk Seesen, mit Ausnahme der Stadt Langelsheim, die von Goslar aus versorgt wird. Unsere Einrichtung besteht seit 23 Jahren. Derzeitige erste Vorsitzende ist die Sozialoberamtsrätin Frau Jutta Rodenbach aus Goslar. Die „Seesener Brücke“ ist Mitglied in der Landesarbeitsgemeinschaft für ambulante Massnahmen in Lüneburg und in der Niedersächsischen Gesellschaft für Straffälligenbetreuung und Bewährungshilfe in Lüneburg. Personelle und räumliche Ausstattung: Derzeit sind in der Einrichtung drei hauptamtliche Pädagogen beschäftigt: - - ein Diplom-Sozialarbeiter/Sozialpädagoge in Vollzeit eine Erzieherin in Teilzeit eine Diplom Sozialpädagogin/Mediatorin in Teilzeit Im Honorarbereich arbeiten: - eine Bürokauffrau (Verwaltung) eine Erzieherin zwei AAT/Coolness-Trainer Daneben haben wir ehrenamtliche Helfer für besondere Aufgaben nach Bedarf. (Hausmeistertätigkeiten, EDV-Wartung, Bürohilfe usw.) Unsere Anschrift lautet: „Seesener Brücke. e.V“ Gartenstr, 37 38723 Seesen 2 Das ehemaligen Zollgebäude in der Gartenstraße befindet sich im Eigentum des Vereines. Unterhalt und Bewirtschaftung wird in Eigenarbeit geleistet; die Heizungsanlage konnte vor einigen Jahren Dank der Unterstützung der Stadt Seesen modernisiert werden. Lediglich die dingend anstehende Fassadenerneuerung kann aus finanziellen Gründen derzeit nicht bzw. nur teilweise erfolgen. Im Erdgeschoß befindet sich ein großer Gruppenraum, ein Büro und zwei Besprechungszimmer. Daneben befindet sich auf diesem Stockwerk ein Unterrichtszimmer und die Toiletten. Im ersten Stock steht uns ein Warte-/ Raucherzimmer zur Verfügung. Gruppenraum Aussenansicht 3 Vorwort Ambulante sozialpädagogische Angebote für junge Straffällige sind 1990 als sogenannte „Neue Ambulante Maßnahmen“ in das Jugendgerichtsgesetz aufgenommen worden. Mit ihrer Einordnung unter die Erziehungsmaßregeln tragen diese richterlichen Reaktionsformen dem Erziehungsgedanken des JGG am deutlichsten Rechnung. Es handelt sich dabei um folgende Betreuungs- und Lernangebote: - Betreuung durch einen Betreuungshelfer (Einzelbetreuung) - Sozialer Trainingskurs (Gruppenarbeit) - Sozialpädagogisch betreute Arbeitsweisung Die Betreuungsangebote werden ausschließlich von der Freien und der Öffentlichen Jugendhilfe durchgeführt und orientieren sich daher an den Grundprinzipien des SGB VIII. Die Anordnung der Maßnahmen durch die Justiz einerseits und die inhaltliche Orientierung an den Leitlinien der Jugendhilfe andererseits stellen ein Spannungsverhältnis dar. Dies gilt es in der Praxis zu beachten und den Auswirkungen Rechnung zu tragen. Ziel ist die gesellschaftliche Integration von benachteiligten Jugendlichen und Heranwachsenden, die mehrfach straffällig geworden sind. Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender weisen zumeist episodenhaften Charakter auf. Bei jungen Menschen, die wiederholt und massiv straffällig werden, liegen jedoch häufig entwicklungsbedingte Probleme vor. Diese können durch Strafe selten gelöst, wohl aber verstärkt werden. Insbesondere der Freiheitsentzug stellt einen wesentlichen Meilenstein in der Verfestigung einer kriminellen Karriere dar: Die Handlungsmöglichkeiten der Betroffenen werden beschränkt, und die sozialen Kontakte reduzieren sich. In vielen Fällen fangen die jungen Menschen an, sich selbst als Außenseiter oder „Kriminelle” anzusehen und sich entsprechend zu verhalten. Freiheitsentzug wirkt desintegrierend. Vor diesem Hintergrund sind die Ambulanten sozialpädagogischen Angebote Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen. Auf eine Koppelung mit Jugendarrest soll verzichtet werden. Die Arbeit orientiert sich an dem Leitsatz „Betreuen statt Einsperren“. 4 Sozialer Trainingskurs (Gruppenarbeit) Maßnahmebeschreibung und Qualitätsstandards Beschreibung Der Soziale Trainingkurs ist ein ambulantes sozialpädagogisches Angebot, das straffällig gewordenen Jugendlichen und Heranwachsenden als Erziehungsmaßnahme per Weisung auferlegt werden kann. Der Soziale Trainingskurs wird als fortlaufende Gruppe oder in Kursform mit gemeinsamem Anfang und Ende durchgeführt. Die zentrale pädagogische Methode ist die Gruppenarbeit. Die Gruppenarbeit besteht aus informierenden, problemanalysierenden, -mindernden bzw. -lösenden sowie handlungs- und erlebnisorientierten Elementen. Die Gruppenaktivitäten und -gespräche werden ausgehend von der jeweiligen Gruppensituation und den aktuellen Bedürfnissen und Problemlagen der teilnehmenden Jugendlichen und Heranwachsenden gestaltet. Ergänzend zur Gruppenarbeit werden Einzelbetreuungen und mehrtägige Unternehmungen durchgeführt. I. Voraussetzungen Zielgruppe Der Soziale Trainingskurs soll insbesondere Jugendliche und Heranwachsende erreichen, die mehrfach gravierende Straftaten begangen haben und sozial erheblich benachteiligt sind. Problemlagen sind beispielsweise psychosoziale Schwierigkeiten in den Bereichen Kommunikation, Schule, Beruf und Alltagsbewältigung. Die Jugendlichen und Heranwachsenden dieser Zielgruppe können sich häufig nur mit Schwierigkeiten von ihrem Elternhaus ablösen und verselbständigen, gestalten ihre Freizeit eher unstrukturiert und können Konflikte nicht angemessen bewältigen. Als Rechtsfolge nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 JGG (Sozialer Trainingskurs) soll die Teilnahme nur strafrechtlich und sozial mehrfach belasteten Jugendlichen und Heranwachsenden auferlegt werden, aber nicht solchen, deren Straftaten bagatellartig und/oder vermutlich episodenhaft sind. Der Soziale Trainingskurs stellt eine Alternative zu freiheitsentziehenden Maßnahmen wie Jugendarrest bzw. kurzen Jugendstrafen dar. Mit der Weisung nach § 10 Abs. 1 Nr.6 JGG zur Teilnahme am Sozialen Trainingskurs soll kein Jugendarrest nach § 16 JGG kombiniert verhängt werden. Wird ein Jugendarrest nach § 11 Abs. 3 JGG als Beugearrest aufgrund der Nichterfüllung der Weisung verhängt, soll diese als beendet angesehen werden. 5 Aufnahmeverfahren Die Jugendgerichtshilfe (JGH) bezieht die Betreuer und Betreuerinnen in ihre Entscheidung mit ein, für welche Jugendliche bzw. Heranwachsende sie dem Jugendgericht die Teilnahme am Sozialen Trainingskurs als Weisung nach § 10 Abs. I Nr. 6 JGG vorschlägt. Zur Auswahl dieser Jugendlichen bzw. Heranwachsenden finden regelmäßige Arbeitssitzungen zwischen Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterinnen der JGH und der Einrichtung statt. Nach Möglichkeit soll vor der entsprechenden Hauptverhandlung ein Gespräch mit dem/der potentiellen Teilnehmer/in und gegebenenfalls dessen Personensorgeberechtigten in der Einrichtung stattfinden. Hier kann sich dieser/diese ggf. auch gegen die Teilnahme aussprechen. In diesem Fall sollte die JGH dem Jugendgericht die Teilnahme an diesem Angebot nicht vorschlagen. Eine Aufnahme kann erfolgen, wenn der/die Teilnehmer/in gruppenfähig oder zumindest bedingt gruppenfähig ist. Auch für suchtmittelgefährdete und -abhängige Jugendliche bzw. Heranwachsende ist der Soziale Trainingskurs geeignet, z.B. zum Aufbau von Therapiemotivation und zur Abschwächung von Verelendungsprozessen. Nicht geeignet ist der Soziale Trainingskurs in der Regel für Jugendliche und Heranwachsende, die aufgrund einer erheblichen psychischen Störung eine therapeutische Behandlung benötigen. Für junge Menschen, die nicht der deutschen Sprache mächtig sind, ist ein besonderer Rahmen erforderlich. Nach erfolgter Verurteilung durch das Jugendgericht erfolgt zeitnah die Aufnahme in die Gruppe. Allgemeine Zielsetzungen zur Förderung der gesellschaftlichen Integration Vermeidung freiheitsentziehender Rechtsfolgen Auseinandersetzung mit delinquentem Verhalten Förderung der Persönlichkeitsentwicklung, der Gruppenfähigkeit und des Sozialverhaltens Förderung der schulischen bzw. beruflichen Entwicklung Förderung der Verselbstständigung und Alltagsbewältigung Förderung der Freizeitgestaltung II. Betreuungsverlauf Förderplanung Ein/eine Betreuer/in führt eine anamnestische Erhebung zur Biographie des/der Jugendlichen bzw. Heranwachsenden durch und entwickelt hiervon ausgehend Arbeitshypothesen. Zu Beginn der Einzelbetreuung wird gemeinsam mit dem/der Jugendlichen bzw. Heranwachsenden ein Förderplan- bzw. Hilfeplan erstellt. Dieser wird regelmäßig überprüft. Die Aufgaben werden dabei konkretisiert. Während der Betreuungszeit erfolgen Gespräche mit dem/der Jugendlichen bzw. Heranwachsenden, in denen der bisherige Betreuungsverlauf erörtert wird. Der Soziale Trainingskurs endet mit einem Abschlussgespräch, bei dem ein gemeinsames Fazit gezogen wird. 6 Methodik Gruppenarbeit Die Gruppenarbeit beinhaltet gesprächs-, themen-, handlungs- und erlebnisorientierte Elemente. Im diesem Rahmen werden gruppenpädagogische Verfahren und Übungen sowie Medien eingesetzt. Zur Förderung der Gruppendynamik können zusätzlich Tages- oder Mehrtagesveranstaltungen angeboten werden. Die methodische Ausgestaltung orientiert sich an den Bedürfnissen und Interessen der Teilnehmer/innen und bezieht Gruppenstrukturen und –zusammensetzung ein. Einzelbetreuung Sofern individuelle Problemlagen des/der Jugendlichen bzw. Heranwachsenden es erfordern, findet eine persönliche Betreuung statt. Hierzu gehören z.B. die Begleitung und Unterstützung bei Kontakten mit Behörden, Einleitung von weitergehenden Hilfen, Elterngespräche und Einzelgespräche. Diese Hilfsform dient auch der Verstärkung und Umsetzung von Lernerfahrungen im Gruppenprozess. Betreuungsinhalte1 Auseinandersetzung mit delinquentem Verhalten Die Auseinandersetzung mit delinquentem Verhalten nimmt einen wichtigen Stellenwert in der Gruppenarbeit ein. Gemeint ist hier vor allem die Erörterung und Veränderung problematischer Einstellungen und Verhaltensweisen. Förderung der Persönlichkeitsentwicklung, der Gruppenfähigkeit und des Sozialverhaltens Aufbau und Entwicklung tragfähiger Beziehungen zwischen dem/der Betreuer/in und dem/der Jugendlichen bzw. Heranwachsenden und im Gruppenprozess Planung, Strukturierung und Reflexion der Gruppenarbeit unter Beteiligung der Teilnehmer/innen Förderung und Reflexion von Beziehungen innerhalb der Gruppe Förderung der Konfliktschlichtung innerhalb der Gruppe Förderung problemanalysierender und -lösender Handlungskompetenzen Förderung von Eigenverantwortlichkeit und Verantwortungsübernahme in sozialen Beziehungen Förderung von Toleranz und Respekt Förderung eines angemessenen Umgangs mit Gefühlen Vermittlung von Erfolgserlebnissen und Bestätigung von Leistungen Gesundheitsförderung Aufbau von Therapiemotivation bei Suchtgefährdeten und Abhängigen Förderung der schulischen bzw. beruflichen Entwicklung Erörterung schulischer und beruflicher Erfahrungen in der Gruppe und mit den Betreuern/-innen Erörterung, Entwicklung und Planung schulischer und beruflicher Perspektiven Bewerbungstraining, Erstellen von Bewerbungsunterlagen, Sichten von Stellenausschreibungen Aufsuchen des Berufsinformationszentrums bzw. der Agentur für Arbeit und Zusammenarbeit mit anderen arbeitsvermittelnden und –beratenden Institutionen, inklusive Vor- und Nachbereitung der Termine mit den Teilnehmenden Förderung der Verselbstständigung und Alltagsbewältigung 1 Beispielhafte, nicht abgeschlossene Aufzählungen 7 Erörterung von Lebensplanentwürfen Erlernen des Umgangs mit Ämtern und Institutionen Unterstützung bei der Sicherung materieller bzw. finanzieller Ressourcen zum Lebensunterhalt Unterstützung bei der Haushaltsplanung Unterstützung bei der Schuldenregulierung Erlernen des Umgangs mit Ämtern und Institutionen Vermittlung lebenspraktischer und ggf. handwerklicher Fertigkeiten Förderung der Freizeitgestaltung Erlernen des Umgangs mit modernen Medien Unterstützung bei der Kontaktaufnahme zu Jugendeinrichtungen Ermutigung und Motivierung zur Kontaktaufnahme mit Sportvereinen Besuch von Kino-, Theater-, Konzertveranstaltungen Kennenlernen weiterer freizeitgestaltender Möglichkeiten Nachbetreuung Es besteht die Möglichkeit, im Anschluss an die Weisung freiwillig an den jeweiligen Angeboten teilzunehmen. Dies wird seitens der Einrichtung ausdrücklich gefördert. Sofern über die Betreuung hinausgehende Unterstützung notwendig ist, werden die Jugendlichen bzw. Heranwachsenden darüber informiert, bei welchen Einrichtungen sie diese erhalten können. III. Vernetzung und Kooperation mit anderen Fachdiensten und Institutionen Die Betreuer/innen beziehen die Einrichtungen der regionalen Sozialinfrastruktur und der Arbeitsverwaltung in ihre Arbeit ein. Insbesondere mit den am Jugendstrafverfahren beteiligten Institutionen ist eine enge Kooperation notwendig. Sie werden beispielsweise bei Beginn, Abschluss oder Abbruch der Betreuung unverzüglich in Kenntnis gesetzt. Berichte über die Betreuten an das Jugendgericht, die JGH oder das Jugendamt werden ausschließlich mit Einverständnis des/der Betroffenen erstellt. Bei einer erneuten Gerichtsverhandlung oder Anhörung wird der/die Jugendliche oder Heranwachsende auf Wunsch begleitet. Die Einrichtung stellt ihre Arbeit in Schulen, Behörden und anderen Einrichtungen vor. Die Mitarbeiter/innen nehmen an den regionalen Arbeitsgruppen sowie an Veranstaltungen der "Landesarbeitgemeinschaft Niedersachsen für ambulante Angebote nach dem Jugendrecht e.V." und der "Bundesarbeitgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht in der DVJJ" teil. 8 IV. Ausgestaltung des Angebots Betreuungsschlüssel Die Anzahl der Teilnehmenden pro Gruppe beträgt in der Regel mindestens drei und höchstens zehn. Die Anzahl ist zusätzlich von den Bedürfnissen und dem erzieherischen Bedarf der Teilnehmenden abhängig. Eine Gruppe wird von mindestens zwei Betreuern/innen geleitet, dabei sind zweigeschlechtlich besetzte Teams sinnvoll. Pro vollzeitbeschäftigter hauptamtlich tätiger pädagogischer Fachkraft ist eine Anzahl von zehn zeitlich parallel teilnehmenden Jugendlichen oder Heranwachsenden nicht zu überschreiten. Mitarbeiterqualifikation Die hauptamtlichen Betreuer/innen sind staatlich anerkannte Diplom-Sozialpädagogen/innen oder Diplom-Sozialarbeiter/innen sowie Diplom-Pädagogen/innen und andere Personen mit einer abgeschlossenen akademischen pädagogischen Ausbildung. Zusätzlich können entsprechend geschulte Honorarkräfte in der Gruppe eingesetzt werden. Betreuungsumfang Die Teilnahmedauer beträgt in der Regel sechs Monate. Sie wird durch das Urteil des Jugendgerichts festgelegt. Die Gruppensitzungen finden ein- bis zweimal pro Woche für ca. drei Stunden statt. Eine freiwillige Fortsetzung oder eine erneute Teilnahme aufgrund einer weiteren Verurteilung ist möglich. Die zum Angebot Sozialer Trainingskurs gehörende Einzelbetreuung wird entsprechend des individuellen Hilfebedarfs durchgeführt. Räumlichkeiten Für die Gruppenarbeit, die Einzelbetreuung und die Verwaltungstätigkeiten müssen den Mitarbeiter/innen geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. In ländlichen Regionen sind erreichbare Anlaufstellen einzurichten. Mobilität Um das Betreuungsangebot durchzuführen und die Inhalte der Maßnahme umzusetzen, muss die Mobilität der Mitarbeiter/innen gewährleistet sein. Sicherstellung der Erreichbarkeit ausgewiesene Sprechzeiten zeitgemäße Kommunikationsmittel 9 V. Qualitätsentwicklung Konzeption Die Konzeption wird aktualisiert. Besondere Berücksichtigung finden die Ergebnisse der Selbstevaluation. Ferner werden neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Jugendstrafrechtspflege bzw. Jugendhilfe einbezogen. Dasselbe gilt für den fachlichen Austausch mit den Kooperationspartnern sowie für den Diskurs in den verschiedenen Fachverbänden. Team wöchentlich stattfindende Teamsitzungen (protokolliert) regelmäßige kollegiale Fallberatung sowie Team- bzw. Fallsupervision Fort- und Weiterbildung Betreuungsangebot statistische Erfassung und Auswertung der Teilnehmerdaten (zum Beispiel Anzahl der Weisungen, Teilnahmezeiten, Art der Straftaten, Anzahl der jeweiligen strafrechtlichen Vorbelastungen, Mehrfachsanktionen, nicht erfüllte Weisungen, freiwillige Teilnahme) Dokumentation und Auswertung der Betreuungsverläufe Zielkontrolle Erstellung eines Jahresberichts Kooperation Bei regelmäßigen Arbeitstreffen wird die Zusammenarbeit zwischen den am Jugendstrafverfahren beteiligten Institutionen und anderen Kooperationspartnern erörtert und ggf. verbessert. 10 Betreuung durch einen Betreuungshelfer (Einzelbetreuung) Maßnahmebeschreibung und Qualitätsstandards Beschreibung Die Betreuung durch einen Betreuungshelfer (Betreuungsweisung) ist ein ambulantes pädagogisches Angebot, das straffällig gewordenen Jugendlichen und Heranwachsenden als Erziehungsmaßnahme per Weisung auferlegt werden kann. Die Betreuung durch einen Betreuungshelfer wird in Form einer Einzelbetreuung von einem/einer pädagogischen Mitarbeiter/in der Einrichtung durchgeführt. Die zentrale pädagogische Methode ist das Einzelgespräch. Die Inhalte und die Art des unterstützenden Angebotes richten sich nach dem jeweiligen Bedarf des/der Betreuten. I. Voraussetzungen Zielgruppe Die Betreuungsweisung soll insbesondere Jugendliche und Heranwachsende erreichen, die mehrfach gravierende Straftaten begangen haben und sozial erheblich benachteiligt sind. Problemlagen sind beispielsweise psychosoziale Schwierigkeiten in den Bereichen Kommunikation, Schule, Beruf und Alltagsbewältigung. Die Jugendlichen und Heranwachsenden dieser Zielgruppe können sich häufig nur mit Schwierigkeiten von ihrem Elternhaus ablösen und verselbständigen, gestalten ihre Freizeit eher unstrukturiert und können Konflikte nicht angemessen bewältigen. Als Rechtsfolge nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 JGG (Betreuung durch einen Betreuungshelfer) soll die Teilnahme nur strafrechtlich und sozial mehrfach belasteten Jugendlichen und Heranwachsenden auferlegt werden, aber nicht solchen, deren Straftaten bagatellartig und/oder vermutlich episodenhaft sind. Die Betreuungsweisung stellt eine Alternative zu freiheitsentziehenden Maßnahmen wie Jugendarrest bzw. kurzen Jugendstrafen dar. Mit der Betreuungsweisung nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 JGG soll kein Jugendarrest nach § 16 JGG kombiniert verhängt werden. Wird ein Jugendarrest nach § 11 Abs. 3 JGG als Beugearrest aufgrund der Nichterfüllung der Weisung verhängt, soll diese als beendet angesehen werden. Aufnahmeverfahren Die Jugendgerichtshilfe (JGH) bezieht die Betreuer/innen in ihre Entscheidung ein, für welche Jugendliche bzw. Heranwachsende sie dem Jugendgericht die Betreuungsweisung nach § 10 Abs. I Nr. 5 JGG vorschlägt. Zur Auswahl dieser Jugendlichen bzw. Heranwachsenden finden regelmäßige Arbeitssitzungen zwischen Mitarbeiter/innen der JGH und der Einrichtung statt. 11 Nach Möglichkeit soll vor der entsprechenden Hauptverhandlung ein Gespräch mit dem/der potentiellen Teilnehmer/in und gegebenenfalls dessen Personensorgeberechtigten in der Einrichtung stattfinden. Hier kann sich dieser/diese ggf. auch gegen die Teilnahme aussprechen. In diesem Fall sollte die JGH dem Jugendgericht die Teilnahme an diesem Angebot nicht vorschlagen. Eine Aufnahme in die Einzelbetreuung kann erfolgen, wenn die spezifische Problemlage des/der Teilnehmers/in dies erforderlich macht, er/sie aus persönlichen Gründen nicht oder noch nicht gruppenfähig ist oder aus organisatorischen Gründen nicht regelmäßig an einer Gruppe teilnehmen kann. Auch für suchtmittelgefährdete und -abhängige Jugendliche bzw. Heranwachsende ist die Betreuungsweisung geeignet, z.B. zum Aufbau von Therapiemotivation und zur Abschwächung von Verelendungsprozessen. Nicht geeignet ist die Betreuungsweisung in der Regel für Jugendliche und Heranwachsende, die aufgrund einer erheblichen psychischen Störung eine therapeutische Behandlung benötigen. Für junge Menschen, die nicht der deutschen Sprache mächtig sind, ist ein besonderer Rahmen erforderlich. Nach erfolgter Verurteilung durch das Jugendgericht erfolgt zeitnah die Aufnahme in die Betreuung. Allgemeine Zielsetzungen zur Förderung der gesellschaftlichen Integration Vermeidung freiheitsentziehender Rechtsfolgen Auseinandersetzung mit delinquentem Verhalten Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und des Sozialverhaltens Förderung der schulischen bzw. beruflichen Entwicklung Förderung der Verselbstständigung und Alltagsbewältigung Förderung der Freizeitgestaltung II. Betreuungsverlauf Förderplanung Der/die Betreuer/in führt eine anamnestische Erhebung zur Biographie des/der Jugendlichen bzw. Heranwachsenden durch und entwickelt hiervon ausgehend Arbeitshypothesen. Zu Beginn der Einzelbetreuung wird gemeinsam mit dem/der Jugendlichen bzw. Heranwachsenden ein Förderplan- bzw. Hilfeplan erstellt. Dieser wird regelmäßig überprüft. Die Aufgaben werden dabei konkretisiert. Während der Betreuungszeit erfolgen Gespräche mit dem/der Jugendlichen bzw. Heranwachsenden, in denen der bisherige Betreuungsverlauf erörtert wird. Die Einzelbetreuung endet mit einem Abschlussgespräch, bei dem ein gemeinsames Fazit gezogen wird. 12 Methodik Die Ausgestaltung der Einzelbetreuung richtet sich nach dem Bedarf des Jugendlichen bzw. Heranwachsenden (z.B. regelmäßige strukturierte Einzelgespräche, Begleitung und Unterstützung bei Kontakt mit Behörden, Einleitung von weitergehenden Hilfen, Elterngespräche und vertrauliche Gespräche unter vier Augen). Sofern es aufgrund fehlender Mobilität erforderlich ist, werden die Jugendlichen bzw. Heranwachsenden vor Ort aufgesucht. Betreuungsinhalte2 Auseinandersetzung mit delinquentem Verhalten Die Auseinandersetzung mit delinquentem Verhalten nimmt einen wichtigen Stellenwert in der Einzelbetreuung ein. Gemeint ist hier vor allem die Erörterung und Relativierung problematischer Einstellungen und Verhaltensweisen. Förderung der Persönlichkeitsentwicklung, des Sozialverhaltens Aufbau und Entwicklung tragfähiger Beziehungen zwischen dem/der Betreuer/in und dem/der Jugendlichen bzw. Heranwachsenden Entwicklung eines realistischen Selbstbilds Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen und Werten Motivierung zur Erfüllung gerichtlicher Auflagen Auseinandersetzungen mit Menschen und Situationen Vermittlung von Erfolgserlebnissen und Bestätigungen von Leistungen Unterstützung bei der Bewältigung von Partnerschaftskonflikten Krisenintervention regelmäßige Überprüfung und Erörterung von Entwicklungsfort- bzw. -rückschritten Förderung problemanalysierender und -lösender Handlungskompetenzen Förderung von Eigenverantwortlichkeit und Verantwortungsübernahme in sozialen Beziehungen Förderung von Toleranz und Respekt Förderung eines angemessenen Umgangs mit Gefühlen Vermittlung von Erfolgserlebnissen und Bestätigung von Leistungen Gesundheitsförderung Aufbau von Therapiemotivation bei Suchtgefährdeten und Abhängigen Förderung der schulischen bzw. beruflichen Entwicklung 2 Erörterung schulischer und beruflicher Erfahrungen Erörterung, Entwicklung und Planung schulischer und beruflicher Perspektiven Unterstützung bei der Aufarbeitung schulischer Defizite Unterstützung bzw. Begleitung bei der Suche nach Schul- , Ausbildungs- oder Arbeitsplätzen Motivierung zum regelmäßigen Schul-, Ausbildungs- oder Arbeitsstättenbesuch Kontakt des Betreuers bzw. der Betreuerin zu Schulen, Ausbildungs- und Arbeitsstätten Bewerbungstraining, Erstellen von Bewerbungsunterlagen, Sichten von Stellenausschreibungen Beispielhafte, nicht abgeschlossene Aufzählungen 13 Aufsuchen des Berufsinformationszentrums bzw. Agentur für Arbeit und Zusammenarbeit mit anderen arbeitsvermittelnden und –beratenden Institutionen. Förderung der Verselbständigung und Alltagsbewältigung Unterstützung bei der Ablösung und Verselbständigung vom Elternhaus Elternarbeit (Beratung und Unterstützung bei Erziehungsfragen) Vermittlung lebenspraktischer und ggf. handwerklicher Fertigkeiten Erlernen des Umgangs mit Ämtern und Institutionen Erörterung von Lebensplanentwürfen Finanzplanung Unterstützung bei der Sicherung materieller bzw. finanzieller Ressourcen zum Lebensunterhalt Unterstützung bei der Schuldenregulierung Förderung der Freizeitgestaltung Erlernen des Umgangs mit modernen Medien Unterstützung bei der Kontaktaufnahme zu Jugendeinrichtungen Ermutigung und Motivierung zur Kontaktaufnahme mit Sportvereinen Besuch von Kino-, Theater-, Konzertveranstaltungen Motivierung zur Teilnahme an den Veranstaltungen des Sozialen Trainingskurses Kennenlernen weiterer freizeitgestaltender Möglichkeiten Nachbetreuung Es besteht die Möglichkeit, im Anschluss an die Weisung freiwillig an den jeweiligen Angeboten teilzunehmen. Dies wird seitens der Einrichtung ausdrücklich gefördert. Sofern über die Betreuung hinausgehende Unterstützung notwendig ist, werden die Jugendlichen bzw. Heranwachsenden darüber informiert, bei welchen Einrichtungen sie diese erhalten können. III. Vernetzung und Kooperation Fachdiensten und Institutionen mit anderen Die Betreuer/innen beziehen die Einrichtungen der regionalen Sozialinfrastruktur und der Arbeitsverwaltung in ihre Arbeit ein. Insbesondere mit den am Jugendstrafverfahren beteiligten Institutionen ist eine enge Kooperation notwendig. Sie werden beispielsweise bei Beginn, Abschluss oder Abbruch der Betreuung unverzüglich in Kenntnis gesetzt. Berichte über die Betreuten an das Jugendgericht, die JGH oder das Jugendamt werden ausschließlich mit Einverständnis des/der Betroffenen erstellt. Bei einer erneuten Gerichtsverhandlung oder Anhörung wird der/die Jugendliche oder Heranwachsende auf Wunsch begleitet. 14 Die Einrichtung stellt ihre Arbeit in Schulen, Behörden und anderen Einrichtungen vor. Die Mitarbeiter/innen nehmen an den regionalen Arbeitsgruppen sowie an Veranstaltungen der "Landesarbeitgemeinschaft Niedersachsen für ambulante Angebote nach dem Jugendrecht e.V." und der "Bundesarbeitgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht in der DVJJ" teil. IV. Ausgestaltung des Angebots Betreuungsschlüssel Pro vollzeitbeschäftigter hauptamtlich tätiger pädagogischer Fachkraft ist eine Anzahl von zehn zeitlich parallel teilnehmenden Jugendlichen bzw. Heranwachsenden nicht zu überschreiten. Mitarbeiterqualifikation Die hauptamtlichen Betreuer/innen sind staatlich anerkannte DiplomSozialpädagogen/innen oder Diplom-Sozialarbeiter/innen sowie DiplomPädagogen/innen und andere Personen mit einer abgeschlossenen akademischen pädagogischen Ausbildung. Betreuungsumfang Die Teilnahmedauer soll in der Regel sechs Monate betragen. Sie wird durch das Urteil des Jugendgerichts festgelegt. Die Betreuungsintensität wird in der Förderplanung individuell bestimmt. Eine freiwillige Fortsetzung der Teilnahme oder eine erneute Teilnahme aufgrund einer weiteren Verurteilung ist möglich. Räumlichkeiten Für die Einzelbetreuung und die Verwaltungstätigkeiten müssen den Mitarbeiter/innen geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. In ländlichen Regionen sind erreichbare Anlaufstellen einzurichten. Mobilität Um die Einzelbetreuung zur durchzuführen und die Inhalte der Maßnahme umzusetzen, muss die Mobilität der Mitarbeiter/innen gewährleistet sein. Sicherstellung der Erreichbarkeit ausgewiesene Sprechzeiten zeitgemäße Kommunikationsmittel 15 V. Qualitätsentwicklung Konzeption Die Konzeption wird aktualisiert. Besondere Berücksichtigung finden die Ergebnisse der Selbstevaluation. Ferner werden neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Jugendstrafrechtspflege bzw. Jugendhilfe einbezogen. Dasselbe gilt für den fachlichen Austausch mit den Kooperationspartnern sowie für den Diskurs in den verschiedenen Fachverbänden. Team wöchentlich stattfindende Teamsitzungen (protokolliert) regelmäßige kollegiale Fallberatung sowie Team- bzw. Fallsupervision Fort- und Weiterbildung Betreuungsangebot statistische Erfassung und Auswertung der Teilnehmerdaten (zum Beispiel Anzahl der Weisungen, Teilnahmezeiten, Art der Straftaten, Anzahl der jeweiligen strafrechtlichen Vorbelastungen, Mehrfachsanktionen, nicht erfüllte Weisungen, freiwillige Teilnahme) Dokumentation und Auswertung der Betreuungsverläufe Zielkontrolle Erstellung eines Jahresberichtes Kooperation Bei regelmäßigen Arbeitstreffen wird die Zusammenarbeit zwischen den am Jugendstrafverfahren beteiligten Institutionen und anderen Kooperationspartnern erörtert und ggf. verbessert. Sozialpädagogisch betreute Arbeitsweisung Maßnahmebeschreibung und Qualitätsstandards Beschreibung Die Sozialpädagogisch betreute Arbeitsweisung ist ein ambulantes sozialpädagogisches Angebot, das straffällig gewordenen Jugendlichen und Heranwachsenden als Erziehungsmaßnahme per Weisung auferlegt werden kann. Die Sozialpädagogisch betreute Arbeitsweisung wird als fortlaufende Gruppe oder in Kurs- bzw. in Projektform mit gemeinsamem Anfang und Ende durchgeführt. Die zentrale pädagogische Methode ist die handlungsorientierte Gruppenarbeit, die sich an den Anforderungen der Arbeitswelt sowie an handwerklichen bzw. beruflichen 16 Standards ausrichtet. Darüber hinaus orientiert sich das Angebot an den jeweiligen Fähigkeiten, Lebenslagen, Bedürfnissen und Interessen der Teilnehmenden. Ergänzend zu dieser Gruppenarbeit werden Einzelbetreuungen und mehrtägige Unternehmungen durchgeführt. I. Voraussetzungen Zielgruppe Die Sozialpädagogisch betreute Arbeitsweisung soll insbesondere Jugendliche und Heranwachsende erreichen, die mehrfach gravierende Straftaten begangen haben und sozial erheblich benachteiligt sind. Problemlagen sind beispielsweise psychosoziale Schwierigkeiten in den Bereichen Kommunikation, Schule, Beruf und Alltagsbewältigung. Die Jugendlichen und Heranwachsenden dieser Zielgruppe können sich häufig nur mit Schwierigkeiten von ihrem Elternhaus ablösen und verselbständigen, gestalten ihre Freizeit eher unstrukturiert und können Konflikte nicht angemessen bewältigen. Die Sozialpädagogisch betreute Arbeitsweisung soll auch Jugendliche bzw. Heranwachsende erreichen, die nicht in der Lage sind, ohne eine intensive Betreuung ihre Weisung, Arbeitsstunden abzuleisten. Es besteht die Möglichkeit, individuell passende Tätigkeiten mit dem/der Betroffenen durchzuführen, und so Beugearrest zu verhindern. Zudem wird er/sie bei der Entwicklung schulischer und beruflicher Perspektiven unterstützt. Als Rechtsfolge nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 JGG (Erbringung von Arbeitsleistungen) soll die Teilnahme nur strafrechtlich und sozial mehrfach belasteten Jugendlichen bzw. Heranwachsenden auferlegt werden, aber nicht solchen, deren Straftaten bagatellartig und/oder vermutlich episodenhaft sind. Die Sozialpädagogisch betreute Arbeitsweisung stellt eine Alternative zu freiheitsentziehenden Maßnahmen wie Jugendarrest bzw. kurzen Jugendstrafen dar. Mit der Weisung nach § 10 Abs. 1 Nr.4 JGG, Arbeitsleistungen zu erbringen soll kein Jugendarrest nach § 16 JGG kombiniert verhängt werden. Wird ein Jugendarrest nach § 11 Abs. 3 JGG als Beugearrest aufgrund der Nichterfüllung der Weisung verhängt, soll diese als beendet angesehen werden. Aufnahmeverfahren Die Jugendgerichtshilfe (JGH) bezieht die Betreuer/innen in ihre Entscheidung ein, für welche Jugendliche bzw. Heranwachsende sie dem Jugendgericht die Sozialpädagogisch betreute Arbeitsweisung nach § 10 Abs. I Nr. 4 JGG vorschlägt. Zur Auswahl dieser Jugendlichen bzw. Heranwachsenden finden regelmäßige Arbeitssitzungen zwischen Mitarbeiter/innen der JGH und der Einrichtung statt. Nach Möglichkeit soll vor der entsprechenden Hauptverhandlung ein Gespräch mit dem/der potentiellen Teilnehmer/in und gegebenenfalls dessen 17 Personensorgeberechtigten in der Einrichtung stattfinden. Hier kann sich dieser/diese ggf. auch gegen die Teilnahme aussprechen. In diesem Fall sollte die JGH dem Jugendgericht die Teilnahme an diesem Angebot nicht vorschlagen. Eine Aufnahme kann erfolgen, wenn der/die Teilnehmer/in gruppenfähig oder zumindest bedingt gruppenfähig ist. Auch für suchtmittelgefährdete und -abhängige Jugendliche bzw. Heranwachsende ist die Sozialpädagogisch betreute Arbeitsweisung geeignet, sofern arbeitsschutzrelevante Bestimmungen Beachtung finden. Nicht geeignet ist die Sozialpädagogisch betreute Arbeitsweisung in der Regel für Jugendliche und Heranwachsende, die aufgrund einer erheblichen psychischen Störung eine therapeutische Behandlung benötigen. Für junge Menschen, die nicht der deutschen Sprache mächtig sind, ist ein besonderer Rahmen erforderlich. Nach erfolgter Verurteilung durch das Jugendgericht erfolgt zeitnah die Aufnahme in die Gruppe. Allgemeine Zielsetzungen zur Förderung der gesellschaftlichen Integration Vermeidung freiheitsentziehender Rechtsfolgen Auseinandersetzung mit delinquentem Verhalten Förderung der Persönlichkeitsentwicklung, der Gruppenfähigkeit und des Sozialverhaltens Förderung der schulischen und beruflichen Entwicklung Förderung der Verselbstständigung und Alltagsbewältigung Förderung der Freizeitgestaltung II. Betreuungsverlauf Förderplanung Einer/eine der Betreuer/innen führt eine anamnestische Erhebung zur Biographie des/der Jugendlichen bzw. Heranwachsenden durch und entwickelt hiervon ausgehend Arbeitshypothesen. Zum Beginn der Betreuung wird gemeinsam mit dem/der Jugendlichen bzw. Heranwachsenden ein Förder- bzw. Hilfeplan erstellt. Dieser wird regelmäßig überprüft. Die Aufgaben werden dabei konkretisiert. Während der Betreuungszeit erfolgen Gespräche mit dem/der Jugendlichen bzw. Heranwachsenden, in denen der bisherige Betreuungsverlauf erörtert wird. Der Sozialpädagogisch betreute Arbeitsweisung endet mit einem Abschlussgespräch, bei dem ein gemeinsames Fazit gezogen wird. Methodik 18 Gruppenarbeit Die handlungsorientierte Gruppenarbeit enthält arbeitswelt- und erlebnisorientierte, informierende und konfliktlösende Elemente. Sinn und Zweck der Tätigkeiten müssen für die Teilnehmenden nachvollziehbar sein. Zur Förderung der Gruppendynamik können zusätzlich Tages- oder Mehrtagesveranstaltungen angeboten werden. Die methodische Ausgestaltung orientiert sich an den Bedürfnissen und Interessen der Teilnehmer/innen und bezieht Gruppenstrukturen und –zusammensetzung ein. Einzelbetreuung Sofern individuelle Problemlagen des/der Jugendlichen bzw. Heranwachsenden es erfordern, findet eine persönliche Betreuung statt. Hierzu gehören z.B. die Begleitung und Unterstützung bei Kontakten mit Behörden, Einleitung von weitergehenden Hilfen, Elterngespräche und Einzelgespräche. Diese Hilfsform dient auch der Verstärkung und Umsetzung von Lernerfahrungen im Gruppenprozess. Betreuungsinhalte3 Auseinandersetzung mit delinquentem Verhalten Die Auseinandersetzung mit delinquentem Verhalten nimmt einen wichtigen Stellenwert in der Gruppenarbeit ein. Gemeint ist hier vor allem die Erörterung und Relativierung problematischer Einstellungen und Verhaltensweisen. Förderung der Sozialverhaltens Persönlichkeitsentwicklung, der 3 und des Aufbau und Entwicklung tragfähiger Beziehungen zwischen dem/der Betreuer/in und dem/der Jugendlichen bzw. Heranwachsenden und im Gruppenprozess Planung, Strukturierung und Reflexion der Gruppenarbeit unter Beteiligung der Teilnehmer/innen Förderung und Reflexion von Beziehungen innerhalb der Gruppe Förderung der Konfliktschlichtung innerhalb der Gruppe Förderung problemanalysierender und -lösender Handlungskompetenzen Förderung von Eigenverantwortlichkeit und Verantwortungsübernahme in sozialen Beziehungen Förderung von Toleranz und Respekt Förderung eines angemessenen Umgangs mit Gefühlen Vermittlung von Erfolgserlebnissen und Bestätigung von Leistungen Gesundheitsförderung Aufbau von Therapiemotivation bei Suchtgefährdeten und Abhängigen Förderung der schulischen und beruflichen Entwicklung Gruppenfähigkeit Erörterung schulischer und beruflicher Erfahrungen in der Gruppe und mit den Betreuer/innen Erörterung, Entwicklung und Planung schulischer und beruflicher Perspektiven Beispielhafte, nicht abgeschlossene Aufzählung 19 Erfahren und Erlernen von Arbeitszusammenhängen und arbeitweltrelevanten Anforderungen Erlernen und Erfahren von bestehenden Regeln der Arbeitswelt (Kontinuität, Pünktlichkeit etc.) Kennenlernen und Erproben verschiedenster Tätigkeitsbereiche Kennenlernen und Erproben unterschiedlichster Planungsabläufe und Arbeitsprozesse Verantwortungsbewusster Umgang mit Werkzeug und Material Bewerbungstraining, Erstellen von Bewerbungsunterlagen, Sichten von Stellenausschreibungen Aufsuchen des Berufsinformationszentrums bzw. der Agentur für Arbeit und Zusammenarbeit mit anderen arbeitsvermittelnden und –beratenden Institutionen. Förderung der Verselbstständigung und Alltagsbewältigung Erörterung von Lebensplanentwürfen Unterstützung bei der Sicherung materieller bzw. finanzieller Ressourcen zum Lebensunterhalt Unterstützung bei der Haushaltsplanung Unterstützung bei der Schuldenregulierung Erlernen des Umgangs mit Ämtern und Institutionen Vermittlung lebenspraktischer Fertigkeiten Förderung der Freizeitgestaltung Erlernen des Umgangs mit modernen Medien Unterstützung bei der Kontaktaufnahme zu Jugendeinrichtungen Ermutigung und Motivierung zur Kontaktaufnahme mit Sportvereinen Besuch von Kino-, Theater-, Konzertveranstaltungen Kennenlernen weiterer freizeitgestaltender Möglichkeiten Nachbetreuung Es besteht die Möglichkeit, im Anschluss an die Weisung freiwillig an den jeweiligen Angeboten teilzunehmen. Dies wird seitens der Einrichtung ausdrücklich gefördert. Sofern über die Betreuung hinausgehende Unterstützung notwendig ist, werden die Jugendlichen bzw. Heranwachsenden darüber informiert, bei welchen Einrichtungen sie diese erhalten können. III. Vernetzung und Kooperation Fachdiensten und Institutionen mit anderen Die Betreuer/innen beziehen die Einrichtungen der regionalen Sozialinfrastruktur und der Arbeitsverwaltung in ihre Arbeit ein. 20 Insbesondere mit den am Jugendstrafverfahren beteiligten Institutionen ist eine enge Kooperation notwendig. Sie werden beispielsweise bei Beginn, Abschluss oder Abbruch der Betreuung unverzüglich in Kenntnis gesetzt. Berichte über die Betreuten an das Jugendgericht, die JGH oder das Jugendamt werden ausschließlich mit Einverständnis des/der Betroffenen erstellt. Bei einer erneuten Gerichtsverhandlung oder Anhörung wird der/die Jugendliche oder Heranwachsende auf Wunsch begleitet. Die Einrichtung stellt ihre Arbeit in Schulen, Behörden und anderen Einrichtungen vor. Die Mitarbeiter/innen nehmen an den regionalen Arbeitsgruppen sowie an Veranstaltungen der "Landesarbeitgemeinschaft Niedersachsen für ambulante Angebote nach dem Jugendrecht e.V." und der "Bundesarbeitgemeinschaft für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendrecht in der DVJJ" teil. IV. Ausgestaltung des Angebots Betreuungsschlüssel Die Anzahl der Teilnehmenden pro Gruppe beträgt in der Regel mindestens drei und höchstens zehn. Die Teilnehmerzahl ist jedoch auch unmittelbar abhängig vom Arbeitsangebot. Eine Gruppe wird von mindestens zwei Betreuern/innen geleitet, dabei sind zweigeschlechtlich besetzte Teams sinnvoll. Pro vollzeitbeschäftigter hauptamtlich tätiger pädagogischer Fachkraft ist eine Anzahl von zehn zeitlich parallel teilnehmenden Jugendlichen bzw. Heranwachsenden nicht zu überschreiten. Mitarbeiterqualifikation Die hauptamtlichen Betreuer/innen sind staatlich anerkannte DiplomSozialpädagogen/innen oder Diplom-Sozialarbeiter/innen sowie DiplomPädagogen/innen und andere Personen mit einer abgeschlossenen akademischen pädagogischen Ausbildung. Als zweite Kraft in der Gruppe können auch Honorarkräfte eingesetzt werden, sofern Sie über pädagogische und handwerkliche Fähigkeiten verfügen. Betreuungsumfang Der Umfang beträgt in der Regel 50 Stunden. Er wird durch das Urteil des Jugendgerichts festgelegt. Das Angebot findet ein- bis zweimal pro Woche oder als Block über mehrere Tage statt. Eine freiwillige Fortsetzung der Teilnahme oder eine erneute Teilnahme aufgrund einer weiteren Verurteilung ist möglich. 21 Räumlichkeiten Für die Gruppenarbeit, die Einzelbetreuung und die Verwaltungstätigkeiten müssen den Mitarbeiter/innen geeignete Räumlichkeiten und ggf. Werkstätten zur Verfügung stehen. In ländlichen Regionen sind erreichbare Anlaufstellen einzurichten. Mobilität Um das Betreuungsangebot durchzuführen und die Inhalte der Maßnahme umzusetzen, muss die Mobilität der Mitarbeiter/innen gewährleistet sein. Sicherstellung der Erreichbarkeit ausgewiesene Sprechzeiten zeitgemäße Kommunikationsmittel V. Qualitätsentwicklung Konzeption Die Konzeption wird aktualisiert. Besondere Berücksichtigung finden die Ergebnisse der Selbstevaluation. Ferner werden neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Jugendstrafrechtspflege bzw. Jugendhilfe einbezogen. Dasselbe gilt für den fachlichen Austausch mit den Kooperationspartnern sowie für den Diskurs in den verschiedenen Fachverbänden. Team wöchentlich stattfindende Teamsitzungen (protokolliert) regelmäßige kollegiale Fallberatung sowie Team- bzw. Fallsupervision Fort- und Weiterbildung Betreuungsangebot statistische Erfassung und Auswertung der Teilnehmerdaten (zum Beispiel Anzahl der Weisungen, Teilnahmezeiten, Art der Straftaten, Anzahl der jeweiligen strafrechtlichen Vorbelastungen, Mehrfachsanktionen, nicht erfüllte Weisungen, freiwillige Teilnahme) Dokumentation und Auswertung der Betreuungsverläufe Zielkontrolle Erstellung eines Jahresberichts Kooperation Bei regelmäßigen Arbeitstreffen wird die Zusammenarbeit zwischen den am Jugendstrafverfahren beteiligten Institutionen und anderen Kooperationspartnern erörtert und ggf. verbessert. 22 Täter-Opfer-Ausgleich Definition des Angebots Der Täter-Opfer-Ausgleich ist ein Angebot an Beschuldigte und Geschädigte, die Straftat und ihre Folgen mit Hilfe eines neutralen Vermittlers eigenverantwortlich zu bearbeiten. Den Konfliktbeteiligten wird die Möglichkeit gegeben, in der persönlichen Begegnung die zugrunde liegenden und/oder entstandenen Konflikte zu bereinigen und den Schaden zu regulieren. Voraussetzungen für einen TOA Die Voraussetzungen für einen TOA ergeben sich zum einen aus der Funktion des Angebots selbst, zum anderen aus gesetzlich gegebenen Rahmenbedingungen. Eine Ausweitung sozialer Kontrolle muss ebenso vermieden werden wie eine sekundäre Viktimisierung des Geschädigten. Die notwendigen Voraussetzungen für den Versuch eines TOA sind: • Freiwilligkeit der Teilnahme: Ein Ausgleich unter Zwang ist nicht möglich. Konfliktschlichtung basiert auf der Bereitschaft aller Beteiligten, sich zumindest teilweise auf die Argumente des/der anderen einzulassen. Dies kann z.B. durch Anschreiben, in denen deutlich auf die Freiwilligkeit des TOA hingewiesen wird, Hinweise auf die Freiwilligkeit im Vorgespräch, Erläuterung alternativer Möglichkeiten zum TOA umgesetzt werden. • Gewährleistung rechtsstaatlicher Garantien, wie Gleichheitsgrundsatz, Datenschutz, Unschuldsvermutung; • Verzicht auf TOA-Ergebnisvorgaben durch die Justiz (Strafäquivalente): Der TOA soll den betroffenen Geschädigten und Beschuldigten die Möglichkeit geben, aktiv und eigenverantwortlich an der Regulierung der Tatfolgen teilzuhaben. Sie entscheiden über Angemessenheit und Gerechtigkeit; • kostenfreie Teilnahme am TOA für alle Beteiligten; • Möglichkeit zum TOA auch für ausländische Geschädigte und Beschuldigte, z.B. durch fremdsprachige Informationsblätter und Kooperation mit Dolmetschern. Falleignungs- und Fallzuweisungskriterien Falleignungskriterien beziehen sich auf die Durchführbarkeit des TOA aus methodischer Sicht. Hierbei spielen Deliktschwere und strafrechtliche Vorbelastungen des Beschuldigten keine Rolle. 23 Klare Fallzuweisungskriterien schaffen die Basis für konstruktive Diskussionen mit Mitarbeitern der Justizbehörden und darauf aufbauende Überzeugungsarbeit. • Vorliegen eines klaren Sachverhalts bzw. Einräumen der schädigenden Handlung durch den Beschuldigten: (wegen Unschuldsvermutung) Ein volles Geständnis (im juristischen Sinne) ist nicht notwendig. Ein Einräumen der Schädigung (inklusive einer Mitschuld des anderen, bzw. einer gemeinsamen Eskalation des Konflikts durch beide Seiten) reicht aus; • Vorhandensein eines persönlich Geschädigten: TOA ist (im Gegensatz zur Schadenswiedergutmachung) mit Institutionen, in denen kein persönlich betroffener Ansprechpartner vorhanden ist, nicht möglich; •Zustimmung der betroffenen Geschädigten und Beschuldigten zu einem Ausgleichsversuch; •Zurückweisung von justiziell zugewiesenen Bagatelldelikten, (d.h. Delikte, die auch ohne einen TOA von der Staatsanwaltschaft folgenlos eingestellt würden); •keine Zurückweisung von "Selbstmeldern", d.h. Personen, die sich direkt an die Ausgleichsstelle wenden und eine Konfliktschlichtung wünschen; • TOA ersetzt keine Therapie und kann bestenfalls ein flankierendes Angebot sein. Qualitätskriterien Die Qualität eines TOA zeigt sich sowohl an der Zufriedenheit der Konfliktparteien, als auch an der Akzeptanz der Kooperationspartner. Es geht um Konflikte von Menschen, somit stehen auch deren Anliegen und Interessen im Vordergrund. Sie sollen fair und eigenverantwortlich ein ihnen angemessen erscheinendes Ergebnis aushandeln können. Qualitativ gute Vermittlungstätigkeit misst sich allerdings nicht nur am Zustandekommen eines Ausgleichs. Bereits die Klärungshilfe, ob der TOA für die Betroffenen die geeignete Umgehensweise mit dem Vorfall oder Konflikt ist, kann gelungene Konfliktberatung sein. Folgende Aspekte sind wichtig: • einvernehmliche Regelung zwischen Beschuldigten und Geschädigten: • beide Seiten sehen ihre Anliegen berücksichtigt (win/win-Lösung); • Reduzierung von Konfliktfolgen und Folgekonflikten; • Gewährleistung der Autonomie der Konfliktparteien; • bei TOA im Rahmen des Strafverfahrens: Berücksichtigung des TOA durch die Justiz (Rahmen des § 46 a StGB; im Jugendbereich: bei Diversionsprojekten: Einstellung des Verfahrens, ansonsten zumindest Strafminderung); • Erfüllung der vereinbarten Regelung. . 24 Gesetzliche Grundlagen des Täter-OpferAusgleichs bei Jugendlichen und Heranwachsenden Jugendliche: § 45 Abs. 2 JGG (Absehen von der Verfolgung) Der Staatsanwalt sieht von der Verfolgung ab, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits durchgeführt oder eingeleitet ist und er weder eine Beteiligung des Richters nach Absatz 3 noch die Erhebung der Anklage für erforderlich hält. Einer erzieherischen Maßnahme steht das Bemühen des Jugendlichen gleich, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen. § 45 Abs. 3 Einstellung des Verfahrens nach Weisungen oder Auflagen durch den Richter § 47 Abs. 1 Nr. 2 JGG Einstellung des Verfahrens durch den Richter nach Anklage Ist die Anklage eingereicht, so kann der Richter das Verfahren einstellen, wenn eine erzieherische Maßnahme im Sinne des § 45 Abs. 2, die eine Entscheidung durch Urteil entbehrlich macht, bereits durchgeführt oder eingeleitet ist Der Richter kann dem Jugendlichen/Heranwachsenden auch eine Weisung auferlegen, sich um einen Ausgleich mit dem Verletzten zu bemühen (§ 10 Abs. 1 3 Nr. 7 JGG). § 10 Weisungen Abs. 1 Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Der Richter kann dem Jugendlichen insbesondere auferlegen, sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-OpferAusgleich). Heranwachsende: Bei Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende (§ 105 JGG) sind die für die Jugendlichen geltenden Vorschriften auch bei Heranwachsenden anwendbar (§ 109); TOA ist also auch bei Heranwachsenden durch Diversion möglich. Ausgleichsgespräch Im Mittelpunkt des Täter-Opfer-Ausgleichs steht die Tataufarbeitung und Konfliktregelung zwischen den Konfliktparteien im gemeinsamen Gespräch. Dieses bietet den Beteiligten die Chance, eine für sie befriedigende und angemessene Lösung zu finden. Eine umfassende Klärung des Konflikts ist nur in der persönlichen Begegnung zwischen den Beteiligten möglich. 25 Folgende Aspekte sind zu definieren: • Schaffen eines Rahmens, in dem eine faire Auseinandersetzung möglich ist, z.B. Sitzordnung, Regeln, Kommunikation, Transparenz; • Gewährleisten von Freiwilligkeit: Freiraum für Entscheidungsfindung, Abbruchmöglichkeiten, Erörterung von Alternativen; • Fördern von Eigenverantwortung: ausreichende Information, Möglichkeit der Rechtsberatung durch Anwälte, Bestimmen der Inhalte und Ergebnisse durch die Konfliktparteien; • Ausbalancieren von Ungleichgewichten im Verhältnis zwischen den Konfliktparteien (Anzahl, Macht,Fähigkeiten) z. B. mit Hilfe von Ko-Mediation; • Vermeidung von Viktimisierung und Stigmatisierung; • Strukturieren des Ausgleichsgespräches ist Aufgabe des Vermittlers. Konfliktregelung durchläuft mehrere Phasen. Hilfreich ist folgende Struktur: 1. Klärung der Gesprächsvoraussetzungen 2. Darstellung der subjektiven Sichtweisen 3. Tatauseinandersetzung und emotionale Tataufarbeitung 4. Lösungsmöglichkeiten sammeln und verhandeln 5. Ergebnisse festhalten (Vereinbarung) Vereinbarung Am Ende eines erfolgreichen TOA treffen Geschädigten und Beschuldigte eine Vereinbarung über die Ergebnisse der Konfliktregelung. Die Vereinbarung kann in mündlicher und schriftlicher Form erfolgen. Der Vermittler ist verantwortlich für die Form der Vereinbarung. Zivilrechtliche Absicherung, Eindeutigkeit und Vollständigkeit schützen vor Folgekonflikten. Folgende Aspekte sind zu definieren: • konkrete Beschlüsse fassen und eindeutig formulieren; • klare Trennung von strittigen und unstrittigen Inhalten (teilweise Einigung; noch ausstehende Forderungen Dritter); • weitergehende Ansprüche, z.B. unabsehbare Folgeschäden, berücksichtigen; • bei hohen Schadenssummen sowie absehbaren Folgeschäden unbedingt juristische Beratung der Betroffenen anregen, Vertrag schriftlich fixieren; • juristisch abgesicherte Vertragsform verwenden; • Zahlungsmodus festschreiben; • Umsetzbarkeit gewährleisten, z.B. angemessene Raten, Nutzung eines Opferfonds; • bei Minderjährigen die Zustimmung der Erziehungsberechtigten sicherstellen; • Bedenkzeit einräumen; • keine Zustimmung zu Abkommen geben, die gegen die Menschenrechte verstoßen oder sittenwidrig sind; • Einhaltung der Vereinbarung kontrollieren, Information über Folgen bei Nichteinhaltung; • Tilgung durch Ratenzahlung oder Ableistung gemeinnütziger Arbeit. 26 Praxisreflexion Ein Vermittler muss mit kontroversen Interessen und Gefühlen umgehen. Wichtig ist, dass er sein eigenes Handeln reflektiert. Praxisreflexion soll den Erfahrungsaustausch mit Vermittlern anderer Einrichtungen einschließen. Gerade die Auseinandersetzung mit anderen Vermittlern kann dabei helfen, eigene Verhaltensorientierungen zu hinterfragen und das Handlungsrepertoire zu erweitern. Praxisreflexion umfasst neben Möglichkeiten der Selbstreflexion Formen der kollegialen Beratung und Supervision. Folgende Elemente der Praxisreflexion sind zu definieren: • Führung und regelmäßige Auswertung einer aussagekräftigen Fallstatistik, z.B. durch Beteiligung an der bundesweiten TOA-Statistik und dem Auswertungsdienst der TOA-Forschungsgruppe; • Supervision, z.B. bei schwierigen Fallkonstellationen, Widerständen von Klienten, Schwierigkeiten mit der Vermittlerrolle oder Problemen mit Kooperationspartnern; • regelmäßige Reflexion der eigenen Fallarbeit z.B. mit anderen Vermittlern, durch Mitarbeit in Landes- bzw. Regionalgruppen, durch Intervision in Kleingruppen, Supervision etc.; • wechselseitige Hospitation und gemeinsame Auswertung von Vermittlungsgesprächen; • Nutzung von weiteren Feedback-Möglichkeiten, z.B. durch nachträgliche Befragung von Geschädigten und Beschuldigten zu ihrer Zufriedenheit mit dem Vermittlungsergebnis. Seesen, den 28. März 2006 27