Aufwärmen - überflüssig oder sinnvoll? Schaut man sich Trainingseinheiten oder Spiele im Kinder- und Jugendfußball in verschiedenen Alters- und Leistungsklassen an, so muss man feststellen, dass das Aufwärmen selten altersgemäß und entsprechend den folgenden Anforderungen von Training, bzw. Spiel durchgeführt wird. Dabei gilt es aus Trainersicht gerade in den verschiedenen Altersstufen unterschiedliche physiologische, psychologische sowie pädagogische Aspekte auch schon in der Erwärmungsphase zu beachten. Hier finden Sie praktische Anregungen für abwechslungsreiche und sinnvolle Aufwärmprogramme in den verschiedenen Altersstufen des Kinder - und Jugendtrainings (Grundlagen-, Aufbau- und Leistungstraining). Die ungenauen Altersangaben basieren dabei im wesentlichen auf Entwicklungsunterschieden hinsichtlich des kalendarischen und biologischen Alters der Kinder, bzw. Jugendlichen sowie auf geschlechtsspezifischen Unterschieden, da bekanntermaßen die Pubertät bei den Mädchen eher einsetzt. Dieser Umstand muß in der Praxis Berücksichtigung finden! Bevor wir uns jedoch in der heutigen Ausgabe mit dem Aufwärmen im Grundlagentraining befassen, wollen wir zur besseren Einführung in die Thematik die allgemeingültigen Funktionen und Wirkungen des Aufwärmens auf die unterschiedlichen Organsysteme, also unabhängig von Alter und Leistungsklasse, in einer Übersicht kurz darstellen (aus: Freiwald, "Aufwärmen Fußball", rororo, 1994): Anstieg der Herzfrequenz Regulation des Blutdrucks Regulation des Gefätonus im Zusammenspiel mit hormonellen Einflussgrößen Erhöhung der Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxidabgabe durch die Erhöhung von Atemminutenvolumen und Herzminutenvolumen Steigerung der (Muskel-)Durchblutung durch Öffnung der Kapillaren (kleinste Blutgefäße) Engstellung der Gefäße in der nicht an der Arbeit beteiligten Muskulatur und den Organen (z.B. Magen-DarmTrakt ; Sexualorgane) Verbesserte Energie- und Sauerstoffversorgung (Erhöhung der Stoffwechselkapazität) Vermehrte Ausschüttung von bestimmten, für die Leistungsfähigkeit wichtigen Hormone (u.a. Glukagon, Wachstumshormone, Adrenaline u.a.) Muskulatur: Erhöhung der Muskel- und Körperkerntemperatur Steigerung der (Muskel-)Durchblutung durch Öffnung der Kapillare Intensivierung des Stoffwechsels durch eine verbesserte Versorgung der Muskulatur mit Sauerstoff und Nährstoffen Verminderung elastischer und visköser Widerstände in der Muskulatur durch die erzielte Temperaturerhöhung Erhöhte Kontraktionsgeschwindigkeit Sensibilisierung der Muskelspindelaktivitäten Optimierung des muskulären Tonus (Spannungszustand der Muskulatur) Verringerte Verletzungsanfälligkeit Kapsel-, Band-, Sehnen-, Knorpelsystem: Vorbereitung der Kapseln, Bänder und Sehnen auf mechanische Belastung Verdickung des gelenküberziehenden Knorpels; einwirkende Kräfte werden auf eine größere Auflagefläche verteilt und durch die zunehmende Elastizität (Wasserbindung) abgepuffert Verbesserte Ernährungs- und Belastungsbedingungen werden geschaffen Nervöses System: Mit steigender Körpertemperatur laufen alle nervösen Vorgänge schneller ab (Wahrnehmungs- und Weiterleitungsgeschwindigkeit) Verbesserung des koordinativen Leistungsvermögens (Reaktivierung des Lernsystems); der Sportler "lernt leichter" Erhöhung der Reaktionsfähigkeit Verbesserte Koordination Das Aufwärmen im Grundlagentraining: (Bambinis / Mini-F / F / E-Junioren) Das Aufwärmen (warm up) vor und das Abwärmen (cool down) nach dem Training / Spiel gehören im heutigen Seniorenfußball aus trainingswissenschaftlichen Gründen zum Pflicht-programm eines jeden Spielers, um ihn auf die bevorstehenden psychophysischen Belastungen optimal vorzubereiten, Verletzungen des aktiven und passiven Bewegungsapparates vorzubeugen, sowie eine gezielte Regeneration in der Nachbelastungsphase einzuleiten. Hierbei gilt vereinfacht ausgedrückt folgende Faustformel: "Je höher die physischen und psychischen Anforderungen im folgenden Training oder Wettkampf, desto intensiver, spezifischer und individueller muß die Aufwärmphase sein!" Wie aber sieht es bei Kindern zwischen dem 6. und 10. Lebensjahr, also dem sogenannten Grundlagenalter, aus? Gelten hier die gleichen Bedingungen wie im Seniorenbereich oder kommen hier andere Dinge zum Tragen? Das Fußball spielende Kind unterliegt aufgrund seines entwicklungsbedingten Unterschieds veränderten physiologischen und psychologischen Gesetzmäßigkeiten gegenüber dem Erwachsenen. Aus diesem Grunde sind die Inhalte, Intensitäten sowie die dazugehörigen Methoden des Erwachsenentrainings auch nicht 1 : 1 auf das Kindertraining zu übertragen! Dies gilt natürlich auch für das Aufwärmen vor einem Training oder Spiel und muß dementsprechend vom Trainer berücksichtigt werden. Das Kind dieser Altersstufe zeichnet sich durch einen sehr starken, natürlichen Bewegungsdrang aus, was gehirnphysiologisch mit dem hohen Dopaminanteil zu erklären ist. Zudem ist bis zu einem Alter von ca. 9 - 10 Jahren von einer hohen Flexibilität von Muskeln und Gelenken auszugehen, während erst mit Einsetzen der Pubertät deren Beweglichkeit ohne spezielles Training wieder abnimmt! Konsequenterweise ergibt sich für das Aufwärmen in den Altersgruppen "Bambinis", "Super - Minis", "Mini - F", "F Junioren" sowie einschließlich bis ca. Ende der "E - Junioren" lediglich sekundär die Notwendigkeit eines Aufwärmprogramms im Sinne einer Verletzungsprophylaxe mit für die Kinder eher demotivierenden Stretchingübungen oder dem klassischen "Einlaufen" ohne Ball! Primär bestimmen in diesen Altersklassen motivationale Gesichtspunkte wie eine freudvolle Einstimmung auf das Training zu Beispiel mit Hilfe von kleinen Ball-, "Rauf- und Tummelspielen" etc. die Erwärmungsphase. (vgl. Reihe "Spiel des Monats") Zwei wesentliche Aspekte in der Aufwärmphase dieser Altersgruppen sollten dabei inhaltlich allerdings berücksichtigt werden: zum einen spricht in diesen Altersstufen der Organismus besonders gut auf die Schulung technischer bzw. koordinativer Elemente an. Diese Technikelemente sollten deswegen immer wieder in spielerischer Form in das Aufwärmprogramm integriert werden und zum anderen sollte dem heranwachsenden Spieler aus pädagogischen Gründen (Verhaltens- und Charakterschulung!) mit zunehmendem Alter klar werden, daß das Aufwärmen - in welcher Form auch immer - ein fester Bestandteil vor dem Training und dem Spiel ist! Aus psychologischer Sicht ist es wichtig, die Kinder in ihren Bemühungen bei den für sie zum Teil noch schwierigen technischen Basisübungen wie den Ball passen, stoppen und führen immer wieder durch entsprechendes Loben Mut zuzusprechen und damit zum ständigen Üben trotz sich ergebender Widerstände oder Enttäuschungen zu ermuntern. Kleine Rauf- und Tummelspiele (s.o.) in der Aufwärmphase mit oder ohne Wettkampfcharakter, z.Bsp. in Form von kleinen Staffelwettbewerben etc., erfüllen hierbei zudem eine wichtige soziale Funktion, da sie von Anfang an in spielerischer Form quasi in Ergänzung zur Ausbildung der individuellen technischen Fertigkeiten am Ball - den Mannschaftscharakter der Sportart Fußball den Kindern näher bringt. So lernen die Kinder frühzeitig in der Gruppe den für ihre weitere Entwicklung so wichtigen Umgang mit Mißerfolgserlebnissen, die bekanntermaßen zum Sport dazu gehören. Somit kommt gerade den Trainern und Betreuern dieser Altersklassen, was die methodisch - didaktische Arbeit, sowie die pädagogische und psychologische Betreuung der Kinder angeht, eine wesentliche Verantwortung zu, um hoffnungsvollen Talenten frühzeitig einen Erfolg versprechenden Weg zu bahnen! Aufwärmen - Überflüssig oder sinnvoll (Teil2) Überflüssige Pflichtaufgabe oder sinnvoller Bestandteil von Training und Wettkampf? Im Teil 1 haben wir uns mit den allgemeinen Prinzipien des Aufwärmens sowie mit dem Aufwärmen im Grundlagenalter unter verschiedenen Gesichtspunkten beschäftigt. Nun geht es um die Besonderheiten des Aufwärmens im D- und C- Juniorenbereich, also dem Alter des Aufbautrainings. Das Aufwärmen im Aufbautraining (D- / C- Junioren): Das Aufbautrainingsalter kann in vielerlei Hinsicht als Übergangsphase bezeichnet werden, was auch Konsequenzen für das Aufwärmen der Heranwachsenden haben muß! So können die im Grundlagenalter erlernten und in der Grob- und Feinform beherrschten elementaren individuellen Techniken (den Ball passen, an- und mitnehmen, dribbeln und fintieren) in der sensiblen Phase des "Goldenen Lernalters" ca. zwischen dem 10. und 12. Lebensjahr nochmals einem "Feinschliff" unterzogen werden. Basisbewegungen im Aufwärmprogramm Die fußballspezifischen Basistechniken erreichen in diesem Alter allmählich die Stufe der Feinstkoordination, so daß die entsprechenden Bewegungen "automatisiert" werden. D.h. das Fußball spielende, heranwachsende Kind macht unbewußt die verlangten Techniken auch in schwierigen, unvorhersehbaren Situationen richtig und muß nicht mehr bewußt über die Art und Weise der Technikausführung nachdenken. Dieser für das motorische Lernen wichtigen sensiblen Phase des "Goldenen Lernalters" sollte der Trainer vor allem auch beim Training und vor dem Spiel in der Form Beachtung schenken, daß er die fußballspezifischen Basistechniken in die Aufwärmphase regelmäßig integriert. Hierzu eignen sich besonders gut die Organisationsformen und Techniken des "Großgruppentrainings" (vgl. P. Schreiner - Ausgaben 5/98, 6/98, 7/98, 8/98, 9/98 und Video "Erfolgreich Dribbeln", Teil 1). Basisbewegungen im Aufwärmprogramm haben den Vorteil, daß die Heranwachsenden von Anfang an mit Spaß bei der Sache sind, weil der Ball "im Spiel" ist. Zum anderen ist dies eine schöne Möglichkeit der Trainingseinführung, wenn im anschließenden Hauptteil des Trainings anspruchsvollere Techniken in verschiedenen Varianten oder / und mit höherem Zeit- und Gegnerdruck geübt werden sollen. Taktische Grundgedanken im Aufwärmen Des weiteren erfährt die im Grundlagenalter erfolgte Vermittlung des wesentlichen taktischen Grundgedankens des großen Spiels Fußball: "Tore verhindern und Tore erzielen" in der Übergangsphase des Aufbautrainings einige wichtige Ergänzungen individual- und mannschaftstaktischer Art. So bilden das individualtaktische Angriffs- und Abwehrverhalten sowie die Grundlagen des fußballspezifischen mannschaftstaktischen Verhaltens eine zentrale Rolle in den entsprechenden Ausbildungsabschnitten des Aufbautrainings. Das Aufwärmprogramm sollte auch in dieser Hinsicht Rücksicht auf die im Hauptteil einzuübenden Trainingsschwerpunkte nehmen und mit entsprechenden hinführenden Übungsformen gestaltet werden. So können die taktischen Basiselemente wie das "Übergeben und Übernehmen des Balles", das "Hinterlaufen des Mitspielers" oder das "Kreuzen mit dem Mitspieler" in einfachen Partner- bzw. Kleingruppenübungen schon während des Aufwärmens in lockerem Lauftempo einstudiert werden, um die im Fußball typischen Ball- und Laufwege zu erlernen und zu festigen. Entwicklungsbedingte Unterschiede Ein weiterer, für die Übergangsphase des Aufbautrainings wesentlicher Aspekt, ist das individuell zeitlich unterschiedliche Einsetzen der Pubertät der Heranwachsenden. Es gilt hierbei sowohl den geschlechtsspezifischen Unterschied, also den zwischen Jungen und Mädchen, also auch den Unterschied bzgl. des biologischen und kalendarischen Alters innerhalb eines Geschlechts zu beachten! Diese unterschiedliche physische wie psychische Entwicklung der Heranwachsenden verlangt von dem Trainer viel Einfühlungs- und Differenzierungsvermögen, da die zuvor eher bzgl. ihrer körperlich-seelischen Entwicklung homogene Mannschaft in der Übergangsphase des Aufbautrainings zunehmend heterogener und erst nach Abschluß der pubertären Entwicklung im B- bzw. A- Juniorenalter durch physische und psychische "Angleichungsprozesse" wieder homogener wird! So hat das Einsetzen der Pubertät mit den damit verbundenen psycho-physischen Veränderungen für die Trainingspraxis und somit auch für das Aufwärmen in erster Linie zwei Konsequenzen: Zum einen kann der Trainer durch die zunehmende geistig-seelische Reife der Heranwachsenden seinen Coaching- bzw. Führungsstil in der Form ändern, daß er nach und nach immer mehr Verantwortung und Selbständigkeit schon im Aufwärmprogramm von den Spielern bzw. Spielerinnen verlangt, da sie nunmehr auch in der Lage sind, mit diesen neuen Anforderungen eigenständig und verantwortungsbewußt umzugehen. Zum anderen muß der Trainer die zunehmenden physischen Veränderungen berücksichtigen. Bedingt durch das Einsetzen der Pubertät kommt es nämlich vermehrt zur Bildung des Wachstumshormons STH sowie, vor allem bei den Jungen, des männlichen Sexualhormons Testosteron. Dies führt zu einem verstärkten Knochen- und Muskelwachstum, wodurch sich die Hebel- und damit auch die Kraftverhältnisse am Muskel- und Skelettsystem der Heranwachsenden immens verändern (Achtung: =hohe Belastungen für die Knorpelwachstumszonen der langen Röhrenknochen ® bei Problemen unbedingt den Rat des erfahrenen Orthopäden befolgen, um Langzeitschäden zu vermeiden!). Der Trainer sollte wissen, daß sich dadurch sehr häufig die koordinativen Fähigkeiten sowie die Flexibilität von Muskeln und Gelenken zum Negativen hin verändern, wodurch sich bereits in diesem Alter die Verletzungsgefahr am passiven und aktiven Bewegungsapparat deutlich erhöht! Nicht zuletzt nehmen muskuläre Dysbalancen vor allem im für den Fußballspieler typischen Hüft- und Beckenbereich leider all zu oft ihren Ursprung in dieser Entwicklungsphase. Aus besagten Gründen müssen bereits in diesem Alter fußballspezifische Stretching- und Kräftigungsübungen (vor allem für die Hüft- und Beckenmuskulatur zur frühzeitigen Vermeidung von späteren Rücken- und Adduktorenproblemen) sowie koordinativ anspruchsvolle fußballspezifische Lauf- und Sprungelemente nach und nach in das Aufwärmprogramm integriert und zum festen Bestandteil desselben werden! Selbständiges Aufwärmen Wünschenswert wäre hierbei aus unserer Sicht, daß der vor dem Wechsel in die B- Junioren befindliche C- Jugendliche in der Lage sein sollte, selbständig ein mindestens 20- minütiges Aufwärmprogramm inklusive Stretchingübungen durchzuführen! So können zum Beispiel nach einer gewissen Eingewöhnungsphase einzelne Spieler das Aufwärmprogramm einer Trainingseinheit selbst gestalten und anschließend mit dem Trainer besprechen. Auf diese Weise fördert dieser kooperativ-integrative Führungsstil des Trainers zum einen schon in der Aufwärmphase des Trainings oder Spiels die Selbständigkeit und das Verantwortungsbewußtsein der Spieler, und zum anderen wird den Spielern pädagogisch sinnvoll die Wichtigkeit des Aufwärmens in bezug auf eine gezielte Verletzungsprophylaxe klar gemacht. Während das Aufwärmen im Grundlagenbereich vorwiegend motivationale und grundlegende technisch-taktische Aspekte berücksichtigen sollte, kommt im Aufbautraining mit der Verletzungsvorbeugung durch ein geeignetes Übungsprogramm und entsprechende pädagogische Maßnahmen ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu. Somit erfährt das rein spielerische Aufwärmen des Grundlagentrainings im Aufbautraining aufgrund der sich in der Pubertät gravierend ändernden psycho-physischen Bedingungen der Heranwachsenden eine dringend notwendige Ergänzung, ohne jedoch schon der von Freiwald ("Aufwärmen Fußball", rororo, 1994) geforderten Dreiteilung des Aufwärmens im Erwachsenenalter in: allgemeines / spezielles / individuelles Aufwärmen gerecht werden zu wollen! Inhalte des Aufwärmens im Aufbautrainingsalter: Technische Basisübungen mit variablen Bedingungen und Aufgabenstellungen mit dem Ziel, Bewegungsabläufe zu automatisieren: Z.B. Ball passen / an- und mitnehmen / führen / fintieren" Partner- und Kleingruppenübungen zum Erlernen folgender taktischer Basiselemente sowie ihrer fußballtypischen Ball- und Laufwege: Z.B. Ball übergeben und übernehmen / hinterlaufen des Mitspielers / kreuzen mit dem Mitspieler Dehn- und Kräftigungsübungen a. b. c. der Beinmuskulatur der Hüft- und Beckenmuskulatur der Bauch- und Rückenmuskulatur