Heghmanns Strafrecht für alle Semester Strafverfahren Elektronischer Text zum 11. Kapitel, Rn. 589 Die Häufigkeit von Anklagen und den anderen Klagearten (ET 11-01) 1 2 Im Jahre 2011 erhoben die Staatsanwaltschaften in rund 1,08 Mio. Fällen die öffentliche Klage vor Amts- und Landgerichten1 (gegenüber insgesamt rund 2,67 Mio. Einstellungen mangels Tatverdachts oder aus Opportunitätsgründen2). Beherrschend sind dabei Strafbefehlsantrag und Anklageschrift, während die übrigen Klagearten, die auf Sonderkonstellationen beschränkt sind, deutlich geringere Zahlenanteile aufweisen (s. Tab. 1). Tabelle 1: Häufigkeit von Anklagen, Strafbefehlen und anderen Klagearten im Jahre 20113 Anklagen, 508.026 davon vor dem Amtsgericht 498.210 - Strafrichter - Schöffengericht - Jugendrichter - Jugendschöffengericht und vor dem Landgericht 281.539 27.514 152.227 36.930 9.816 987 - Schwurgericht - Große Strafkammer4 7.183 - Jugendkammer 1.646 Strafbefehlsanträge5 538.739 Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren (§ 407) 19.723 Antrag auf Entscheidung im Sicherungsverfahren (§ 413) 492 Antrag auf Enscheidung im objektiven Verfahren (§ 440) 191 Antrag auf Entscheidung im vereinfachten Jugendverfahren (§ 76 JGG) 11.951 Summe: 3 1.079.122 Die Bedeutung der so schon an der Spitze liegenden Strafbefehlsanträge steigt noch, wenn man sie nur denjenigen Anklagen gegenüberstellt, die vor den allgemeinen Gerichten erhoben wurden. Denn in 1 Die verschwindend geringe Zahl der Anklagen durch die Generalstaatsanwaltschaften (im Jahre 2011 ganze 22 Anklagen) und den Generalbundesanwalt sind zu vernachlässigen. 2 Vgl. dazu näher auf ET 02-02. 3 Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 10 (Rechtspflege), Reihe 2.6 (Staatsanwaltschaften), 2011, S. 26 (z.T. ergänzende eigene Berechnung). 4 Einschließlich Staatsschutz- und Wirtschaftsstrafkammern. 5 Ohne Strafbefehlsanträge nach Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 408a. 1 Die Häufigkeit von Anklagen und den anderen Klagearten 4 Jugendsachen bilden Strafbefehle nur eine Alternative gegenüber Heranwachsenden (und auch das nur, wenn gegen sie keine Sanktion nach dem JGG ergeht); gegen Jugendliche darf dagegen kein Strafbefehl ergehen (§§ 79 I, 109 I, II JGG). Auf der anderen Seite bedeuten die obigen Zahlen nicht, dass auch in 538.739 Fällen Strafbefehle ergehen oder gar rechtskräftig würden. Gelegentlich behandeln die Strafrichter sie gemäß § 408 III 2 als Anklage und beraumen Hauptverhandlung an, etwa wenn ihnen die beantragte Strafe nicht angemessen erscheint. Vielfach legen die Beschuldigten auch Einspruch ein (§ 410) und es wird dann durch Urteil auf Grund einer Hauptverhandlung entschieden, die vom Ablauf her der Hauptverhandlung nach Anklageerhebung weitgehend6 entspricht (§ 411). Wie viele Strafbefehle also im Ergebnis als solche rechtskräftig werden, lässt sich kaum schätzen. 5 Die etwas abweichende Verteilung der Anklagehäufigkeit zwischen den einzelnen Jugendgerichten – zum Jugendschöffengericht wird überproportional häufig angeklagt – beruht auf unterschiedlichen Zuständigkeitszuschnitten. So ist die Jugendkammer nicht allein wegen der Straferwartung zuständig und das Jugendschöffengericht kann dementsprechend auch mehr als vier Jahre (Jugend-)Strafe verhängen, was dem allgemeinen Schöffengericht verwehrt wäre (§ 24 II GVG, §§ 39-41 JGG). 6 Unterschiede ergeben sich bei Nichterscheinen des Angeklagten (§ 411 I 1) und im Beweisrecht. Insbesondere existiert faktisch kein Beweisantragsrecht (§ 411 II 2 i.V.m. § 420 IV). 2